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Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall bei Anmietung eines Werkstattersatzwagens

Verkehrsunfall-Urteil: Kläger erhält Mietwagenkosten und Desinfektionskosten

Im Fall AG Aschaffenburg – Az.: 122 C 408/23 geht es um die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung restlicher Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, einschließlich der Übernahme der Kosten für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs und der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, wobei die Höhe der Ansprüche gemäß den Vorschriften des BGB bestimmt und der Anspruch auf Erstattung spezifischer Kosten wie Desinfektions- und Mietwagenkosten hervorgehoben wird.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Beklagte wird zur Zahlung von 559,69 € plus Zinsen an die Klägerin verurteilt, basierend auf einem Anspruch aus einem Verkehrsunfall am 30.10.2021.
  • Die Entscheidung umfasst die Erstattung der Reparaturkosten, inklusive spezifischer Desinfektionskosten, sowie der Mietwagenkosten, basierend auf der Annahme ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit.
  • Die Höhe der Ansprüche richtet sich nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, wobei ein Sachverständigengutachten die Erforderlichkeit der Kosten bestätigt.
  • Die Klägerin hat auch Anspruch auf die Erstattung der Mietwagenkosten, wobei der Schwacke-Mietpreisspiegel als Schätzgrundlage dient und spezielle Kosten wie für Winterreifen und Vollkaskoschutz als erforderlicher Herstellungsaufwand angesehen werden.
  • Das Urteil betont, dass der Geschädigte die Rechte hat, auf Basis eines vorliegenden Sachverständigengutachtens von der Notwendigkeit und Angemessenheit der entstandenen Kosten auszugehen.
  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
  • Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 BGB.

Verkehrsunfälle und Schadensersatzansprüche

Nach einem Verkehrsunfall stellt sich häufig die Frage nach den erstattungsfähigen Kosten. Neben den eigentlichen Reparaturkosten fallen oft auch Mietwagenkosten an, um die Mobilitätseinschränkung während der Reparaturzeit zu überbrücken.

Insbesondere bei der Anmietung von Werkstattersatzwagen ergeben sich besondere Gesichtspunkte. Die Gerichte haben in ihrer Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, wann solche Kosten vom Schädiger zu erstatten sind und in welcher angemessenen Höhe ein Anspruch besteht. Dabei spielen Faktoren wie die Marktüblichkeit der Kosten oder die Erforderlichkeit der Anmietung eine entscheidende Rolle.

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➜ Der Fall im Detail


Streit um Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall

Ein Verkehrsunfall im Oktober 2021 führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung vor dem Amtsgericht Aschaffenburg, bei der es um die Erstattung von Mietwagenkosten sowie um Desinfektionskosten im Zuge der Fahrzeugreparatur ging.

Mietwagenkosten nach Unfall
(Symbolfoto: BigPixel Photo /Shutterstock.com)

Die Klägerin forderte von der Beklagten die Übernahme dieser Kosten nach einem Unfallereignis. Im Kern der Debatte stand die Frage, inwiefern die Beklagte zur Zahlung der restlichen Reparaturkosten, speziell der Desinfektionskosten, und der Mietwagenkosten verpflichtet ist. Besonders heikel wurde die Angelegenheit durch die Bestreitung der Notwendigkeit und Höhe der geforderten Beträge seitens der Beklagten.

Die richterliche Entscheidung

Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 559,69 € nebst Zinsen. Dieses Urteil basiert auf den Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), des Pflichtversicherungsgesetzes (PflVG) sowie des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Klägerin konnte ihre Forderungen unter anderem durch Vorlage einer Freigabeerklärung und eines Sachverständigengutachtens legitimieren. Das Gericht bestätigte den Anspruch der Klägerin sowohl auf die restlichen Reparaturkosten als auch auf die Mietwagenkosten, wobei der Grundsatz des Werkstattrisikos und die Erforderlichkeit der Kosten im Mittelpunkt standen.

