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Verkehrsunfall – Kollision eines Fahrzeugs des fließenden Verkehrs mit einer geöffneten Fahrzeugtür

AG Herford – Az.: 12 C 502/10 – Urteil vom 14.06.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend. Am 09.03.2010 gegen 7:45 Uhr parkte der Kläger mit seinem Pkw … auf der …Straße in … in Höhe des Hauses Nummer … am rechten Straßenrand, weil er aussteigen wollte. Hinter ihm parkte ein weiteres Fahrzeug, vor ihm zwei weitere Fahrzeuge. Der Kläger nahm sodann von seinem Fahrersitz aus wahr, dass sich auf der Fahrspur unmittelbar links neben ihm von hinten ein Lkw näherte.

Der Lkw, ein …, dessen Halterin die Beklagte zu 1) ist, stieß während des Vorbeifahrens mit seiner rechten hinteren Positionslampe gegen die geöffnete Tür des Fahrzeugs des Klägers. Dabei entstand ein Sachschaden an der Tür des klägerischen Pkw. Der Lkw wurde gefahren von dem Beklagten zu 3) und ist haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2).

Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von 1.589,24 Euro.

Der Kläger geht von einer alleinigen Haftungsverantwortung der Beklagten aus und behauptet, er habe die Fahrertür bereits etwas geöffnet, noch bevor der Lkw ihn passiert habe. Durch den Rückspiegel habe er gesehen, dass sich auf der Fahrbahn unmittelbar links neben ihm ein Lkw von hinten nähert, woraufhin er die bereits etwas geöffnete Fahrertür von innen fest gehalten habe und diese „nur ein Spalt weit“ geöffnet gewesen sei. Er behauptet weiter, der Beklagte zu 3) habe einen zu geringen Sicherheitsabstand beim Vorbeifahren an seinem Fahrzeug eingehalten. Schließlich sei ihm an seinem Pkw ein Schaden in Höhe von 1589,24 € entstanden.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1589,24 € nebst 5 % Zinsen hierauf seit dem 07.05.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Kläger habe die Tür auf der Fahrerseite seines Autos erst geöffnet, als der Lkw der Beklagten zu 1) und schon fast an den klägerischen Fahrzeug vorbeigefahren war. Sie sind der Ansicht, den Kläger treffe die alleinige Haftungsverantwortung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 03.08.2010 durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 18.11.2010 (Bl. 45 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kein Schadenersatzanspruch zu, weil die Beklagten keine Haftungsverantwortung für den Unfall trifft. Sie liegt allein beim Kläger.

Der Kläger hat gegen § 14 StVO verstoßen. Er unterlag insoweit einer gesteigerten Sorgfaltspflicht, denn gemäß § 14 Abs. 1 StVO musste er sich beim Aussteigen so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Soweit sich von hinten Verkehr nähert, der vor Beendigung des Ein- oder Aussteigens passieren könnte, verlangt die von § 14 Abs. 1 StVO geforderte äußerste Sorgfalt, dass so lange jedes Türöffnen unterlassen wird (KG VRS 69, 98; BGH NJW 1971, 1095). Ein Verstoß hiergegen wiegt grundsätzlich schwer.

Wer die linke Wagentür eines am Straßenrand parkenden Pkw öffnen möchte, darf sie allenfalls langsam und lediglich spaltweise öffnen (vgl. KG DAR 2006, 149; LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 14.01.2011, Az. 2 O 33/10, zit. nach Juris). Wegen dieser gesteigerten Sorgfaltspflichten aus § 14 StVO kann von einem solchen “spaltweisen“ Öffnen nur bei einer Türöffnung bis etwa 10 cm ausgegangen werden (so auch das KG a. a. O.). Eine weitere Öffnung der Tür auf der Fahrerseite darf nur erfolgen, wenn mit Gewissheit niemand kommt (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 14 StVO Rn. 6; KG a. a. O.).

