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Verkehrsunfall: Anrechnung eines Großkundenrabatts bei fiktiver Schadensabrechnung

AG Rheine, Az.: 4 C 199/16, Urteil vom 25.01.2017

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Gegenseite durch Zahlung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 22.01.2016 in Emsdetten ereignet hat.

Verkehrsunfall: Anrechnung eines Großkundenrabatts bei fiktiver Schadensabrechnung
Symbolfoto: tang90246/Bigstock

Die Klägerin ist ein großes Flottenmanagementunternehmen, welches bundesweit mit einem Netz von Qualitätswerkstätten zusammenarbeitet. Mit diesen Werkstätten bestehen Rahmenvereinbarungen. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer für das Schädigerfahrzeug mit dem Kennzeichen … . Die Alleinhaftung der Beklagten aus dem Unfall ist zwischen den Parteien unstreitig.

Es erfolgte bereits eine Schadensregulierung durch die Beklagte. Gestritten wird noch um die Erstattung von Reparaturkosten, die die Klagepartei fiktiv auf Basis eines Gutachtens angemeldet hat.

Die Klägerin beauftragte einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Fahrzeugs. Nach dem eingeholten vorgerichtlichen Sachverständigengutachten vom 26.01.2016 beliefen sich die Netto-Reparaturkosten auf 6.250,83 €. Die Klägerin entschloss sich, den Sachschaden am Fahrzeug fiktiv abzurechnen. Am 16.03.2016 forderte die Klägerin die Beklagte zur Regulierung der unfallbedingten Schadenspositionen auf. Mit Schreiben vom 24.03.2016 erklärte die Beklagte, dass die Reparaturkosten um 15 % gekürzt werden müssten. Am 29.03.2016 zahlte die Beklagte auf die Reparaturkosten 5.313,21 €. Bezüglich des Differenzbetrages von 937,62 € erhielt die Beklagte am 01.04.2016 per E-Mail eine Mahnung von der Klägerin. Die von der Beklagten nicht gezahlten Restbeträge sind nunmehr Gegenstand der Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte den Schaden vollumfänglich regulieren müsse und keine Kürzung der Reparaturkosten aufgrund eines vermeintlichen Großkundenrabattes vornehmen dürfe. Die Klägerin habe keine Sonderabkommen über Leistungen für Fahrzeugreparaturen mit Werkstätten vereinbart, die eine Rabattgewährung zur Folge hätten. Grundsätzlich sei schon im Rahmen der fiktiven Abrechnung, die hier von der Klägerin gewählt wurde, kein Abzug von Rabatten vorzunehmen. Es sei stattdessen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Bei einer fiktiven Abrechnung sei eben nicht der konkretisierte, individuell der geschädigten Person entstandene Schaden zu ersetzen. Die Einbeziehung von möglichen Rabatten habe bei der fiktiven Abrechnung keinen Raum, so lange sie nicht als allgemein marktüblich vom Gutachter ermittelt worden sind.

Überdies sei die Klägerin zwar ein bundesweit tätiges Leasingunternehmen, hieraus alleine ließe sich jedoch kein Großkundenrabatt bei überall im Bundesgebiet verteilten Werkstätten im Verhandlungswege erzielen. Auch würde schon aus Wirtschaftlichkeitserwägungen keine Zentrierung der Reparaturfälle auf wenige Werkstätten möglich sein, was anderenfalls ein Auftragsvolumen begründen könnte, um die Verhandlungsposition bezüglich Rabattgewährung zu stärken. Aufgrund des Geschäftsmodells der Klägerin sei aber somit kein Großkundenrabatt am Markt allgemein verfügbar oder zu erzielen. Im Bereich der KFZ-Unfallreparatur erhalte die Klägerin daher in keiner Form einen Rabatt bei Ford-Vertragswerkstätten oder sonstigen Herstellern.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 937,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.04.2016 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass es für die Klägerin ohne Schwierigkeiten möglich ist, einen Großkundenrabatt von 15 % bei einer Ford-Reparatur zu erzielen. Sie meint, dass auch bei einer fiktiven Abrechnung mühelos erzielbare Rabatte oder Sonderkonditionen abzuziehen seien. Schließlich solle der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen, aber bei einem Schadensfall keinen Gewinn erzielen können. Faktisch sei die Klägerin als großes Flottenunternehmen kein Normalkunde in Ford-Vertragswerkstätten. Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin bei Ford Rabatte bei der Durchführung von Reparaturarbeiten, für den Erwerb von Ersatzteilen und bezüglich der Lohnkosten erhält. Dazu würden auch Sonderpreisvereinbarungen gehören, die sich unter anderem in Rückerstattungen oder sogenannten Kick-BackZahlungen nach einem Volumenrabatt richten und äußern würden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Die vollumfängliche Haftung aus dem streitgegenständlichen Unfall und die bereits erfolgte Schadensregulierung sind grundsätzlich unstreitig. Die Klägerin hat über dies hinaus keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des sich aus dem Sachverständigengutachten ergebenen Restbetrages von 937,62 € aus § 823 Abs. 1 BGB; § 7 I StVG; § 115 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG in Verbindung mit § 249 BGB. Der Anspruch auf Ersatz des aus dem Unfall resultierenden Schaden bestand ursprünglich in Höhe von 5.313,21 € und ist durch Erfüllung erloschen.

