AG Achim – Az.: 10 C 585/17 – Urteil vom 19.07.2018
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 766,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2017 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 255,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von dem Beklagten zu 1) seit dem 27.01.2018 und von der Beklagten zu 2) seit dem 29.01.2018 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 34% und die Beklagten zu 66%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall geltend.
Am 02.12.2016 befuhr die Klägerin mit ihrem Pkw KIA Sorento, amtliches Kennzeichen …, die Industriestraße in Richtung … Straße, um auf diese Vorfahrtsstraße Richtung … aufzufahren. Schräg gegenüber von der Industriestraße mündet der … in die bevorrechtigte … Straße ein. Diesen Weg befuhr der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Transporter Renault Trafic, amtliches Kennzeichen …, Richtung … Straße um diese zu überqueren und seine Fahrt in der Industriestraße fortzusetzen. Auf der … Straße stießen die Fahrzeuge zusammen. Der Zusammenstoß erfolgte mit der vorderen linken Seite des klägerischen Fahrzeugs und dem linken Heck des Beklagtenfahrzeugs.
An dem klägerischen Fahrzeug entstand ein wirtschaftlicher Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs betrug zu diesem Zeitpunkt ausweislich der Schaden-Kalkulation der Firma … Kfz-Sachverständigen GmbH vom 06.12.2016 einschließlich Mehrwertsteuer 4.700,00 € und differenzbesteuert 4.589,84 €. Als Restwert ergibt sich aus dieser Kalkulation ein Betrag von 1.388 €. Die Wiederbeschaffungsdauer wird mit 6-8 Kalendertage angegeben. Da das Fahrzeug der Klägerin nicht mehr fahrsicher war, mietete sie am Unfalltag ein Ersatzfahrzeug an. Für 30 Tage Mietdauer wurden der Klägerin von der Firma … 714,00 € in Rechnung gestellt. Für die Abmeldung des verunfallten Fahrzeugs und die Anmeldung des neuen Fahrzeugs hatte die Klägerin 115,70 € zu zahlen. Die Klägerin machte ihren Schaden gegenüber ihrer Vollkaskoversicherung geltend. Diese legte bei ihrer Zahlung den differenzbesteuerten Wiederbeschaffungswert zugrunde und ermittelte unter Heranziehung eines Restwertangebots vom 04.04.2017 einen Restwert von 1.570,00 €. Nach Abzug des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts erhielt die Klägerin von der Versicherung gemäß Abrechnungsschreiben vom 04.04.2017 eine Zahlung in Höhe von 2.719,84 €. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.12.2016 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2) unter Fristsetzung bis zum 29.12.2016 auf die Einsatzpflicht dem Grunde nach anzuerkennen. Dies lehnte die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 09.03.2017 ab. Mit Schreiben vom 09.03.2017 wurde die Beklagte zu 2) zur Zahlung von 4.166,70 € unter Fristsetzung bis zum 17.03.2017 aufgefordert. Mit Schreiben vom 10.03.2017 lehnte die Beklagte zu 2) erneut eine Zahlung ab. Mit der Klage macht die Klägerin ihren verbliebenen Fahrzeugschaden unter Berufung auf das Quotenvorrecht in Höhe von 592,16 € geltend. Von dem restlichen Schaden einschließlich einer Kostenpauschale von 25,00 € begehrt die Klägerin von den Beklagten 2/3. Zudem macht die Klägerin die Erstattung ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € nach einem Wert von 2.777,70 € geltend.
