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Verkehrsunfall: Alleinschuld bei Kreuzungsräumung in Essen

Ein Unfall im belebten Kreuzungsbereich brachte eine heikle Frage vor Gericht. Dort stieß ein Fahrer, der bei Grün anfuhr, mit einer sogenannten Kreuzungsräumerin zusammen, die eigentlich Vorrang gehabt hätte. Wer trug Verantwortung, als der Verkehrsfluss ins Stocken geriet? Das Amtsgericht Essen urteilte nun mit überraschender Klarheit über die Schuld.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 135 C 24/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: AG Essen
  • Datum: 30.03.2022
  • Aktenzeichen: 135 C 24/21

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eigentümer und Fahrer eines Pkws, der Schadensersatz forderte.
  • Beklagte: Fahrerin eines Pkws und deren Haftpflichtversicherung.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Es ging um einen Verkehrsunfall an einer Kreuzung in Essen. Der Kläger fuhr bei Grünlicht in die Kreuzung ein, während die Beklagte, die zuvor bei Grün eingefahren war, verkehrsbedingt in der Kreuzung stand und dann mit dem Klägerfahrzeug kollidierte. Der Kläger forderte restlichen Schadensersatz für entstandene Schäden.
  • Kern des Rechtsstreits: Zentral war die Frage, wer für den Verkehrsunfall verantwortlich ist: der Fahrer, der bei Grün in die Kreuzung fuhr, oder die Fahrerin, die zuvor bei Grün eingefahren war, verkehrsbedingt in der Kreuzung stand und weiterfahren wollte („Kreuzungsräumerin“). Dabei ging es um die Abgrenzung der jeweiligen Sorgfaltspflichten und eine mögliche Mithaftung.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung des vom Kläger noch geforderten Schadensersatzes (€ 1.351,04) plus Zinsen. Die Klage wurde nur hinsichtlich eines Teils der geforderten Zinsen abgewiesen. Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
  • Begründung: Das Gericht sah die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs als allein schuldhaft für den Unfall an. Sie habe als sogenannte „Kreuzungsräumerin“ ihre gesteigerte Sorgfaltspflicht verletzt, indem sie beim Weiterfahren nicht ausreichend auf den Querverkehr achtete und gegen das stehende Fahrzeug des Klägers fuhr. Dem Kläger wurde nach Beweisaufnahme (Anhörung, Zeugin, Sachverständigengutachten) kein relevanter Fahrfehler nachgewiesen; er habe den Vorrang der Kreuzungsräumerin beachtet und rechtzeitig angehalten.
  • Folgen: Die Beklagten müssen dem Kläger den vollen verbleibenden Schaden ersetzen und die Kosten des Rechtsstreits tragen. Dies bedeutet, dass der Kläger die Reparaturkosten, Sachverständigengebühren etc. weitgehend erstattet bekommt.

Der Fall vor Gericht


AG Essen: Volle Haftung für Kreuzungsräumerin nach Kollision mit bei Grün anfahrendem Pkw – Urteil 135 C 24/21

Das Amtsgericht Essen hatte über einen komplexen Verkehrsunfall zu entscheiden, der sich im belebten Kreuzungsbereich ereignete.

Kreisverkehr-Unfall bei Tageslicht: Dunkler Pkw und silberner Pkw kurz vor Kollision, Verkehrsengpass in deutscher Stadt.
Verantwortung bei Kreuzungsunfall: Sorgfaltspflicht, Vorfahrt und Fahrweise bei Grün in der Kreuzung. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Im Mittelpunkt stand die Kollision zwischen einem Autofahrer, der bei Grünlicht in die Kreuzung einfuhr, und einer Autofahrerin, die als sogenannte „Kreuzungsräumerin“ verkehrsbedingt in der Kreuzung warten musste. Das Gericht musste klären, wer die Verantwortung für den Zusammenstoß trägt und ob möglicherweise eine Mithaftung der Beteiligten besteht. Konkret ging es um die Frage, ob der bei Grün anfahrende Fahrer dem Vorrang der Kreuzungsräumerin ausreichend Rechnung getragen hat oder ob diese beim Versuch, die Kreuzung zu verlassen, ihre besonderen Sorgfaltspflichten verletzt hat.

Ausgangssituation: Kollision auf belebter Kreuzung in Essen

Der Unfall geschah an einem Nachmittag an der Kreuzung … Straße / … Straße in Essen. Ein Autofahrer befuhr die … Straße auf der linken Spur und hielt zunächst ordnungsgemäß an der roten Ampel. Als diese auf Grün umsprang, fuhr er los. Gleichzeitig befand sich eine Autofahrerin, die zuvor bei Grün von der … Straße kommend nach links in die … Straße abbiegen wollte, noch im Kreuzungsbereich. Sie hatte die Kreuzung aufgrund des Verkehrs nicht rechtzeitig verlassen können und war somit eine „Kreuzungsräumerin“. Im Kreuzungsbereich kam es dann zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. Der Fahrer des bei Grün gestarteten Pkw war gleichzeitig dessen Eigentümer. Die Fahrerin des anderen Pkw war mit diesem bei einer Versicherung haftpflichtversichert.

Streit der Unfallbeteiligten: Wer trug die Schuld am Zusammenstoß?

