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Verkehrsunfall: Unfall im Vorfahrtsbereich – Anscheinsbeweis gegen den Wartepflichtigen

AG Saalfeld, Az.: 1 C 160/12

Urteil vom 27.06.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Grund eines Verkehrsunfallereignisses vom 04.02.2010 auf Schadenersatz in Anspruch. Der Kläger ist Eigentümer des unfallbeteiligten Fahrzeugs …, der Beklagte zu 1 war Fahrer und Halter des weiteren unfallbeteiligten Fahrzeuges …, dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2 ist.

Verkehrsunfall: Unfall im Vorfahrtsbereich – Anscheinsbeweis gegen den Wartepflichtigen
Symbolfoto: robuart/Bigstock

Am Unfalltag gegen 19:30 Uhr kollidierten die Fahrzeuge der Parteien innerhalb eines Kreisverkehrs im Kreuzungsbereich Fingerstein/Hanno/Walter-Schönheit-Straße in Saalfeld. Wegen der Einzelheiten der Unfallörtlichkeit wird auf die Darstellung im Sachverständigengutachten Bezug genommen. Der aus der Fingersteinstraße kommende Kläger beabsichtigte, nach Durchfahren eines Viertelsegments des Kreisverkehrs nach rechts in die Hannostraße abzubiegen. Der Beklagte seinerseits kam aus der aus Sicht des Klägers links einmündenden Walter-Schönheit-Straße und beabsichtigte, geradeaus weiter in die Hannostraße weiter einzufahren.

Durch den Unfall erlitt der Kläger erhebliche Sachschäden, die er insgesamt mit 5.771,12 € angibt. Nach Inanspruchnahme seiner Fahrzeugvollversicherung verbleibt ihm nach seiner Berechnung noch ein Schaden in Höhe von 1.300,27 €, wegen dessen Einzelheiten und Zusammensetzung auf die Darstellung in der Klageschrift Bezug genommen wird.

Der Kläger behauptet, dass er bereits vollständig in den Kreisverkehr eingefahren gewesen sei und soeben wieder aus diesem herauszufahren beabsichtigt habe, als der Beklagte aus Sicht des Klägers von hinten mit weit überhöhter Geschwindigkeit kommend aus der Walter-Schönheit-Straße in den Kreisverkehr eingefahren sei. Er habe sodann die weiß abgegrenzte Mittelinsel des Kreisverkehrs in Geradeausrichtung überfahren und sei gegen die linke Flanke des klägerischen Pkw gefahren. Hieraus leitet er eine Alleinhaftung der Beklagten für die Folgen des Unfalls ab und beantragt:

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.300,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über den Basiszinssatz seit dem 01.04.2010 zu bezahlen sowie

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 546,69 € vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über den Basiszinssatz seit 25.05.2012 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, Klageabweisung.

Sie behaupten, dass der Kläger bei seiner Einfahrt in den Kreisverkehr gegen das bereits im Kreisverkehr befindliche Fahrzeug des Beklagten gestoßen sei. Der Beklagte habe sich bereits im Kreisverkehr befunden, als sich der Kläger der Haltelinie erst genähert habe, so dass im Ergebnis der Kläger dem Beklagten die Vorfahrt genommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger stehen auf Grund des Verkehrsunfallereignisses vom 04.2.2010 keine Schadenersatzansprüche gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 115 VVG gegen die Beklagten zu. Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht ein Sachverhalt fest, der eine Alleinhaftung des Klägers ergibt.

Kommt es im Vorfahrtsbereich zu einem Verkehrsunfall, so spricht der Beweis des Anscheins für eine schuldhafte Vorfahrtverletzung gegen den Wartepflichtigen, wobei die Betriebsgefahr des Berechtigten in aller Regel auch dann zurück tritt, wenn der Entlastungsbeweis gemäß § 17 Abs. 3 StVG nicht gelingt (Vgl. nur Hentschel/König § 8 StVO Rz 68 f m. umfangr. N.). Vorfahrtberechtigt war vorliegend gemäß § 9 a Abs. 1 Satz 1 StVO der Beklagte, da er sich bereits im Bereich des Kreisverkehrs befunden hat, als der Kläger erst eingefahren ist. Der Kläger seinerseits hat keinen Sachverhalt bewiesen, der den zu seinen Lasten streitenden Anscheinsbeweis widerlegt.

Dies ergibt sich aus einer zusammenfassenden Würdigung der Zeugenaussagen, insbesondere der Aussagen der Zeugen … und … . Die als Beifahrerin im Fahrzeug des Beklagten sitzende Zeugin … hat bekundet, dass sich der Zusammenstoß „beim Rausfahren“ in die Hannostraße, also zwingend nach Zurücklegen einer gewissen Strecke innerhalb des Kreisverkehrs ereignet hat. Dies wird von der Unbeteiligten und am Ergebnis des Rechtsstreits nicht interessierten Zeugin … bestätigt, die aus der Hannostraße heraus Sicht auf die Geschehnisse im Kreisverkehr hatte und dort wahrgenommen hat, wie der Kläger „dann“ in den Kreisverkehr abgebogen ist, als der Beklagte und die Zeugin … „grade schon wieder am Ausfahren waren“. Der sich aus den Angaben der beiden Zeugen ergebende Kollisionspunkt (den die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung im Wesentlichen übereinstimmend als kurz vor Ausfahrt Hannostraße bezeichnet haben) wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.