Werkstattrisiko und die Frage der Erforderlichkeit

Die Entscheidung des Gerichts beleuchtete insbesondere das sog. Werkstattrisiko. Nach diesem Grundsatz muss der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung die vollständigen Reparaturkosten übernehmen, sofern diese durch ein Sachverständigengutachten als erforderlich angesehen und durch eine Rechnung der Werkstatt belegt werden. Das Gericht sah die vorgelegten Desinfektionskosten in Höhe von 44,78 € als gerechtfertigt an, da diese bereits im Sachverständigengutachten ausgewiesen und durch die Reparaturrechnung bestätigt wurden.

Mietwagenkosten unter der Lupe

Bei der Beurteilung der Mietwagenkosten orientierte sich das Gericht am Schwacke-Mietpreisspiegel, einer anerkannten Schätzgrundlage für derartige Kosten. Die Klägerin erhielt die geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe von 514,91 € zugesprochen. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der Notwendigkeit dieser Kosten aus der Perspektive eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Situation der Geschädigten. Zudem wurden Kosten für Winterreifen und eine Haftungsbefreiung als erstattungsfähig angesehen, was die Position der Klägerin stärkte.

Zinsanspruch und Kostenentscheidung

Neben den Hauptforderungen sprach das Gericht der Klägerin auch einen Zinsanspruch zu, basierend auf den gesetzlichen Regelungen zu Verzugszinsen. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits wurde entschieden, dass diese von der Beklagten zu tragen sind. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils folgt den üblichen zivilprozessualen Bestimmungen, was der Klägerin die Möglichkeit gibt, die Forderungen vorläufig zu vollstrecken.

Dieses Urteil verdeutlicht die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Schadensersatzansprüche nach Verkehrsunfällen geltend gemacht und durchgesetzt werden können. Es zeigt auf, wie Gerichte die Erforderlichkeit und Angemessenheit von Reparatur- und Mietwagenkosten beurteilen und unterstreicht die Bedeutung eines fundierten Sachverständigengutachtens in solchen Fällen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Wer kommt für die Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall auf?

Die Kosten für einen Mietwagen nach einem Verkehrsunfall werden grundsätzlich von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers getragen. Dies folgt aus dem Prinzip der Naturalrestitution im deutschen Schadensersatzrecht – der Schädiger muss den Zustand wiederherstellen, der vor dem schädigenden Ereignis bestand. Da der Geschädigte durch den Unfall die Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeugs verliert, hat er Anspruch darauf, die Kosten für einen Mietwagen ersetzt zu bekommen.

Dieser Anspruch unterliegt jedoch der Schadensminderungspflicht des Geschädigten. Er muss wirtschaftlich sinnvoll handeln und die Kosten so gering wie möglich halten. Dazu gehört, dass nur ein Mietwagen der Kategorie des beschädigten Fahrzeugs angemietet werden darf und die Mietdauer auf den notwendigen Zeitraum beschränkt sein muss.

Für die Dauer der Reparatur seines Fahrzeugs hat der Geschädigte in jedem Fall Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten. Auch für die Zeit der Schadensermittlung durch einen Gutachter und eine angemessene Überlegungsfrist zur Entscheidung über Reparatur oder Neubeschaffung steht ihm ein Mietwagen zu.

Bei einem wirtschaftlichen Totalschaden mit Neubeschaffung eines Ersatzfahrzeugs sind die Mietwagenkosten bis zur Lieferung des Neuwagens zu erstatten. Die Wartezeit muss jedoch durch den Geschädigten so kurz wie möglich gehalten werden.

Insgesamt ist der Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten also zeitlich begrenzt auf den unbedingt erforderlichen Rahmen. Die Versicherung kann überhöhte Kosten aufgrund mangelnder Schadensminderung ablehnen.

Wie werden die Mietwagenkosten nach einem Unfall berechnet?