Die Darstellungen des Unfallhergangs durch die Beteiligten gingen weit auseinander. Der Autofahrer, der bei Grün angefahren war, gab an, er habe das Fahrzeug der Kreuzungsräumerin bemerkt und sofort gebremst. Sein Fahrzeug sei etwa drei bis vier Meter hinter der Haltelinie zum vollständigen Stillstand gekommen und habe dort bereits drei bis vier Sekunden gestanden, als die Kollision passierte. Er warf der Autofahrerin vor, nicht korrekt in die rechte Spur der Zielstraße abgebogen zu sein, sondern auf seiner Fahrspur direkt gegen sein stehendes Auto gefahren zu sein. Dabei habe sie offenbar nur nach rechts geschaut und den Verkehr auf seiner Spur nicht beachtet.

Die Autofahrerin und ihre Versicherung widersprachen dieser Darstellung vehement. Sie behaupteten, der andere Fahrer sei ohne Rücksicht in die Kreuzung eingefahren und habe der Fahrerin nicht die Möglichkeit gegeben, die Kreuzung zu räumen. Er sei noch in Vorwärtsbewegung gewesen, als es zur Kollision kam. Der Vorrang des Kreuzungsräumers sei von ihm missachtet worden.

Der geschädigte Autofahrer forderte Ersatz für die entstandenen Schäden: Reparaturkosten in Höhe von 1.348,05 Euro (netto), Kosten für ein Sachverständigengutachten von 457,00 Euro, Demontagekosten von 100,00 Euro sowie eine Unkostenpauschale von 25,00 Euro. Insgesamt belief sich seine Forderung auf 1.930,05 Euro. Über seinen Anwalt forderte er die Versicherung der Unfallgegnerin zur Zahlung bis zum 11. Januar 2021 auf. Die Versicherung zahlte jedoch nur einen Teilbetrag von 579,01 Euro, da sie von einer Mithaftung des bei Grün anfahrenden Fahrers von 70 % ausging und somit nur eine Haftungsquote von 30 % für ihre Versicherungsnehmerin anerkannte. Den verbleibenden Betrag von 1.351,04 Euro machte der Autofahrer daraufhin gerichtlich geltend.

Entscheidung des Amtsgerichts Essen: Voller Schadensersatz für den bei Grün anfahrenden Fahrer

Das Amtsgericht Essen gab dem klagenden Autofahrer weitgehend Recht. Es verurteilte die Autofahrerin und ihre Haftpflichtversicherung als Gesamtschuldner zur Zahlung des restlichen Schadensbetrags von 1.351,04 Euro. Zusätzlich wurden Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02. Februar 2021 zugesprochen. Lediglich bezüglich des Zinsbeginns, den der Kläger etwas früher gefordert hatte, wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits wurden der Autofahrerin und ihrer Versicherung auferlegt. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, allerdings nur gegen eine Sicherheitsleistung.

Begründung des Gerichts: Kreuzungsräumerin verletzte massiv ihre Sorgfaltspflicht

Das Gericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die Abwägung der Verursachungsbeiträge der beiden Unfallbeteiligten gemäß § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG). Da weder höhere Gewalt noch ein für beide Seiten unabwendbares Ereignis vorlag, kam es darauf an, wessen Verhalten in welchem Maße zum Unfall beigetragen hat. Hierbei werden sowohl die Betriebsgefahr, die von jedem Fahrzeug ausgeht, als auch konkrete Fahrfehler und Verkehrsverstöße berücksichtigt. Für die Abwägung dürfen nur Umstände herangezogen werden, die unstreitig sind oder von der jeweils darlegungspflichtigen Partei bewiesen wurden.

Auf Seiten des bei Grün anfahrenden Autofahrers sah das Gericht keinen nachweisbaren Verkehrsverstoß. Zwar hat ein Kreuzungsräumer – also ein Fahrer, der bei Grün in die Kreuzung eingefahren ist, sie aber wegen des Verkehrs nicht mehr während der Grünphase verlassen konnte – grundsätzlich Vorrang vor dem Querverkehr, der bei Grün anfährt. Der Querverkehr muss dem Kreuzungsräumer das Verlassen der Kreuzung ermöglichen. Dies ergibt sich aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht (§ 1 Abs. 2 StVO) und der gefestigten Rechtsprechung. Dass die Fahrerin hier eine solche Kreuzungsräumerin war, stand zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Die entscheidende Frage war jedoch, ob der bei Grün anfahrende Fahrer diesen Vorrang beachtet hat. Nach eingehender Beweisaufnahme kam das Gericht zu der Überzeugung, dass dies der Fall war. Diese Überzeugung basierte auf mehreren Säulen:

