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Verkehrsunfall – Schadensersatzklage – Beweisanzeichen für einen gestellten Unfall

LG Duisburg – Az.: 13 O 58/10 – Urteil vom 22.12.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 20.996,93 EUR

Tatbestand

Am 12.05.2009 meldete der Kläger, … , bei der Versicherung einen Diebstahl eines Mercedes Benz Cabriolets mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Angelegenheit wurde nicht weiter verfolgt, nachdem das Fahrzeug wieder aufgefunden worden war.

Der Kläger kaufte laut schriftlichem Vertrag vom 15.06.2009 einen Pkw Mercedes Benz CLK 350 Cabriolet mit dem amtlichen Kennzeichen … (Erstzulassung 21.07.2006), der einen behobenen Frontschaden sowie einen Schaden des Hecks und des Seitenteils aufwies, zu einem Barzahlungspreis von 32.800,00 EUR (Bl. 217 d.A.). Genutzt wurde das Fahrzeug in der Folgezeit vorwiegend von dem derzeit arbeitslosen Bruder des Klägers, … . Halter und Versicherungsnehmer war der Kläger.

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern einen Anspruch auf Schadensersatz auf Grund eines am 09.03.2010 polizeilich aufgenommenen Schadensereignisses geltend. Nach der polizeilichen Unfallmitteilung vom selben Tag (Bl. 14 d.A.) war es gegen 16.30 Uhr unter Beteiligung des Zeugen als Fahrer des Pkw Mercedes Benz CLK 350 und der Beklagten zu 1. als Fahrerin des bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Transportfahrzeugs Ford Transit des Mietwagenunternehmens mit dem amtlichen Kennzeichen auf der Bundesautobahn (BAB) 59 in im Bereich der Anschlussstelle in Fahrtrichtung Norden zu einem Verkehrsunfall gekommen. Als alleinige Unfallverursacherin wurde die Beklagte zu 1. vermerkt. In dem Zusatzblatt zur Unfallmitteilung (Bl. 112 d.A.) wurde aufgenommen, der Pkw des Klägers sei durch die Wucht des Aufpralls „herumgeschleudert“ worden.

Insgesamt beansprucht der Kläger wegen dieses Schadensereignisses den Ersatz eines Betrages von 20.996,93 EUR (16.204,02 EUR Reparaturkosten, 2.088,81 EUR Sachverständigenkosten, 1.035,00 EUR Wertminderung, 80,21 EUR Kosten der Erbringung des Reparaturnachweises vom 12.04.2010, 1.562,89 EUR Mietwagenkosten für zehn Tage sowie pauschal weitere 26,00 EUR). Darüber hinaus macht er die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 1.023,16 EUR an seine Rechtsschutzversicherung sowie die Freistellung von den Rechtsanwaltskosten für die Einholung einer vorgerichtlichen Deckungszusage in Höhe von 489,45 EUR geltend.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 19.04.2010 mit Fristsetzung bis zum 27.04.2011 und vom 05.05.2010 mit Fristsetzung bis zum 10.05.2010 wurde die Beklagte zu 2. erfolglos zum Schadensersatz in Höhe von 20.996,93 EUR aufgefordert.

Die Klageschrift wurde den Beklagten am 09./10.07.2010 zugestellt.

Verkehrsunfall - Schadensersatzklage - Beweisanzeichen für einen gestellten Unfall
Symbolfoto: Von nBhutinat/Shutterstock.com

Der Kläger behauptet, er selbst sei Eigentümer des Mercedes Benz CLK 350 Cabriolet mit dem amtlichen Kennzeichen … , nachdem ursprünglich sein Bruder … die Klage auf Grundlage einer Eigentumsbestätigung vom 03.05.2010 (Bl. 13 d.A.) erhoben hatte. Der Zeuge habe gemäß der Klageschrift vom 04.06.2010 zum Unfallzeitpunkt die rechte Fahrbahn der BAB 59 bzw. gemäß dem weiteren Schriftsatz vom 24.09.2010 die Ausfahrt der Anschlussstelle in nördlicher Richtung befahren. Die Beklagte zu 1. habe die linke Fahrbahn befahren und sei in einer leichten Linkskurve in die Fahrbahn des Klägerfahrzeugs geraten und dabei mit der Front des Fahrzeugs gegen den linken Heckbereich des Klägerfahrzeugs gestoßen. Das Klägerfahrzeug sei dadurch in Rotation versetzt worden. Der Zeuge habe noch dagegen gelenkt, jedoch nicht vermeiden können, dass er mit dem Klägerfahrzeug gegen die linke Leitplanke gestoßen sei. Danach sei es zu einer erneuten Kollision zwischen Beklagten- und Klägerfahrzeug gekommen.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an ihn 20.996,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2010 zu zahlen,