Die Klägerin behauptet, sie habe bereits eine Fahrstrecke von mehr als 20 m auf der … Straße zurückgelegt, als der Beklagte zu 1) vollkommen unvermittelt und ohne zu halten auf die … Straße aufgefahren sei. Da der Beklagte zu 1) die erforderliche Sorgfalt beim Überqueren der … Straße außer Acht gelassen habe, treffe Ihn die überwiegende Verantwortung für den Unfall. Die Klägerin meint der Wiederbeschaffungswert sei mit 4.700,00 € anzusetzen und der Restwert mit 1.388,00 €, da das Restwertangebot erst Monate nach dem Unfall und nach der Anschaffung des Ersatzfahrzeugs erfolgt sei. Die Wiederbeschaffungsdauer im Gutachten sei zu kurz bemessen. Unter Berücksichtigung der Zeit zur Gutachtenerstellung, einer Überlegungszeit von 3 Wochentagen ohne Wochenende und der Weihnachtsfeiertage sei eine Mietzeit für das Ersatzfahrzeug von 30 Tage nicht zu beanstanden. Auf ein Ersatzfahrzeug sei sie berufsbedingt angewiesen. Der Nutzungswille ergebe sich aus der Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.161,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten meint, die Straßenführung im Bereich … Straße und … straße sei als Kreuzungsbereich im Sinne von §§ 8, 9 Absatz 3 StVO zu werten, weshalb die Klägerin den Beklagten zu 1) zunächst habe passieren lassen müssen. Die Klägerin habe für sich das auf der … Straße geltende Vorfahrtsrecht noch nicht in Anspruch nehmen können, da sie noch nicht die dort geltende Grundgeschwindigkeit erreicht habe.
Die Klage wurde dem Beklagten zu 1) am 27.01.2018 und der Beklagten zu 2) am 29.01.2018 zugestellt.
Auf die beigezogenen Akten des Landkreises … zum Aktenzeichen … wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zum Teil begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) gemäß §§ 18, 7 StVG und gegen die Beklagte zu 2) gemäß § 115 VVG in Verbindung mit § 7 StVG einen Anspruch auf Schadensersatz in ausgeurteilter Höhe.
Nach der Anhörung der Parteien und unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien sowie des Inhalts der beigezogenen Akten des Landkreises Verden ist von einem gleich hohen Verschulden beider Fahrzeugführer an dem Unfallgeschehen auszugehen. Mangels Beweisangebotes der Parteien kann nicht abschließend festgestellt werden, wie der Unfall zeitlich abgelaufen ist. Es kann sich auch keine der Parteien auf die Verletzung ihres Vorfahrtsrechts berufen. Die Klägerin befand sich zum Unfallzeitpunkt zwar bereits vollständig auf der … Straße in einer Geradeausfahrt Richtung …. Da sie aber erst kurz zuvor auf die … Straße von der untergeordneten … straße aufgefahren war, kann von einem abgeschlossenen Abbiegevorgang nicht ausgegangen werden. Dies ist erst bei einer stabilen Geradeausfahrt von mehr als ein paar Metern gegeben. Die Klägerin kann also für sich im Verhältnis zum Beklagten nicht ein Vorfahrtsrecht in Anspruch nehmen. Aber auch der Beklagte zu 1) kann sich nicht auf ein Vorfahrtsrecht gemäß §§ 8, 9 Absatz 3 StVO berufen, da der Einmündungsbereich der Straßen, aus denen die Parteien auf die … Straße gefahren sind, nicht als Kreuzung zu werten ist. Zum einen münden die Straße schräg versetzt zueinander auf die … Straße und zum anderen sind die Straßen auch unterschiedlich ausgebaut. Im Gegensatz zum … ist die … straße im Einmündungsbereich großzügig trichterförmig erweitert und die Fahr bahnen sind durch eine Verkehrsinsel voneinander getrennt. Auch bei natürlicher Betrachtungsweise kann der … nicht als Fortsetzung der Industriestraße gewertet werden. Es gilt dementsprechend die allgemeine gegenseitige Rücksichtspflicht, die offenbar beide Fahrzeugführer verletzt haben. Die Klägerin macht dementsprechend auch nur 2/3 ihres Schadens geltend. Zu Recht geht die Klägerin davon aus, dass der Beklagte zu 1) das klägerische Fahrzeug hätte sehen müssen, wenn er mit der erforderlichen Vorsicht auf die … Straße gefahren wäre, denn die Klägerin muss sich aufgrund des längeren Fahrweges, sie musste erst die Gegenfahrbahn überqueren um auf die Fahrbahn ihrer beabsichtigten Fahrtrichtung zu kommen, schon länger auf der … Straße befunden haben. Andererseits war auch zu Lasten der Klägerin zu werten, dass der Anstoß mit dem Beklagtenfahrzeug hinten links erfolgte. Daraus kann nur geschlossen werden, dass der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug die Fahrbahn, auf der sich die Klägerin mit ihrem Fahrzeug befand, bereits fast vollständig überquert hat. Die Klägerin hätte darauf durch Abbremsen reagieren müssen. Da genauere Feststellungen hierzu ohne Einholung eines Gutachtens nicht möglich sind, aber keiner der Parteien zu dieser Fragestellung ein Sachverständigenbeweis angetreten hat, ist von einem hälftigen Verschulden der Parteien auszugehen. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung ihres hälftigen Schadens.