  1. Die persönliche Anhörung des Fahrers: Das Gericht hielt seine Schilderung für glaubhaft. Er beschrieb überzeugend, wie er das Fahrzeug der Fahrerin wahrnahm, sofort bremste und sein Auto noch deutlich vor dem Kollisionspunkt, etwa 3-4 Meter hinter seiner Haltelinie, zum Stillstand brachte. Dort habe er bereits einige Sekunden gestanden, bevor die Fahrerin, die nur nach rechts geblickt habe, gegen sein stehendes Fahrzeug fuhr.
  2. Die Aussage einer Zeugin: Diese bestätigte ebenfalls, dass das Fahrzeug des Klägers stand, als die andere Fahrerin dagegenfuhr.
  3. Das schriftliche Sachverständigengutachten: Ein unabhängiger Sachverständiger rekonstruierte das Unfallgeschehen akribisch. Seine technischen Analysen waren für das Gericht ausschlaggebend. Der Gutachter stellte fest, dass die Kollision in einem Winkel von etwa 24 Grad zwischen den Fahrzeuglängsachsen stattfand. Besonders aufschlussreich war die Untersuchung der Schäden am vorderen Kennzeichen des Klägerfahrzeugs: Ein dunkler Farbabrieb war vom rechten Rand nach links zur Fahrerseite hin verrieben. Ein solcher horizontaler Verschmierungsverlauf ist laut Gutachter nur dann technisch plausibel, wenn sich das Fahrzeug der Beklagten zum Kollisionszeitpunkt in Vorwärtsbewegung befand und das klägerische Fahrzeug stand. Wäre das klägerische Fahrzeug ebenfalls gefahren, hätte es keine solche seitliche Verwischung gegeben. Diese Anknüpfungstatsachen sprachen eindeutig für einen Stillstand des Klägerfahrzeugs im Moment des Aufpralls. Zudem zeigten die dokumentierten Endstellungen der Fahrzeuge nach der Kollision auf Luftbildern, dass der Zusammenstoß klar auf der Fahrspur des Klägers stattfand. Die Fahrerin habe versucht, diese Spur „unverhältnismäßig flach“ zu überqueren.

Das Gericht schloss sich den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen an. Damit stand fest, dass der bei Grün anfahrende Fahrer nicht gegen seine Pflichten verstoßen hatte. Er hatte den Vorrang der Kreuzungsräumerin beachtet, indem er sein Fahrzeug rechtzeitig zum Stehen brachte. Ob er möglicherweise zu früh in die Kreuzung hätte einfahren wollen, falls die Fahrerin schon früher losgefahren wäre, konnte nicht geklärt werden, da die genaue Position der Fahrerin beim Grünwerden der Ampel unklar blieb.

Alleiniges Verschulden der Kreuzungsräumerin durch Missachtung der Sorgfaltspflicht

Auf der anderen Seite stellte das Gericht bei der Kreuzungsräumerin neben der normalen Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs einen gravierenden Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß § 1 Abs. 2 StVO fest. Zwar hat ein Kreuzungsräumer Vorrang, doch dieser entbindet ihn nicht von eigenen Pflichten. Insbesondere wenn ein Kreuzungsräumer längere Zeit in der Kreuzung warten musste, darf er nicht einfach blindlings an- oder weiterfahren. Er muss sich vielmehr mit erhöhter Sorgfalt vergewissern, dass er beim Räumen der Kreuzung niemanden gefährdet oder behindert. Je länger die Wartezeit, desto höher die Anforderungen an die eigene Aufmerksamkeit.

Genau diese gesteigerte Sorgfaltspflicht habe die Fahrerin nach Überzeugung des Gerichts verletzt. Sie gab selbst an, nach Auflösung des Staus, der sie am Weiterfahren gehindert hatte, lediglich nach rechts geschaut zu haben, bevor sie losfuhr. Den Verkehr von links – also die Spur des bei Grün anfahrenden Fahrers – beachtete sie offenbar nicht. In der Folge fuhr sie los und kollidierte mit dem stehenden Fahrzeug des Klägers, wobei sie dessen Fahrspur zu flach und damit fehlerhaft befuhr. Das Anfahren ohne Blick nach links wertete das Gericht als groben Fehler, der der unübersichtlichen Situation in keiner Weise gerecht wurde und einen klaren Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO darstellte.

Haftungsabwägung: Betriebsgefahr tritt hinter schwerem Verschulden zurück

Bei der abschließenden Haftungsabwägung kam das Gericht zu einem klaren Ergebnis: Das schuldhafte Verhalten der Kreuzungsräumerin wog so schwer, dass die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs des bei Grün anfahrenden Fahrers dahinter vollständig zurücktrat. Die Fahrerin und ihre Versicherung haften daher allein und zu 100 % für die Unfallfolgen.

Folgerichtig sprach das Gericht dem Kläger den vollen Schadensersatz zu. Da die Höhe der einzelnen Schadensposten (Reparatur, Gutachten etc.) unstrittig war, ergab sich nach Abzug der bereits erfolgten Teilzahlung der Versicherung genau der eingeklagte Restbetrag von 1.351,04 Euro.

Auch die Zinsforderung war grundsätzlich berechtigt, da sich die Versicherung mit der Zahlung in Verzug befand (§§ 280, 286 BGB). Allerdings hielt das Gericht die im anwaltlichen Schreiben gesetzte Zahlungsfrist bis zum 11. Januar 2021 für unangemessen kurz. Üblich und angemessen sei eine Prüfungs- und Regulierungsfrist von etwa vier Wochen. Daher trat der Verzug erst am 02. Februar 2021 ein, weshalb Zinsen erst ab diesem Datum zugesprochen wurden. Die geringfügige Abweisung bezüglich des Zinsbeginns hatte jedoch keine Auswirkung auf die Verteilung der Prozesskosten, die vollständig von der unterlegenen Seite (Fahrerin und Versicherung) zu tragen sind.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass ein Kreuzungsräumer zwar grundsätzlich Vorrang genießt, aber beim Verlassen der Kreuzung dennoch erhöhte Sorgfaltspflichten hat und nicht einfach blindlings losfahren darf. Die Autofahrerin, die nach längerem Warten nur nach rechts schaute und dann losfuhr, handelte grob fahrlässig, weshalb sie zu 100% haften musste, obwohl der andere Fahrer bereits bei Grün anfuhr. Die Quintessenz ist, dass der Vorrang als Kreuzungsräumer keine Entbindung von eigenen Sorgfaltspflichten bedeutet – je länger die Wartezeit, desto höher die Anforderungen an die eigene Aufmerksamkeit beim Räumen der Kreuzung.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Kreuzungsräumung“ im Straßenverkehrsrecht und welche Pflichten sind damit verbunden?