2. an die …-Rechtsschutzversicherung, … , zu Versicherungsnummer … Nebenkosten (Anwaltskosten) in Höhe von 1.023,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2010 zu zahlen,

3. ihn von weiteren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 489,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 10.07.2010 freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2. bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers. Sie behauptet, dass es sich bei dem – im Übrigen bestrittenen – Schadensereignis um eine abgesprochene, absichtlich herbeigeführte Kollision gehandelt und der Kläger in die Beschädigung des Mercedes Benz CLK 350 eingewilligt habe. Die in dem Zusatzblatt zur Unfallmitteilung (Bl. 112 d.A.) festgehaltene Rotation dieses Fahrzeugs sei nicht plausibel mit einem Anstoß an die linke Leitplanke in Einklang zu bringen, zumal das Fahrzeug über eine technische Vorrichtung verfüge, die ein Schleudern im Falle des Gegenlenkens verhindere. Zudem sei ein Schleudern in Richtung Leitplanke nicht geeignet, den an der linken Seite des Mercedes Benz vorhandenen Streifschaden zu verursachen. Dass es zu einer zweiten Kollision gekommen sei, sei angesichts des Umstandes, dass das Beklagtenfahrzeug nach dem ersten Zusammenstoß langsamer als der Mercedes Benz gewesen sei, nicht nachvollziehbar. Die Beklagte zu 2. bestreitet die von dem Kläger geltend gemachten Reparaturkosten, insbesondere die Kosten für die Beseitigung der Schäden an Achse und Lenkung und die Verrechnungssätze des Sachverständigenbüros , sowie die Wertminderung der Höhe nach. Der Wiederbeschaffungswert sei durch das Sachverständigenbüro mit 33.500,00 EUR zu hoch bemessen worden. Der Zeuge und der Lebensgefährte der Beklagten zu 1., ein Herr … , seien bereits vor dem Schadensereignis miteinander bekannt gewesen. Der Kläger habe den Mercedes Benz CLK 350 Cabriolet im Mai 2010 weiter veräußert, ohne den Unfallschaden vom 09.03.2010 zu offenbaren. Die Beklagte zu 1. sei auf Sozialleistungen angewiesen. Ihr sei infolge des Schadensereignisses kein Schaden entstanden.

Die Beklagte zu 1. bestreitet, an einem gestellten Verkehrsunfall mitgewirkt zu haben. Der Zeuge sei ihr unbekannt. Bei dem von der Beklagten zu 2. angesprochenen Herrn handele sich um ihren damaligen Freund. Sie habe den Ford Transit gemietet, um einen Schrank abzuholen.

Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass der Beklagten zu 1. unfallbedingt kein Schaden entstanden und sie auf Sozialleistungen angewiesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung, durch informatorische Parteianhörung und durch Einholung eines mündlichen und schriftlichen Sachverständigengutachtens. Insoweit wird auf die Verfügung vom 15.11.2010 (Bl. 248 d.A.), das Sitzungsprotokoll vom 03.02.2011 (Bl. 265 ff. d.A.), den Beschluss vom 21.02.2011 (Bl. 282 ff. d. A.), die Verfügung vom 31.03.2011 (Bl. 308 f. d.A.), das schriftliche Gutachten vom 09.07.2011 (Zusatzheft zur Akte) sowie das Sitzungsprotokoll vom 01.12.2011 (Bl. 390 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 823 Abs. 1 und 2 BGB. Ein solcher Schadensersatzanspruch setzt einen Verkehrsunfall im Sinne eines zufälligen, nicht gezielt herbeigeführten Ereignisses voraus. Dass es sich bei dem Schadensereignis vom 09.03.2010 um einen zufälligen Unfall gehandelt hat, lässt sich nicht feststellen. Zwar ist durch das Gutachten des Sachverständigen bewiesen, dass die Schadensmerkmale der unfallbeteiligten Fahrzeuge miteinander korrespondieren und auch das Beschädigungsbild an der linken Seite des Klägerfahrzeugs zu einem streifenden Anstoß an eine Leitplanke passt, so dass die Schäden miteinander kompatibel sind, jedoch ist das Gericht aufgrund seiner weiteren getroffenen Feststellungen davon überzeugt, dass ein gestellter Unfall vorliegt, für den der Kläger keinen Schadensersatz beanspruchen kann.

