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Verkehrsunfall – fiktive Reparaturkosten – Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt

LG Berlin – Az.: 41 S 87/11 – Urteil vom 01.03.2012

Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – das am 20. April 2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 110 C 3357/10 – abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Wolfgang B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 10.1.2012 (Bl. 127 der Akten) Bezug genommen.

Die gemäß §§ 511ff. ZPO zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 823 BGB, 115 VVG in Höhe von lediglich weiteren 4,33 EUR. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Geschädigter, der den Ersatz fiktiver Reparaturkosten begehrt, gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann, gelten folgende Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 13.7.2010 – VI ZR 259/09, NJW 2010, 2941 m.w.N.): Ein Geschädigter leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn er darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Aber auch bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten auch dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-) üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern vertragliche Sonderkonditionen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zugrunde liegen.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Beklagten der Verweis des Klägers auf eine kostengünstigere Werkstatt gelungen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts wird dabei nach der Rechtsprechung des BGH, der sich das Gericht anschließt, nicht vorausgesetzt, dass die Versicherung dem Geschädigten ein annahmefähiges Angebot unterbreitet. Für ein solches besteht auch kein Bedarf, da das Unterbleiben der Reparatur des Fahrzeugs in der günstigeren Referenzwerkstatt nicht darauf beruht, dass der Geschädigte mangels Angebots die Vergleichbarkeit der Reparatur mit der von seinem Sachverständigen vorgeschlagenen Art und Weise nicht überprüfen könnte, sondern vielmehr auf dessen Entschluss, gar nicht reparieren zu lassen, woran auch ein konkretes Angebot nichts ändern würde. Aus dem dem Kläger übersandten Prüfbericht der Fa. … vom 19.7.2010 ergibt sich darüber hinaus, dass lediglich abweichende Stundenverrechnungssätze berücksichtigt wurden und es im Übrigen bei dem im Schadensgutachten aufgezeigten und den Herstellervorgaben entsprechenden Reparaturweg verbleibt. Eine mögliche Unsicherheit des Geschädigten über den Reparaturweg wäre danach nicht anerkennenswert.

Verkehrsunfall - fiktive Reparaturkosten - Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt
Symbolfoto: Von ESB Professional/Shutterstock.com

Hinsichtlich der Qualität der Reparatur des hier maßgeblichen Fahrzeugschadens in der Referenzwerkstatt Fa. G. steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese für den hier vorliegenden Fall mit der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt vergleichbar ist und die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllt. Der Zeuge B. hat in seiner Vernehmung bekundet, dass er Inhaber des Werkstattbetriebs G. sei, sein Unternehmen von der Dekra Automobil GmbH zertifiziert sei, dieses dem Eurogarant-Zusammenschluss angehöre und deren Standards erfülle sowie Mitglied im ZKF e.V. sei. Er hat hierüber Urkunden im Termin überreicht (vgl. Bl. 133ff. der Akten). Er hat ferner ausgeführt, dass er Karosseriebaumeister sei und sein Betrieb 17 Mitarbeiter umfasse, darunter Karosseriebauer, Fahrzeugmechaniker, Lackierer und andere Mitarbeiter. Sein Betrieb führe Reparaturen nach Herstellervorgaben durch, seine Mitarbeiter würden regelmäßig bei den Herstellern geschult, dabei regelmäßig auch bei Mercedes, und dieser Umstand werde den Zertifikatsausstellern regelmäßig nachgewiesen. Bei den Reparaturen würden ausschließlich Originalersatzteile verwandt werden und es würde auf die von seinem Betrieb durchgeführten Arbeiten drei Jahre Garantie gewährt werden. Die Herstellergarantie bei Neuwagen würde für die Kunden dabei erhalten bleiben. Es bestehe für die Kunden ein kostenfreier Hol- und Bringservice. Die vorgenannten Angaben sind zur Überzeugung des Gerichts in vollem Umfang glaubhaft und es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, inhaltlich an den Angaben des Zeugen B. zu zweifeln. Eine aktuell bestehende Vereinbarung zwischen seiner Werkstatt und der Beklagten wurde von ihm verneint. Die Angaben des Zeugen waren des weiteren geeignet, die Vergleichbarkeit der Reparatur in der Werkstatt G. mit der in einer fachgebundenen Markenwerkstatt zu belegen. Entgegen der Auffassung des Klägers verbleiben auch keine Zweifel an der Qualifikation der Mitarbeiter des Zeugen. Soweit der Kläger annimmt, dass die Schulungen der Werkstattmitarbeiter bei einer Vielzahl von Fahrzeugherstellern so viel Zeit in Anspruch nehme, dass keine ausreichende Vermittlung von Wissen stattfinden könne, gibt es hierfür weder konkrete Anhaltspunkte noch Erfahrungswerte. Da vorliegend lediglich die Vergleichbarkeit der Reparatur eines Fahrzeugs der Marke Mercedes zu prüfen ist, kommt es nicht darauf an, ob die Werkstattmitarbeiter für eine Vielzahl von anderen Fahrzeugmarken gleichermaßen geschult sind, sondern lediglich darauf, ob regelmäßige Schulungen für die Fahrzeuge der Marke Mercedes stattfinden, was der Zeuge auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt hat.