Im Straßenverkehr bedeutet „Kreuzungsräumung“ die Verpflichtung für Verkehrsteilnehmer, eine Kreuzung oder einen Bahnübergang vollständig zu verlassen, sobald die Fahrt möglich ist und dies ohne Behinderung oder Gefährdung anderer geschehen kann. Dieses Konzept ist besonders wichtig, um den Verkehrsfluss zu gewährleisten und Staus oder Unfälle innerhalb der Kreuzung zu verhindern.

Warum ist die Kreuzungsräumung wichtig?

Stellen Sie sich eine Kreuzung vor. Verschiedene Verkehrsrichtungen wechseln sich ab, meist gesteuert durch Ampeln oder Vorfahrtsregeln. Damit die Fahrzeuge aus einer Richtung fahren können, müssen die Fahrzeuge aus der vorherigen Richtung die Kreuzung vollständig verlassen haben.

Das deutsche Verkehrsrecht, insbesondere § 11 der Straßenverkehrsordnung (StVO), regelt unter anderem das Verhalten an Kreuzungen. Eine zentrale Regel besagt: Sie dürfen nicht in eine Kreuzung oder einen Bahnübergang einfahren, wenn erkennbar ist, dass Sie dort anhalten müssten. Der Grund dafür ist, dass Sie sonst den Querverkehr blockieren würden, auch wenn Ihre eigene Ampel grün zeigt oder Sie Vorfahrt haben.

Ihre Pflichten als „Kreuzungsräumer“

Wenn Sie aus irgendeinem Grund (z.B. unerwarteter Stau, plötzliche Panne) trotz der Regel doch in der Kreuzung zum Stehen kommen, bevor Sie sie vollständig überquert haben, gelten Sie als „Kreuzungsräumer“ in dem Sinne, dass Sie jetzt eine besondere Pflicht haben:

  1. Priorität des Querverkehrs: Auch wenn Ihre Ampel auf Rot schaltet oder Ihre Vorfahrt endet, müssen Sie dem Fahrzeugverkehr, der nun die Kreuzung rechtmäßig befahren darf (z.B. weil seine Ampel grün geworden ist), unbedingt Vorrang gewähren und ihm ermöglichen, die Kreuzung zu befahren.
  2. Schnelles Verlassen: Sobald es möglich ist, müssen Sie die Kreuzung schnellstmöglich verlassen, um sie für den anderen Verkehr freizumachen.

Das bedeutet praktisch: Selbst wenn Sie rechtmäßig in die Kreuzung eingefahren sind, verlieren Sie gewissermaßen Ihren „Vorfahrts-Bonus“, sobald Sie dort stehen bleiben und den Querverkehr behindern. Ihre wichtigste Pflicht ist dann, die Kreuzung so zu räumen, dass der Verkehr weiterfließen kann und keine gefährlichen Situationen entstehen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann nicht nur zu Bußgeldern führen, sondern vor allem auch schwerwiegende Unfälle verursachen.

Die Regel soll sicherstellen, dass Kreuzungen als „Fläche“ immer frei bleiben oder schnell freigemacht werden, damit der Wechsel zwischen den Verkehrsrichtungen reibungslos funktionieren kann.


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Welche Rolle spielt die Ampelschaltung (Grünlicht) bei der Beurteilung der Schuldfrage im Falle eines Unfalls mit einem Kreuzungsräumer?

Ein grünes Licht an einer Ampel bedeutet für einen Fahrer zunächst die Erlaubnis, in den Kreuzungsbereich einzufahren oder ihn zu überqueren. Es ist das Zeichen dafür, dass der Querverkehr Rot hat und der Weg frei sein sollte.

Allerdings bedeutet Grünlicht nicht automatisch absolute „freie Fahrt“ ohne jede Einschränkung. Auch wer Grün hat, muss weiterhin seine Sorgfaltspflichten beachten. Stellen Sie sich vor, jemand befindet sich noch im Kreuzungsbereich, obwohl seine Ampel schon länger Rot zeigt (ein sogenannter „Kreuzungsräumer“). Dies kann passieren, wenn sich zum Beispiel ein Stau gebildet hat und ein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig aus der Kreuzung herausfahren konnte.

In einem solchen Fall hat der Fahrer, der Grünlicht bekommt, die Pflicht, sich zu vergewissern, dass die Kreuzung tatsächlich frei ist, bevor er einfährt. Er darf nicht blindlings in die Kreuzung fahren, wenn er erkennen kann, dass sich noch andere Fahrzeuge darin befinden, die den Bereich räumen müssen. Man spricht hier von einer „Rücksichtspflicht“ oder „Vorsichtspflicht“, die auch bei Grünlicht bestehen bleibt.

