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Verkehrsunfall –Unfallwagenverkauf ohne Information der gegnerischen Haftpflichtversicherung

LG Ingolstadt, Az.: 12 S 1523/15, Urteil vom 17.02.2016

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 28.08.2015, Az. 12 C 910/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 28.08.2015, Az. 12 C 910/15, wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.850,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Verkehrsunfall –Unfallwagenverkauf ohne Information der gegnerischen Haftpflichtversicherung
Symbolfoto: Von ChaiyonS021 /Shutterstock.com

Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 28.08.2015 wurde dem Klägervertreter zugestellt am 03.09.2015, dem Beklagtenvertreter am 02.09.2015. Mit Schriftsatz vom 24.09.2015, eingegangen bei dem Landgericht Ingolstadt am 25.09.2015, legte der Beklagtenvertreter für die Beklagte Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 22.10.2015, eingegangen bei dem Landgericht Ingolstadt an demselben Tag.

Mit Verfügung vom 23.10.2015, der Klagepartei zugestellt am 28.10.2015, wurde der Klagepartei eine Frist zur Berufungserwiderung von drei Wochen gesetzt, die am 18.11.2015 endete. Mit Schriftsatz vom 11.11.2015, eingegangen bei Gericht am 16.11.2015, wurde durch die Klagepartei Anschlussberufung eingelegt.

Die Berufung greift das amtsgerichtliche Urteil mit der Begründung an, die Geschädigte habe die ihr obliegende Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt, da sie das Unfallfahrzeug zum Restwert veräußert habe, bevor der Beklagten das Schadensgutachten zugegangen sei. Dadurch habe die Klägerin der Beklagten die Möglichkeit genommen, ihr ein besseres Angebot zu unterbreiten. Der Beklagten müsse die Möglichkeit gegeben werden, den Schaden zu prüfen; die Klägerin dürfe nicht durch einen vorschnellen Verkauf ein mögliches Restwertangebot der Versicherung unterlaufen, zumal die Klägerin hierauf ausdrücklich mit Schreiben vom 18.12.2014 hingewiesen worden sei. Das Urteil sei daher fehlerhaft gem. §§ 513 Abs. 1 1. Alt, 520 Abs. 3 Nr. 2, 546 BGB.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt daher:

1. Das Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom 28.08.2015, Aktenzeichen 12 C 910/15 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Mit der Anschlussberufung beantragt die Klägerin: Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Ingolstadt vom 28.08.2015, Az.: 12 C 910/15, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Nebenforderungen in Höhe von 150,06 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2015 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Anschlussberufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin trägt vor, eine Verpflichtung der Geschädigten die Beklagte erst zu informieren und erst nach Rücksprache mit dieser zu handeln bestehe nicht und widerspreche der Dispositionsfreiheit der Geschädigten. Die Schätzung des Schadens sei durch einen ortsansässigen renommierten Sachverständigen erfolgt, der aufgrund des regionalen Marktes drei konkrete Restwertangebote eingeholt und diese drei im Gutachten ausgeführt, wobei das Höchste dann entsprechend durch Verkauf zum Tragen gekommen sei. Die Geschädigte dürfe auch auf den von dem Sachverständigen ermittelten Restwert vertrauen.

Aus diesen Gründen schulde die Beklagte auch die Differenz bzgl. der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 150,06 €.

Hinsichtlich der Anschlussberufung ist die Beklagte der Ansicht, dass der Klägerin kein Anspruch über die bereits erstatteten 808,13 € hinaus zustünde.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.12.2015 wurde mit den Parteien die Sach- und Rechtslage erörtert. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll (Bl. 87/91 d. A.) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt der dazu vorgelegten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung wie auch die zulässige Anschlussberufung bleiben in der Sache ohne Erfolg und führten zur Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteils.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe eines weiteren Betrages von 1.850,00 € zu.

Nach ständiger Rechtsprechung kann der Geschädigte im Totalschadensfall, wenn er von der Ersetzungsbefugnis des § 249 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, nur Ersatz des Wiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts verlangen. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Schwierigkeiten den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat. Im allgemeinen leistet der Geschädigte dabei dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. hierzu BGH, Entscheidung vom 12.07.2005, Az.: VI ZR 132/04).

Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht der Klägerin gemäß § 254 BGB liegt nicht vor.

Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um dem Wirtschaftlichkeitsgebot und seiner sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Unter diesem Blickwinkel kann er gehalten sein, von einer grundsätzlich zulässigen Verwertung der beschädigten Sache Abstand zu nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen. Derartige Ausnahmen stehen nach allgemeinen Grundsätzen zur Beweislast des Schädigers. Auch müssen sie in engen Grenzen gehalten werden und dürfen insbesondere nicht dazu führen, dass dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen werden (vgl. BGH a.a.O.). Gleichwohl verbleibt dem Geschädigten ein Risiko, wenn er den Restwert ohne hinreichende Absicherung realisiert und der Erlös sich später im Prozess als zu niedrig erweist. Will er diese Risiko vermeiden, muss er sich vor Verkauf des beschädigten Fahrzeugs mit dem Haftpflichtversicherer abstimmen oder aber ein eigenes Gutachten mit einer korrekten Wertermittlung einholen, auf dessen Grundlage er die Schadensberechnung vornehmen kann (vgl. BGH a.a.O.).

Diesen Anforderungen hat die Klägerin Genüge getan. Sie hat ein Sachverständigengutachten mit einer korrekten Wertermittlung erholt und auf Grundlage dieses Gutachtens nach dem höchsten ermittelten Restwertangebot das Fahrzeug verkauft. Bei dem von der Klägerin erholten Sachverständigengutachten handelt es sich auch um ein Gutachten, das der Sachverständige unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung zum Schadensersatz bei Kfz-Unfällen erstellt hat.

Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen war die Klägerin nicht gehalten, die Beklagte über den beabsichtigten Verkauf des Fahrzeugs zu informieren und ihr Gelegenheit zur Erholung von Restwertangeboten zu geben, weil andernfalls die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet und deshalb auf seine individuelle Situation und die konkreten Gegebenheiten des Schadensfalles abstellt. Dies entspricht dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes, nach dem der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie er mit der beschädigten Sache verfährt (vgl. BGH, Entscheidung vom 23.11.2010, Az.: VI ZR 35/10).

Aus diesen Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

2.

Die Anschlussberufung hatte keinen Erfolg, da der Klägerin kein weitergehender Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zusteht. Ist in einem einfach gelagerten Schadensfall die Haftung nach Grund und Höhe derart klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass zu Zweifeln an der Ersatzpflicht des Schädigers besteht, so ist für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schädiger bzw. seiner Versicherung die Einschaltung eines Rechtsanwalts nur dann erforderlich, wenn der Geschädigte selbst hierzu aus besonderen Gründen wie etwa Mangel an geschäftlicher Gewandtheit nicht in der Lage ist (vgl. hierzu BGH, Entscheidung vom 08.11.1994, Az.: VI ZR 3/94).

Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 18.12.2014 (nur einen Tag nach Eingang der telefonischen Schadensmeldung), dass die Haftung geklärt sei und sie den unfallbedingten Schaden regulieren werde. Ohne dass die Beklagte von dieser Zusage abgerückt wäre, wurden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin von dieser mit der erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der Versicherung beauftragt. Es sind für das Gericht keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin aufgrund Mangel an geschäftlicher Gewandtheit zur erstmaligen Geltendmachung des Schadens gegenüber der Versicherung nicht in der Lage gewesen wäre. Dies vor allem auch im Hinblick auf den persönlichen Eindruck, den sich das Gericht von der Klägerin im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 16.12.2015 verschaffen konnte.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 18.03.2015 nicht den vollständigen von der Klägerin geforderten Betrag regulierte, durfte die Klägerin sogleich einen Rechtsanwalt mit der weiteren Geltendmachung beauftragen. Die Kosten für die weitere Beauftragung sind im Rahmen des materiellrechtlichen Schadensersatzanspruchs der Klägerin von der Beklagten zu ersetzen.

Da die Beklagte jedoch unstreitig bereits einen Betrag in Höhe von 808,13 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattet hat, ergibt sich kein weiterer Anspruch der Klägerin. Ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 1.850,00 € errechnet sich unter Berücksichtigung einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Post und Telekommunikationspauschale sowie 19 % Mehrwertsteuer ein Anspruch in Höhe von 255,85 €. Der Anspruch in dieser Höhe wurde bereits erfüllt.

Aufgrund dessen war die Anschlussberufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Da die Anschlussberufung sich lediglich auf eine Nebenforderung bezog, fiel dies im Rahmen der Kostenentscheidung nicht ins Gewicht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten vorliegt, ist obergerichtlich geklärt.

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