Die Berechnung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach einem Unfall erfolgt in der Regel durch eine Schätzung des Gerichts gemäß § 287 ZPO. Dabei werden häufig die folgenden Listen und Methoden herangezogen:

Schwacke-Liste

Die Schwacke-Liste basiert auf Preislisten der Autovermieter und soll die regional üblichen Mietwagenpreise widerspiegeln. Sie wird von vielen Gerichten als geeignete Schätzungsgrundlage angesehen.

Fraunhofer-Mietpreisspiegel

Der Fraunhofer-Mietpreisspiegel erhebt die aktuellen Mietpreise durch Umfragen bei Vermietfirmen und soll die tatsächlichen Marktpreise besser abbilden. Einige Gerichte bevorzugen ihn gegenüber der Schwacke-Liste.

„Fracke-Methode“

Hierbei wird das arithmetische Mittel aus den Preisen der Schwacke-Liste und des Fraunhofer-Mietpreisspiegels gebildet. Diese Methode wird von manchen Gerichten als Kompromisslösung angewandt, um die Vor- und Nachteile beider Listen auszugleichen.

Neben der Wahl der Preisliste sind weitere Faktoren für die Schätzung relevant:

  • Die Fahrzeugklasse des Mietwagens muss der des beschädigten Fahrzeugs entsprechen.
  • Die Mietdauer richtet sich nach der tatsächlichen Reparaturdauer, ggf. inklusive Wartezeiten.
  • Der Geschädigte muss seine Schadensminderungspflicht beachten und wirtschaftlich sinnvoll handeln.

Die Gerichte wägen im Einzelfall ab, welche Methode und Preisliste zur angemessenen Schätzung der Mietwagenkosten am besten geeignet ist.

Welche Rolle spielt das Werkstattrisiko bei der Schadensabwicklung?

Das Werkstattrisiko spielt eine zentrale Rolle bei der Schadensabwicklung nach einem Verkehrsunfall. Es regelt, wer die Kosten für eine Fahrzeugreparatur zu tragen hat, wenn diese höher ausfallen als ursprünglich kalkuliert. Die wichtigsten Punkte zum Werkstattrisiko sind:

Grundsatz

Der Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung trägt grundsätzlich das sogenannte Werkstattrisiko. Das bedeutet, dass der Schädiger die gesamte Werkstattrechnung zu erstatten hat, auch wenn die Kosten überhöht erscheinen oder Reparaturschritte möglicherweise nicht durchgeführt wurden.

Begründung

Die Reparatur findet in einer vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Sphäre statt. Daher muss der Schädiger das Risiko tragen, dass die Werkstatt unwirtschaftlich oder unsachgemäß vorgeht und dadurch zusätzliche Kosten entstehen.

Ausnahmen

Das Werkstattrisiko gilt nicht unbegrenzt. Der Geschädigte muss bei der Auswahl der Werkstatt und während der Reparatur seine Schadensminderungspflicht beachten. Bei grobem Auswahl- oder Überwachungsverschulden kann das Werkstattrisiko eingeschränkt sein.

Rechnungszahlung

Ob der Geschädigte die Werkstattrechnung bereits bezahlt hat, ist für das Werkstattrisiko unerheblich. Der Schädiger muss die Kosten in beiden Fällen erstatten.

Mietwagenkosten

Das Werkstattrisiko erstreckt sich auch auf Mietwagenkosten. Verlängert sich die Reparaturdauer durch Fehler der Werkstatt, muss der Schädiger die zusätzlichen Mietwagenkosten tragen.

Zusammengefasst bedeutet das Werkstattrisiko, dass der Unfallverursacher im Zweifel für die Reparaturkosten aufkommen muss, solange der Geschädigte nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Dies soll den Geschädigten vor zusätzlichen Kosten schützen.

Sind Desinfektionskosten nach einem Unfall erstattungsfähig?