Warum ist diese Pflicht wichtig?

Die Pflicht, auch bei Grünlicht aufmerksam zu sein und die Kreuzung auf freizumachen, dient der Vermeidung von Unfällen. Das Verkehrssystem basiert auf dem Vertrauen der Verkehrsteilnehmer untereinander, aber dieses Vertrauen ist nicht grenzenlos. Jeder muss auch mit Fehlern oder besonderen Situationen anderer rechnen, insbesondere an einem komplexen Punkt wie einer Kreuzung.

Einfluss auf die Schuldfrage

Wenn es zu einem Unfall mit einem solchen „Kreuzungsräumer“ kommt, spielt das Grünlicht zwar eine sehr wichtige Rolle – die Hauptschuld wird oft bei demjenigen liegen, der bei Rot in die Kreuzung eingefahren ist oder sie nicht rechtzeitig geräumt hat.

Aber: Wenn der Fahrer mit Grünlicht den „Kreuzungsräumer“ hätte sehen und den Unfall hätte vermeiden können, indem er zum Beispiel langsamer fährt oder kurz wartet, und er dies nicht getan hat, kann ihm eine Mitschuld angelastet werden. Die Schuldfrage hängt also von den genauen Umständen des Einzelfalls ab: War der „Kreuzungsräumer“ gut sichtbar? Wie lange war er schon in der Kreuzung? Wie schnell ist der Fahrer mit Grünlicht in die Kreuzung gefahren?

Zusammenfassend lässt sich sagen: Grünlicht gibt die Erlaubnis zur Fahrt, entbindet aber nicht von der Pflicht zur Vorsicht und zur Vermeidung von Unfällen, falls die Kreuzung – wider Erwarten – noch nicht vollständig frei ist.


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Inwieweit kann ein Autofahrer, der bei Grünlicht in eine Kreuzung einfährt, trotzdem eine Mitschuld an einem Unfall mit einem Kreuzungsräumer tragen?

Auch wenn Sie bei Grünlicht in eine Kreuzung einfahren, was Ihnen grundsätzlich Vorfahrt gewährt, bedeutet dies nicht, dass Sie unter allen Umständen frei von jeder Verantwortung sind, wenn es zu einem Unfall kommt. Grünlicht bedeutet Vorfahrt, entbindet Sie aber nicht von der allgemeinen Sorgfaltspflicht, die jeder Verkehrsteilnehmer hat.

Grundsätzlich dürfen Sie sich darauf verlassen, dass andere Verkehrsteilnehmer rote Ampeln beachten und anhalten. Dieses Vertrauen ist ein wichtiger Grundsatz im Straßenverkehr.

Dieses Vertrauen hat jedoch Grenzen. Es endet, wenn für Sie als Fahrer bei Grünlicht klare und deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer die rote Ampel missachtet. Stellen Sie sich vor, Sie sehen deutlich, wie ein anderes Fahrzeug trotz Rotlicht auf die Kreuzung zurast. In solchen Fällen dürfen Sie nicht blindlings weiterfahren, sondern müssen versuchen, einen Unfall zu vermeiden, wenn dies möglich ist.

Eine Mitschuld des Grünlichtfahrers kann in Betracht kommen, wenn er trotz Grünlicht seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Das kann beispielsweise der Fall sein bei:

  • Überhöhter Geschwindigkeit: Wenn Sie mit einer Geschwindigkeit in die Kreuzung fahren, die es Ihnen unmöglich macht, auf erkennbare Gefahren (wie einen Rotlichtfahrer) zu reagieren.
  • Mangelnder Aufmerksamkeit: Wenn Sie den Verkehr vor dem Einfahren in die Kreuzung nicht ausreichend beobachten (z.B. nicht nach links und rechts schauen), obwohl die Situation unübersichtlich ist.
  • Einfahren in eine bereits blockierte Kreuzung: Wenn die Kreuzung durch andere Fahrzeuge blockiert ist und Sie trotzdem einfahren, obwohl Sie erkennen, dass Sie dadurch stehen bleiben und möglicherweise einen sogenannten „Kreuzungsräumer“ (jemanden, der bei Rot noch auf der Kreuzung ist) behindern oder mit ihm kollidieren.

Wenn Ihnen eine solche Verletzung der Sorgfaltspflicht nachgewiesen wird, auch wenn die Hauptschuld beim Rotlichtfahrer liegt, kann Ihnen eine Mitschuld angelastet werden. Das hat direkte Auswirkungen auf den Schadensersatz. Der entstandene Schaden (z.B. Reparaturkosten, Personenschäden) wird dann nicht zu 100% vom Rotlichtfahrer getragen. Stattdessen wird der Schaden zwischen Ihnen und dem Rotlichtfahrer entsprechend dem Grad der Schuld, die jeder am Unfall trägt, aufgeteilt. Dies bestimmt letztlich, wie viel Schadensersatz Ihnen zusteht oder welchen Teil des Schadens des anderen Sie tragen müssen.


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Welche Beweismittel sind entscheidend, um die Schuldfrage bei einem Unfall mit einem Kreuzungsräumer zu klären?

