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Verkehrsunfall bei Linksabbiegen in Grundstück

In der beschaulichen Stadt Rösrath kam es am 22. Juni 2015 gegen 18:35 Uhr zu einem Verkehrsunfall, der sowohl rechtlich als auch faktisch eine Herausforderung darstellte. Der Kläger, Halter und Eigentümer eines Renault Laguna, befuhr mit seinem Fahrzeug und einem Anhänger die I2 in Rösrath. Hinter ihm fuhr die Beklagte zu 1) in einem Mazda CX5, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war. Als der Kläger beabsichtigte, nach links in Richtung seines gegenüberliegenden Hauses zu fahren, kam es zu einem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. Das Kernproblem: Es war unklar, ob der Kläger in eine Einfahrt abbiegen oder wenden wollte. Hinzu kam, dass es regnete und die genauen Umstände des Unfalls zwischen den Parteien umstritten waren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 63 C 508/15  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Amtsgericht Bergisch Gladbach entschied, dass bei einem Verkehrsunfall, bei dem die genauen Umstände des Unfallhergangs unklar sind und beide Parteien unterschiedliche Darstellungen des Geschehens liefern, eine Haftungsquote von 50:50 angemessen ist.

  • Verkehrsunfall in Bergisch Gladbach: Kläger wollte links in Richtung seines Hauses abbiegen, als es zum Zusammenstoß mit dem Beklagtenfahrzeug kam.
  • Hauptfrage: Wollte der Kläger in eine Einfahrt abbiegen oder wenden?
  • Unklarheiten: Es regnete, und die genauen Umstände des Unfalls waren zwischen den Parteien umstritten.
  • Sorgfaltspflichtverletzung: Der Kläger hat möglicherweise nicht ausreichend auf den Verkehr geachtet und sich nicht korrekt in die Fahrbahn eingereiht.
  • Anscheinsbeweis: Ein Beweis spricht gegen den Kläger, da der Unfall im Zusammenhang mit seinem Abbiege- und Wendevorgang stand.
  • Unklare Verkehrslage: Die Beklagte konnte nicht sicher beurteilen, was der Kläger als nächstes tun würde.
  • Das Gericht fand eine Haftungsquote von 50:50 für beide Parteien angemessen.
  • Schadenshöhe: Der Kläger erlitt einen Schaden von insgesamt 4.925,76 €.

Das rechtliche Dilemma: Wer trägt die Schuld?

Das rechtliche Dilemma lag in der Frage der Schuld. Wer hatte den Unfall verursacht? War der Kläger beim Abbiegen unachtsam oder hatte die Beklagte zu 1) den Unfall durch ihr Verhalten provoziert? Das Gericht musste die Schuldfrage klären und entscheiden, wer für den entstandenen Schaden aufkommen muss.

Das Urteil: Eine hälftige Schadensteilung

Nach intensiver Prüfung und Anhörung beider Parteien sowie der Zeugen U und I entschied das Gericht, dass beide Parteien zu gleichen Teilen, also jeweils 50%, für den Unfall verantwortlich waren. Dies basierte auf der Tatsache, dass beide Fahrzeuge beim Betrieb beteiligt waren und keiner der Beteiligten den Unfall hätte verhindern können.

Die finanziellen Folgen des Urteils

Das Gericht verurteilte die Beklagten gesamtschuldnerisch, an den Kläger einen Betrag von 2.462,88 € sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 334,75 € zu zahlen. Beide Beträge sollten mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit den jeweiligen Fälligkeitsdaten verzinst werden. Die restliche Klage wurde abgewiesen, und die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben.

Die Bedeutung von Sorgfalt im Straßenverkehr

Ein zentrales Element in der Entscheidung war der Anscheinsbeweis gegen den Kläger. Da sich der Unfall im Zusammenhang mit seinem Abbiege- und Wendevorgang ereignete, sprach der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt hatte.

Das Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach zeigt, wie komplex Verkehrsunfälle aus rechtlicher Sicht sein können. Es verdeutlicht die Bedeutung von Sorgfalt im Straßenverkehr und die Notwendigkeit, stets aufmerksam und vorsichtig zu fahren. Das Fazit: Bei Unfällen, bei denen die Schuldfrage nicht eindeutig geklärt werden kann, kann es zu einer hälftigen Schadensteilung kommen. Es ist daher im Interesse aller Beteiligten, solche Situationen zu vermeiden und im Straßenverkehr stets umsichtig zu handeln.