Auszugehen ist zunächst von dem Grundsatz, dass demjenigen, der in die Schädigung seines Rechtsgutes durch einen anderen ausdrücklich einwilligt, kein ersatzfähiges Unrecht geschieht. Dieser Grundsatz gilt erst recht für den Bereich der Gefährdungshaftung, hier: §§ 7, 18 StVG. Während der Kläger als Anspruchsteller den äußeren Tatbestand der Rechtsgutverletzung zu beweisen hat, tragen die Beklagten die Beweislast dafür, dass es sich um ein einvernehmlich herbeigeführtes Schadensereignis handelt (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.1977, Az. VI ZR 206/75, zitiert nach juris). Dieser Beweis ist im vorliegenden Fall erbracht.

Es sind zahlreiche Kriterien aus dem Indizienkatalog erfüllt, die bei der gebotenen Gesamtwürdigung für die beabsichtigte unrechtmäßige Abrechnung eines gestellten Unfalls bzw. eines Schadens, der anders als behauptet entstanden ist, sprechen (vgl. hierzu Verheyen, Kriterienkatalog für manipulierte Verkehrsunfälle, ZfS 1994, 313 ff., m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.1995, Az. I U 255/94; OLG Hamm, Urteil vom 22.03.2000, Az. 13 U 144/99; jeweils zitiert nach juris):

1. Ungeachtet des Umstandes, dass die an den unfallbeteiligten Fahrzeugen entstandenen Schäden miteinander kompatibel sind und auch der Seitenschaden an dem Mercedes Benz CLK 350 zu einem streifenden Anstoß an eine Leitplanke passt, ist der Unfallhergang nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht plausibel.

Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der ersten Kollision der Fahrzeuge hätten die Anstoßkräfte heckseitig links auf das Klägerfahrzeug eingewirkt, und zwar links neben dem Schwerpunkt des Fahrzeugs. Durch diesen Anstoß sei für beide Fahrzeuge eine nach rechts gerichtete Bewegung hervorgerufen worden, zumal der Ford Transit aufgrund des Übergangs vom linken auf den rechten Fahrstreifen der Ausfahrt ohnehin schon in einer Fahrbewegung nach rechts gewesen sei. Die vorgetragene anschließende Bewegung beider Fahrzeuge nach links könne daher nicht durch den Erstanstoß erklärt werden. Vielmehr habe es zusätzlicher Lenkbewegungen der Fahrer nach links bedurft.

Diese überzeugenden und auch für den technischen Laien ohne Weiteres nachvollziehbaren Ausführungen des seit vielen Jahren als sehr zuverlässig gerichtsbekannten Sachverständigen lassen sich nicht mit den Angaben in Einklang bringen, die die Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2011 gemacht hat. Sie hat dort bekundet, nach dem ersten starken Auffahren habe sie „vor Schreck alles losgelassen, Lenkrad losgelassen und auch Fuß von allen Pedalen runter“, was mit ihrer schriftlichen Erklärung gegenüber dem Mietwagenunternehmen vom 09.04.2010 (Bl. 233 d.A.) übereinstimmt. Ist die Beklagte zu 1. damit konstant dabei geblieben, dass sie das Lenkrad nach der Erstkollision losgelassen habe, so steht dies in unauflösbarem Widerspruch zu der Tatsache, dass der vergleichsweise schwere und damit träge Ford Transit ohne Lenkbewegung nach links nicht in der Lage gewesen wäre, das in der Endposition an der linken Leitplanke stehende Klägerfahrzeug zu erreichen und dort nochmals anzustoßen.