Bei einem Verkehrsunfall, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob jemand eine Kreuzung noch bei Grün befahren hat („Kreuzungsräumer“) oder bei Rot, kommt es maßgeblich darauf an, die Abläufe möglichst genau nachzuvollziehen. Die Klärung der Schuldfrage basiert darauf, welche Verkehrsteilnehmer gegen welche Regeln verstoßen haben. Dabei spielen verschiedene Beweismittel eine zentrale Rolle für das Gericht.

Wichtige Arten von Beweismitteln

Um die Geschehnisse an einer Kreuzung zu rekonstruieren, ziehen Gerichte verschiedene Informationsquellen heran:

  • Zeugenaussagen: Personen, die den Unfall beobachtet haben – seien es Insassen der beteiligten Fahrzeuge, andere Autofahrer, Fußgänger oder Anwohner – können wichtige Hinweise zum Zeitpunkt des Ampelwechsels, den Fahrgeschwindigkeiten und den Fahrwegen geben. Die Glaubwürdigkeit der Zeugen wird dabei genau geprüft.
  • Gutachten von Sachverständigen: Verkehrstechnische Sachverständige können anhand der Spuren am Unfallort, der Beschädigungen an den Fahrzeugen und anderer Daten den Unfallhergang wissenschaftlich analysieren. Sie können zum Beispiel Berechnungen zur Geschwindigkeit oder zur Ampelphase zum Zeitpunkt des Unfalls erstellen.
  • Fotos und Videos vom Unfallort: Bilder, die direkt nach dem Unfall aufgenommen wurden, dokumentieren die Endpositionen der Fahrzeuge, Bremsspuren, Trümmerteile und die allgemeine Situation (Sichtverhältnisse, Ampelstellung unmittelbar nach dem Unfall). Videos, wie zum Beispiel von Dashcams, können den Hergang unmittelbar zeigen.
  • Polizeiliche Unfallaufnahme: Die von der Polizei erstellten Skizzen und Berichte enthalten erste Feststellungen zum Unfallort, zu beteiligten Personen und Fahrzeugen sowie oft auch Angaben von Zeugen. Diese Aufnahme ist eine wichtige Grundlage für das Verfahren.
  • Daten von den Fahrzeugen: Moderne Fahrzeuge speichern teils unfallrelevante Daten, die ausgelesen werden können und Aufschluss über Geschwindigkeit oder Bremsvorgänge geben.
  • Daten von Ampelanlagen: In manchen Fällen können auch die exakten Schaltzeiten der beteiligten Ampelanlage für den Unfallzeitpunkt ermittelt werden.

Wie werden Beweismittel bewertet und gewichtet?

Es gibt keine feste Rangfolge, welches Beweismittel das „wichtigste“ ist. Das Gericht betrachtet die Beweise immer im Gesamtzusammenhang.

  • Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit: Bei Zeugenaussagen kommt es darauf an, wie glaubwürdig die Person ist und wie zuverlässig ihre Erinnerung erscheint. Widersprüchliche Aussagen oder mangelnde Wahrnehmungsfähigkeit (z.B. schlechte Sicht) können die Gewichtung beeinflussen.
  • Objektivität und Nachvollziehbarkeit: Sachverständigengutachten haben oft ein hohes Gewicht, da sie auf wissenschaftlichen Methoden basieren. Wichtig ist, dass das Gutachten für das Gericht nachvollziehbar ist.
  • Unmittelbarkeit und Unverfälschtheit: Fotos und Videos, die den Unfallhergang direkt zeigen (z.B. Dashcam), können sehr aussagekräftig sein, vorausgesetzt ihre Echtheit und der Zeitpunkt der Aufnahme sind gesichert. Die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen wird in Deutschland unter Abwägung der Interessen im Einzelfall entschieden.

Die Rolle der Beweismittel bei der Urteilsfindung

Der Richter oder die Richterin hat die Aufgabe, sich auf Grundlage aller vorgelegten und erhobenen Beweismittel eine eigene Überzeugung vom tatsächlichen Unfallhergang zu bilden. Die Beweismittel dienen dazu, die Behauptungen der Unfallbeteiligten zu überprüfen und den Ablauf des Geschehens so genau wie möglich zu rekonstruieren. Nur wenn das Gericht aufgrund der Beweise davon überzeugt ist, dass ein bestimmter Verkehrsteilnehmer eine Regel verletzt hat (wie z.B. das Überfahren einer roten Ampel oder das Nicht-Gewähren des Rechts zum Räumen der Kreuzung) und dieser Verstoß unfallursächlich war, kann eine Schuld festgestellt werden. Die sorgfältige Sammlung und Darstellung relevanter Beweismittel nach einem Unfall ist daher für die spätere Klärung von großer Bedeutung.


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Welche Auswirkungen hat das Urteil des Amtsgerichts Essen auf ähnliche Verkehrsunfälle mit Kreuzungsräumern in Deutschland?

Gerichtsurteile, insbesondere von Amtsgerichten wie im Fall des Urteils des Amtsgerichts Essen zu einem Unfall mit einem „Kreuzungsräumer“, sind zunächst Entscheidungen für den konkreten Einzelfall. Das bedeutet, das Urteil regelt die rechtliche Situation nur für die beteiligten Parteien in diesem einen Fall.