Nach der aktuellen Rechtsprechung sind Desinfektionskosten, die im Rahmen einer Fahrzeugreparatur nach einem Unfall anfallen, grundsätzlich vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu erstatten. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Erforderlichkeit der Maßnahme

Desinfektionsmaßnahmen dienen dem Schutz von Kunden und Werkstattmitarbeitern vor einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus. Gerade bei Unfallfahrzeugen, die häufig von verschiedenen Personen betreten werden, erscheint eine Desinfektion sinnvoll und angemessen. Die Gerichte sehen darin eine adäquate Reaktion auf die Pandemiesituation.

Werkstattrisiko

Nach dem Prinzip des Werkstattrisikos muss der Schädiger auch für möglicherweise überhöhte oder nicht erforderliche Reparaturpositionen einstehen, sofern den Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft. Der Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Fachwerkstatt nur die notwendigen Arbeiten durchführt. Eine Prüfungspflicht hinsichtlich einzelner Rechnungspositionen besteht nicht.

Erkennbarkeit der Kosten

Für einen Laien ist es kaum möglich einzuschätzen, ob die Berechnung von Desinfektionskosten branchenüblich ist und in welcher Höhe diese anfallen. Selbst wenn die Kosten im Gutachten nicht ausgewiesen sind, muss der Geschädigte nicht von einer Unüblichkeit der Maßnahme ausgehen.

Abrechnung und Zahlung

Unerheblich ist, ob die Rechnung bereits beglichen wurde. Der Erstattungsanspruch besteht unabhängig davon, ob der Geschädigte in Vorleistung getreten ist.

Lediglich in Ausnahmefällen, etwa bei grob überhöhten Desinfektionskosten oder bei Kenntnis des Geschädigten von der Überflüssigkeit der Maßnahme, kann eine Erstattung ausnahmsweise ausscheiden. Im Regelfall sind die Kosten aber von der gegnerischen Versicherung zu tragen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 249 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Schadensersatzpflicht und ist zentral für die Erstattung von Reparatur- und Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall. Er besagt, dass der Schädiger den Zustand herstellen muss, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Bezug zum Thema zeigt, wie Geschädigte ihre Ansprüche auf Ersatz der Reparaturkosten und Mietwagenkosten geltend machen können.
  • §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Diese Paragraphen definieren die Haftung bei Verkehrsunfällen. Sie legen fest, dass der Halter eines Fahrzeugs für den Schaden haftet, der beim Betrieb des Fahrzeugs entsteht. Im Kontext der Mietwagenkosten nach einem Unfall klären sie die grundsätzliche Haftungsfrage.
  • § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Erklärt die Pflichten der Kfz-Haftpflichtversicherung, einschließlich der Übernahme von Schadensersatzansprüchen Dritter. Dieser Paragraph ist relevant, um zu verstehen, inwieweit Versicherungen in die Regulierung von Schäden nach Verkehrsunfällen eingebunden sind.
  • § 1 PflVG (Pflichtversicherungsgesetz): Bestimmt die Versicherungspflicht für Fahrzeughalter und unterstreicht die Bedeutung einer Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge. Dieser Rechtsbereich ist im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen und der Abwicklung von Schadensersatzansprüchen wichtig.
  • § 249 Abs. 2 S. 1 BGB: Spezifiziert, dass bei Sachschäden der notwendige Geldbetrag zu ersetzen ist, was für die Erstattung von Mietwagenkosten nach einem Unfall relevant ist. Dieser Punkt verdeutlicht, wie die Notwendigkeit und Angemessenheit der Mietwagenkosten beurteilt werden.
  • §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 BGB: Diese Paragraphen behandeln den Verzugsschaden und Zinsansprüche. Sie sind relevant, um die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen zu verstehen, wenn die Erstattung der Mietwagenkosten verzögert wird.


Das vorliegende Urteil

AG Aschaffenburg – Az.: 122 C 408/23 – Endurteil vom 13.10.2023

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 559,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14.09.2022 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Hiernach hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom 30.10.2021 sowie auf die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen in ausgeurteilter Höhe.

Der Anspruch auf Zahlung ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr.1 VVG, § 1 PflVG sowie § 249 BGB.

A.

