LG Passau – Az.: 1 O 690/17 – Urteil vom 23.02.2018
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.814,15 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis vom 01.06.2017.
Die Klägerin war Halterin und Eigentümerin eines Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen PA-D 8464. Am 01.06.2017 ereignete sich in 94032 Passau vor dem Anwesen … 8, wo das klägerische Fahrzeug am Straßenrand geparkt war, ein Verkehrsunfall. Hierbei wurde das Fahrzeug der Klägerin von einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw, amtliches Kennzeichen … 13, auf der Fahrerseite beschädigt.
Im Anschluss an das Unfallereignis erwarb die Klägerin ersatzweise bei der Fa. Auto … GmbH & Co.KG in … einen Neuwagen zum Preis von 9.998,82 Euro netto. Den unfallbeschädigten VW Polo veräußerte die Klägerin zu einem mit Sachverständigengutachten des Sachverständigenbüros … vom 26.06.2017 festgestellten Restwert von 2.000,00 Euro mit Kaufvertrag vom 05.07.2017.
Ein von der Klägerin eingeholtes Gutachten des Sachverständigenbüros … vom 26.06.2017 führte für den streitgegenständlichen Unfall im Übrigen Reparaturkosten in Höhe von 6.132,71 Euro brutto auf sowie eine Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert in Höhe von 5.000,00 Euro auf. Die Klägerin macht Kosten in Höhe von 176,40 Euro für die Neubeschriftung des Neufahrzeugs mit dem Schriftzug ihres Pflegedienstes geltend. Für Abmeldung des Unfallwagens, Anmeldung des Ersatzfahrzeugs und neue Schilder macht die Klägerin Kosten in Höhe von 5,90 Euro, 31,20 Euro und 13,00 Euro geltend. Für einen 16-tägigen Nutzungsausfall des Unfallfahrzeugs macht die Klägerin je Ausfalltag 43,00 Euro geltend.
Bereits am 17.08.2015 kam bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug zu einem Unfall auf derselben Fahrzeugseite.
Die Klägerin trägt vor, dass der Vorschaden vom 17.08.2015 allerdings fachgerecht und vollständig instand gesetzt worden sei. Dies ergebe sich auch aus den Feststellungen des Sachverständigenbüros …, welches lediglich einen geringfügigen unreparierten Vorschaden am Stoßfänger vorne links und rechts (verschrammt) festgestellt habe. Unreparierte Vorschäden hätten damit nicht bestanden. Zudem sei der Vorschaden vom 17.08.2015 dermaßen massiv gewesen, dass selbst bei teilweiser Überlagerung durch die Beschädigung aufgrund des klagegegenständlichen Unfallereignisses für den Sachverständigen das Vorliegen zweier Beschädigungen erkenn- und feststellbar gewesen wäre. Die Problematisierung des Vorschadens durch die Beklagte sei als rechtsmissbräuchlich einzustufen, zumal diese über Informationen hinsichtlich des Vorschadens verfüge.
Die Beklagte wurde zum Ausgleich des streitgegenständlichen Betrages vorprozessual am 18.08.2017 unter Fristsetzung von zehn Tagen aufgefordert. Eine Leistung erfolgte nicht. Eine vom Klägervertreter gesetzte Nachfrist bis 30.08.2017 verstrich ebenfalls ergebnislos.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.814,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins nach BGB seit dem 04.09.2017 zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist ggf. gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Bei Vorliegen der Voraussetzungen wird der Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Verfahren beantragt.
5. Die Beklagte wird verurteilt, vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 650,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Klagezustellung zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte bestreitet zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin. Es bestehe der Verdacht, dass die Klägerin nicht Eigentümerin oder berechtigte Besitzerin des Kfz sei.
Die Beklagte bestreitet weiterhin den Wiederbeschaffungswert, wie er sich aus dem Gutachten des Sachverständigenbüros … ergibt. Weiterhin bestreitet die Beklagte, dass die Schäden am klägerischen Kfz unfallkausal seien und nicht bereits vor dem Unfall zumindest zum Teil vorhanden gewesen seien. Der Unfall vom 17.08.2015 habe nämlich dieselbe Fahrzeugseite betroffen und u. a. Schäden im Bereich des Kotflügels vorne links, der Türe vorne links, des Seitenteils links, des Unterholms links sowie des Außenspiegels links bewirkt. Dieser Vorschaden sei im Gutachten … vom 26.06.2017 nicht aufgeführt. Am klägerischen Kfz habe aufgrund des Vorschadens keine Reparatur stattgefunden bzw. diese sei nicht sach- und fachgerecht erfolgt. So könne der Wiederbeschaffungswert nicht ermittelt werden. Der Wiederbeschaffungsaufwand sei unabhängig davon unzutreffend berechnet, da der Wiederbeschaffungswert differenzbesteuert anzusetzen sei.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der streitgegenständliche Unfallschaden vom Vorschaden nicht hinreichend abgrenzbar sei. Aus dem aktuellen Schadensgutachten ergebe sich der umfangreiche Vorschaden nicht. Substantiierter Vortrag der Klägerin dazu, in welchem Umfang ein Vorschaden bestanden habe, welche Maßnahmen zur fachgerechten Beseitigung erforderlich gewesen seien und welche Maßnahmen tatsächlich durchgeführt worden seien, fehle. Das Schadensgutachten sei damit unbrauchbar. Hinsichtlich der Sachverständigenkosten sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Da es sich um ein gewerblich genutztes Kfz gehandelt habe, bestehe auch kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.
