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Verkehrsunfall – Reparaturkostenvorfinanzierung durch Kreditaufnahme/Vollkaskoversicherung

AG Halle (Saale) – Az.: 93 C 3280/11 – Urteil vom 24.05.2012

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 998,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juni 2011 zu bezahlen.

2.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 36 % und die Beklagte 64 %.

4.) Das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Verkehrsunfall - Reparaturkostenvorfinanzierung durch Kreditaufnahme/Vollkaskoversicherung
Symbolfoto: Von Freedomz/Shutterstock.com

Bei einem Verkehrsunfall am 4. April 2011 gegen 15.45 Uhr auf der Magistrale in Halle-Neustadt wurde der PKW VW Golf, amtliches Kennzeichen …., des Klägers durch den bei der Beklagten pflichtversicherten LKW MAN, amtliches Kennzeichen…, beschädigt. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger verfügt für sein Fahrzeug über eine Vollkaskoversicherung.

Der Kläger brachte sein nicht mehr fahrfähiges Fahrzeug noch am Unfalltag in das Autohaus H… und mietete bei der Firma S… ein Ersatzfahrzeug an. Wegen der Einzelheiten wird auf den Mietvertrag Bl. 29 d. A. verwiesen. Der beschädigte PKW des Klägers wurde in der Werkstatt in der Zeit vom 4. bis 21. April 2011 repariert.

Mit Anwaltsschreiben vom 7. April 2011 forderte der Kläger die Beklagte auf, einen Schadensersatzbetrag von 6.089,82 € an den Kläger zu bezahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bl. 30 – 32 d. A. verwiesen. Da die Beklagte bis zum 20. April 2011 die Reparaturkosten nicht bezahlte, meldete der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 20. April 2011 den Fahrzeugschaden seiner eigenen Kaskoversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bl. 46 – 47 d. A. verwiesen.

Nachdem die Reparatur des Fahrzeugs des Klägers am 21. April 2011 beendet war, erhielt der Kläger eine Reparaturrechnung über 6.318,39 €. Da der Kläger die Rechnung nicht bezahlte, machte die Werkstatt von ihrem Werkunternehmerpfandrecht Gebrauch und behielt das Fahrzeug zurück. Nachdem am 4. Mai 2011 die Beklagte die Reparaturrechnung bezahlte, erhielt der Kläger sein repariertes Fahrzeug zurück.

Der Kläger erhielt von der Firma Sixt eine Rechnung für die Nutzung des Mietwagens für die Zeit vom 4. April 2011 bis zum 4. Mai 2011 über 2.493,26 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 42 d. A. verwiesen. Die Beklagte zahlte die Mietwagenkosten des Klägers aber nur für die Zeit bis zum 21. April 2011 in Höhe von 1.494,35 €, da an diesem Tag die Reparatur abgeschlossen war. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten vom 25. Mai 2011 Bl. 43 d. A. verwiesen.

Der Kläger erhielt von seinem Rechtsanwalt eine Rechnung für die Meldung des Schadens in der Kaskoversicherung in Höhe von 561,09 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 49 d. A. verwiesen.

Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage die (restlichen) Mietwagenkosten in Höhe von 998,91 €, Freistellung von den Anwaltskosten in Höhe von 561,09 € für die Meldung an die Kaskoversicherung sowie restliche vorgerichtliche Anwaltskosten. Der Kläger ist insbesondere der Ansicht, er sei nicht gehalten gewesen, schon zu einem früheren Zeitpunkt seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, um die Zeit zu verkürzen, in welcher er einen Mietwagen in Anspruch nehmen musste. Er behauptet, er sei nicht in der Lage gewesen, die Reparatur seines Fahrzeuges vorzufinanzieren.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 998,91 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 28. Juni 2011 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 115,67 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 26. Juli 2011 zu zahlen.

2.