Mit der in der Beweisaufnahme bestätigten Zertifizierung der Werkstatt durch unabhängige und anerkannte Dritte wie Dekra und Eurogarant, der Reparatur nach Herstellervorgaben mit Originalersatzteilen, der Gewährung einer dreijährigen Garantie, dem Fehlen von Sonderkonditionen für die Versicherung sowie der laufenden Weiterbildung der Mitarbeiter steht für das Gericht eine Vergleichbarkeit der Reparatur des Klägerfahrzeugs in der Werkstatt G. mit der Reparatur beim Hersteller fest.

Anhaltspunkte, die für eine Unzumutbarkeit der Reparatur des Klägerfahrzeugs in der Firma G. sprechen könnten, hat der Kläger entgegen dem mit Verfügung vom 22.11.2011 gegebenen Hinweis nicht vorgetragen. Sein erstinstanzlicher Vortrag, das Fahrzeug mit dem Baujahr 2003 sei im Zeitpunkt des Gebrauchtwagenkaufs bei der Daimler AG im Jahre 2007 komplett scheckheftgepflegt gewesen, ist nicht ausreichend, um eine solche Unzumutbarkeit darzulegen. Hierzu wäre unter anderem die Darlegung erforderlich gewesen, dass das Fahrzeug bis zum Unfallzeitpunkt am 19.6.2010 ausschließlich beim Hersteller repariert und geprüft worden wäre.

Bei der Höhe des Anspruchs war von dem Prüfbericht der Firma … und den dort festgestellten Reparaturkosten netto in Höhe von 4.824,60 EUR ein Abzug in Höhe von 4,33 EUR zu machen, da die Beklagte für den dabei berücksichtigten Stundenverrechnungssatz von 65,00 EUR für Mechanikarbeiten beweisfällig geblieben ist. Der Zeuge B. hat den Stundenverrechnungssatz für Karosseriearbeiten von 78,00 EUR netto und für Lackierarbeiten von 84,00 EUR zwar bestätigt, jedoch ausgeführt, dass Mechanikarbeiten in dem Stundenverrechnungssatz für Karosseriearbeiten enthalten seien. Im Sachverständigengutachten K. vom 29.6.2010 ist daher der Preis für Mechanik Preisgruppe 3 von 0,33 Stunden x 101,28 EUR = 33,76 EUR nur auf 26,00 EUR (0,33 Stunden x 78,00 EUR) statt auf 21,67 EUR zu kürzen. In Höhe der Differenz von 4,33 EUR besteht über die vorgerichtliche Regulierung hinaus ein weiterer Anspruch des Klägers gegen die Beklagte.

Die Berufung ist ferner begründet hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Der zur Berechnung maßgebliche Gegenstandswert beträgt 5.529,43 EUR (Reparaturkosten 4.828,93 EUR, Sachverständigenkosten 675,50 EUR und Unkostenpauschale – wie gezahlt – 25,00 EUR). Die Gebühren berechnen sich danach wie folgt:

1,3- Geschäftsgebühr 439,40 EUR

Auslagen 20,00 EUR

Gesamt netto 459,40 EUR

zzgl. Akteneinsicht 12,00 EUR

Summe 471,40 EUR

Die außergerichtlichen Anwaltskosten sind durch die vorgerichtliche Zahlung in Höhe von 471,40 EUR erfüllt.

Die Zinsforderung beruht auf den §§ 286, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11 Satz 1, 713 ZPO. Gründe, gemäß 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.

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