Soweit der Zeuge ausgesagt hat, nach links gegengelenkt zu haben, als das Klägerfahrzeug nach dem ersten Anstoß von hinten nach rechts gegangen sei (nachdem er zunächst umgekehrt angegeben hatte, das Fahrzeug sei nach links gegangen und er habe nach rechts gegengelenkt), ist dies nach den Ausführungen des Sachverständigen zwar einerseits erforderlich gewesen, um die linke Leitplanke erreichen zu können, andererseits aber technisch nicht uneingeschränkt nachzuvollziehen. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, für einen solchen reaktionsbedingten Linkseinschlag der Lenkung könne aus technischer Sicht kein plausibler Grund dargestellt werden. Einerseits seien die auf das Klägerfahrzeug übertragenen Anstoßkräfte nicht groß gewesen, was anhand der vergleichsweise geringen Beschädigungsmerkmale unschwer zu erkennen ist, und das Fahrzeug nicht stark ausgelenkt worden, so dass es auf dem rechten Fahrstreifen hätte weiterfahren können. Andererseits befänden sich an der linken Fahrbeinseite auch Hindernisse (Leitplanke). Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige hierzu weiter ausgeführt, dass Fahrzeugführer üblicherweise von der Gefahr weglenkten, hier: von der Leitplanke, und nicht darauf zu.

Zwar schränkte der Sachverständige seine Einschätzung aus dem schriftlichen Gutachten, eine Lenkbewegung nach links sei nicht plausibel, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2011 etwas ein, jedoch führt auch dies nicht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Insoweit hat der Sachverständige nämlich bekundet, selbst wenn eine Ausweichreaktion des Zeugen nach links technisch erklärbar wäre, so wäre im Anschluss wieder eine Korrektur nach rechts zu erwarten gewesen, zumal der Zeuge über den gesamten linken Fahrstreifen hinweg fahren musste, um die linke Leitplanke erreichen zu können. Demnach hatte der Zeuge … angesichts der geringen Anstoßkräfte nach rechts infolge der Erstkollision, des damit verbundenen geringen Impulses für ein Gegenlenken nach links und des Umstandes, dass ihm die gesamte Fahrbahnbreite der zwei Fahrspuren als Reaktionsfläche für sein Fahrmanöver nach der Erstkollision zur Verfügung stand, ausreichend Gelegenheit, im Falle eines Gegenlenkens nach links diesen Lenkeinschlag wieder nach rechts zu korrigieren, um nicht mit der linken Leitplanke zu kollidieren.

Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige bei seiner Befragung ausgeführt hat, es sei nicht erklärbar, dass der Zeuge nach der Erstkollision bis zur Kollision mit der Leitplanke zwar gegengelenkt, aber nicht gebremst haben will. Der Zeuge hat ausdrücklich erklärt, das Bremspedal habe er „jedenfalls nicht betätigt“. Dies ist in Anbetracht der Annäherung an die Leitplanke – zudem auch noch in einem sehr spitzen Winkel, was sich aus dem Streitschaden herleiten lässt – nicht nachvollziehbar. Es ist nicht erklärbar, dass der Zeuge dem Gutachten des Sachverständigen zufolge nach dem Erstanstoß quasi sehenden Auges in weitem Bogen, mit gleich bleibender oder nur geringfügig verringerter Geschwindigkeit gegen die linke Leitplanke gefahren und dort von dem Beklagtenfahrzeug eingeholt und nochmals angestoßen worden sein soll, obwohl das Beklagtenfahrzeug nach der Erstkollision langsamer als das Klägerfahrzeug gewesen sein muss und für die Beklagte zu 1. wegen der Erstkollision eine erhöhte Aufmerksamkeit zu erwarten war.

Ist somit das Gericht im Ergebnis zu der Überzeugung gelangt, dass es – entgegen der Angaben der Beklagten zu 1. – eine bewusste Lenkbewegung nach links ihrerseits und auch des Zeugen gegeben hat, die angesichts der vorliegenden weiteren objektiven Umstände nicht plausibel sind, so stellt dies ein gewichtiges Indiz für einen manipulierten Unfall dar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.06.2007, Az. 20 U 280/06, zitiert nach juris, zu der bewussten Handlung einer aktiv ausgeführten Lenkbewegung).