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 561,09 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe seine Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB verletzt, indem er – unstreitig – nicht die Reparatur seines Fahrzeuges aus eigenen Mitteln vorfinanziert oder seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen habe. Indem er dies unterlassen habe, habe er schuldhaft die Herausgabe seines Fahrzeuges verzögert und dadurch die Zeit verlängert, in welcher er einen Mietwagen brauchte. Jedenfalls aber die weitere Nutzung des Mietwagens nach beendeter Reparatur stelle einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten könne der Kläger nur in Höhe einer 1,3-Gebühr verlangen. Anwaltskosten für die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung könne der Kläger, abgesehen davon, dass auch hier eine 1,5-Gebühr überzogen sei, schon dem Grunde nicht verlangen, da sich der Kläger ja selbst darauf berufe, er sei nicht gehalten gewesen, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Im übrigen bestreitet die Beklagte, dass die geltend gemachten Mietwagenkosten der Höhe nach angemessen und erforderlich seien und dass es sich um den Normaltarif handele.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet. Anspruchsgrundlage ist § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

Die Beklagte muss dem Kläger die restlichen Mietwagenkosten gemäß § 249 BGB ersetzen. Dass die Mietwagenkosten dem Grunde nach ein erstattungsfähiger Schaden sind, ist von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Das Bestreiten der Höhe ist unsubstantiiert und erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein. Die Beklagte trägt nicht vor, in welcher Höhe ihrer Meinung nach die Mietwagenkosten angemessen wären. Sie beruft sich noch nicht einmal auf die sonst bei den Kfz-Haftpflichtversicherungen so beliebte Fraunhofer-Liste. Im übrigen ist das Bestreiten der Höhe nach auch wegen des Verbotes des widersprüchlichen Verhaltens unbeachtlich. Denn die Beklagte hat die Mietwagenkosten bis zum 21. April 2011 vollständig bezahlt, ohne Einwendungen gegen die Höhe der Rechnung, insbesondere die Höhe des Tages- bzw. Wochensatzes, zu erheben.

Der Mitverschuldenseinwand der Beklagten greift nicht durch.

Zunächst ist es schon unbeachtlich, dass die Beklagte bestreitet, dass der Kläger nicht zur Vorfinanzierung der Reparatur in der Lage gewesen sei. Die Beklagte trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Mitverschulden, hier also die behauptete Möglichkeit zur Vorfinanzierung der Reparatur. Dass der Kläger zur Vorfinanzierung der Reparatur in der Lage war, hat die Beklagte indes nicht unter Beweis gestellt. Angesichts der Höhe der Reparaturrechnung (6.318,39 €) versteht es sich auch nicht von selbst, dass der Kläger zur Vorfinanzierung der Reparatur in der Lage war.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe erst noch klären müssen, ob sie überhaupt zum Schadensersatz verpflichtet ist. Ebenso kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Kläger hätte seine Kaskoversicherung in Anspruch nehmen oder die Reparatur vorfinanzieren müssen. Der Geschädigte ist im Rahmen der ihm nach § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht nicht stets gehalten, ein Deckungsgeschäft vorzunehmen. Insbesondere kann eine Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung einen Kredit aufzunehmen, nur unter besonderen Umständen angenommen werden. Der Schädiger hat grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert hat. Das Risiko, dem Geschädigten überhaupt zum Ersatz verpflichtet zu sein, trägt dabei der Schädiger, wie es umgekehrt zu Lasten des Geschädigten geht, wenn ein anfänglicher Streit über den Haftungsgrund später zu seinen Ungunsten geklärt wird. (BGH, Urteil vom 26. Mai 1988, Az. III ZR 42/87, zitiert nach juris.) Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. Insbesondere trifft den Geschädigten auch nicht die Obliegenheit, seine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, um die Reparaturkosten vorzufinanzieren. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2011, Az. I-1 U 220/10, 1 U 220/10, zitiert nach juris.) Zweck einer Vollkaskoversicherung ist nicht die Entlastung des Unfallgegners. Der gegenteiligen Ansicht des OLG Naumburg (Urteil vom 19. Februar 2004, Az. 4 U 146/03, zitiert nach juris) vermag das Gericht daher nicht zu folgen. Dass es auf eine „Aushöhlung“ des § 254 BGB hinausliefe, wenn man dem Geschädigten nicht die Obliegenheit auferlegt, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, kann das Gericht nicht erkennen. § 254 BGB betrifft eine unübersehbare Vielzahl von Fallkonstellationen, von denen die hier zu entscheidende nur eine spezielle ist. Umgekehrt wäre die Ansicht, der Geschädigte müsse zur Schadensminderung zunächst seine Kaskoversicherung in Anspruch nehmen, ein Freibrief für Kfz-Haftpflichtversicherungen, die Regulierung von Haftpflichtschäden zu verzögern. Auch würde diese Ansicht ohne sachlichen Grund Unfallopfer, die über eine Vollkaskoversicherung verfügen, schlechter stellen als Unfallopfer, die nicht über eine Kaskoversicherung verfügen. Auch bedeutet die Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung für den Unfallgeschädigten weiteren Aufwand, da er ja zumindest seinen Selbstbehalt in der Kaskoversicherung und seinen Höherstufungsschaden – letzteren womöglich Jahr für Jahre über viele Jahre – gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers geltend machen muss. Es ist kein Grund zu erkennen, dem Unfallopfer derartiges abzuverlangen, nur um die gegnerische Haftpflichtversicherung zu entlasten.