Allerdings können solche Urteile für ähnliche Fälle eine gewisse Orientierung bieten. Richter schauen oft auf frühere Entscheidungen in vergleichbaren Situationen, um sich bei ihrer eigenen Urteilsfindung daran zu orientieren. Man spricht dann von einer gewissen Signalwirkung oder davon, dass das Urteil als Anhaltspunkt dienen kann.

Bedeutung einzelner Urteile als Anhaltspunkt

Stellen Sie sich vor, ein Richter muss über einen Fall entscheiden, der einer früheren Entscheidung sehr ähnlich ist. Er wird sich fragen, wie der Kollege den vergleichbaren Fall beurteilt hat. Wenn die Argumentation des früheren Urteils, zum Beispiel des Amtsgerichts Essen, überzeugend ist, kann dies die eigene Entscheidung beeinflussen. Es ist aber keine bindende Vorschrift wie ein Gesetz.

Warum jeder Unfall anders beurteilt wird

Trotz dieser Orientierungsmöglichkeit ist es entscheidend zu wissen: Jeder Verkehrsunfall ist anders. Die Beurteilung hängt immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Kleine Unterschiede können bereits zu einem anderen Ergebnis führen.

Typische Faktoren, die bei der Beurteilung eine Rolle spielen, sind zum Beispiel:

  • Die genaue Verkehrssituation
  • Die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge
  • Die Sichtverhältnisse
  • Das Verhalten der beteiligten Fahrer unmittelbar vor dem Unfall (z.B. Bremsen, Ausweichen)
  • Technische Defekte
  • Straßenverhältnisse (z.B. Nässe, Eis)

Diese Vielzahl an Details führt dazu, dass auch ein ähnlicher Fall vor Gericht anders beurteilt werden kann als das Urteil des Amtsgerichts Essen.

Was bedeutet das Urteil für Autofahrer?

Für Sie als Autofahrer bedeutet das Urteil vor allem eine Bekräftigung wichtiger Grundregeln im Straßenverkehr:

  • Vorsicht an Kreuzungen: Auch bei grüner Ampel sollten Sie immer mit äußerster Vorsicht in eine Kreuzung einfahren.
  • Freihalten der Kreuzung: Sie dürfen nicht in eine Kreuzung einfahren, wenn absehbar ist, dass Sie dort warten müssen und den Querverkehr blockieren würden (auch nicht bei Grün). Dies ist die typische Situation des „Kreuzungsräumers“.
  • Vertrauensgrundsatz mit Einschränkungen: Zwar dürfen Sie grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer richtig verhalten (z.B. bei Rot anhalten). Dieses Vertrauen entfällt aber, wenn Sie erkennen können, dass sich jemand falsch verhält oder die Situation unübersichtlich ist.

Das Urteil des Amtsgerichts Essen unterstreicht also die Wichtigkeit, sich an Kreuzungen besonnen und rücksichtsvoll zu verhalten, um solche gefährlichen Situationen und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen zu vermeiden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Kreuzungsräumer/Kreuzungsräumung

Ein „Kreuzungsräumer“ ist ein Fahrzeugführer, der bereits bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren ist, diese aber nicht rechtzeitig vollständig verlassen konnte, etwa wegen Stau oder stockendem Verkehr. In diesem Zustand hat er eine besondere Verpflichtung, die Kreuzung schnellstmöglich zu räumen und dem Querverkehr Vorrang einzuräumen, um Verkehrsbehinderungen oder Unfälle zu vermeiden. Diese Pflicht ergibt sich aus der § 11 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht nach § 1 Abs. 2 StVO.

Beispiel: Wenn im stockenden Verkehr ein Auto die Kreuzung bei grünem Licht nicht vollständig verlassen kann und deshalb im Querverkehr steht, muss es diesen passieren lassen und die Kreuzung so schnell wie möglich räumen.


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Sorgfaltspflicht gemäß § 1 Abs. 2 StVO

Die Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr verpflichtet jeden Verkehrsteilnehmer, sich so zu verhalten, dass kein anderer behindert oder gefährdet wird. Nach § 1 Abs. 2 StVO muss man besonders vorsichtig und vorausschauend fahren und Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer nehmen. Im Fall der Kreuzungsräumerin bedeutet dies eine gesteigerte Aufmerksamkeit, insbesondere beim Verlassen der Kreuzung, um sicherzustellen, dass sie keinen beim Grünlicht fahrenden Verkehrsteilnehmer gefährdet.

Beispiel: Wenn jemand in einer Kreuzung wartet und losfährt, muss er nicht nur nach rechts sondern auch nach links schauen, um sicherzugehen, dass kein Fahrzeug mit Vorfahrt gefährdet wird.


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Mithaftung und Haftungsquote

Mithaftung bedeutet, dass mehrere Unfallbeteiligte eine Verantwortung für den Schaden tragen. Die Haftungsquote gibt den prozentualen Anteil an, den jeder Beteiligte am Schaden trägt. Im vorliegenden Fall hat die Versicherung der Kreuzungsräumerin eine Mithaftung des Grünlichtfahrers von 70 % angenommen und damit deren Anteil auf 30 % festgelegt. Dies wirkt sich direkt darauf aus, wie viel Schadensersatz jede Partei zahlen muss.

Beispiel: Wenn bei einem Unfall zwei Fahrer je hälftig schuld sind, zahlt jeder nur 50 % der Reparaturkosten. Ist die Haftungsquote unterschiedlich, z.B. 70 % zu 30 %, trägt der mit 70 % Schuld auch entsprechend mehr Kosten.