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Begriffe  – kurz erklärt


  • Anscheinsbeweis: Der Anscheinsbeweis ist eine Beweiserleichterung für den Geschädigten. Er gilt, wenn ein bestimmter Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung typischerweise zu einem bestimmten Schaden führt. Im vorliegenden Fall spricht der Anscheinsbeweis gegen den Kläger, da er sich links einbiegen wollte und dabei mit einem rechts überholenden Fahrzeug kollidierte.
  • Haftung des Linksabbiegers: Der Linksabbieger hat grundsätzlich eine besondere Sorgfaltspflicht, um andere Verkehrsteilnehmer zu schützen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger diese Sorgfaltspflicht nicht erfüllt, indem er sich nicht ausreichend umgesehen hat, bevor er abbiegen wollte.

§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:


  • Straßenverkehrsrecht (StVO): Es geht um die Regeln des Straßenverkehrs, insbesondere um die Pflichten von Fahrzeugführern beim Abbiegen und Überholen. In diesem Fall hat der Kläger beim Linksabbiegen möglicherweise gegen § 9 StVO verstoßen, welcher die Regeln für das Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren festlegt.
  • Straßenverkehrsgesetz (StVG): Dieses Gesetz regelt die Haftung bei Verkehrsunfällen. Hier wird insbesondere auf § 17 StVG Bezug genommen, welcher die Haftungsverteilung bei einem Unfall zwischen mehreren Beteiligten beschreibt. In diesem Fall wurde eine Haftungsquote von 50 % für beide Parteien festgelegt.
  • Zivilprozessordnung (ZPO): Es geht um die Beweisführung und die Feststellung von Tatsachen im Zivilprozess. In diesem Fall wird auf § 286 ZPO verwiesen, welcher die freie Beweiswürdigung des Gerichts regelt.
  • Versicherungsrecht: Es geht um die Haftpflichtversicherung der Beklagten. In diesem Fall ist die Beklagte zu 2) die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs der Beklagten zu 1). Das Versicherungsrecht regelt, inwieweit die Versicherung für den Schaden aufkommen muss.


Das vorliegende Urteil

Amtsgericht Bergisch Gladbach – Az.: 63 C 508/15 – Urteil vom 29.07.2016

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 2.462,88 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2015 zu zahlen.

2.  Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten i.H.v. 334,75 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2015 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 2.462,88 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten i.H.v. 334,75 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2015 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 22.06.2015 gegen 18:35 Uhr in Rösrath ereignete.

Der Kläger ist Halter und Eigentümer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen SU – SC 1113, einem Renault Laguna.

Die Beklagte zu 1) ist Halterin des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen K – HH 7100, einem Mazda CX5, welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug und einem Anhänger die I2 in Rösrath. Die Beklagte zu 1) fuhr hinter dem klägerischen Fahrzeug. Auf Höhe der Hausnummer 179 beabsichtigte der Kläger nach links in Richtung seines gegenüberliegenden Hauses zu fahren, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob er in eine dort befindliche Einfahrt abbiegen oder er wenden wollte, um auf dem Parkstreifen zwischen Gegenfahrbahn und H2 der gegenüberliegenden Seite zu parken. Es regnete. Der Kläger verlangsamte die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs. Es kam unter im Einzelnen zwischen den Parteien streitigen Umständen zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge, wobei das links an dem Fahrzeug des Klägers vorbeifahrende Beklagtenfahrzeug mit dem Klägerfahrzeug im vorderen Bereich von dessen Fahrertür kollidierte. Am Fahrzeug des Klägers entstand ein Totalschaden.

Der Kläger ließ den Schaden an seinem Fahrzeug durch das KfZ-Sachverständigenbüro M. begutachten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.08.2015 forderte der Kläger die Beklagte zu 2) auf zu bestätigen, dass sie die aus dem Unfall resultierenden Schäden des Klägers übernehme. Mit Schreiben vom 08.10.2015 lehnte die Beklagte zu 2) eine Zahlungszusage ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.10.2015 forderte der Kläger die Beklagte zu 2) unter Fristsetzung bis zum 21.10.2015 auf, ihm Schadenspositionen i.H.v. 4.925,76 € zu erstatten. Eine Regulierung durch die Beklagte zu 2) erfolgte nicht.