Gestützt wird dies noch dadurch, dass die Unfallbeteiligten in sich widersprüchliche Erklärungen zu dem Verhalten des Klägerfahrzeugs nach der Erstkollision abgegeben haben. Während sich im Zusatzblatt zur Unfallmitteilung (Bl. 112 d.A.) die Angabe findet, der Mercedes Benz sei durch die Wucht des (ersten) Aufpralls „herumgeschleudert“ worden, was in der Handskizze zur Unfallmitteilung (Bl. 111 d.A.) durch eine verschlungene Linie angedeutet ist, haben die Beklagte zu 1. und der Zeuge … einen derartigen Schleudervorgang des Klägerfahrzeugs in der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2011 nicht mehr bestätigt. Der Zeuge hat diesbezüglich lediglich angegeben, das Gefühl gehabt zu haben, der Wagen werde herausgeschleudert, weshalb er gegengelenkt habe. Eine vollendete Drehung um die eigene Achse hat der Zeuge damit nicht bekundet. Der zu der Möglichkeit einer Drehung des Klägerfahrzeugs befragte Sachverständige hat erklärt, die Energie des Erstanstoßes sei nicht ausreichend gewesen, um das Klägerfahrzeug um die eigene Achse herumzuschleudern. Die anhand der vorliegenden Lichtbilder erkennbaren Beschädigungsmerkmale verdeutlichten dies. Das Gericht folgt dem Sachverständigen auch diesbezüglich. Die auf den Fotos dokumentierten Fahrzeugschäden im Heckbereich des Klägerfahrzeugs und im Frontbereich des Beklagtenfahrzeugs sind vergleichsweise geringfügig. Dass eine Kollision, die lediglich derartige Unfallspuren hinterlässt, zu einer Drehung des vorausfahrenden Fahrzeugs um die eigene Achse geführt haben könnte, erscheint ausgeschlossen.

2. Der Unfall soll sich dergestalt zugetragen haben, dass die Beklagten zu 1. eindeutig die alleinige Schuld an dem Schadensereignis trifft, so dass der Kläger bei der Schadensabwicklung unter Anerkennung eines tatsächlichen Unfalls nicht mit einem prozentualen Abzug zu rechnen brauchte. Insbesondere die hier vorliegende Auffahrsituation ist typisch für bewusst herbeigeführte Schadensereignisse (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.03.2000, Az. 13 U 144/99, zitiert nach juris).

3. Unbeteiligte Zeugen zum Schadenshergang sind nicht vorhanden (vgl. zu diesem Indiz: OLG Hamm, a.a.O.), obwohl sich der Unfall zur Hauptverkehrszeit – dienstags um 16.30 Uhr – im Bereich einer viel befahrenen Autobahnausfahrt ereignet haben soll und der Zeuge bekundet hat, auf der Autobahn habe zur Unfallzeit ein Verkehrsstau geherrscht.

4. Die Unfallschilderung in der Klageschrift vom 04.06.2010 ist nur pauschal, insbesondere was den Anstoß an die Leitplanke und die anschließende weitere Kollision anbelangt. Es wird dort weder vorgetragen, mit welchem Fahrzeugteil sich der Anstoß des Klägerfahrzeugs an die Leitplanke ereignet haben soll, noch, wie genau die weitere Kollision von Statten ging. Zudem wurde in der Klageschrift noch angegeben, der Unfall habe sich auf der BAB 59 selbst ereignet. Erst mit Schriftsatz vom 24.09.2010 wurde durch den Kläger klargestellt, dass Unfallort die Ausfahrt … gewesen sei. Die hierfür durch den Kläger gegebene Erklärung, es habe ein Missverständnis vorgelegen und der Kläger sei bei dem Unfall nicht anwesend gewesen, ist nur wenig stichhaltig. Denn bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung war klar, dass der Kläger dem Unfallgeschehen nicht selbst beigewohnt hat und die wesentlichen Informationen nur von dem Zeugen erhalten konnte. Warum nicht bereits am 04.06.2010 in Erfahrung gebracht werden konnte, wo sich das Schadensereignis tatsächlich abgespielt hatte, erschließt sich nicht.