Die Beklagte kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ihre Entscheidung über die Regulierung des Schadens sich verzögert habe, weil das Kennzeichen ihres Versicherungsnehmers in der Verkehrsunfallanzeige falsch angegeben war (…. statt richtig ….). Hierfür kann der Kläger nichts. Ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB könnte zwar darin liegen, wenn der Kläger der Beklagten ein falsches Kennzeichen angegeben hätte. Aber das hat er nicht, vielmehr ist im Schreiben 7. April 2011 das Kennzeichen richtig angegeben.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Anwaltskosten für die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Kaskoversicherung kann der Kläger hingegen nicht geltend machen. Zum einen verstößt der Kläger gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB), wenn er erst davon absieht, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, und hierdurch zu Lasten der Beklagten höhere Mietwagenkosten entstehen lässt, dann sich aber entschließt, doch die Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, und hierdurch wiederum Kosten zu Lasten der Beklagten entstehen lässt. Anders gesprochen: Die Beklagte soll sowohl dafür zahlen, dass der Kläger seine Kaskoversicherung nicht in Anspruch genommen hat, als auch dafür, dass er sie in Anspruch genommen hat. Das geht nicht. Im übrigen ist die Anzeige eines Schadens an die eigene Kaskoversicherung eine derartig einfache Tätigkeit, dass es nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB ist, hierfür einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Nach Erfahrung des Gerichts übernehmen es gute Kfz-Werkstätten (zu denen das Autohaus H…. zweifellos gehört), als Serviceleistung für den Kunden die Deckungszusage bei der Kaskoversicherung des Kunden einzuholen. Hierzu sind die Werkstätten gemäß § 5 RDG berechtigt. Auch ist die Einholung der Deckungszusage durch die Kfz-Werkstatt meist praktischer als die Einholung durch einen Rechtsanwalt, weil die Kfz-Werkstatt gleich problemlos an die Kaskoversicherung einen Kostenvoranschlag und Schadensfotos per e-mail übersenden kann und eventuelle technische Nachfragen zum Schaden und zur notwendigen Reparatur sofort beantworten kann. Daher ist es keinesfalls erforderlich im Sinne des § 249 BGB, zur Einholung einer Deckungszusage der eigenen Vollkaskoversicherung einen Rechtsanwalt einzuschalten, solange nicht rechtliche Probleme auftreten (etwa wenn die Kaskoversicherung meint, zur Regulierung nicht verpflichtet zu sein).

Vorgerichtliche Anwaltskosten als weiteren Schadensersatz kann der Kläger nur in der bereits von der Beklagten beglichenen Höhe verlangen. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, dass der angenommene Gegenstandswert von 9.042,78 € jedenfalls nicht auf den ersten Blick einleuchtet. Da die Beklagte sich gegen die Ansetzung dieses Gegenstandswertes nicht wendet, soll dieser jedoch nicht problematisiert werden. Was aber nicht geht, ist die Ansetzung einer 1,5-Geschäftsgebühr. Eine Gebühr, die über eine 1,3-Gebühr hinausgeht, kann gemäß Nr. 2300 VV RVG nur verlangt werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war. Hierzu fehlt aber jeglicher Vortrag. Vielmehr handelte es sich um einen durchschnittlichen Verkehrsunfall, bei welchem die Haftungsquote, ohne dass es – zumindest nach den vorgelegten Unterlagen – dazu weitere Korrespondenz gab, bald unstreitig wurde und bei welchem auch keine Einwendungen gegen die Schadenshöhe erhoben wurden. Dass das beschädigte Auto für den Kläger einen bedeutenden Vermögensgegenstand darstellte und die Angelegenheit daher für den Kläger von erheblicher Bedeutung war – was im übrigen für fast alle Mandate von Unfallopfern zutreffen dürfte –, macht die Sache noch nicht umfangreich oder schwierig. Es ist auch im Wesentlichen nur eine einzige Rechtsanwaltskanzlei in H…, die in derartigen Standardfällen immer eine 1,5-Gebühr einklagt, nämlich die vom Kläger beauftragte.