Der Kläger macht mit vorliegender Klage 100 % seiner Schadenspositionen in Höhe von insgesamt 4.925,76 €  gemäß folgender Rechnung geltend:

1.       Wiederbeschaffungswert

gemäß Sachverständigengutachten  3.550,00 €

2.       abzüglich eines Restwertes

gemäß Sachverständigengutachten  – 200,00 €

3.       Sachverständigenkosten     682,94 €

4.       Auslagenpauschale   25,00 €

5.       Nutzungsentschädigung

14 Tage á 59,00 €  826,00 €

6.       Tankinhalt, 30 l     41,82 €

Gesamtbetrag: 4.925,76 €

Der Kläger behauptet, er habe den Blinker nach links gesetzt und seine Geschwindigkeit auf Schritttempo verringert. Nachdem er sowohl in den Rück- und Außenspiegel geblickt habe, habe er sich mittels Schulterblick nach links versichert, dass er sich langsam in die Fahrbahnmitte vortasten könne. Als er sich bis zur Fahrbahnmitte vorgetastet habe, um das Abbiegemanöver durchzuführen, habe er sich erneut durch Blick in den Rück- und Außenspiegel sowie Schulterblick dahingehend vergewissert, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer behindert würde. Dass er das Beklagtenfahrzeug auch in der zweiten Rückschau nicht habe wahrnehmen können, habe daran gelegen, dass die Beklagte zu 1) trotz des starken Regens es versäumt habe, ihr Abblendlicht einzuschalten. Im Zeitpunkt des Zusammenstoßes habe er die Fahrbahnmitte bereits um ca. 2 m überquert.

Der Kläger beantragt,

1.       die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 4.925,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.10.2015 zu zahlen;

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn an außergerichtlichen Kosten einen Betrag i.H.v. 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der Kläger sei mit seinem Fahrzeug zunächst vollständig auf den rechten Bordstein gezogen, so dass die Beklagte zu 1) vor sich die Fahrbahn frei gehabt habe. Sie sei davon ausgegangen, dass der Kläger beabsichtigte, auf dem rechten Bordstein anzuhalten. Sie bestreiten den Wiederbeschaffungswert und den Restwert mit Nichtwissen.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagte zu 1) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen U und I. Hinsichtlich des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.06.2016 Bezug genommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I. Dem Kläger steht gegen die Beklagten wegen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls am 22.06.2015 in Rösrath ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. §§ 249 ff. BGB i.H.v. 2.462,88 € zu.

1. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach mit einer Haftungsquote von 50 % zu bejahen.

Der Schaden am Fahrzeug des Klägers ist unter Zugrundelegung des unstreitigen Parteivorbringens beim Betrieb des von der Beklagten zu 1) gehaltenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs entstanden. Allerdings ist der Schaden am klägerischen Fahrzeug ebenso bei dessen Betrieb entstanden. Gemäß § 17 Abs. 2 StVG gilt für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander daher die Bestimmung des § 17 Abs. 1 StVG, weshalb die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes von den Umständen, insbesondere davon abhängt, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die danach gebotene Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist aufgrund aller festgestellten, d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (st. Rspr., s. etwa BGH, Urteil vom 07. Februar 2012 – VI ZR 133/11 –, juris Rn. 5).

Unter Zugrundelegung dessen erachtet das Gericht nach dem Ergebnis der Parteianhörungen und der Beweisaufnahme eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin dem Grunde nach mit einer Haftungsquote von 50 % für angemessen. Für keine der Parteien war der Unfall unabwendbar i.S.v. § 17 III StVG.

Sämtliche Umstände bzw. Details des Unfallhergangs konnten im Rahmen der Parteianhörung und der Zeugenvernehmungen angesichts der teilweise unterschiedlichen Angaben der befragten Personen nicht geklärt werden, so etwa der genaue Kollisionsort auf der Fahrbahn, ob der Kläger vor Einleitung seines Abbiegevorgangs sich auf dem rechten Fahrstreifen befand oder teilweise auf den rechts daneben verlaufenden Park- bzw. Rad- oder H fuhr und ob die Beklagte zu 1) das Licht an ihrem Fahrzeug eingeschaltet hatte. Der weiteren Aufklärung dieser Umstände – etwa durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens – bedarf es jedoch nicht, da dies nach Auffassung des Gerichts nichts an der Angemessenheit einer hälftigen Schadensteilung ändern würde.