Das Gericht hat Beweis erhoben zu den streitigen Behauptungen der Parteien durch die uneidliche Einvernahme des Zeugen ….
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 29.01.2018. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen verwiesen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage hat sich als unbegründet erwiesen.
1. Die Klage war zulässig. Das Landgericht Passau ist für die Klage gemäß § 71 I, 23 GVG sachlich und nach § 20 StVG bzw. § 215 VVG örtlich zuständig.
2. Die Klage hat sich allerdings insgesamt als unbegründet erwiesen. Zwar zweifelt das Gericht nicht daran, dass die Klägerin als vormalige Halterin und Eigentümerin des unfallgeschädigten Fahrzeugs aktivlegitimiert ist. Auch kam es am 01.06.2017 unstreitig zu einer unfallbedingten Beschädigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Das Schadensbild ergibt sich insoweit aus den von den Parteivertretern vorgelegten Lichtbildern und dem Gutachten von Dipl.-Ing. (FH) … (Anlage K 3). Jedoch ist die Klage in Bezug auf den Vorschaden und dessen Abgrenzbarkeit vom aktuell streitgegenständlichen Schaden unschlüssig.
a)
Bei Vorschäden hat der Geschädigte vollumfänglich den durch den Unfall eingetretenen Schaden nachzuweisen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.07.2001, Az.: 9 U 87/00 – Juris). Dem Haftpflichtversicherer bleibt der Einwand unbenommen, dass es sich nicht um unfallbedingte Vorschäden handelte. Bei unstreitigen Vorschäden im Anstoßbereich muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfanges bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden auch im Einzelnen vortragen muss; anderenfalls kann die unfallbedingte Schadenshöhe nicht nach § 287 ZPO geschätzt werden (KG NZV 2010, Seite 579, KG NJOZ 2011, Seite 592). Dabei sind die jeweils eingetretenen Schäden konkret und im Einzelnen so zu benennen, dass für Gericht und gerichtlichen Sachverständigen plausibel wird, wie durch welchen Schadensfall welcher Schaden eingetreten sei. Der Anspruchsteller muss den Beweis dafür führen, dass die etwa festzustellenden Sach- und Körperschäden eben durch jene Kollision verursacht sind (BGH NJW 1978, Seite 2154); die Bezugnahme auf ein erstelltes Privatgutachten reicht nicht aus (OLG Düsseldorf R+S 2013, Seite 46).
Eine Schadenschätzung (§ 287 ZPO) entfällt, wenn der Anspruchsteller, der über keine Reparaturrechnung verfügt, nicht hinreichend darlegt und unter Beweis stellt, welchen klar abgrenzbaren Vorschaden das Fahrzeug halte und welche Arbeiten im Rahmen einer fachgerechten Reparatur durchgeführt worden sein sollen (LG Hagen, NZV 2013, Seite 446).
Der Geschädigte hat weiter keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für ein nicht brauchbares Privatgutachten, wenn er die Mängel des Gutachtens zu vertreten hat, weil sie auf fehlenden oder unzureichenden Informationen über Vorschäden beruhen (KG, NZV 2004, Seite 470).
b)
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen hat die Klägerin vorliegend ihrer Darlegungs- und Beweislast trotz entsprechenden Einwänden der Gegenseite nicht genügt. Dies mag der Klägerin nicht vorwerfbar sein, da ein Unterbleiben einer fachgerechten Reparatur oder deren Durchführung in deren unternehmerischem Ermessen lag und es, wie in den Schriftsätzen angeklungen ist, nicht auszuschließen ist, dass Unterlagen unverschuldet verloren gegangen sind.
Dies ändert allerdings nichts an den ihr obliegenden Darlegungspflichten. Hierbei war es nicht ausreichend, lediglich auf die Lichtbildmappen zu den unterschiedlichen Schadensereignissen zu verweisen. Aus diesen beiden Lichtbildreihen lässt sich zwar unter Umständen, ggf. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen, feststellen, ob es sich um einen überlagernden Schaden oder um unterschiedliche Schadensbereiche handelt. Es entbindet jedoch die Klägerin nicht vom konkreten Vortrag zu den Reparaturmaßnahmen im Einzelnen (siehe oben). Einen solchen Vortrag konnte die Klägerin vorliegend nicht vorbringen. Auch die Einvernahme des Zeugen … hat insoweit keine weiteren Erkenntnisse erbracht. Wie der Zeuge erklärt hat, ist es möglich, dass das Unfallfahrzeug im Jahr 2015 von der Fa. … in … repariert wurde, ebenso sei aber denkbar, dass bis auf eine Reparatur des Außenspiegels nichts gemacht worden sei. Insoweit hätten keine weiteren Unterlagen aufgefunden werden können. Zum Schadensbild im Einzelnen konnte der Zeuge ebensowenig Angaben machen.
c)
Zusammenfassend ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, ob und wie sich der Schaden, der der Klage zugrunde liegt, von dem im Jahr 2015 entstandenen Unfallschaden unterscheiden lässt und ob letzterer fachgerecht behoben wurde. Die Ermittlung kann das Gericht, da es sich um eine der Klägerin obliegende Frage handelt, nicht von Amts wegen durch Beauftragung eines Sachverständigen vornehmen. Auf dieser Sachlage ist die Klage abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
III.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.