OLG München, Az.: 10 U 1073/16, Urteil vom 09.09.2016
Leitsatz: Bei einem Totalschaden ist im Falle fiktiver Schadensabrechnung für die Berechnung des Wiederbeschaffungsaufwands des unfallbeschädigten und vom Geschädigten weiter genutzten Fahrzeugs vom Wiederbeschaffungswert der im Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert und nicht ein vom Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers vorgelegtes konkretes Restwertangebot in Abzug zu bringen (Anschluss an BGHZ 171, 287 = BeckRS 2007, 05556 Rn. 10).
1. Auf die Berufung der Klägerin vom 08.03.2016 wird das Endurteil des LG München I vom 29.01.2016 (Az.: 17 O 13683/15) abgeändert und wie folgt neugefasst:
I.
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin samtverbindlich 3.008,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.07.2015 sowie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 310,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.09.2015 zu bezahlen.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Von den Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) tragen die Klägerin 65% und die Beklagten samtverbindlich 35%.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 71% und die Beklagten samtverbindlich 29%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B. I. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung (des Klägers) hat in der Sache teilweise Erfolg.
1.) Hinsichtlich der Position „Wiederbeschaffungsaufwand“ (500,00 €, nämlich die Differenz zwischen den noch begehrten 5.250,00 € x ½ = 2.625,00 € und den vom Erstgericht zugesprochenen 4.250,00 € x ½ = 2.125,00 €) erwies sich die Berufung als erfolgreich. Wie bereits mit Verfügung des Senats vom 03.05.2016 (Bl. 84/85 d. A.) ausgeführt, war nämlich entgegen der Auffassung des Erstgerichts bei der Berechnung des Wiederbeschaffungsaufwandes als Restwert der im Privat-Schadengutachten des Sachverständigen R. (vgl. Anlage K1) ermittelte Betrag in Höhe von 500,00 € anzusetzen, und nicht der von den Beklagten mittels konkreten Restwertangebots (vgl. Anlage B1) dargelegte in Höhe von 1.500,00 €. Denn gem. dem – einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden – Urteil des BGH vom 06.03.2007, Az.: VI ZR 120/06, NJW 2007, 1674, gilt Folgendes: „Benutzt der Geschädigte im Totalschadensfall sein unfallbeschädigtes, aber fahrtaugliches und verkehrssicheres Fahrzeug weiter, ist bei der Abrechnung nach den fiktiven Wiederbeschaffungskosten in der Regel der in einem Sachverständigengutachten für den regionalen Markt ermittelte Restwert in Abzug zu bringen.“ Es ist nicht ersichtlich, weshalb vorliegend hiervon eine Ausnahme zu machen sein sollte, wobei sogar noch hinzukommt, dass das von den Beklagten vorgelegte Restwertangebot nicht vom regionalen Markt stammt, sondern aus Leipzig (vgl. Anlage B1). Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern das o.g. Privatgutachten zu beanstanden sein sollte. Die diesbezügliche, erstmals in der Berufungserwiderungsschrift vom 16.06.2016 geäußerte (vgl. Bl. 93/94 d. A.) Kritik der Beklagten ist zum einen unsubstantiiert und zum anderen gem. § 531 II Nr. 3 ZPO verspätet.
2.) Hinsichtlich der Position „entgangener Gewinn“ (2.500,00 € x ½ = 1.250,00 €) erwies sich die Berufung demgegenüber nicht als erfolgreich. Wie bereits mit der o.g. Verfügung des Senats ausgeführt, fehlt es nämlich bereits an einem substantiierten Vortrag zur konkreten (nicht fiktiven!) Dauer des Nutzungsausfalls. Im Übrigen sind nicht alle für eine Schätzung der Höhe des täglichen Gewinnentgangs gem. § 287 ZPO erforderlichen Tatsachen vorgetragen worden, was der Verweis auf ein zu erholendes Sachverständigengutachten nicht kompensieren kann.
Auf diese Problematik ist bereits sowohl von den Beklagten (vgl. S. 6 des Schriftsatzes vom 12.10.2015 = Bl. 13 d. A.) als auch vom Erstgericht wiederholt hingewiesen worden (vgl. Nr. 3 der Verfügung vom 20.10.2015 = Bl. 16/17 d. A. und S. 15 des Protokolls der erstinstanzlichen Sitzung vom 14.12.2015 = Bl. 45 d. A.). Ein erst jetzt im Berufungsverfahren erfolgender weiterer (neuer) Sachvortrag ist nicht erfolgt, wäre aber auch gem. § 531 II Nr. 3 ZPO nicht mehr zuzulassen gewesen.
3.) Hinsichtlich der Position „vorprozessuale Rechtsanwaltskosten“ wäre zwar angesichts des gegenüber dem Ersturteil höheren Gegenstandswertes (3.008,55 € statt 2.508,55 €) eine Abänderung dahingehend veranlasst gewesen, an Stelle von 310,80 € (nebst Zinsen) 377,10 € (nebst Zinsen) zuzusprechen. Nachdem aber eine solche Abänderung nicht beantragt worden war, kam sie gem. § 528 ZPO nicht in Betracht.
II. Die Kostenentscheidungen beruhen jeweils auf §§ 92 I 1, 100 IV 1 ZPO. Sie entsprechen dem jeweiligen teilweisen Obsiegen und teilweisen Unterliegen der Parteien, gemessen am jeweiligen Streitwert.
1.) In der ersten Instanz hat die Klägerin letztlich zu ca. 35% obsiegt, nämlich in Höhe von 3.008,55 € bei einem Streitwert in Höhe von 8.711,10 €.
2.) Die Berufung (der Klägerin) war zu ca. 29% erfolgreich, nämlich in Höhe von 500,00 € bei einem Berufungsstreitwert in Höhe von 1.750,00 €.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1 ZPO, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.