Die Klägerin ist ausweislich der mit Anlage K9 vorgelegten Freigabeerklärung im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Positionen aktivlegitimiert, so dass es auf den mit Schriftsatz vom 26.06.2023 gestellten Hilfsantrag nicht ankommt.

B.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der restlichen Reparaturkosten, hier in Form der Desinfektionskosten, aus dem Grundsatz des Werkstattrisikos zu. Weiter hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Mietwagenkosten.

Die Haftung dem Grunde nach steht zwischen den Parteien nicht in Streit; es besteht lediglich Streit im Hinblick auf die Höhe der ausstehenden Reparaturkosten (Desinfektionskosten) in Höhe von 44,78 € sowie die restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 514,91 €.

1. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

Danach kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit i. S. d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist jedoch zu berücksichtigen, dass den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Weist z.B. ein vorab eingeholtes Sachverständigengutachten Kosten als erforderlich aus, kann nicht erwartet werden, dass der Geschädigte, der regelmäßig Laie ist und sich überhaupt erst durch das erholte Gutachten Wissen über die erforderlichen Reparaturkosten verschafft, diese anzweifelt.

2. Die Beklagte ist hiernach bereits nach den Grundsätzen des sog. Werkstattrisikos gemäß § 249 Abs. 2 S.1 BGB verpflichtet die durch Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Instandsetzungskosten vollumfänglich, d.h. auch inklusive der hier streitigen Desinfektionskosten in Höhe von 44,78 € (brutto), zu übernehmen.

a) Nach den Grundsätzen des sog. Werkstattrisikos hat der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung die Pflicht zur Zahlung der vollständigen Reparaturkosten. Der Geschädigte hat hier ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben (Anlage K1) und der Werkstatt den Auftrag erteilt, auf Basis dieses Gutachtens ihr Fahrzeug zu reparieren (Reparaturrechnung, Anlage K2). Die hier streitgegenständlichen Desinfektionskosten sind im Gutachten bereits ausgewiesen (Anlage K1, S. 7 f; Bl. 15 f d.A.). Dort sind die Materialkosten auf 7,50 € und die Desinfektionskosten auf 35,85 € jeweils netto beziffert. Die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten sind durch eine Rechnung belegt (Anlage K2, Bl. 33). In der Rechnung werden die Materialkosten auf 7,50 € und die Desinfektionskosten auf 30,13 € jeweils netto beziffert. Die ausgewiesenen Gesamtkosten (netto) bleiben damit sogar hinter der Schätzung im Sachverständigengutachten zurück.

Ausweislich des Klägervortrags wurde hier auch nicht fiktiv abgerechnet, sondern nach erfolgter Reparatur. Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Rechnung der Fa. Auto Centrum St. vom 24.11.2022 (Anlage K2) – im Zusammenhang mit Rechnungsstellung – bezahlt wurde, liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die in der Reparaturkostenrechnung ausgewiesenen und im vorab eingeholten Gutachten für erforderlich gehaltenen Arbeiten tatsächlich nicht bezahlt wurden. Der Vortrag erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein. Im Übrigen hat die Beklagte selbst den wesentlichen Teil der Reparaturkosten bereits erstattet. Warum daneben gerade die beanstandeten Positionen nicht bezahlt worden sein sollen, erschließt sich nicht. Daneben kann dies letztlich auch dahingestellt bleiben, da die Klägerin bereits nach Auftragserteilung gegenüber der Werkstatt zur Zahlung verpflichtet ist, so dass die Einstandspflicht der Beklagten nicht von der Zahlung abhängt.

Ein Auswahl- und/oder Überwachungsverschulden der Klägerin ist nach den Umständen des Streitfalles weder ersichtlich noch dargetan, so dass die Klägerin auch kein Auswahl- und Überwachungsverschulden trifft.

Der Kläger durfte die hier abgerechneten Desinfektionskosten hiernach für erforderlich halten. b)

Die in der Rechnung vom 24.02.2022 ausgewiesenen Desinfektionskosten von 44,78 € (brutto) sind daneben zur Überzeugung des Gerichts auch von der Höhe ihrer Bezifferung nicht zu beanstanden.