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Betriebsgefahr

Betriebsgefahr bezeichnet die Gefahr, die grundsätzlich von der Inbetriebnahme und Benutzung eines Fahrzeugs ausgeht. Jeder Fahrzeugführer haftet – selbst wenn er keinen Fehler macht – grundsätzlich für Schäden, die durch sein Fahrzeug verursacht werden können. Im Zivilrecht wird diese Gefährdung als „Betriebsgefahr“ bezeichnet und wird bei der Haftungsabwägung berücksichtigt (§ 17 StVG). Allerdings kann sie durch ein grobes Fehlverhalten eines Unfallgegners zurücktreten, wie im hier entschiedenen Fall.

Beispiel: Ein fahrerloses Fahrzeug rollt auf die Straße und verursacht einen Unfall – die Betriebsgefahr liegt darin, dass das Fahrzeug grundsätzlich eine Gefahr darstellt, auch ohne direkten Fehler des Fahrers.


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Verzug (§§ 280, 286 BGB)

Verzug bezeichnet den Umstand, dass eine Partei ihre fällige Leistung, zum Beispiel die Zahlung eines Schadensersatzes, nicht rechtzeitig erbringt, obwohl sie dazu verpflichtet ist. Nach §§ 280, 286 BGB hat der Gläubiger dann Anspruch auf Verzugszinsen und Schadensersatz. Im beschriebenen Fall war die Versicherung mit der Zahlung im Verzug, weil sie den Betrag nicht fristgerecht gezahlt hat; das Gericht hat den Zinsanspruch ab dem 02. Februar 2021 anerkannt, da eine zu kurze gesetzte Zahlungsfrist nicht ausreichend war.

Beispiel: Wenn Sie am 1. Januar einem Dienstleister Geld schulden, dieses aber nicht zahlen und trotz Mahnung nicht leisten, geraten Sie in Verzug, was zusätzliche Kosten auslösen kann.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1 Abs. 2 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung): Allgemeine Rücksichtnahmepflicht und besondere Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr verpflichten jeden Verkehrsteilnehmer, Gefährdungen anderer zu vermeiden und auf die Verkehrslage angemessen zu reagieren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kreuzungsräumerin hat ihre gesteigerte Sorgfaltspflicht verletzt, indem sie vor dem Weiterfahren nur nach rechts sah und den von links kommenden, bei Grün anfahrenden Verkehr nicht beachtete, was zum Unfall führte.
  • § 17 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Haftungsverteilung bei Unfällen unter Berücksichtigung von Betriebsgefahr und Verkehrsverstößen; Betriebsgefahr bedeutet die grundsätzlich vorhandene Gefährlichkeit des Fahrzeugbetriebs, die bei der Verschuldensabwägung berücksichtigt wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wertete das schwere Verschulden der Kreuzungsräumerin höher als die Betriebsgefahr des stehenden Fahrzeugs, sodass sie allein haftet und die Betriebsgefahr des anderen Fahrers zurücktritt.
  • Grundsatz des Vorrangs der Kreuzungsräumer: Ein Verkehrsteilnehmer, der bei Grün in eine Kreuzung eingefahren ist, aber diese noch nicht räumen konnte, hat Vorrang vor Querverkehr, der erst bei Grün die Kreuzung befährt; dieser muss die Kreuzung räumende Fahrzeug hindernisfrei passieren lassen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Fahrerin der Kreuzung hatte formal Vorrang, doch trotz dieses Vorrangs darf sie nicht die Sorgfaltspflichten vernachlässigen; das Gericht bestätigte, dass der bei Grün anfahrende Fahrer seinen Pflichten nachkam, indem er hielt.
  • § 280, § 286 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelung zum Schadensersatz wegen Pflichtverletzung und Verzug; Verzug entsteht, wenn der Schuldner trotz Fälligkeit und Mahnung nicht leistet und dadurch Schaden verursacht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung der Kreuzungsräumerin geriet mit der Zahlung in Verzug, sodass der Kläger neben dem Schadensersatz auch Verzugszinsen ab dem entsprechenden Zeitpunkt geltend machen konnte.
  • Haftpflichtversicherung im Straßenverkehr: Haftpflichtversicherungen haften für berechtigte Ansprüche, die durch ihre Versicherungsnehmer verursacht werden; bei Mithaftung kann die Zahlung prozentual gekürzt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung der Kreuzungsräumerin versuchte, eine Mithaftung des bei Grün anfahrenden Fahrers anzuerkennen, was das Gericht jedoch ablehnte und die Versicherung zur vollständigen Zahlung verurteilte.
  • Beweismaßstab und Beweisaufnahme im Zivilprozess: Der Kläger trägt grundsätzlich die Darlegungspflicht für sein Vorbringen; das Gericht bewertet alle vorgelegten Beweise (Zeugen, Gutachten) nach Überzeugung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stützte sich maßgeblich auf die glaubhafte Zeugenaussage, die persönliche Anhörung des Fahrers und insbesondere das technische Sachverständigengutachten, die zusammen den Stillstand des bei Grün anfahrenden Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt bestätigten.

Das vorliegende Urteil


AG Essen – Az.: 135 C 24/21 – Urteil vom 30.03.2022


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