Zum Urteil des BGH vom 13. Januar 2011 (Az. IX ZR 110/10, zitiert nach juris), auf welches sich der Kläger beruft, gilt Folgendes: Grundsätzlich ist es aus Gründen der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung aller Rechtsunterworfenen anzustreben, der Rechtsprechung des BGH, die ja zumeist auch überzeugend und juristisch gut begründet ist, zu folgen. Dies ändert aber nichts daran, dass es in Nr. 2300 VV RVG ausdrücklich heißt: „Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.“ Der eindeutige Gesetzeswortlaut ist insoweit bindend und kann auch nicht mit einer „Toleranzrechtsprechung“ umgangen werden. Die Rechtsprechung des BGH würde dazu führen, dass in durchschnittlichen Fällen jeder Rechtsanwalt unter Berufung auf einen gerichtlich nicht nachprüfbaren Spielraum innerhalb der Toleranzgrenze von 20 % entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut eine 1,5-Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG verlangen könnte. Der Aufgabe und Befugnis zur „schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung“ sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung jedoch Grenzen gesetzt. Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011, Az. 1 BvR 918/10, zitiert nach juris).

Aus § 14 RVG kann auch nicht gefolgert werden, dass der Rechtsanwalt selbst ohne gerichtliche Kontrolle darüber befinden darf, wann eine Tätigkeit umfangreich oder schwierig im Sinne des Nr. 2300 VV RVG ist. Wenn die Regelung des Nr. 2300 VV RVG nicht jeden Sinn verlieren soll, kann § 14 RVG nur bedeuten, dass der Rechtsanwalt bei der Ermesssausübung gemäß § 14 RVG nicht von der zwingenden Vorgabe des Nr. 2300 VV RVG befreit ist. Konkret bedeutet dies: Wenn etwa ein Rechtsanwalt eine 1,3-Gebühr verlangt, kann dies nicht vom Gericht darauf kontrolliert werden, ob nicht vielleicht nur eine 1,2-Gebühr angemessen ist. Und wenn ein Rechtsanwalt eine 2,0-Gebühr verlangt, kann dies – unter der Prämisse, dass die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war – nicht vom Gericht darauf kontrolliert werden, ob nicht vielleicht nur eine 1,8-Gebühr angemessen ist. Ob aber eine Tätigkeit umfangreich oder schwierig im Sinne des Nr. 2300 VV RVG ist, ist genauso vom Gericht zu überprüfen, wie es auch sonst zu prüfen hat, ob gesetzliche Tatbestandsmerkmale vorliegen.

Das Gericht verweist insoweit auf das Urteil des OLG Koblenz vom 5. September 2011 (Az. 12 U 713/10, zitiert nach juris), das Urteil des OLG Celle vom 28. Dezember 2011 (Az. 14 U 107/11, zitiert nach juris) und den Beschluss des Gerichts vom 20. Juli 2011 (Az. 93 C 57/10, veröffentlicht bei juris) mit zustimmender Anmerkung von Michael Nugel, jurisPR-VerkR 18/2011 Anm. 4)

Dies ergibt folgende Berechnung:

Gegenstandswert: 9.042,78 €

1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG): 631,80 €

Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €

Zwischensumme: 651,80 €

19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VVV RVG):  123,84 €

Summe: 775,64 €

Abzüglich gezahlter 775,64 €

Restforderung: 0,00 €

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.560,00 € festgesetzt.

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