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Verkehrsunfall – Abgrenzbarkeit von Neuschäden zu Vorschäden

OLG Celle – Az.: 14 U 124/18 – Beschluss vom 20.09.2018

I. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.053,63 € festgesetzt.

II. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 02.07.2018 – 19 O 166/17 – durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12. Oktober 2018 gegeben.

Gründe

1. Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier nicht erfüllt. Das Landgericht hat weder eine entscheidungserhebliche Rechtsnorm nicht noch eine solche falsch angewendet. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist gleichfalls nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist auch nicht geboten.

Nach derzeitiger Beurteilung hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat hat seiner Entscheidung die vom Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Derartige konkrete Anhaltspunkte kann die Berufung nicht aufzeigen:

Entscheidend kommt es hier auf die Abgrenzbarkeit der Vorschäden an. Sie ist nicht möglich. Der Kläger hat überdies hierzu nähere Aufklärungsmöglichkeiten vereitelt.

a) Der Geschädigte eines Kfz-Unfalls ist bezüglich eines Kfz-Schadens verpflichtet, die Vorschäden im Einzelnen, das heißt die konkret beschädigten Fahrzeugteile und die Art ihrer Beschädigung sowie die für die Beseitigung erforderlichen einzelnen Reparaturschritte und die tatsächlich vorgenommenen Reparaturarbeiten schlüssig darzulegen; selbst die Vorlage von Rechnungen genügt allein der Darlegungslast nicht (KG Berlin, Beschl. v. 29.05.2012 – 22 U 191/11, DAR 2013, 464). Auch im Falle eines – wie hier vom Kläger behauptet – reparierten Vorschadens treffen den Kläger besondere Darlegungs- und Beweispflichten nach dem Maßstab des § 286 ZPO. Denn ohne detaillierte Kenntnis über den Umfang des Vorschadens und seine gegebenenfalls erfolgte Reparatur kann der aktuelle Wiederbeschaffungswert nicht bestimmt werden. Selbst wenn der Vorschaden sich auf einen anderen Schadensbereich als der angeblich neue Schaden bezieht, lässt sich ohne weitere Angaben ein erstattungsfähiger Fahrzeugschaden nicht feststellen. Hier treffen den Geschädigten genau dieselben Anforderungen wie bei einem überlagerten Schadensbereich und es ist sowohl der Umfang des wertbestimmenden Vorschadens wie auch seiner Reparatur genau darzulegen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.05.2015 – 1 U 116/14, juris). Kann jedoch ein Geschädigter aufgrund einer durch einen Vorschaden bedingten Schadensüberlagerung auf einer Fahrzeugseite die ausschließlich durch den streitgegenständlichen Unfall entstandenen Schäden nicht nachweisen und ist aufgrund des pauschalen Vortrags des Geschädigten selbst die Schätzung eines Mindestschadens nicht möglich, ist die Klage vollständig abzuweisen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.2015 – 1 U 164/14, NZV 2016, 381, juris-Rdnr. 4).

Verkehrsunfall - Abgrenzbarkeit von Neuschäden zu Vorschäden
(Symbolfoto: Von mojo cp/Shutterstock.com)

Werden bei einem Kraftfahrzeug nach einem Verkehrsunfall massive Vorschäden mit Schadensüberlagerungen festgestellt, so muss der Unfallgeschädigte zu der erforderlichen hinreichend substantiierten Begründung seines Ersatzbegehrens im Einzelnen spezifiziert vortragen, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung der massiven Vorschäden durchgeführt worden sind und ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen. Obwohl dem Geschädigten im Rahmen des § 287 ZPO eine Beweismaßerleichterung zuzugestehen ist, ist er dennoch verpflichtet, geeignete Schätzgrundlagen, welche Anhaltspunkte für die Einschätzung des Schadens und seiner Höhe bieten, beizubringen und zu beweisen. Fehlt es an einer ausreichenden Schätzungsgrundlage, und ist eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit von erheblichen Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge (OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.03.2010 – 1 U 111/09, Schaden-Praxis 2011, 114).

b) Hier verhält es sich entsprechend: Der Kläger legt – auch in der Berufungsbegründung – nicht dar, auf welche Weise der Vorschaden genau repariert worden ist. Er beschränkt sich auf die wiederholte Behauptung, es sei „alles fachgerecht repariert“ worden. Das genügt aber nicht, weil es zur Abgrenzbarkeit der verschiedenen Schäden auf den Vorschaden ankommt, insbesondere wenn gerade streitig ist, ob und inwieweit zuvor vollständig fachgerecht repariert worden ist. Denn genau das bestreitet die Beklagte (u.a. Schriftsatz v. 13.12.2017, Bl. 61 d.A.). In dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Sachverständigen H. (Nr. 2017-11438, dort S. 6) wird in demselben Bereich (was die Beklagte gerügt hat, Klageerwiderung, Bl. 25 d.A.) ein „reparierter Vorschaden (lt. Aussage Herr K.)“ erwähnt.

Dem Kläger war demnach der Vorschaden schon bei der Erstbegutachtung bekannt, ohne dass nähere Details dazu mitgeteilt worden sind. Der Sachverständige H. hat zu dem Schaden überhaupt keine eigenen Feststellungen getroffen „(lt. Aussage Herr K.“), weshalb er zur Sachaufklärung auch nicht weiter beitragen kann. Dass der Sachverständige H. – wie der Kläger behauptet – den Vorschaden „für sach- und fachgerecht behoben hielt“ (S. 2 der Berufungsbegründung), ist ohne Bedeutung, weil es an weitergehenden Feststellungen dazu fehlt. Wie der Senat als Fachsenat für Verkehrsunfallschäden aus zahlreichen Verfahren und Gutachten weiß und was im Übrigen auch allgemein bekannt ist, lässt sich bei Unfallschäden nach einer ggf. nur „vordergründigen“ Reparatur nicht ohne nähere Untersuchungen feststellen, ob die Schäden insgesamt fachgerecht behoben worden sind. Genau an derartigen Untersuchungen fehlt es aber, weil sich der Sachverständige H. insoweit allein auf die Angaben des Klägers verlassen hat. Insbesondere hat der Kläger dem Sachverständigen H. nicht das Gutachten des Sachverständigen Hü. zum Vorschaden (Anlage B1, Bl. 30 ff. d.A.) zur Verfügung gestellt.

Die Behauptung des Klägers, er habe das Kfz in repariertem Zustand erworben, ist ohne Bedeutung. Denn es obliegt dem Geschädigten sogar in Fallgestaltungen, in denen er einem betrügerischen Verhalten seines Verkäufers ausgesetzt war, wenn also der Voreigentümer ihm den Vorschaden bewusst verschwiegen hätte, seinen Schaden nachvollziehbar darzulegen und zu beweisen (OLG Düsseldorf – 1 U 164/14 a.a.O.). Das kann oder will der Kläger aber nicht, obwohl er unstreitig von dem Vorschaden wusste.

Die Aufklärungsmängel gehen zu Lasten des Klägers. Das hat zutreffend das LG so gesehen. Der Senat hat keinen Anlass, von dieser Bewertung abzuweichen.

2. Der Kläger sollte deshalb erwägen, die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückzunehmen. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass sich im Falle einer Rücknahme der Berufung die anfallenden Gerichtskosten deutlich ermäßigen würden.

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