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Verkehrsunfall – merkantiler Minderwert bei älteren Fahrzeugen

AG Heidelberg – Az.: 29 C 484/10 – Urteil vom 23.02.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

(Tatbestand entfällt, § 313 a ZPO)

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 361,40 EUR aus §§7, 17 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG bzw. aus §§ 823 Abs.1 BGB, 115 Abs.1 Nr.1 VVG.

Der Kläger konnte aus dem Verkehrsunfall vom 1.7.2010 in D. lediglich fiktive Reparaturkosten in Höhe von 1.537, 24 EUR ersetzt verlangen. Dieser Betrag wurde von der Beklagten nach unstreitigem Klägervortrag vor Klagerhebung bereits beglichen.

Gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte zum Ausgleich des durch einen Unfall verursachten Fahrzeugschadens zwar grundsätzlich die Reparaturkosten in einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzt verlangen, unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. (BGH, Urteil vom 29.4.2003 – VI ZR 398/02) Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs.2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensberechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. (BGH, Urteil vom 22.6.2010-VI ZR 337/09; BGH, Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09) Vorliegend hat der Kläger ein ordnungsgemäßes privates Gutachten des Ingenieurbüros für Kfz-Technik A. S. GmbH vorgelegt, welches fiktive Reparaturkosten in Höhe von 1.673,64 EUR auf Basis von Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt ermittelte.

Jedoch kann der Schädiger unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer günstigeren Fachwerkstatt verweisen. (BGH, Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09) Anderenfalls würde das Integritätsinteresse gegenüber dem Grundsatz des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots, der gerade auch mit der Einführung von § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB Einzug in die gesetzliche Regelung der Schadensberechnung gefunden hat, zu weit in den Vordergrund gerückt werden. (LG Heidelberg, Urteil vom 25.4.2006 2 S 55/05) Dabei muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. (BGH, Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09)

Dies setzt auch voraus, dass der potentielle Vertragspartner konkret mit Adresse und Erreichbarkeit benannt wird, und dass konkrete Angaben, die die Gleichwertigkeit der dort vorgenommenen Leistungen im Vergleich zu denen einer markengebundenen Fachwerkstatt betreffen gemacht werden. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob die freie Werkstatt von einem Kfz-Meister geführt wird, ob sie DIN-zertifiziert oder sonst mit einem Eurogarant-Siegel ausgestattet ist, ob Originalersatzteile verwendet werden und ob nach den jeweiligen Richtlinien der Hersteller gearbeitet wird. (vgl. AG Mannheim, Urteil vom 9.1.2009 9 C 381/08; BGH, Urteil vorn 13.7.2010 VI ZR 259/09)

Vorliegend legt die Beklagte hinreichend dar, dass eine Reparatur in den von ihr benannten Referenzwerkstätten gegenüber der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt gleichwertig ist. Sie hat bereits vor Klageerhebung gegenüber dem Kläger kundgetan, dass es sich bei den ausgewählten Referenzbetrieben um qualifizierte KFZ-Meisterbetriebe handele, in denen eine fachgerechte und nach den Herstellerrichtlinien qualitativ hochwertige Reparatur gewährleistet sei. Es sei sichergestellt, dass der Qualitätsstandard der Betriebe regelmäßig durch einen Verband oder eine Zertifizierungsstelle überprüft werde. Es würden ausschließlich Originalersatzteile verwendet und die Betriebe gewährten auf alle durchgeführten Karosserie- und Lackierarbeiten eine mindestens 2-jährige Garantie. In der Klageerwiderung legte die Beklagte darüber hinaus dar, dass es sich bei der Referenzwerkstatt P. GmbH um ein Mitglied im Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik e.V. (ZKF) sei und als Eurogarant-Fachbetrieb zertifiziert sei. Auch bei der Referenzwerkstatt L. L. GmbH handele es sich um einen Eurogarant-Fachbetrieb. Insoweit ist die Beklagte ihrer Darlegungslast bezüglich der Gleichwertigkeit hinreichend nachgekommen.

Soweit der Kläger bestritten hat, dass die von der Beklagten benannten Werkstätten nicht über die entsprechende Qualifikation verfügen, um die Reparatur fachgerecht durchzuführen, ist dieses pauschale Vorbringen unzureichend, (vgl. LG Hannover, Urteil vom 13.01.2009 – 9 S 52/08; LG Münster, Urteil vom 11.12.2007 – 9 S 187/07)

Darüber hinaus ist dem Kläger der Verweis auf eine günstigere Fachwerkstatt auch nicht unzumutbar.

Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt) üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen. Andernfalls würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet und ihn davon befreit, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen. (BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 337/09) Zwar trägt die Beklagte grundsätzlich die Beweislast dafür, dass sie ihrer Abrechnung die üblichen Preise der Vergleichswerkstatt zugrunde gelegt hat und es der Klägerin deshalb zumutbar war, die ihr aufgezeigte günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit wahrzunehmen. (BGH, Urteil vom 13.7.2010 – VI ZR 259/09) Allerdings wird vom Kläger vorliegend lediglich pauschal vorgetragen, dass die Referenzwerkstatt P. für die Versicherungswirtschaft zu Sonderkonditionen arbeite, ohne dass dieser hierbei konkrete Anhaltspunkte benennt, sodass auch das diesbezügliche Bestreiten des Klägers insoweit nicht hinreichend substantiiert ist.

