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Verkehrsunfall – Erstattungsfähigkeit von UPE-Aufschlägen bei fiktiver Abrechnung

LG Hannover, Az.: 19 S 62/12, Urteil vom 26.05.2014

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.07.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover – Geschäfts-Nr.: 547 C 3692/12 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 207,62 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 21.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von einer Gebührenforderung der Klägervertreter in Höhe von 603,70 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 ZPO)

I.

Die Klägerin begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 02.08.201 1 auf der Autobahn A 6 bei K. ereignet hat. Die 100%ige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit der Klage verlangt die Klägerin die Erstattung sogenannter UPE-Aufschläge in Höhe von 10% auf die Ersatzteile sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, UPE-Aufschläge seien bei fiktiver Schadensberechnung nicht zu erstatten, da noch nicht feststehe, ob überhaupt eine Reparatur und wenn ja, ob diese in einer markengebundenen Fachwerkstatt durchgeführt werde. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten bestehe nicht, da die Einschaltung eines Anwalts nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB gewesen sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie beanstandet die tatsächlichen Feststellungen und die Rechtsanwendung unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Geschädigte sei auch bei einer nur fiktiven Abrechnung bei einem nur 10 Monate alten Fahrzeug berechtigt, die Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzt zu verlangen. Die Einschaltung eines Anwalts sei erforderlich gewesen, da ein einfach gelagerter Sachverhalt, wie das Regulierungsverhalten der Beklagten gezeigt habe, gerade nicht vorgelegen habe.

Die Berufungsklägerin beantragt,

1. die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hannover vom 16.07.2012, Az. 547 C 3692/12, zu verurteilen, an die Klägerin EUR 207,62 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 21.12.2011 zu zahlen,

2. die Klägerin von einer Gebührenforderung der Klägervertreter in Höhe von EUR 674,75 € freizustellen.

Die Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß der Beschlüsse vom 11.02.2013 (Bl. 155 d.A.), vom 23.04.2013 (Bl. 173 d.A.) und vom 27.08.2013 (Bl. 203 d.A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Gutachten des Sachverständigen … vom 15.06.2013 und vom 12.12.2013 (beide in Aktenhülle).

II.

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 207,62 €.

Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann ein Geschädigter bei der Beschädigung einer Sache statt der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) Geldersatz verlangen. Zu ersetzen ist dabei das sogenannte Integritätsinteresse, d.h. der Geldbetrag, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dabei ist der Geschädigte in der Verwendung des Schadensersatzbetrages frei, d.h. er muss den ihm zustehenden Geldbetrag nicht oder nicht vollständig für eine ordnungsgemäße Reparatur in einer Fachwerkstatt einsetzen.

Bereits mit Beschluss vom 02.10.2012 (Bl. 134 d.A.) hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Klägerin berechtigt ist, die fiktiven Kosten einer Reparatur in einen markengebundenen Fachwerkstatt abzurechnen. Zu dem grundsätzlich erforderlichen Instandsetzungsaufwand gehört nach Auffassung der Kammer auch der sogenannte UPE-Aufschlag auf Ersatzteilkosten, d.h. die branchenüblich erhobenen Beträge, die aufgrund von Lagerhaltung von Originalersatzteilen auf die verbindliche Preisempfehlung des Herstellers aufgeschlagen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen … im Gutachten vom 15.06.2013 kann zwar nicht festgestellt werden, dass in der Region H./S. bei dem hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp in einer markengebundenen Fachwerkstatt typischerweise Ersatzteilpreisaufschläge erhoben werden. Denn der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass von vier Mercedes Benz Vertragswerkstätten / Niederlassungen im Raum H./S. lediglich bei einem Betrieb (Autohaus R. GmbH & Co. KG) ein Aufschlag in Höhe von 5% auf die unverbindliche Ersatzteilpreisempfehlung erhoben werde.

Die Klägerin hat jedoch im Ergebnis zu Recht darauf hingewiesen, dass in den Werkstätten, in denen ein UPE-Aufschlag nicht erhoben wird, seinerzeit höhere Stundenverrechnungssätze für Arbeitslohn und Lackierarbeiten berechnet wurden, als die, die in dem vorprozessual zur Schadensermittlung eingeholten Gutachten der GKK Gutachtenzentrale, auf dessen Grundlage die Klägerin ihren Schaden berechnet, zugrunde gelegt worden sind. Da die Klägerin bei einer fiktiven Abrechnung den erforderlichen Instandsetzungsaufwand ersetzt verlangen kann, war diesem Einwand nachzugehen. Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen … steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass in den markengebundenen Fachwerkstätten in der Region H./S. bei denen ein UPE-Aufschlag nicht erhoben wird, im Durchschnitt höhere Kosten für Arbeitslohn und Lackierarbeiten anfallen, als die, die die GKK Gutachtenzentrale kalkuliert hat.

Aus der nachfolgenden Berechnung ergibt sich, dass diese höheren Kosten für Arbeitslohn und Lackierarbeiten den geltend gemachten Betrag von 207,62 € übersteigen, so dass der geltend gemachte Betrag im Ergebnis zuzusprechen ist.