Bereits den Unfallhergang laut Klägervortrag unterstellt, liegt ein Verstoß des Klägers gegen § 9 Abs. 1, Abs. 5 StVO vor. Nach § 9 Abs. 1 StVO ist der Linksabbiegende u.a. neben der doppelten Rückschaupflicht insbesondere dazu verpflichtet, sich für das Abbiegen bis zur Mitte der Fahrbahn einzuordnen. Nach § 9 Abs. 5 StVO hat der in ein Grundstück Abbiegende bzw. Wendende sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Der Kläger stellte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung klar, dass Ziel seines Abbiegevorgangs nicht das Einfahren in eine auf der gegenüberliegenden Seite vorhandene Grundstücks- bzw. Hofeinfahrt war – eine solche ist dort tatsächlich nicht vorhanden – , sondern er sein Fahrzeug in einer auf dem gegenüberliegenden Grundstück vorhandenen Einbuchtung abstellen wollte, und zwar parallel zur Fahrbahn. Der Kläger führte anhand einer von ihm im Termin gefertigten Zeichnung aus, dass der Q-Platz dieser Einbuchtung nur dafür ausreiche, entweder das Fahrzeug oder den Anhänger dort abzustellen. Hieraus folgt, dass der Kläger einen Abbiegevorgang in ein Grundstück, bei dem auch ein Wendevorgang enthalten war, beabsichtigte. Denn er wollte das Fahrzeug in entgegengesetzter Fahrtrichtung zur bisherigen in die Einbuchtung hineinfahren, um dort den Anhänger abzustellen. Damit traf ihn neben den übrigen Abbiegepflichten gemäß § 9 Abs. 5 StVO im Verhältnis zum übrigen entgegenkommenden wie nachfolgenden Verkehr die Pflicht zur höchstmöglichen Sorgfalt bzw. größtmöglicher Vorsicht (Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 9 StVO Rn. 52).

Gegen den Kläger streitet vorliegend ein Anscheinsbeweis, weil sich der streitgegenständliche Unfall im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem von ihm eingeleiteten Abbiege- und Wendevorgang ereignete. Im Rahmen des § 9 Abs. 1 und Abs. 5 StVO spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen den nach links auf ein Grundstück abbiegenden Kraftfahrer; kommt es zwischen ihm und einem überholenden Kfz zu einem Unfall, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der nach links abbiegende Kraftfahrzeugführer die ihm nach § 9 Abs. 1, 5 StVO obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten verletzt hat (KG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2010 – 12 U 177/09 –, Rn. 16, juris; KG Berlin, Urteil vom 09. September 2002 – 12 U 26/01 –, Rn. 6, juris; jew. m.w.N.). Auch gegen den Wendenden spricht wegen der besonderen Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 5 StVO ein Anscheinsbeweis (Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 9 StVO Rn. 50 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 20. August 2008 – 12 U 158/08 –, Rn. 9, juris).

Eine Erschütterung des Anscheinsbeweises ist dem Kläger bereits bei Zugrundelegung seines eigenen Vortrages nicht gelungen.

Zwar gab der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung an, dass er rechtzeitig die Geschwindigkeit verringert und geblinkt habe sowie dass er zweimal sowohl in den Rückspiegel geschaut, als auch den Schulterblick gemacht habe. Jedenfalls verstieß er aber gegen die Pflicht, sich zur Mitte der Fahrbahn hin einzuordnen. Der Kläger selbst bestätigte seinen schriftsätzlichen Vortrag, dass er sich langsam zur Mitte vorgetastet habe, nämlich nicht, sondern gab im Rahmen seiner persönlichen Anhörung an, sich vor dem Abbiegen rechts auf der Fahrbahn befunden zu haben. Unter Berücksichtigung der von den Parteien vorgelegten Fotos mit der dort erkennbaren Straßenbreite erscheint es dem Gericht auch plausibel, dass der Kläger seinen geplanten Abbiege- und Wendevorgang nicht von der Fahrbahnmitte aus ansetzte, sondern von weiter rechts, denn aufgrund des Anhängers des Klägerfahrzeugs benötigte der Kläger einen größeren Wenderadius. Es ist davon auszugehen, dass der bei Einordnung in die Fahrbahnmitte verbleibende Q-Platz für den Wenderadius seines Fahrzeuggespanns nicht ausgereicht hätte. Dies entbindet den Kläger jedoch nicht von den Pflicht des §§ 9 Abs. 1 StVO, sich an der Mittellinie einzuordnen. Wenn die Straßensituation das vom Kläger beabsichtigte Manöver dann nicht zulässt, ist er verpflichtet, sein Gespann sodann an anderer Stelle zu wenden, wo die Straßen- und Verkehrssituation hierfür geeignet ist. Dass er hierfür ggf. einen V-Weg nehmen muss, hat er in Kauf zu nehmen.