Keiner der beiden Zeugen hat indessen die dann entscheidende Behauptung des Klägers bestätigen können, dass der Beklagte geradeaus über die Mittellinie hinweg gefahren sei, um so mit dem grade abbiegenden Kläger zu kollidieren. Im Gegenteil hat die Zeugin … bekundet, den Kreis ausgefahren zu sein und nicht den Weg über die Mittelinsel genommen zu haben. Der Beklagte habe korrekt die Fahrbahn eingehalten und sei ganz normal gefahren, der Kläger seinerseits sei von hinten kommend in das Fahrzeug eingefahren. Auch diese Aussage wird von der Zeugin … bestätigt, wenn sie das Geschehen im Kreisverkehr so beschreibt, dass „der Beklagte ganz normal gefahren ist und auch die Kreisbahn eingehalten hat“. Sie hat explizit ausgesagt, dass sich der Beklagte bereits im Kreisverkehr befunden habe, als der Kläger hinein gefahren ist.

Weder die Aussage der Zeugin … noch die Aussage der Zeugin … begegnen Glaubwürdigkeits- bzw. Wahrnehmungsbedenken, mag die Aussage … auch durch beifahrertypische unbewusste Verzerrungen des Geschehens zu Gunsten der wenigstens mental „unterstützten“ Partei getrübt sein. Im Zusammenspiel mit der Aussage …, die das Gesamtgeschehen eindrucksvoll differenziert und detailreich (Erschrecken) geschildert hat, ergibt sich ein stimmiges und nachvollziehbares Gesamtbild. Lediglich abgerundet wird dies durch das Verhalten des Klägers selbst, der gegenüber der unfallaufnehmenden Polizeibeamtin, der Zeugin …, noch am Unfallort sein Verschulden eingeräumt und ein Verwarnungsgeld akzeptiert hat. Auch wenn dies ebenso wie seine Unterschrift auf dem Anhörungsbogen durch seine unfallbedingte Verwirrung verursacht worden sein sollte, hätte er gelegentlich der durch die Zeugin … erfolgten Anhörung der Parteien zum Unfallhergang dieser jedenfalls Tatsachen mitteilen müssen, die die Zeugin … zu der der Verwarnung zu Grunde liegenden Bewertung des Unfallgeschehens gebracht haben. Es kann mithin nicht sein, dass der durch das Unfallereignis verwirrte Kläger eine von der Polizei frei erfundene Version ohne Tatsachengrundlage schlicht unterschrieben hat.

Dieses Ergebnis wird auch durch das eingeholte Sachverständigengutachten nicht in Frage gestellt, erst recht ergibt sich aus diesem nicht – wie der Kläger meint – der Beweis der Richtigkeit seiner Version des Unfallgeschehens. Der Sachverständige ist unter Darstellung verschiedener möglicher Unfallabläufe unter Annahme der Basiskonstante „relative Kollisionsposition“ zu dem Ergebnis gelangt, dass sich nicht feststellen lässt, welche der Parteien als erstes den Kreisverkehr vor der Kollision befuhr. Für eine dieser möglichen Abläufe hat er unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers zum Kollisionspunkt (Abb. 13) ausgeführt, dass dann der „Beklagten- Pkw mehr oder weniger durch die Mitte des Kreisverkehrs gefahren wäre“. Aus dem Kollisionspunkt allein (der sich zumindest grobräumig so auch aus dem übereinstimmenden Zeugenaussagen ergibt) lässt sich aber nicht zwingend folgern, dass dann der Beklagte auch entgegen § 9a Abs. 2 Satz 1 StVO die Mittellinie überfahren hätte. Dies mag zwar auf den ersten Blick unter Außerachtlassung der übrigen Beweismittel plausibler erscheinen, dies reicht aber nicht aus. Denn wie der Sachverständige selbst ausführt, sind die Parameter (Geschwindigkeiten, Einfahrtzeitpunkte, genauer Kollisionsort) derart unsicher, dass auch andere Geschehensabläufe möglich sind. Vorliegend ist dementsprechend ohne Weiteres denkbar, dass sich der Kläger gewissermaßen noch in den von dem Beklagten in Anspruch genommenen Verkehrsraum „hineingequetscht“ hat. Dem Ausschlag geben letztlich wie dargestellt die im Kerngeschehen aussagekräftigen und glaubhaften Zeugenaussagen, wonach der Beklagte eben gerade nicht verkehrswidrig über die Mittelinsel gefahren ist, sondern vielmehr die Kreisbahn eingehalten hat.

Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 708 Nr. 711 ZPO.

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