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Verkehrsunfall: Kollision während gleichzeitigen Fahrstreifenwechsels

AG Bruchsal, Az.: 6 C 234/15, Urteil vom 22.12.2016

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.414,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin bezüglich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte … in Höhe von 172,31 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, die Beklagte Ziffer 1 seit 08.10.2015, die Beklagten als Gesamtschuldner seit 28.12.2015 freizustellen.

3. Die Widerbeklagte und der Drittwiderbeklagte werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten zu 2 459,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.05.2016 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Widerbeklagte und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Beklagten zu 2, im Falle einer Ersatzbeschaffung für das bei dem Unfall am 14.08.2014 beschädigte Motorrad 20 % der anfallenden Mehrwertsteuer aus einem Nettokaufpreis bis zu 2.272,73 € sowie 20 % der weiteren im Rahmen der Ersatzbeschaffung anfallenden zusätzlichen Kosten zu erstatten.

5. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

6. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 14 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 42 % und der Beklagte zu 2 weitere 44 % allein. Von den Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 60 % und der Beklagte zu 2 weitere 30 % allein. Von den Kosten des Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte zu 2 75 %. Von den Kosten des Beklagten zu 2 tragen die Klägerin und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 18 %. Im Übrigen trägt jede Partei ihre Kosten selbst.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, gegen die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckte Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.329,04 € (1.414,50 € für die Klage, 1.914,54 € für die Widerklage) festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin und der Beklagte zu 2 als Widerkläger machen jeweils Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 14.08.2014 gegen 12.25 Uhr auf der Autobahn A 5 in Fahrtrichtung Frankfurt in Höhe der Ausfahrt Kronau ereignete.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Halterin und Eigentümerin eines Pkws Opel Astra, der zum Unfallzeitpunkt von ihrem Sohn, dem Drittwiderbeklagten gesteuert wurde.

Der Beklagte zu 2 war zum Unfallzeitpunkt mit seinem in den Niederlanden zugelassenen Motorrad Yamaha Tour FZS 600 Fazer unterwegs.

Zunächst fuhr der Beklagte zu 2 mit diesem Motorrad auf der linken Spur hinter dem klägerischen Pkw. Als der vorausfahrende Verkehr plötzlich stark abbremste, wichen sowohl der Drittwiderbeklagte mit dem Pkw, als auch der Beklagte zu 2 mit seinem Motorrad auf die mittlere Spur aus, wobei die zeitliche Abfolge der Spurwechsel zwischen den Parteien streitig ist. Es kam dabei zu einem Auffahren des Beklagten zu 2 mit seinem Motorrad auf das Heck des klägerischen Pkws.

Verkehrsunfall: Kollision während gleichzeitigen Fahrstreifenwechsels
Symbolfoto: FreedomTumZ/Bigstock

Am klägerischen Fahrzeug entstand laut dem durch die Schadensregulierungsbevollmächtigte der Beklagten zu 1 eingeholten Gutachten ein Totalschaden. Laut Gutachten hat das Fahrzeug einen Wiederbeschaffungswert von 2.300,– € bei einem Restwert von 660,– €. Die Klägerin ließ das Fahrzeug teilweise reparieren und nutzt es weiter. Sie verlangt die Reparaturkosten bis zur Grenze des Wiederbeschaffungswerts sowie eine Auslagenpauschale von 30,– € ersetzt, wobei sie sich selbst eine Mithaftung von 25 % anrechnen lässt.

An dem Motorrad des Beklagten zu 2 entstand ebenfalls ein Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert betrug 2.272,73 € netto, ein Restwert verblieb nach dem Unfall nicht. Der Beklagte zu 2 verlangt widerklagend 80 % des Nettowiederbeschaffungswerts zuzüglich 80 % einer Auslagenpauschale von 25,– € ersetzt.

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte tragen vor:

Ursächlich für die Kollision sei nicht der Spurwechsel des klägerischen Fahrzeuges gewesen. Es habe sich vielmehr um einen Auffahrunfall aufgrund überhöhter Geschwindigkeit des Motorradfahrers und zu geringem Sicherheitsabstandes gehandelt. Als der Drittwiderbeklagte den Spurwechsel vollzogen habe, sei die mittlere Spur noch frei gewesen. Er sei bereits zum größten Teil auf der mittleren Spur gewesen, als der Motorradfahrer ihm hinten aufgefahren sei.

Nachdem die Klägerin ihre Klage mit Schriftsatz vom 08.12.2015 auf den Beklagten zu 2 erweitert hat und zwischenzeitlich hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe von 83,54 € für erledigt erklärt wurde, beantragt die Klägerin nunmehr:

1. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.414,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie vor der Inanspruchnahme von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte … in Höhe von 172,31 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2 beantragt widerklagend:

1. Die Widerbeklagte und den Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Beklagten zu 2 1.838,18 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Widerklage/Drittwiderklage zu zahlen.

2. Festzustellen, dass die Widerbeklagte und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verpflichtet sind, bei einer Ersatzbeschaffung zu einem Preis von 2.750,– € oder mehr, Mehrkosten wie z.B. den Mehrwertsteuerbetrag in Höhe von 381,82 € an den Beklagten zu 2 zu bezahlen.