Des Weiteren ist auszuführen, dass, selbst wenn der Kläger, wie er angab, tatsächlich mehrfach in die Spiegel und über seine Schulter schaute, er dies jedenfalls nicht mit der ausreichenden, im Rahmen von § 9 Abs. 5 StVO verlangten besonderen Sorgfalt tat, da er sonst das Beklagtenfahrzeug hätte sehen müssen. Dass dieses mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr, ist nicht vorgetragen und nach dem Ergebnis der Parteianhörungen und der Zeugenvernehmung auch nicht ersichtlich. Darauf, dass die Beklagte zu 1) bei dem unstreitig herrschenden stärkeren Regen – wie der Kläger behauptet – ohne Licht gefahren sei, kann er sich nicht zurückziehen. Denn dass der Kläger nicht mit der erforderlichen besonderen Sorgfalt auf den übrigen fließenden Verkehr achtete, folgt daraus, dass er bei den wegen des Regens herrschenden schlechteren Sichtverhältnissen vor dem Abbiegen nicht anhielt, um sich sorgsam umzuschauen. Wie er bei seiner Anhörung ausführte, rollte er vielmehr langsam weiter, um beim Abbiegen in einem Zug durchfahren zu können. Seine Angabe, dass es zudem bereits am Dämmern gewesen sei, ist im Übrigen nicht glaubhaft, weil der Unfall sich am 22.06.2015 gegen 18:30 Uhr ereignete und damit zu einer Uhrzeit an einem der längsten Tage des Jahres, bei der üblicherweise noch volles Tageslicht herrscht.

Damit stehen im Ergebnis Sorgfaltspflichtverstöße des Klägers fest, ohne dass es hierfür auf die Würdigung der Angaben der Beklagten zu 1) in ihrer persönlichen Anhörung sowie auf die Würdigung der Zeugenaussagen ankommt.

Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten beim Abbiegen haftet derjenige, der verkehrswidrig nach links abbiegt und dabei mit einem ihn ordnungsgemäß überholenden Kraftfahrzeug zusammenstößt, für den entstandenen Schaden grundsätzlich allein, ohne dass dem Überholenden die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs angerechnet wird (KG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2010 – 12 U 177/09 –, Rn. 22, juris; KG Berlin, Urteil vom 09. September 2002 – 12 U 26/01 –, Rn. 6, juris; jew. m.w.N.).

Eine Alleinhaftung des Klägers kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 1) ihn nicht ordnungsgemäß überholte, sondern sie ihrerseits durch einen Verkehrsverstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ebenfalls zur Unfallverursachung beitrug, so dass die Beklagten im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG an der Haftung zu beteiligen sind. Nach dem Ergebnis der Parteianhörungen der Beklagten zu 1) sowie unter Berücksichtigung der Vernehmung des Zeugen I steht für das Gericht fest, dass die Beklagte zu 1) das klägerische Fahrzeuggespann  in einer unklaren Verkehrslage überholte. In einem solchen Fall ist auch bei Anwendung des gegen den Linksabbiegenden streitenden Anscheinsbeweises eine Mithaftung begründet (KG Berlin, Urteil vom 09. September 2002 – 12 U 26/01 –, Rn. 8, juris).

Eine unklare Verkehrslage ist gegeben, wenn nach allen Umständen mit einem gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden kann oder wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was der Vorausfahrende sogleich tun wird (Henschel/König/Dauer, nun Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 5 StVO Rn. 34 m.w.N.). Die Voraussetzungen einer unklaren Verkehrslage sind sowohl bei Zugrundelegung des Unfallhergangs, wie er vom Kläger dargelegt wurde, als auch bei Zugrundelegung des Unfallhergangs, wie er von Beklagtenseite geschildert wurde, gegeben.