5. Bei dem beschädigten Fahrzeug Mercedes Benz CLK 350 Cabriolet handelt es sich um einen hochwertigen Pkw, während das von der Beklagten zu 1. gefahrene Fahrzeug Ford Transit ein Mietwagen war. Auch eine solche Konstellation ist erfahrungsgemäß typisch für fingierte Verkehrsunfälle (vgl. OLG Hamm, a.a.O.), da sich in derartigen Fällen hohe Reparaturkosten abrechnen lassen und auf den Fahrer des schädigenden Fahrzeugs in der Regel keine oder nur geringe Kosten (Selbstbeteiligung) zukommen.

6. Es hat ein auffälliger Parteiwechsel auf Klägerseite stattgefunden. Während ursprünglicher Kläger auf Grundlage der Eigentumsbestätigung vom 03.05.2010 (Bl. 13 d.A.) war, ist es jetzt sein Bruder … . Die Erklärung hierfür in dem Klägerschriftsatz vom 19.10.2010 ist nicht schlüssig. Dass die Brüder der Eigentumsbestätigung vom 03.05.2010 keine besondere Bedeutung beigemessen haben wollen, steht in eindeutigem Widerspruch dazu, dass die Aktivlegitimation von gerade auf diese Bestätigung gestützt wurde und darin eindeutig davon die Rede ist, das Fahrzeug stehe „im Eigentum“ von … . Bereits daraus, dass diese Bestätigung zu den Gerichtsakten gereicht wurde, ergibt sich unzweifelhaft, dass die Brüder sehr wohl ihre juristische Bedeutung für den Rechtsstreit erkannt hatten. Auch die behauptete Verwechslung der Begriffe Eigentum und Besitz erscheint nicht nachvollziehbar. Bereits dadurch, dass die Beklagte zu 2. mit Schriftsatz vom 04.08.2010 die Eigentümerstellung von bestritten hatte, war für die anwaltlich vertretenen Brüder … klargestellt, dass es ggfs. auf den Unterschied zwischen Eigentum und Besitz ankommen konnte. Gleichwohl wurde mit Schriftsatz vom 24.09.2010 nochmals ausdrücklich erklärt, sei Eigentümer des Fahrzeugs, was angesichts der aufgrund des diesbezüglichen Bestreitens der Beklagten zu 2. zu erwartenden Sensibilisierung für dieses Thema nicht erklärlich ist, wenn tatsächlich bereits zu diesem Zeitpunkt … Eigentümer war.

7. Die beteiligten Personen leben nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Der ehemalige Kläger und hauptsächliche Nutzer des Mercedes Benz CLK 350 Cabriolet, … , ist arbeitslos, wobei unklar geblieben ist, wie der Kauf dieses hochpreisigen Fahrzeugs zu einem Barzahlungspreis von 32.800,00 EUR ohne eine Ratenzahlungsvereinbarung finanziert wurde. Die Beklagte zu 1. ist ebenfalls auf Sozialleistungen angewiesen, was sie selbst erklärt und zudem im Prozesskostenhilfeantragsverfahren belegt hat.

8. Das beschädigte Klägerfahrzeug weist Vorschäden auf, was gleichfalls einen fingierten Unfall nahe legt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Diese Vorschäden betreffen jedenfalls zum Teil genau die Fahrzeugteile, die jetzt durch den behaupteten Unfall (erneut) beschädigt worden sein sollen. Nach dem Gutachten des Sachverständigenbüros vom 10.03.2010 betraf der Anstoßbereich bezüglich des Vorschadens – ebenso wie bei dem Schadensereignis vom 09.03.2010 – u.a. das Heck und den Seitenbereich links des Klägerfahrzeugs (Bl. 17 d.A.).

9. Anlass der Fahrt der Beklagten zu 1. mit dem Mietfahrzeug soll nach ihrer Schadensmeldung gegenüber dem Mietwagenunternehmen vom 09.04.2010 die Abholung eines gekauften Schrankes gewesen sein (Bl. 153 d.A.). Eine solche Konstellation eines behaupteten Möbelkaufs kommt ebenfalls häufig bei gestellten Verkehrsunfällen vor (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

10. Der Kläger rechnet den Fahrzeugschaden fiktiv auf Gutachtenbasis ab, obgleich das Fahrzeug repariert worden sein soll, was ebenfalls kennzeichnend für fingierte Verkehrsunfälle ist (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Eine Reparaturrechnung wurde nicht vorgelegt.