Ausweislich der o.g. Reparaturrechnung (Anlage K2, Bl. 33 f), und dem hierzu durch die Parteien gehaltenen Sachvortrag, setzt sich der o.g. noch offene Betrag aus COVID-19 Schutzmaßnahmen (3 AW = 30,13 €) und COVID-19 Schutzmaterial (7,50 €) plus MwSt. zusammen.

Insofern sei auf den veröffentlichten Forschungsbericht des A. Zentrums für Technik (AZT), des Zentralverbands Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) sowie der Interessengemeinschaft Fahrzeugtechnik und Lackierung (IFL e. V.) hingewiesen. Hiernach ist grundsätzlich von Arbeitswerten von 3 AW und Verbrauchsmaterialien von 7,50 € für die Corona-Desinfektionskosten auszugehen.

3. Daneben schuldet die Beklagte gemäß § 249 BGB auch die restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 514,91 €.

a) Bei der Beurteilung der Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten legt das Gericht als Schätzgrundlage – der ständigen Rechtsprechung im Landgerichtsbezirk Aschaffenburg folgend – den im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls geltenden Schwacke-Mietpreisspiegel, dort das arithmetische Mittel für das Postleitzahlengebiet am Ort der Anmietung, zugrunde. Die Verwendung des jeweils gültigen Schwacke-Mietpreisspiegels als Schätzgrundlage im Sinne von § 287 ZPO wird vom Bundesgerichtshof und auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung gebilligt bzw. für zulässig erachtet. Dem Gericht ist im Rahmen seiner Ermessensausübung im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung dabei durchaus bewusst, dass andere Gerichte teils auch andere Schätzgrundlagen heranziehen und die Schätzgrundlage sicherlich auch Schwächen aufweist, dennoch ist dem Schwacke-Mietpreisspiegel die generelle Eignung als Schätzgrundlage nicht abzusprechen, so dass von seiner Heranziehung im Rahmen von § 287 ZPO abgesehen werden müsste. b)

Das Gericht kann anhand des weiteren Vortrags der Beklagten auch keine Anhaltspunkte erkennen, weshalb im hiesigen Einzelfall von den Tarifen des Schwacke-Mietpreisspiegels abgewichen werden sollte.

Grundsätzlich kann nach Auffassung der hiesigen Berufungskammer eine Abweichung von der Schwacke-Liste ggf. veranlasst sein, wenn das vom Unfallgeschädigten entgeltlich in Anspruch genommene Ersatzfahrzeug nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen und versichert ist, sondern von dem Fahrzeugvermieter als Werkstattwagen gehalten wird. Dies weil die Kosten für die Vorhaltung von Werkstattersatzwagen deutlich geringer seien als die mit der Haltung von Selbstfahrervermietfahrzeugen verbundenen, weshalb bei der Schätzung der erforderlichen Kosten für die Anmietung von Werkstattersatzwagen nicht auf die Tarife der Schwacke-Liste abgestellt werden könne, die von einer ordnungsgemäßen Anmietung ausgehen. Wird zur Überbrückung der reparaturbedingten Ausfallzeit des unfallgeschädigten Wagens nur ein Werkstattersatzwagen zur Verfügung gestellt, so ist nach Ansicht der hiesigen Berufungskammer (s. Urteil vom 25.03.2021, Az.: 22 S 2/19) ein fünfzigprozentiger Abschlag von den Sätzen der Schwacke-Liste veranlasst.

Etwas anderes gilt aber dann, wenn unstreitig ist oder der Unfallgeschädigte nachweist, dass er von der Erforderlichkeit der ihm berechneten Mietwagenkosten ausgehen durfte. Darf der Unfallgeschädigte somit nach den gegebenen Verhältnissen im Zeitpunkt der Anmietung davon ausgehen, dass eine reguläre, ordnungsgemäße und marktgerechte Vermietung eines entsprechend zugelassenen und versicherten Fahrzeugs an ihn erfolgt, sind die Schwacke-Sätze uneingeschränkt anzuwenden.