Die Beklagte haftet der Klägerin zu 100 % aus dem Verkehrsunfall vom 22.01.2016. Der erstattungsfähige Schaden richtet sich nach § 249 I BGB, wobei die Klägerin als Geschädigte gem. § 249 II S. 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag von der Beklagten verlangen kann. Grundsätzlich steht es der Geschädigten frei, eine fiktive Schadensabrechnung zu wählen. Die Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten hat dann auf der Basis eines Sachverständigengutachtens zu erfolgen. Vorliegend ist durch das vorgerichtliche Sachverständigengutachten vom 26.01.2016 ein Schaden von 6.250,83 € netto ermittelt worden. Dennoch muss sich die Geschädigte auch einen ihr gewährten Großkundenrabatt anrechnen lassen. Zu Recht erfolgte bei der Berechnung des zu ersetzenden Schadens daher insgesamt ein Abzug von 15 %, so dass sich der Schaden auf 5.313,21 € beläuft.

Bei der fiktiven Schadensabrechnung gilt sowohl die Schadensminderungspflicht, als auch das schadensrechtliche Bereicherungsverbot. Demnach wäre es unbillig, einen möglichen Rabatt bei der Bestimmung der Schadenshöhe außer Acht zu lassen. Bei der Gewährung eines Rabattes handelt es sich nicht um eine freiwillige Leistung eines Dritten, die nur dem Geschädigten, nicht aber dem Schädiger zu Gute kommen soll. Unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ist bei der Bemessung von Reparaturkosten ein Großkundenrabatt daher zu berücksichtigen (vgl. OLG Karlsruhe vom 22.06.2009 1 U 13/09).

Die Klägerin hat unsubstantiiert zum genauen Umfang der mit den Werkstätten getroffenen Rahmenvereinbarungen vorgetragen. Die tatsächlichen Inhalte der Vereinbarung liegen für die Beklagte in einem ihrem Einblick entzogenen Bereich. Somit hätte die Klägerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast überzeugend begründen müssen, warum zwar Rahmenvereinbarungen bezüglich Schadensmanagement, Kostenvoranschlägen für die Leasingnehmer, Reparaturmaßnahmen sowie Mitwagenbestellungen zwischen den Werkstätten und der Klägerin bestehen, ihr aber trotz der Kooperation jeglicher Rabatt verwehrt sein soll.

Die Ausführungen der Klägerin als großes Flottenmanagementunternehmen bezüglich der Rahmenvereinbarungen lassen jedoch gerade nicht erkennen, warum der Klägerin ein marktüblicher Rabatt für Großkunden verwehrt sein soll. Es liegt außerhalb der Überzeugung des Gerichts, dass die Klägerin bei einer Reparatur durch eine Vertragswerkstatt, mit der unstreitig Rahmenvereinbarungen bestehen, den Normaltarif bezahlen muss. Daher macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schadensschätzung nach § 287 ZPO Gebrauch. Bei lebensnaher Betrachtung der Umstände schätzt das Gericht, dass eine Rabattgewährung von 15 % einer gängigen Praxis der Vertragspartner entspricht und ohne unzumutbaren Aufwand auch von der Klägerin erzielt werden kann.

Dieser entsprechende Nachlass ist daher nicht im Rahmen des § 249 BGB erstattungsfähig. Demnach besteht auch kein Verzugszinsanspruch aus §§ 288 I, 291, 286 I BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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