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Werkstatt- und Prognoserisiko – Fahrzeugreinigungs- und Lackierungskosten

AG Rottweil – Az.: 2 C 159/18 – Urteil vom 22.06.2018

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 109,40 € (netto) nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.05.2018 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 26 %, die Beklagte 74 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 148,25 € festgesetzt.

Tatbestand

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen der Beschädigung ihres Fahrzeugs durch den Verkehrsunfall vom 27.11.2017 in … ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 109,40 € (netto) nebst Zinsen gemäß den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, §§ 823, 249 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG, § 1 PflVersG zu. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.

1. Der Haftungsgrund steht zwischen den Parteien außer Streit.

2. Der Klägerin steht aus diesem streitgegenständlichen Unfallereignis gegen die Beklagte ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 109,40 € (netto) zu, welcher die Kosten der Fahrzeugreinigung in Höhe von 45 € und die Kosten der Lackierung i.H.v. 64,40 € umfasst.

a)

Werkstatt- und Prognoserisiko - Fahrzeugreinigungs- und Lackierungskosten
(Symbolfoto: Von Andriiii/Shutterstock.com)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte, der das Unfallfahrzeug zur Reparatur gibt, nach § 249 Abs. 2 BGB von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Geldbetrag ersetzt verlangen, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeugs erforderlich ist. Der erforderliche Herstellungsaufwand wird dabei nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss (BGHZ 63,182 ff.). In diesem Sinne ist der Schaden subjektbezogen zu bestimmen. Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Es würde den Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung vom Geschädigten grundsätzlich nicht kontrolliert werden kann. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug – wie hier – reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der angefallenen Reparaturkosten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1989, VI ZR 334/88, Rn. 11). Mithin können daher die „tatsächlichen“ Reparaturkosten regelmäßig für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes herangezogen werden und zwar auch dann, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhtem Ansatz von Material und Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist – unangemessen sind (vgl. BGH Urteil vom 29.10.1974, VI. ZR 42/73). In diesem Fall aber ist grundsätzlich auch kein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht gegeben. Denn das Werkstattrisiko geht grundsätzlich zu Lasten des Schädigers. Werden daher Reparaturarbeiten vorgenommen, die in technischer Hinsicht nach § 249 BGB gegebenenfalls nicht erforderlich waren, so gehen diese Prognosefehler des Sachverständigen bzw. der Reparaturwerkstatt zu Lasten des Schädigers (Prognoserisiko), da die Werkstatt kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist und der Schädiger die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes schuldet, so dass Prognosefehler ihn selbst betreffen. Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten dadurch anfallen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt mit überhöhten Sätzen und unsachgemäß oder unwirtschaftlich gearbeitet hat (Werkstattrisiko), trägt grundsätzlich der Schädiger (vgl. BGH a.a.O.). Es sei denn, dem Geschädigten trifft ein Auswahlverschulden.

b)

Gemessen an diesen Grundsätzen aber steht der Klägerin aufgrund der vorgelegten Reparaturkostenrechnung des Autohauses … vom 17.12.2017 (Anl. K2) der volle dort ausgewiesene Reparaturkostenbetrag zu. Denn die von der Beklagten bestrittenen Positionen der Fahrzeugreinigung i.H.v. 45 € und der Lackierungskosten i.H.v. 64,40 € fallen in das Werkstatt- und Prognoserisiko des Schädigers. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht der Klägerin liegt nicht vor (vgl. BGH a.a.O.).

Ein Auswahlverschulden der Klägerin hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt trägt auch die Beklagte nicht vor.

Mithin steht der Klägerin gegen die Beklagte noch ein restlicher Schadensersatzanspruch aus der Reparaturkostenrechnung vom 17.12.2017 i.H.v. 109,40 € (netto) zu.

3. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich zu dem im Urteilstenor genannten Zeitpunkt gemäß dem §§ 286, 291 BGB.

4. Ein Anspruch auf Erstattung der noch ausstehenden Mietwagenkosten i.H.v. 38,85 € aus der Rechnung des Autohauses … vom 15.12.2017 (Anlage K3) steht der Klägerin jedoch nicht zu.

a)

Der Geschädigte kann vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Die Höhe des erforderlichen Tarifs für Mietwagenkosten kann im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung entsprechender Tabellenwerte geschätzt werden. In Betracht kommt insbesondere der Schwacke – Mietpreisspiegel oder die Fraunhofer – Liste. Nachdem keine der beiden Listen für sich beanspruchen kann, die Mietwagenkosten in jeder Fallgestaltung realitätsnah wiederzugeben, stützt sich das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung auf die Kombination beider Listen in der Weise, dass aus der Summe der den Listen zu entnehmenden Werte das arithmetische Mittel gebildet wird (vgl. ständige Rechtsprechung des LG Rottweil, Urt. vom 10. November 2011 – 1 S 29/11).

b)

Unter Zugrundelegung dieser ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Rottweil steht der Klägerin nicht der volle aus der Mietwagenrechnung vom 15.12.2017 (Anl. K3) ausgewiesene Rechnungsbetrag zu, da dieser unstreitig ausschließlich nach der Schwacke – Liste berechnet wurde. Denn das aus der Schwacke – Liste und der Fraunhofer – Liste gebildete arithmetische Mittel weist einen niedrigeren Mietwagenwert aus, welcher der Abrechnung zu Grunde zu legen ist. Da die Beklagte jedoch unstreitig auf die Mietwagenkosten bereits ein Betrag von 982,92 € netto geleistet hat, steht der Klägerin kein restlicher Anspruch auf Zahlung der Mietwagenkosten in Höhe von noch 38,85 € mehr zu. Die Klage war insoweit abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

 

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