Die Widerbeklagte und der Drittwiderbeklagte beantragen:

Die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor:

Der Beklagte zu 2 habe, als er bemerkt habe, dass das Fahrzeug vor dem klägerischen Opel Astra plötzlich stark abbremste, als Erster auf die mittlere Spur gewechselt, wo es für ihn frei war und er hätte ungehindert geradeaus weiterfahren können. Unmittelbar nach seinem Spurwechsel sei aber dann auch der klägerische Opel Astra ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers und unachtsam auf die rechte Spur vor ihn gewechselt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … sowie durch Einholung eines mündlich erstatteten Sachverständigengutachtens des Sachverständigen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 30.11.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat aus §§ 7, 18, 17 StVG, 115 VVG aufgrund des streitgegenständlichen Unfallereignisses Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten mindestens in Höhe des geltend gemachten Betrages.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der fragliche Unfall allein von dem Beklagten zu 2 verschuldet, auf Klägerseite ist lediglich die Betriebsgefahr des klägerischen Pkws mit 20 % zu berücksichtigen.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen, die dieser aufgrund der Beschädigungen an den Fahrzeugen und des markanten Spurenbildes auf der Fahrbahn treffen konnte, handelte es sich nicht um eine Kollision infolge eines Spurwechsels. Vielmehr fand ein etwa zeitgleiches Ausweichen des klägerischen Pkws und des Beklagten-Motorrads nach rechts statt. Zum Zeitpunkt der Kollision befanden sich beide jedoch noch überwiegend auf der linken Spur. Es ist daher keine Konstellation gegeben, in der ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Drittwiderbeklagten in Form eines Fehlers beim Spurwechsel spräche. Einen solchen Fehler beim Spurwechsel hat die Beweisaufnahme auch nicht ergeben, insbesondere nicht, dass der Kläger bei Einleiten seines Ausweichvorgangs nach rechts hätte erkennen können, dass der Motorradfahrer hinter ihm ebenfalls dorthin ausweichen würde. Der Vortrag der Beklagten, wonach der Motorradfahrer sogar schon früher nach rechts ausgewichen sei und sich zum Zeitpunkt des Spurwechsels des klägerischen Fahrzeugs bereits auf der mittleren Spur befunden habe, wurde durch das Sachverständigengutachten widerlegt.

Die Kollision ist vielmehr als Auffahrunfall zu qualifizieren, so dass ein Anscheinsbeweis für ein alleiniges Verschulden des Beklagten zu 2 in Form eines zu geringen Sicherheitsabstandes, Reaktionsverzuges und/oder überhöhter Geschwindigkeit spricht. Hierzu hat die Beweisaufnahme im Übrigen bestätigt, dass tatsächlich ein zu geringer Sicherheitsabstand des Beklagten zu 2 gegeben war, nämlich nach den Ausführungen des Sachverständigen von unter 10 m bei einer Geschwindigkeit zwischen 95 und 105 km/h.

Ein Mitverschulden des Drittwiderbeklagten liegt auch nicht etwa darin, dass er den Unfall dadurch hätte vermeiden können – so der Sachverständige -, indem er bei kontinuierlicher Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs den zu geringen Abstand des hinter ihm fahrenden Motorrads hätte erkennen können und wenn er darauf so reagiert hätte, dass er sein Fahrzeug weiter auf der linken Spur zunächst voll abgebremst hätte. Denn eine solche kontinuierliche Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs in Bezug auf einen möglichen zu geringen Sicherheitsabstand des Hintermanns konnte von dem Drittwiderbeklagten nicht verlangt werden.

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich der Bremsbedarf des klägerischen Fahrzeugs dadurch erhöht hat, dass der Drittwiderbeklagte zu seinem Vordermann keinen größeren Abstand eingehalten hatte, sondern einen so geringen, der den Drittwiderbeklagten dazu veranlasste, zur Vermeidung eines Auffahrens auf die mittlere Spur auszuweichen. Aus diesem Grund tritt die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs vorliegend nicht hinter dem Verschulden des Beklagten Ziffer 2 zurück.

Es ergeben sich mithin folgende Schadensersatzansprüche der Klägerin:

Da die Klägerin ihr Fahrzeug weiter nutzt, kann sie, obwohl das Fahrzeug nur teilweise repariert wurde, die Reparaturkosten bis zur Grenze des Widerbeschaffungswerts (ohne Abzug des Restwerts) ersetzt verlangen, d.h. die 2.300,– €. Hinzu kommt die Unkostenpauschale, welche das Gericht mit 25,– € bemisst. Unter Berücksichtigung der Mithaftung aufgrund der Betriebsgefahr sind hiervon 80 % zu erstatten, d.h. 1.860,– € mithin unter Berücksichtigung der gezahlten 333,– € noch mehr als der eingeklagte Betrag.

Die Klägerin kann ferner Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in der geltend gemachten Höhe verlangen.

Die Zinsansprüche beruhen auf §§ 280, 286 BGB bzw. auf § 291 BGB.

Der Beklagte zu 2/Widerkläger hat folgende Schadensersatzansprüche:

Ihm sind 20 % des Wiederbeschaffungswerts in Höhe von 2.272,73 € netto sowie der Pauschale von 25,– € zu ersetzen, mithin 459,55 €.

Es war ferner auf den Feststellungsantrag des Beklagten zu 2 hin festzustellen, dass die Widerbeklagte und der Drittwiderbeklagte auch zum Ersatz von 20 % der weiteren im Rahmen einer Ersatzbeschaffung anfallenden Kosten verpflichtet sind, so z.B. der Mehrwertsteuer, diese jedoch maximal aus einem Nettokaufpreis in Höhe des ermittelten Wiederbeschaffungswerts.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Im Rahmen des Streitwerts hat das Gericht den Feststellungsantrag im Rahmen der Widerklage mit 20 % der darin bezifferten Mehrwertsteuer berücksichtigt.

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