AG Königs Wusterhausen, Az.: 4 C 39/11, Urteil vom 22.08.2011
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Mit der Klage macht die Klägerin einen Schadenersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 11.04.2010 in Teupitz ereignet hat.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Kfz Mitsubishi L200 mit dem amtlichen Kennzeichen … .
Der Beklagte zu 1) war Fahrer und die Beklagte zu 2) Haftpflichtversicherung des Pkw Opel mit dem amtlichen Kennzeichen … .
Der Fahrer des klägerischen Kfz, der spätere Zeuge …, befuhr mit dem Fahrzeug der Klägerin die Gutsmannstraße in Teupitz in Richtung Stadtzentrum.
Im Verlauf der Straße verengt sich die Straßenbreite. In Fahrtrichtung des klägerischen Fahrers steht das Verkehrszeichen Z208, wonach die Fahrzeugführer dem Gegenverkehr den Vorrang zu gewähren haben.
Der klägerische Fahrer befuhr die Engstelle. Das Beklagtenfahrzeug kam ihm entgegen, wobei sich in dessen Fahrtrichtung das Schild Z308 (Vorrang vor dem Gegenverkehr) befindet.
Der vordere Kotflügel des Beklagtenfahrzeuges kollidierte mit der linken Heckpartie des klägerischen Kfz.
Der Kläger ließ ein Gutachten der … erstellen.
Wegen der Einzelheiten desselben wird auf die Anlage K4 (Blatt 16 ff. der Akte) Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 09.07.2010 macht die Klägerin unter Fristsetzung zur Zahlung bis zum 23.07.2010 gegenüber der Beklagten zu 2) einen Haftungsanteil in Höhe von 50 % mit einem Betrag in Höhe von 1.332,60 Euro geltend, der sich wie folgt zusammensetzt:
1. Reparaturkosten netto gemäß Sachverständigengutachten 2.426,43 Euro
2. Kostensachverständigengutachten 212,77 Euro
3. Unkostenpauschale 26,00 Euro
____________
2.665,20 Euro hiervon 50 % 1.332,60 Euro.
Am 19.07.2010 wies die Beklagte zu 2) die Ansprüche zurück.
Der Klägerin sind Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 Euro entstanden. Sie hat diese auf die Rechnung ihres Prozessbevollmächtigten vom 03.08.2010 am 12.08.2010 beglichen.
Die Klägerin behauptet, dass bei der Einfahrt in die Engstelle das Beklagtenfahrzeug noch nichts zu sehen gewesen sei. Ihr Fahrer habe sich bereits in der Engstelle befunden und sei mit ca. 30 km/h in der Stunde gefahren. Der Beklagte zu 1) sei ihm mit ca. 80 km/h entgegen gekommen. Ihr Fahrer habe sofort abgebremst und sei soweit wie möglich an den rechten Fahrbahnrand gefahren. Der Beklagte zu 1) habe ebenfalls abgebremst und sei noch vor dem
klägerischen Pkw fast zum Stehen gekommen. Der Beklagte zu 1) habe sodann sein Fahrzeug jedoch beschleunigt und versucht, an den am rechten Rand stehenden klägerischen Kfz vorbeizufahren. Er habe jedoch zu früh nach links gelenkt und dadurch die Kollision verursacht.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
1) an sie 1.332,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2010 zu zahlen;
2) an sie die außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 186,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten, dass ihr Fahrzeug bei Einfahrt des klägerischen Fahrers in die Engstelle nicht zu sehen gewesen sei. Der Beklagte zu 1) sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h gefahren. Der klägerische Fahrer sei wartepflichtig gewesen, wohingegen der Beklagte zu 1) vorfahrtsberechtigt gewesen sei.