11. Das Fahrzeug des Klägers wurde bereits kurz nach dem Schadensereignis repariert. Auch dies kommt häufig bei gestellten Unfallereignissen vor, damit eine neutrale Schadensbegutachtung durch einen seitens des Gerichts bestellten Sachverständigen nicht mehr möglich ist.

12. Der Kläger hat einmal ein anderes Fahrzeug bei seiner Versicherung als gestohlen gemeldet, wobei die Sache nicht weiter verfolgt wurde, als der Pkw wieder aufgefunden wurde.

13. Wenn nach den bisherigen Ausführungen unter 1.-12., insbesondere nach denen unter 1., davon auszugehen ist, dass die Beklagte zu 1. und der Zeuge im Rahmen des Schadensereignisses bewusst und gewollt eine Kollision herbeigeführt haben, so steht bereits damit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sie – trotz des jeweiligen Leugnens einer zwischen ihnen bestehenden Bekanntschaft – zum Unfallzeitpunkt in einer irgendwie gearteten Nähebeziehung zueinander standen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob sie beide sich tatsächlich bereits zu diesem Zeitpunkt persönlich kannten. Denn zumindest ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass sie einen gemeinsamen Bekannten hatten, so dass ein Bindeglied zwischen ihnen bestand, was wiederum für einen abgesprochenen Schadensfall spricht. Die Beklagte zu 1. hat bei ihrer Befragung vom 03.02.2011 erklärt, damals mit einem Herrn befreundet gewesen zu sein. Der Zeuge hat ausgesagt, einen Handyladen zu haben und dort sehr viele Verträge machen zu müssen. Als er angerufen und nach einem gefragt worden sei, habe er möglicherweise kurz vorher den Namen geschrieben oder gesehen und deswegen gesagt: „Ja klar kenne ich den.“

Ungeachtet der unklaren Schreibweise des Nachnamens (… oder … ) steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich um dieselbe Person handelt. Die Beklagte zu 1. hat in ihrem Schriftsatz vom 02.02.2011 eingeräumt, der seitens der Beklagten zu 2. angesprochene Herr … , d.h. diejenige Person, die in dem Schriftsatz der Beklagten zu 2. vom 04.08.2010 erwähnt wurde, sei ehemals ihr Freund gewesen. Soweit der Zeuge am Telefon eindeutig erklärt hat, den von der Beklagten zu 2. bezeichneten zu kennen, ergibt sich daraus, dass er und die Beklagte zu 1. einen gemeinsamen Bekannten haben oder zumindest zum Unfallzeitpunkt hatten. Vor diesem Hintergrund ist die Erklärung des Zeugen … , er schließe in seinem Handyladen viele Verträge, als bloße Schutzbehauptung zu werten. Gerade wenn er geschäftlich mit vielen Namen zu tun hat, läge es nahe, dass er sich bei einer telefonischen Anfrage zu einem bestimmten Namen genau darauf bezieht, anstatt spontan zu erklären: „Ja klar kenne ich den.“ Dass er diese Äußerung am Telefon abgab, obwohl er viel mit unterschiedlichen Namen zu tun hat, kann daher nur bedeuten, dass ihm die Person oder … , d.h. der frühere Freund der Beklagten zu 1., tatsächlich bekannt war.

14. Die aufgezeigten Indizien wiegen derart schwer, dass die Tatsache, dass die Polizei zur Unfallaufnahme gerufen wurde, was an sich gegen einen gestellten Unfall sprechen könnte, nicht besonders ins Gewicht fällt. Abgesehen davon wird mittlerweile häufig die Polizei gerade bei fingierten Unfällen benachrichtigt, um im Streitfall durch die angefertigte Unfallmitteilung einen (angeblichen) Nachweis für das Unfallgeschehen vorlegen zu können. Dieser Umstand ist daher nicht mehr uneingeschränkt geeignet, die Annahme eines unrechtmäßig abgerechneten Schadensfalles zu erschüttern (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29.09.2003, Az. 13 U 16/03, zitiert nach juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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