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Verkehrsunfall – gerichtliche Schätzung der Sachverständigenvergütung

AG Ehingen, Az.: 1 C 343/15, Urteil vom 08.02.2016

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 77,35 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.08.2015 sowie 70,20 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 78,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Verkehrsunfall - gerichtliche Schätzung der Sachverständigenvergütung
Symbolfoto: Von Pair Srinrat /Shutterstock.com

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 77,35 Euro aus abgetretenem Recht gemäß §§ 398 BGB, 7 I StVG, 115 VVG.

Die Klägerin kann die ihr abgetretenen Sachverständigenkosten in voller Höhe erstattet verlangen.

Gemäß § 249 II BGB hat der Geschädigte eines Verkehrsunfalls – vorliegend also die Geschädigte H. – einen Anspruch gegen den Schädiger auf Zahlung des zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrages. Als erforderlichen Herstellungsaufwand sind dem Geschädigten dabei die Kosten zu erstatten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH NJW 2007, 1450 ff.). Der Geschädigte ist dabei gemäß §§ 254 II, 242 BGB gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren einen möglichst wirtschaftlichen Weg der Schadensbehebung zu wählen. Bei der Beauftragung des Sachverständigen zur Erstellung eines Schadensgutachtens darf sich der Geschädigte aber grundsätzlich damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen; zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes nach dem honorargünstigsten Sachverständigen ist er nicht verpflichtet. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm gewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (zu diesen Grundsätzen: BGH, Urt. v. 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13, zitiert nach juris, Rn. 7, 8).

Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze besteht ein Anspruch der Geschädigten auf Ersatz der restlichen Sachverständigenkosten. Die Geschädigte trifft weder ein Auswahlverschulden noch erscheint die Abrechnung des Sachverständigen evident überhöht, so dass von der Geschädigten eine Beanstandung hätte verlangt werden können.

Im Rahmen der Beauftragung des Sachverständigen wurde zwischen der Geschädigten und dem Sachverständigenbüro keine konkrete Honorarvereinbarung getroffen, so dass gemäß § 632 II BGB die übliche Vergütung geschuldet ist. Als Vergleichsmaßstab zieht das Gericht gemäß § 287 ZPO als Schätzgrundlage die Honorarbefragung des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK-Honorarbefragung) heran.

Demnach sind die gegenüber der Geschädigten mit Rechnung vom 20.07.2015 geltend gemachten Gesamtgutachterkosten weitgehend nicht zu beanstanden, da sich die einzelnen Abrechnungspositionen nahezu allesamt im Rahmen der BVSK-Tabelle, HB V Korridor, bewegen. Zuzugeben ist der Beklagtenseite, dass sowohl die abgerechnete Telefonpauschale als auch die Kopierkosten den HB V Korridor geringfügig übersteigen und in der BVSK-Tabelle auch kein Nutzungsentgelt für Lichtbilder vorgesehen ist. Es kommt jedoch grundlegend darauf an, dass die Rechnung der Geschädigten als erkennbar deutlich überhöht erscheinen musste. Das kann hier nicht angenommen werden, weil die Überschreitung der durchschnittlich anzusetzenden Sachverständigenkosten nach der BVSK-Tabelle brutto nicht einmal 10 € betrugen. Angesichts der insgesamt entstandenen Sachverständigenkosten von 969,26 € musste der Geschädigten H. die Rechnung nicht als evident überhöht erscheinen.

Das Gericht sieht es auch ohne weitere Beweisaufnahme als erwiesen an, dass die geltend gemachten Nebenforderungen auch angefallen sind, nachdem die Klägerseite das Sachverständigengutachten vorgelegt hat und die geltend gemachten Nebenforderungen damit nachvollziehbar wurden. Insbesondere sieht es das Gericht als erwiesen an, dass die abgerechnete Wegstrecke von 46 Kilometern angefallen ist, nachdem das beauftragte Sachverständigenbüro seinen Sitz in B. hat und das Fahrzeug in … U. besichtigt wurde.

Durch die stattgefundene Abtretung hat sich der Anspruch grundsätzlich nicht verändert, so dass die Klägerin den Anspruch auf Erstattung der Kosten des Sachverständigengutachtens nach den für den ursprünglich Geschädigten geltenden Grundsätzen gegenüber dem beklagten Haftpflichtversicherer geltend machen kann (vgl. LG Bonn, Urt. v. 28.09.2011, Az.: 5 S 148/11, Juris Rn. 9). Die einzige Veränderung, die der Anspruch der Geschädigten H. durch die Abtretung an das Sachverständigenbüro K. möglicherweise erfahren hat, ist die Änderung des Anspruchs auf Freistellung von den Kosten für das Sachverständigengutachten in einen Zahlungsanspruch. Einer solchen Änderung steht jedoch § 399 BGB nicht entgegen (BGH, Urt. v. 22.03.2011, II ZR 271/08, zitiert nach juris, Rn. 14) Damit kommt es für die vorliegende Entscheidung nicht darauf an, ob die Geschädigte H. die Sachverständigenkosten bereits bezahlt hat, wie von der Beklagtenseite bestritten und wie bei lebensnaher Auslegung auch nicht anzunehmen, oder ob sie selbst ursprünglich lediglich einen Anspruch auf Freistellung von den gesamten Sachverständigenkosten hatte.

Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten sowie der geltend gemachte Zinsanspruch beruhen auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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