KG Berlin, Az: 12 U 43/02
Urteil vom 13.11.2003
Leitsätze – nicht amtlich: Die Freigabe der Kreuzungseinfahrt durch grünes Ampellicht entbindet den Fahrer nicht von der Pflicht, die Einfahrt in die Kreuzung zurückzustellen, wenn dies die Verkehrslage erfordert; wenn insbesondere liegengebliebene Nachzügler sich noch im Kreuzungsbereich befinden, denen zunächst im Interesse des fließenden Verkehrs die Räumung der Kreuzung zu ermöglichen ist. Dies gilt auch bezüglich des linksabbiegenden Querverkehrs. Kommt es auf einer Kreuzung, auf welcher der Fahrzeugverkehr durch eine Lichtzeichensignalanlage geregelt ist, zu einem Zusammenstoß zwischen einem Fahrzeug, das bei dem Umschalten der Ampel auf „grün“ anfährt, und einem Fahrzeug des Querverkehrs, das die Kreuzung noch räumen will, weil die Führer beider Fahrzeuge nicht auf den jeweiligen Querverkehr achten, dann kommt im allgemeinen eine Verteilung des Schadens im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Anfahrenden im Hinblick auf das Vorrecht des räumenden Verkehrs in Betracht, falls nicht besondere Umstände einen höheren Verursachungsanteil des einen oder anderen Beteiligten rechtfertigen (KG DAR 1978, 48). Den in die Kreuzung einfahrenden Querverkehr kann die volle Haftung treffen, wenn er den Kreuzungsräumer rechtzeitig erkennen konnte oder aus dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer mit Kreuzungsräumern rechnen musste (KG VerkMitt 1993, Nr. 27).
Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Dezember 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin – 24 O 118/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die gemäß §§ 511, 511 a ZPO statthafte Berufung wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen der §§ 516, 518 und 519 ZPO. Sie ist zulässig, hat aber in der Sache aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.
Die Freigabe der Kreuzungseinfahrt durch grünes Ampellicht entbindet den Fahrer nicht von der Pflicht, die Einfahrt in die Kreuzung zurückzustellen, wenn dies die Verkehrslage erfordert; wenn insbesondere liegengebliebene Nachzügler sich noch im Kreuzungsbereich befinden, denen zunächst im Interesse des fließenden Verkehrs die Räumung der Kreuzung zu ermöglichen ist. Dies gilt auch bezüglich des linksabbiegenden Querverkehrs (KG, VerkMitt 1983, 84).
Kommt es auf einer Kreuzung, auf welcher der Fahrzeugverkehr durch eine Lichtzeichensignalanlage geregelt ist, zu einem Zusammenstoß zwischen einem Fahrzeug, das bei dem Umschalten der Ampel auf „grün“ anfährt, und einem Fahrzeug des Querverkehrs, das die Kreuzung noch räumen will, weil die Führer beider Fahrzeuge nicht auf den jeweiligen Querverkehr achten, dann kommt im allgemeinen eine Verteilung des Schadens im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Anfahrenden im Hinblick auf das Vorrecht des räumenden Verkehrs in Betracht, falls nicht besondere Umstände einen höheren Verursachungsanteil des einen oder anderen Beteiligten rechtfertigen (KG DAR 1978, 48).
Den in die Kreuzung einfahrenden Querverkehr kann die volle Haftung treffen, wenn er den Kreuzungsräumer rechtzeitig erkennen konnte oder aus dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer mit Kreuzungsräumern rechnen musste (KG VerkMitt 1993, Nr. 27).
In Anwendung dieser Grundsätzen geht das Landgericht im Rahmen der gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung zu Recht davon aus, dass der Kläger den streitgegenständlichen Unfall allein selbst verschuldet hat.
Wenn eine volle Haftung des in die Kreuzung Einfahrenden bereits dann in Betracht kommt, wenn er den Kreuzungsräumer rechtzeitig hätte erkennen können bzw. er aus dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer mit Kreuzungsräumern hätte rechnen müssen, dann ist von seiner vollen Haftung jedenfalls dann auszugehen, wenn er – wie vorliegend der Kläger – den Kreuzungsräumer tatsächlich wahrgenommen hat, bevor er in die Kreuzung eingefahren ist.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger das auf der Kreuzung stehende, von der Beklagten zu 2) geführte Fahrzeug bemerkt hat, bevor er in die Kreuzung einfuhr. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.
Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger die von dem Zeugen B sinngemäß aufgenommene Äußerung – „Die Autofahrerin stand mitten auf der Kreuzung und wollte nach links abbiegen. Als ich dann grün bekam, fuhr ich los und das Auto ebenfalls, aber ich hatte ja grün“ – nicht abgegeben hat, hat der Kläger auch in zweiter Instanz nicht vorgetragen. Weder aus der unrichtigen Schätzung des Schadens noch aus dem Nichterkennen der Verletzungen des Klägers durch die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten ergibt sich, dass der Zeuge B am Unfallort in der Wiedergabe der Anhörung des Klägers eine Äußerung niedergeschrieben hat, die dieser so nicht abgegeben hat.
Der Kläger hat auch in zweiter Instanz keine Tatsachen vorgetragen, aus denen darauf geschlossen werden könnte, dass er zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war und die ihm zuzurechnende Äußerung nicht bewusst abgegeben habe. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, ergibt sich das Gegenteil bereits aus dem Verhalten des Klägers nach dem Unfall.
Dahinstehen kann, ob sich das von der Beklagten zu 2) geführte Fahrzeug im Zeitpunkt des Aufpralls noch in Bewegung befand oder nicht. Sowohl nach der vom Kläger gegenüber dem Zeugen B abgegebene Erklärung als auch nach der von den Beklagten vorgetragenen Unfallschilderung stand die Beklagten zu 2) mit dem von ihr geführte Fahrzeug zunächst auf der Kreuzung und ist dann angefahren. Aufgrund der Schwere des dem Kläger zur Last zu legenden Verschuldens ist es aber im Rahmen der gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung unerheblich, ob die Beklagte zu 2) – wie von ihr behauptet – den Kläger noch so rechtzeitig wahrgenommen hat, dass sie ihr Fahrzeug vor dem Aufprall zum Stehen bringen konnte oder ob – wie der Kläger behauptet und wofür das Gutachten des Sachverständigen P sprechen könnte – ihr dies nicht mehr gelungen ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 ZPO n. F.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, ZPO i. V. m § 26 Nr. 8 EGZPO.
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