Nach der Schlusskalkulation im Gutachten der GKK Gutachtenzentrale sind folgende Kosten für Arbeitslohn und Lackierarbeiten berechnet worden:

Arbeitslohn:

Gesamt Kl 1: 70 AW x 102,00 €/Std =    595,00 €

Gesamt Kl 2: 428 AW x 102,00 €/Std =   3.638,00 €

Vermessen Kl: 18 AW x 102,00 €/Std =      153,00 €

Nebenkosten: Lohn Kl 2: 3 AW x 102,00 €/Std =    25,50 €

Lackierungsarbeiten: Arbeitslohn 70 AW x 104,00 €/Std zzgl. 35% Lackiermaterial =      819,00 €

insgesamt: 5.230,50 €

Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen … Ergänzungsgutachten vom 12.12.2013 wären in den markengebundenen Fachwerkstätten in der Region H./S. folgende Arbeits- und Lackierkosten angefallen:

a) Mercedes Benz Niederlassung Saarland =      616,00 €

Gesamt Kl 1: 70 AW x 8,80 € =      3.980,40 €

Gesamt Kl 2: 428 AW x 9,30 € =     158,40 €

Vermessen Kl 1: 18 AW x 8,80 €

Nebenkosten:

Lohn Kl 2: 3 AW x 9,30 € =     27,90 €

Lackierungsarbeiten: Arbeitslohn 70 AW x 9,30 € =     651,00 €

zzgl. Lackiermaterialpreis: =      188,68 €

insgesamt: 5.622,38 €

b) Bliesgaugarage GmbH

Gesamt KM: 70 AW x 9,30 € =      651,00 €

Gesamt Kl 2: 428 AW x 9,30 € =      3.980,40 €

Vermessen Kl 1: 18 AW x 9,30 € =      167,40 €

Nebenkosten:

Lohn Kl 2: 3 AW x 9,30 € =     27,90 €

Lackierungsarbeiten:

Arbeitslohn 70 AW x 9,30 € =     651,00 €

 

zzgl. Lackmaterialpreis: 194,30 €

insgesamt: 5.672,00 €

c) Torpedo Garage Ansorg

Gesamt Kl 1: 70 AW x 7,30 € =      511,00 €

Gesamt Kl 2: 428 AW x 8,50 € =     3.638,00€

Vermessen Kl 1: 18 AW x 7,30€ =     131,40€

Nebenkosten:

Lohn Kl 2: 3 AW x 8,50 € =      25,50€

Lackierungsarbeiten: Arbeitslohn 70 AW x 8,50 € =      595,00 €

zzgl. Lackmaterialpreis:  216,41 €

insgesamt: 5.117,31 €

Damit hätten die Arbeits- und Lackierkosten im Durchschnitt bei 5.470,56 € (5.622,38 € + 5.672,00 € + 5.117,31 € = 16.411,68 € : 3 = 5.470,56 €) gelegen. Da die Differenz zu dem regulären Betrag, nämlich (5.470,56 € ./. 5.230,50 € =) 240,06 € höher ist, als die geltend gemachten Kosten in Höhe von 207,62 €, ist der Anspruch insoweit begründet.

2. Darüber hinaus kann die Klägerin Freistellung von vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 603,70 € verlangen.

Die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin war zum Zwecke der Rechtsverfolgung notwendig und zweckmäßig. Hierzu hat die Kammer im Beschluss vom 02.10.2012 (Bl. 134 d.A.) bereits weiter ausgeführt, dass der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um ein großes Mietwagenunternehmen handelt, dem nicht entgegen steht. Die Schadensregulierung gehört nicht zu den eigentlichen Aufgaben eines Mietwagenunternehmens. Auch wenn die Haftung der Beklagten unstreitig ist, standen mehrere Schadenspositionen im Raum, die zum Teil in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt werden. Eine besonders umfangreiche oder schwierige anwaltliche Tätigkeit, die eine über eine 1,3 fache Gebühr hinausgehende Gebühr rechtfertigt, ist dagegen nicht ersichtlich. Bei einem Gegenstandswert von 8.774,16 € (von der Beklagten gezahlter 8.566,90 € zzgl. der streitgegenständlichen 207,62 €) beträgt eine 1,3 fache Gebühr nach der Anlage 2 zu § 13 RVG a.F. 583,70 € zzgl. Auslagenpauschale von 20,00 € 603,70 €. Durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens vermindert sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr sondern die in dem gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr, so dass die von der Klägerin in ihrer Berechnung in der Klageschrift in Abzug gebrachte hälftige Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 207, 26 € nicht in Abzug zu bringen war (vgl. BGH Beschluss vom 22.01.2008, Az.: VIII ZB 57/07).

3. Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

4. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92Abs. 2, 708 Nr. 10,711,713 ZPO.

5. Die Kammer hat keine Veranlassung, die Revision gemäß § 543 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint nicht erforderlich.

 

 

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