Nach dem überzeugenden und nachvollziehbaren Ergebnis des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen … konnte dieser “mit einem Größtmaß an Sicherheit eingrenzen, dass sich dieses Unfallgeschehen mit einem Seitenabstandsspektrum von leicht mehr als 20 cm bis knapp oberhalb von 50 cm ereignet haben muss“ (S. 21 d. Gutachtens). Folglich hatte der Kläger die Fahrzeugtür entgegen seiner Behauptung nicht nur “spaltweise“ geöffnet, sondern deutlich darüber hinaus, nämlich mindestens 20 cm.

Der Unfall beruht darauf, dass der Kläger beim Aussteigen nicht die nötige Sorgfalt hat walten lassen. Unstreitig hat der Kläger den von hinten herannahenden Lkw bemerkt. Entweder hatte er die Tür mindestens 20 cm weit geöffnet oder diese jedenfalls nicht ausreichend festgehalten, um ein weiteres Öffnen durch die Sogwirkung des LKW zu verhindern. Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht im Übrigen schon der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden (vgl. OLG Düsseldorf, aaO; OLG Hamburg, aaO; OLG Hamm, NZV 2000, 209 f.; KG, DAR 2005, 217; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 14 StVO Rn. 9). Der Kläger konnte diesen Anscheinsbeweis nicht erschüttern, weil nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens die Tür mindestens 20 cm geöffnet war.

Ein Mitverschulden des Beklagten zu 3) an dem Unfall lässt sich nicht feststellen. Denn zum einen hat der beweisbelastete Kläger nicht den Nachweis dafür erbringen können, dass der Beklagte zu 3) den in der Rechtsprechung teilweise für ausreichend erachteten Seitenabstand von 50 cm (vgl. dazu KG, NZV 2010, S. 344 m. w. N.) beim Vorbeifahren nicht eingehalten hat. Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen … ist es nicht auszuschließen, dass der Beklagte zu 3) mit einem Abstand von “um die 50 cm herum“ an dem Pkw des Klägers vorbeigefahren ist (S. 69 des Gutachtens).

Zum anderen träfe die Beklagten aber hier selbst dann kein Mitverschulden, wenn der Beklagte zu 3) mit einem Seitenabstand von 20 cm bis knapp unter 50 cm an dem klägerischen Fahrzeug vorbeigefahren wäre. Denn der Beklagte zu 3) durfte zumindest darauf vertrauen, dass die Wagentür des parkenden Fahrzeugs nicht plötzlich weiter als spaltweise, also weiter als 10 cm, geöffnet wird (vgl. LG Dessau-Roßlau, a.a.O.). Der Sachverständige ist aber zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger die Fahrzeugtür zwischen 20 und 50 cm weit geöffnet hatte. Ein lediglich spaltweises Öffnen der Fahrzeugtür war damit wie bereits ausgeführt nicht mehr gegeben.

Verkehrsunfall - Kollision eines Fahrzeugs des fließenden Verkehrs mit einer geöffneten Fahrzeugtür
Symbolfoto: Von Dan Race/Shutterstock.com

Der Kläger hat seine Fahrzeugtür unter Verstoß gegen § 14 StVO in grob verkehrswidriger Weise geöffnet, was eine alleinige Haftung für den entstandenen Sachschaden rechtfertigt. Ein anderes Ergebnis wäre nur dann denkbar, wenn der Beklagte zu 3) konkrete Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, dass der Kläger die Tür seines Fahrzeugs öffnen würde. Dies wäre dann der Fall gewesen, wenn von dem klägerischen Fahrzeug Gefahrensignale ausgegangen wären, wie eine bereits für ihn erkennbar leicht geöffnete Tür oder gestikulierende Armbewegungen des Fahrers. Dass der Beklagte zu 3) zuvor hätte erkennen können und müssen, dass die Tür des klägerischen Fahrzeugs geöffnet war, um sein Fahrverhalten daran auszurichten, hat der Kläger allerdings schon nicht behauptet. Ob der Kläger die Tür nun bereits vor dem Passieren des Lkw geöffnet hatte oder er sie erst öffnete, als sich der Lkw bereits direkt neben ihm befand, kann letztlich dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 1.589,24 Euro.

 

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