Dass die Klägerin im vorliegenden Einzelfall hiervon ausging, davon ist das Gericht anhand des substantiierten Sachvortrages, spätestens mit Schriftsatz vom 04.09.2023 (Bl. 183 ff) und unabhängig von der Vorlage der Anlage K10, überzeugt. Denn für die Klägerin war anhand der objektiven Umstände der Vermietung, insbesondere aufgrund des Inhalts der schriftlichen Vereinbarung (Anlage K4), nicht erkennbar, dass ihr außerhalb eines regulären Vermietgeschäfts ein Wagen der Werkstatt zur Verfügung gestellt wird, der grundsätzlich nicht für eine gewerbsmäßige Vermietung bereitgehalten wird.

c) Das Gericht hat auch keine Bedenken im Hinblick auf die Höhe der hier insgesamt (weiter) geltend gemachten Mietwagenkosten.

Wie von der Klagepartei zutreffend ermittelt, liegt der in der Rechnung vom 24.11.2022 (Anlage K3, Bl. 35) geltend gemachte Betrag bereits unter dem nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel berechneten Betrag. Die Klägerin hat ausweislich der Mietwagenrechnung / des Mietvertrags auch ein klassentieferes Fahrzeug angemietet.

Mit der Berufungskammer (s. Urteil Landgericht Aschaffenburg vom 11.05.2023, Az.: 22 S 96/22) sieht das Gericht hier daneben auch die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Winterreifen als gegeben an, da diese bei einer Anmietung in den Wintermonaten grundsätzlich einen erforderlichen Wiederherstellungsaufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellen, wenn auf dem Mietwagenmarkt Mietfahrzeuge mit Winterbereifung nur gegen Zahlung eines Zuschlags für dieses Ausstattungsmerkmal angeboten werden. Das Fahrzeug ist hier zur Winterzeit (November 2021) angemietet worden. Winterreifen zählen gem. § 2 Abs. 3a StVO zu der für die Wintermonate erforderlichen Ausstattung eines Kraftfahrzeugs. Auch wenn der Autovermieter die Überlassung eines verkehrstauglichen Fahrzeugs schuldet, bedeutet dies nicht, dass er für die gem. § 2 Abs. 3a StVO erforderliche Ausstattung mit Winterreifen nicht eine gesonderte Vergütung verlangen kann (BGH, Urt. v. 15.03.2013 – VI ZR 245/11 – juris). Damit sind vorliegend Kosten für Winterreifen in Höhe von insg. 55,05 € erstattungsfähig.

Gleichsam erachtet das Gericht auch die geltend gemachten Kosten in Höhe von 104,85 € zwecks Haftungsbefreiung für erstattungsfähig. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Vollkaskoschutz ohne bzw. mit geringerer Selbstbeteiligung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das Fahrzeug des Geschädigten in gleicher Weise versichert war, wenn der Geschädigte während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (s o.g. Urteil des LG Aschaffenburg, m.w.N.). Bei Anmietung eines Ersatzwagens, den man nicht so gut kennt wie das eigene Fahrzeug, besteht zur Überzeugung des Gerichts immer ein Haftungsrisiko und dem Geschädigten ist dieses Risiko – auch nicht bis auf einen geringfügigen Selbstbehalt – zuzumuten.

Der Geltendmachung der Kosten für die Anmietung des Navigationssystems, dessen Anmietung sich auch unmittelbar aus dem Mietvertrag vom 24.11.2021 (Anlage K3) ergibt, ist die Beklagte daneben schon nicht substantiiert entgegengetreten. So dass auch diese Kosten in Höhe von insg. 46,35 € erstattungsfähig sind.

C.

Der Klägerin steht daneben auch der geltend gemachte Zinsanspruch aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 BGB zu.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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