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Verkehrsunfall – Ermittlung ersatzfähiger Sachverständigenkosten

AG Bad Säckingen, Az.: 1 C 187/15, Urteil vom 04.12.2015

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.06.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 39,75 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger, welcher ein Kfz-Sachvertändigenbüro betreibt, fordert aus abgetretenem Recht restliche Sachverständigenkosten in Höhe von 39,75 €.

Grund für die Sachverständigenkosten war ein Verkehrsunfall, der sich am 31.01.2015 in Laufenburg ereignete. Das Unfallgeschehen sowie die Haftung dem Grunde nach sind unstreitig. Bei der Beklagten handelt es sich um die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners.

Der Kläger erstellte im Auftrag des Geschädigten am 23.02.2015 ein Gutachten (Anlage K1, AS 19) hinsichtlich der durch den Unfall an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden und berechnete hierfür 894,17 € (Rechnung vom 23.02.2015, Anlage K2, AS 55). Die Ansprüche auf Erstattung der Sachverständigenkosten wurden seitens des Geschädigten an den Kläger abgetreten. Die Beklagte zahlte auf die Sachverständigenkosten einen Betrag in Höhe von 854,42 €. Das durch den Kläger abgerechnete Grundhonorar ist der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig. Streit besteht lediglich über die geltend gemachten Nebenkosten für Fahrt-, Foto-, und Schreibkosten sowie für allgemeine Auslagen. So berechnete der Kläger seine Fahrtkosten, die ihm durch das Aufsuchen des Unfallfahrzeugs in der Werkstatt in Rickenbach entstanden, 0,75 € pro km ab. Für die Fotos berechnete er jeweils 1,80 €, den weiteren Fotosatz setzte er mit 7,80 € an, für den Fotoindex verlangte er 4,50 €. Die Schreibkosten berechnete er mit 2,30 € pro Seite, für die allgemeinen Auslagen berechnete er pauschal 15,60 €. Die Beklagte bezahlte auf diese Nebenkosten pauschal 70,00 €, so dass noch ein Betrag in Höhe von 39,75 € offen ist.

Der Kläger macht geltend, dass die von ihm geforderten Nebenkosten nicht überhöht seien und den regional üblichen Tarifen entsprächen. Er habe die Kosten nach der BVSK-Befragung 2013 abgerechnet und läge jeweils unter den üblichen Sätzen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 39,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, dass der Kläger nur die Sachverständigenkosten ersetzt verlangen könne, die einer branchenüblichen Vergütung entsprächen. Die durch den Kläger abgerechneten Nebenkosten seien aber deutlich überhöht und könnten daher nicht als erforderlich im Sinne des § 249 BGB angesehen werden. Nachdem das beschädigte Fahrzeug in Rickenbach gestanden habe, habe er auch einen Sachverständigen aus dem näher gelegenen Bad Säckingen hinzuziehen können.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Verhandlungsprotokoll vom 03.11.2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Verkehrsunfall - Ermittlung ersatzfähiger Sachverständigenkosten
Symbolfoto: loraks/Bigstock

Die Klage ist zulässig und hat in der Hauptsache vollumfänglich Erfolg.

Der Kläger hat aus abgetretenem Recht einen Anspruch gegen die Beklagte aus den §§ 823 Abs. 1, 398 S. 1, 240 Abs. 2 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG, 7 Abs. 1 StVG auf Ersatz der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 39,75 €.

1. Der Kläger ist durch die wirksame Abtretung des Geschädigten bzgl. der Forderung auf Zahlung der noch offenen Sachverständigenkosten aktivlegitimiert. An der Wirksamkeit der Abtretung bestehen keine Bedenken, insbesondere ist diese ausreichend bestimmt.

2. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte vollumfänglich für die dem Geschädigten aus dem Verkehrsunfall vom XXXXX entstandenen Schäden haftet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf Zahlung der Kosten für ein Schadensgutachten ist dem Grunde nach erstattungsfähig und gehört zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und nach § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2007, VI ZR 67/06).

3. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten überschreiten der Höhe nach auch nicht den erforderlichen Herstellungsaufwand i.S.v. § 249 Abs. 2 BGB. Erforderlich sind diejenigen Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Er ist aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, soweit er die Höhe der für die Schadensbeseitigung notwendigen Kosten beeinflussen kann. Es muss jedoch bei der Beurteilung des erforderlichen Herstellungsaufwandes Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten genommen werden. Der Geschädigte darf einen in seiner Lage erreichbaren Sachverständigen beauftragen. Eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen muss durch ihn nicht vorgenommen werden (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014, VI ZR 225/13). Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch die Vorlage einer von ihm bereits beglichenen Rechnung des von ihm in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2014). Wenn – wie vorliegend – die Rechnung jedoch noch nicht bezahlt wurde, entfällt diese Indizwirkung, so dass das Gericht die Erforderlichkeit unter Berücksichtigung der individuellen Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten zu prüfen hat.