Die Angaben des Klägers unterstellt, überholte die Beklagte zu 1), als das klägerische Fahrzeuggespann auf der rechten Seite der Fahrbahn mit nach links eingeschaltetem Blinker langsam weiterrollte. In einer solchen Verkehrssituation durfte die Beklagte zu 1) nicht damit rechnen, gefahrlos überholen zu können. Bei Unterstellung des von der Beklagtenseite beschriebenen Unfallhergangs lag eine Verkehrssituation vor, in der die Beklagte zu 1) nicht sicher beurteilen konnte, was der vorausfahrende Kläger sogleich tun würde. Die Beklagte zu 1) gab im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung an, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug halb auf den rechts neben der Fahrbahn verlaufenden H2 gefahren sei, wobei sie an ein Blinken des Klägers keine Erinnerung hatte. Sie gab weiter an, ihre Geschwindigkeit zunächst abgebremst zu haben, als sie bemerkt habe, dass der Kläger nach rechts auf den H2 gezogen sei, da sie nicht gewusst habe, was der Kläger vorgehabt habe. Dann habe es für sie so ausgesehen, als habe er dort anhalten wollen. Die Beklagte zu 1) schilderte damit, dass bereits nach ihrem eigenen Eindruck eine unklare Lage vorlag, da für sie zunächst nicht eindeutig erkennbar war, was der Kläger als nächstes tun würde. Ihren eigenen Vortrag, dass der Kläger halb auf den rechts neben der Fahrbahn verlaufenden Streifen gefahren sei, unterstellt, herrschte die unklare Lage auch noch, als sie dann zur Vorbeifahrt ansetzte. Denn die Beklagte hat eine Situation, in der sie sicher von einem Haltevorgang des Klägers ausgehen durfte, nicht dargelegt. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass das bei Zugrundelegung ihres Vortrags noch halb auf der Fahrbahn sich befindliche klägerische Fahrzeuggespann tatsächlich anhielt und der Kläger durch ein Blinken nach rechts signalisierte, dort länger stehen zu bleiben. Sie gab lediglich an, dass es für sie so ausgesehen habe, als habe der Kläger anhalten wollen. Dass der Kläger tatsächlich jedoch nicht zum stehen kam, wird durch die Aussage des Zeugen I gestützt, der – insoweit übereinstimmend mit den Angaben des Klägers – bekundete, das klägerische Fahrzeug sei nach seiner Verlangsamung noch weiter gerollt.

Das Gericht erachtet eine Haftungsquote von 50 : 50 für sachgerecht, da die Verusachungsbeiträge beider Parteien sowohl bei Zugrundelegung des vom Kläger dargelegten Unfallhergangs als auch bei Zugrundelegung des Unfallhergangs, wie von Beklagtenseite geschildert, im Ergebnis gleichwertig erscheinen. Damit schließt sich das Gericht der Auffassung des OLG Köln an, welches bei einem Unfallhergang, bei dem der Vorausfahrende einen Abbiegevorgang beginnt, ohne hinreichend auf den nachfolgenden Verkehr zu achten und der hinter ihm Fahrende bei unklarer Verkehrslage zum Überholen ansetzt, eine Haftungsverteilung auf hälftiger Basis für angemessen erachtet hat (OLG Köln, Urteil vom 01. Oktober 1999 – 19 U 34/99 –, Rn. 4, juris).

2. Der dem Kläger entstandene Schaden beträgt der Höhe nach insgesamt 4.925,76 €. Soweit die Beklagten die Höhe der Wertminderung und des zu berücksichtigenden Restwerts mit Nichtwissen bestritten haben, ist dieses pauschale Bestreiten angesichts des substantiierten Klägervortrags, der sich auf ein vorgerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten stützt, nicht beachtlich. Die Beklagten haben keine konkreten Einwendungen gegen das Gutachten erhoben.

Die Beklagten haben auf Basis der begründeten Haftungsquote somit 50 % des geltend gemachten Schadens, mithin 2.462,88 € auszugleichen.

II. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III. Der Kläger hat daneben ein Anspruch auf Ausgleich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 334,75 € aus §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 249 BGB. Der Umstand, dass die Beklagten lediglich zum Ersatz eines Teils des geltend gemachten Schadens verpflichtet sind, wirkt sich auf die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten aus. Diese sind zu einem Gegenstandswert von 2.462,88 € zu erstatten. Auf Basis dieses Gegenstandswertes beträgt die 1,3-Geschäftsgebühr nebst Post-/Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer 334,75 €.

IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 4.925,76 EUR festgesetzt.

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