Als der Beklagte zu 1) den langen Engpass habe verlassen wollen, sei ihm der klägerische Pkw entgegengekommen. Es habe sich um einen Pick up gehandelt, der im Frontbereich einen Bügel aufweise. Der Beklagte zu 1) habe sofort abgebremst und versucht, nach links auszuweichen. Es sei jedoch zu einer seitlichen Berührung der Kfz gekommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … sowie des Beklagten zu 1) als Partei.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 04.04.2011 (Blatt 84 ff. der Akte) und 06.05.2011 (Blatt 93 ff. der Akte) Bezug genommen.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 25.07.2011 mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 08.08.2011 angeordnet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 1.332,60 Euro aus §§ 7, 17 Abs. 1 S. 2 StVG in Verbindung mit § 115 VVG, da die Beklagten für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall nicht haften. Dieser wurde so überwiegend von dem Fahrer des klägerischen Fahrzeuges allein verursacht, dass dahinter die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges zurücktritt.
Der Verkehrsunfall ist bezüglich beider Fahrzeuge, bei deren Betrieb im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG verursacht worden. Dies ist dann der Fall, wenn sich von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben, dass heißt, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.
Der Verkehrsunfall ist nicht durch höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG verursacht worden.
Er war auch weder für den Beklagten zu 1) noch für den klägerischen Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG.
Unabwendbar ist ein Ereignis nur dann, wenn es auch bei der äußert möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Erforderlich ist insbesondere ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, wobei vom Fahrer auch Fehler fremder Verkehrsteilnehmer mit berücksichtigt werden müssen.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat keine der Parteien dargetan oder bewiesen, dass der hier streitige Verkehrsunfall unabwendbar war.
In welchem Umfang die Beklagten der Klägerin zum Schadenersatz verpflichtet sind, hängt somit von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von einen oder der anderen Partei verursacht worden ist (§ 17 Abs. 1 S. 2 StVG).
Diese überwiegende Verursachung ist stets bei dem Beteiligten zu suchen, der die größte Gefahrenquelle gesetzt hat. Zu den Umständen im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 2 StVG gehört auch das Verschulden des Fahrers, welches zum wichtigsten Bemessungsfaktor für die Haftungsverteilung werden kann. Zu einer Alleinhaftung gelangt man in den Fällen, in denen das Verschulden eines Beteiligten sehr schwer wiegt und den anderen kein oder nur ein geringes Verschulden trifft. Auch wenn für diesen der Unfall nicht unabwendbar gewesen ist, kann sein Verursachungsanteil so gering sein, dass er völlig hinter dem schweren Verschulden des anderen zurücktritt und unberücksichtigt bleibt.
Von letztem ist im vorliegenden Fall zu Lasten der Klägerin auszugehen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Verkehrsunfall allein durch das Verschulden des klägerischen Fahrers wegen eines Verstoßes gegen das Gebot des Z 208 verursacht worden ist, indem dieser den Beklagten zu 1) nicht den Vorrang gewährt hat.
Nach Ziffer II der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 208 dürfen die Zeichen 208 und 308 nur verwendet werden, wo für die Begegnung mehrspuriger Fahrzeuge nicht genügend Raum und die Verengung beiderseits überschaubar ist. Ansonsten kommt die Errichtung einer Einbahnstraße oder die Verkehrsregelung durch Lichtzeichen in Betracht.
Danach steht fest, dass die vom klägerischen Fahrer befahrene Straße bereits am Beginn der Einengung voll einsehbar war. Da der Verkehrsunfall am Beginn der Einengung für den klägerische Fahrer stattgefunden hat, hatte der Beklagte zu 1) somit die Einengung schon befahren, so dass es dem klägerischen Fahrer oblegen hätte, seiner sich aus Z 208 ergebenden Wartepflicht nachzukommen und den Beklagten zu 1) passieren zu lassen. Soweit der Zeuge … ausgesagt hat, dass das gegnerische Fahrzeug für ihn noch nicht zu sehen gewesen sei, ist diese Aussage wegen oben angeführter Umstände, nicht glaubhaft. Soweit sich die Klägerseite auf eine überhöhte Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges berufen hat, ist dieser Vortrag mangels jeglicher Substantiierung unerheblich.
Der Unfall wäre somit vermeidbar gewesen, wenn der klägerische Fahrer auf die Anweisung des Zeichen 208 angehalten und in die verengte Straße erst eingefahren wäre, wenn der Beklagte zu 1) diese verlassen hat.
Indem er dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, hat er den Verkehrsunfall so überwiegend selbst verursacht, dass dahinter die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges zurück tritt und eine Haftung der Beklagten ausscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlagen in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.