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Prognose- und Werkstattrisiko bei fiktiver Abrechnung

LG Bielefeld, Urteil vom 06.08.2008

Az.: 22 S 128/08

Die Berufung des Klägers gegen das am 08.04.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Prognose- und Werkstattrisiko bei fiktiver AbrechnungDer Kläger kann von den Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 22.4.2006 in C auf dem I.-Weg über den durch das angefochtene Urteil zuerkannten und den unstreitig von der Beklagten zu 2) vorprozessual gezahlten Betrag hinaus keinen weitergehenden Schadensersatz verlangen. Im Ergebnis zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Art und Weise der Schadensberechnung seitens des Klägers nicht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang zu bringen ist.

Ausgangspunkt bei der rechtlichen Beurteilung ist nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. über die im angefochtenen Urteil zitierten Entscheidungen hinausgehend: BGH, Urteil vom 20.6.1989 – VI ZR 334/88, abgedruckt in NJW 1989, 3009 ff.; so auch wörtlich zitiert im Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.6.2008 – 1 U 276/07 – bei Juris), dass bei unfallbedingter Beschädigung eines Kraftfahrzeuges der Geschädigte von dem ersatzpflichtigen Schädiger statt der Herstellung durch diesen (§ 249 Abs. 1 BGB) den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag für eine von ihm selbst veranlasste Reparatur verlangen kann (§ 249 Abs. 2 BGB). Dieser Geldbetrag bemisst sich danach, was von dem Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeuges zweckmäßig und angemessen erscheint. Für das, was zur Schadensbeseitigung nach der letztgenannten Vorschrift erforderlich ist, ist ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierender Maßstab anzulegen. Für die Berechnung des Schadens kann das Schätzgutachten eines anerkannten Kfz.-Sachverständigen über die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten für das Gericht eine sachgerechte Grundlage sein, sofern dieses hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlichen denkenden Betrachters gerecht zu werden. Insofern sind vorliegend Einwendungen gegen das Schätzgutachten des Sachverständigen L. vom 24.4.2006 weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Allerdings – so führt der BGH, a.a.O., weiter aus- wird vor allem für umfangreiche Fahrzeugschäden häufig erst die Reparaturkostenrechnung der Werkstatt eine zureichende Auskunft über den nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlichen Reparaturkostenaufwand geben. Die so belegten tatsächlichen Aufwendungen sind im allgemeinen ein aussagekräftigeres Indiz für die Erforderlichkeit. Dies hindert den Tatrichter allerdings nicht, den geschuldeten Ersatzbetrag im Schätzwege nach § 287 ZPO auch ohne Reparaturrechnung festzustellen.

Aus diesen Ausführungen folgt, dass die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte fiktive Schadensberechnung auf der Basis des Schadensgutachtens keinesfalls bindend dazu führt, dass der Geschädigte in jedem Fall den in dem von ihm eingeholten Schadensgutachten ausgewiesenen Schadensbetrag verlangen kann. Bestehen Bedenken gegen die Richtigkeit des Schadensgutachtens, kann nicht zweifelhaft sein, dass seitens des Gerichts durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eine Überprüfung erfolgen muss und dass der Schaden, wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige Fehler in der Kalkulation des vorgerichtlich eingeschalteten Sachverständigen findet, entsprechend den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen ermittelt wird (vgl. zu einem derartigen Fall Urteil des OLG Hamm vom 18.3.1999 – 6 U 104/98 -, abgedruckt in VersR 2001, 198).

Insofern ist im Entscheidungsfall zu berücksichtigen, dass der Kläger Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Sachverständigen L. ermittelten  Reparaturkosten selbst in den Prozess eingeführt hat, indem er die Reparaturrechnung des Autocenters H., einer Fach- und Vertragswerkstatt der Fa. Audi, vorgelegt hat, derzufolge der Schaden mit einem deutlich geringerem Aufwand, nämlich mit 3.993,34 Euro netto statt , wie vom Sachverständigen L. ermittelt, mit 4.865,22 Euro netto, zu beheben war. Es hätte nunmehr dem Kläger oblegen, darzulegen und ggfls. nachzuweisen, dass die Reparatur seitens der Fa. H. hinter den vom Sachverständigen L. für erforderlich erachteten Reparaturmaßnahmen zurückgeblieben ist, insbesondere auf überobligationsmäßigen Verzichten seinerseits beruhte (vgl. BGH, a.a.O). Denn bei fiktiver Abrechnung eines Kfz-Schadens auf Gutachtenbasis trägt der Geschädigte anders als bei Abrechnung auf Reparaturkostenbasis das Prognose- und das Werkstattrisiko (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