Weitere Anhaltspunkte, die eine Reparatur in einer freien Werkstatt für den Kläger unzumutbar erscheinen lassen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere sind die Referenzwerkstätten dem Kläger mühelos zugänglich, da sie in einem Umkreis von lediglich 10 bis 15 km zum klägerischen Wohnort liegen.

Das Fahrzeug ist nach unstreitigem Sachverhalt darüber hinaus älter als drei Jahre. Zwar kann es auch bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, für den Geschädigten ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Denn auch bei älteren Fahrzeugen kann die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt“ oder ggf. nach einem Unfall repariert worden ist. (BGH, Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09) Eine solche regelmäßige Wartung in einer bestimmten Werkstatt träg der Kläger jedoch nicht vor.

Die obigen Ausführungen gelten für die fiktiven Verbringungskosten entsprechend. Die Beklagte hat unbestritten vorgebracht, dass diese bei der Reparaturwerkstatt P. nicht anfallen würden. Im Übrigen sind diese Positionen nach wohl h. M. nur erstattungsfähig, wenn sie konkret anfallen. (LG Lübeck, Urteil vom 07.05.2010 – 1 S 117/09)

Ferner ist dem klägerischen Fahrzeug durch den Unfall vom 1.7.2010 auch kein merkantiler Minderwert entstanden. Insoweit gilt der Beweismaßstab des § 287 ZPO. (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2004 – VI ZR 357/03; AG Achern, Urteil vom 01.04.2010 – 1 C 222/08)

Eine merkantile Wertminderung kann zwar auch bei Unfallbeschädigung eines älteren Fahrzeugs in Betracht kommen. Entscheidend hierfür ist, ob das Fahrzeug infolge des Unfalls auf dem Gebrauchtwagenmarkt infolge der Unfallschäden geringer bewertet wird, wobei maßgeblich zu berücksichtigen ist, ob der Verkäufer verpflichtet ist, einen potentiellen Käufer über den (ordnungsgemäß reparierten) Unfallschaden aufzuklären. (AG Achern, Urteil vom 01.04.2010 – 1 C 222/08) So hat das LG Berlin mit Urteil vom 25.6.2009 bei einem zum Unfallzeitpunkt 11 Jahre und 3 Monate alten Kraftfahrzeug, das unfallfrei, nicht vorbeschädigt und scheckheftgepflegt ist und eine Laufleistung von 180.000 km hat, kann bei Vorliegen von erheblichen Reparaturkosten und einem geschätzten Wiederbeschaffungswert von 7.950,00 Euro brutto ausnahmsweise einen merkantilen Minderwert bejaht. (LG Berlin, Urteil vom 25.06.2009 – 41 S 15/09) Vorliegend ist das Fahrzeug nach unstreitigem Sachverhalt im Zeitpunkt des Unfalls 13 Jahre alt gewesen und hatte eine Laufleistung von über 167.000 km, wies einen guten Zustand auf, der Wiederbeschaffungswert lag bei 3.000 Euro und es wurde ausweislich des klägerischen Gutachtens lediglich der Stoßfänger und der Vorderkotflügel links vorne eingedrückt und das Vorderrad angestoßen. Angesichts des hohen Alters, der langen Laufleistung, der mittelschweren bis leichten Beschädigung des Fahrzeuges und des ohnehin geringen Wiederbeschaffungswertes kann nicht davon ausgegangen werden, dass Fahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt aufgrund des Unfalls allein infolge des Unfallschadens erheblich geringer bewertet wird, da dieser gegenüber der allgemeinen alters- und laufzeitbedingten Wertminderung nicht ins Gewicht fällt.

Mangels Anspruches auf Zahlung von weiteren 361, 40 EUR kann der Kläger von der Beklagten nicht die Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 83,54 EUR verlangen, da diese insoweit keine notwendigen Rechtsverfolgungskosten darstellen.

Mangels Anspruchs auf Zahlung von 361,40 EUR und Freistellungsanspruchs bezüglich der Rechtsanwaltsgebühren hat der Kläger bezüglich beider Positionen gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Verzugszinsen aus §§ 280 Abs.1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Frage, ob die Beklagte im Grundsatz verpflichtet ist, den Kläger von den Kosten seiner Prozessbevollmächtigten für die Kostendeckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung freizustellen (ablehnend OLG Celle, Urteil vom 12.01.2011 -14 U 78/10), kann vorliegend dahinstehen. Denn selbst wenn man einen solchen Anspruch im Grundsatz bejaht, so kann dies nur verlangt werden, wenn überhaupt erforderliche Aufwendungen für die Rechtsverfolgung verlangt werden können (vgl. LG Amberg, Urteil vom 19.02.2009 – 24 O 826/08) oder sich die Beklagte in Verzug befindet (vgl. LG Berlin, Urteil vom 09.12.2009 – 42 O 162/09). Mangels Hauptanspruches liegt hier beides nicht vor. Im übrigen erachtet das erkennende Gericht in Anlehnung an die von der Beklagtenseite zitierte Rechtsprechung die Kosten für die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtschutzversicherung überhaupt nicht für gesondert erstattungsfähig.

Die Entscheidung über die Kosten ergeht aus § 91 Abs.1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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