Bei der Berechnung der Höhe des auszugleichenden Fahrzeugschadens ist von dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs der Restwert abzuziehen. Beim Wiederbeschaffungswert ist der in dem Gutachten der Firma … angegebene differenzbesteuerte Wert von 4.589,84 € zugrunde zu legen. Es ist weder bekannt noch ergibt sich aus dem Gutachten, dass das Fahrzeug der Klägerin auf dem Gebrauchtwagenmarkt überwiegend nur regelbesteuert zu erhalten ist. Von dem Wiederbeschaffungswert ist der Restwert entsprechend dem Gutachten in Höhe von 1.388,00 € abzuziehen. Da das vom Kaskoversicherer der Klägerin vorgelegte Restwertangebot Monate nach dem Unfall und der Ersatzbeschaffung vorgelegt wurde, konnte dies von der Klägerin nicht in Anspruch genommen werden. Daher kann dieses der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden. Somit errechnet sich ein Fahrzeugschaden in Höhe von 3.201,84 €. Hiervon haben die Beklagten 50% und damit 1.600,92 € zu tragen. Da die Klägerin von ihrer Kaskoversicherung 2.719,84 € erhalten hat, verbleibt ein ungedeckter Fahrzeugschaden in Höhe von 482,00 €. Da dieser unter dem Betrag liegt, den die Beklagten zu tragen haben, waren die Beklagten zur Zahlung in dieser Höhe zu verurteilen. Zudem hat die Klägerin einen Anspruch auf 50% der Kostenpauschale und 50% der An- und Abmeldekosten. Dies sind 12,50 € und 57,85 €. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten, da es nur bei Geltendmachung einer Nutzungsausfallentschädigung auf den Nutzungswillen ankommt. Allerdings ist auch nach Auffassung des Gerichts eine Mietdauer von 30 Tagen übersetzt. Der Unfall ereignete sich am 02.12.2016. Das Gutachten wurde zeitnah am Dienstag, dem 06.12.2016 erstellt und dürfte der Klägerin spätestens am 08.12.2016 vorgelegen haben. Hinzuzurechnen ist dann eine Überlegungszeit von 3 Tagen. Am Montag den 12.12.2016 beginnt dann der Zeitraum für die Wiederbeschaffung. Nach Gutachten werden hierfür 6-8 Kalendertage angesetzt. Warum diese Frist zu kurz sein sollte, ist von der Klägerin nicht näher begründet worden. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Mietwagen am 20.12.2016 hätte zurückgegeben werden können. Es errechnet sich somit eine berechtigte Mietdauer von 18 Tagen. Satt der 30 Tage sind daher nur 18 Tage zu berücksichtigen. Bei 18 Tagen errechnen sich Mietwagenkosten von 428,40 € (714,00 € : 30 Tage x 18 Tage). 50% hiervon sind von den Beklagten zu tragen. Dies sind 214,20 €. Damit errechnet sich ein Gesamtschadensersatzanspruch der Klägerin von 766,55 €. In dieser Höhe waren die Beklagten zur Zahlung zu verurteilen. Zudem waren die Beklagten zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin nach einem Wert von 1.885,47 € (1.600,92 € + 12,50 € + 57,85 € + 214,20 €) zu verurteilen. Danach errechnen sich Rechtsanwaltskosten von 255,85 € (1,3 x 150,00 € = 195,00 € + Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 € + USt). Die weitergehende Klage war abzuweisen.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288, 291 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.