Soweit der Kläger insoweit in seinem Schriftsatz vom 24. 01. 2008 darauf hinweist, dass der Sachverständige S. in seinem Gutachten ausdrücklich ausgeführt habe, dass die Rechnung des Autocenters H. im Verhältnis zur Kalkulation des Sachverständigen L. Einschränkungen im Detail ausweise, die sich in der Summierung bemerkbar machten, ist dies unsubstantiiert und steht überdies im Widerspruch zu den eigenen Ausführungen des Klägers in der Klageschrift, wonach die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges, welches er auch weiterhin benutze, wiederhergestellt worden sei.

Ebensowenig kann es der Berufung zum Erfolg verhelfen, wenn der Kläger in der Berufungsbegründung ausführt, dass die Rechnung der Firma H. verschiedene vom Sachverständigen L. in Ansatz gebrachte Kontrollmaßnahmen nicht ausweise. Ungeachtet dessen, dass dieser detailliertere Sachvortrag des Klägers im Hinblick auf § 531 II ZPO verspätet sein dürfte, ist insoweit  nicht auszuschließen, dass derartige Kontrollmaßnahmen tatsächlich durchgeführt worden und in der Reparaturkostenrechnung  in den aufgeführten Positionen enthalten sind. Überdies stellt sich häufig erst bei der Demontage der unfallbeschädigten Teile heraus, dass ein höherer oder – wie vorliegend – niedrigerer Reparaturaufwand erforderlich ist.

Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, dass der Sachverständige S. in seinem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten vom 27.11.2007, welches das Gericht auf die Richtigkeit der tatsächlichen Grundlage und die Folgerichtigkeit der gezogenen Schlüsse überprüft hat, zusammenfassend zu dem Ergebnis kommt, dass sich nach eingehender Besichtigung des Fahrzeuges feststellen lasse, dass der durch den Sachverständigen L. beschriebene Unfallschaden durch die Reparatur des Autocenters H. vollständig und fachgerecht beseitigt worden sei.

Desweiteren dürfte die vom Kläger vorgenommene Schadensberechnung gegen das sogenannte schadensrechtliche Bereicherungsverbot verstoßen: Auch im Rahmen der Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 BGB gilt der schadensrechtliche Grundsatz, dass der Geschädigte zwar volle Herstellung verlangen kann, dass er aber an dem Schadensfall nicht „verdienen“ soll (vgl. hierzu nur BGH, NJW 1989, 3009 f.). Eine derartige Bereicherung träte aber ein, ließe man die Schadensberechnung seitens des Klägers zu, da er auf der einen Seite nach dem insofern überzeugenden Gutachten des Sachverständigen S. volle Herstellung des Fahrzeugs erlangt hat, auf der anderen Seite dann aber auch noch darüber hinausgehend fiktiv die Reparaturkosten laut Sachverständigengutachten L. verlangt. Der Kläger hat nämlich nach den Feststellungen des Sachverständigen S. das erhalten, was er im konkreten Fall zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes seines Fahrzeuges verlangen konnte.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Entscheidungsfindung im angefochtenen Urteil auch nicht verfahrensfehlerhaft. Die Feststellungen des Sachverständigen S. in seinem Gutachten sind klar und eindeutig, so dass für das Amtsgericht jedenfalls von Amts wegen kein Anlass bestand, den Sachverständigen anzuhören. Seitens der Parteien ist eine derartige Anhörung erstinstanzlich auch nicht beantragt worden.

Da die Beklagte zu 2) im Übrigen vorgerichtlich die Reparaturrechnung in Höhe des Bruttobetrages von 4.632,27 Euro vollständig ausgeglichen hat, ist für die Zuerkennung zusätzlicher Mehrwertsteuer kein Raum. Ein Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer besteht im Hinblick auf § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nur insofern, als die Umsatzsteuer tatsächlich angefallen ist (vgl. nur BGH, NJW 2004, 1943).

Da die Schadensberechnung des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil somit zutreffend ist,  war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht dabei gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: bis 900,00 Euro.

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