Auch wenn der Geschädigte vorliegend den Anspruch nicht selbst geltend macht, ist hinsichtlich der Beurteilung der Erforderlichkeit auf seine Sicht im Zeitpunkt der Auftragserteilung abzustellen. Der Sachverständige wurde seitens des Geschädigten beauftragt und dadurch kam zwischen diesen beiden ein Vertragsverhältnis zu Stande. Die Rechtsnatur sowie die Voraussetzungen des Anspruch werden durch die Abtretung aber nicht geändert. Es findet lediglich ein Gläubigerwechsel statt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt aus Sicht des Gerichts folgendes:

Die in Streit stehenden Nebenkosten wurden nicht objektiv überhöht abgerechnet. Sämtliche durch den Kläger abgerechneten Nebenkosten bewegen sich im Honorarkorridor des HB V der BVSK-Honorarbefragung 2013, teilweise sogar erheblich darunter. Das Gericht bewertet, wie ein Großteil der Rechtsprechung, die BVSK-Honorarbefragung als geeignete Schätzgrundlage für die Bestimmung der üblichen Vergütung. Die BVSK-Honorarbefragung basiert auf einer relativ breiten Erfassungsgrundlage (840 Sachverständigenbüros). Dies spricht dafür, dass diese Werte als übliche Vergütung sachverständiger Tätigkeit anzusehen sind. Eine Schätzung auf dieser Grundlage entspricht nach § 287 ZPO pflichtgemäßen Ermessen. Da sich die Kosten innerhalb des HB V Korridors bewegen, ist die übliche Vergütung nicht erkennbar überschritten.

Die Nebenkostenpositionen wie die Fotokosten in Höhe von 1,80 € pro Stück, der Porto/Telefon-Pauschale in Höhe von 15,60 € und die Schreibkosten in Höhe von 2,30 € pro Seite, liegen sogar unterhalb der Werte des Korridors HB V. Hier betragen die Fotokosten bei bis zu 2,55 € pro Stück, die Porto/Telefon-Pauschale bei bis zu 18,17 € und die Schreibkosten bei bis zu 2,86 € pro Seite. Weiter ist zu sehen, dass das Gutachten des Klägers tatsächlich 20 Fotos enthält, jedoch lediglich 13 Bilder abgerechnet wurden.

Dem Geschädigten kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er nicht ein näher gelegenes Sachverständigenbüro beauftragt hat. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen erscheint. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, Urteil vom 22.07.2015, VI ZR 357/13). Bei dem Kläger handelt es sich um einen öffentlich bestellten KfZ-Sachverständigen, dessen Gutachten vor dem hiesigen Gericht bislang nie Grund für Beanstandungen lieferten. Weiter ist insoweit zu sehen, dass zwar die einfache Strecke vom Büro des Klägers bis zu dem Autohaus in Rickenbach, wo die Fahrzeugbesichtigung erfolgte, nach Google-Maps ca. 45 km beträgt, er in seiner Rechnung für Hin- und Rückfahrt lediglich insgesamt 48 km abgerechnet hat. Die abgerechnete Kilometerpauschale bewegt sich ebenfalls innerhalb des HB V Korridors. Hier wird eine Preis von bis zu 1,16 € je Kilometer aufgeführt.

Für die Frage einer Überhöhung können auch nicht die für die Entschädigung von Sachverständigen im Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz vorgesehenen Kosten herangezogen werden. Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes ist auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Einer Übertragung auf Privatgutachter steht schon der Umstand entgegen, dass Privatgutachter im Unterschied zu gerichtlichen Sachverständigen, die zu den Parteien nicht in einem Vertragsverhältnis stehen, dem Auftraggeber nach allgemeinen Regeln sowohl vertragsrechtlich als auch deliktsrechtlich haften, während die Haftung gerichtlicher Sachverständiger der Sonderregelung des § 839 a BGB unterliegt (BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06)

Somit kann nach Auffassung des erkennenden Gerichts keine Überhöhung angenommen werden. Insofern musste auch der Geschädigte bei der Auftragserteilung nicht von deutlich die üblichen Honorarsätze der Branche übersteigenden Preise ausgehen.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war auf Antrag der Parteien gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen. Dem Gericht ist bekannt, dass durch verschiedene Versicherungen derzeit entsprechende Kürzungen der Sachverständigennebenkosten vorgenommen wurden, mit der Folge, dass bei mehreren Amtsgerichten im hiesigen Landgerichtsbezirk entsprechende Klagen auf restliche Sachverständigenkosten anhängig sind. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint daher eine Entscheidung des zuständigen Landgerichts erforderlich.

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