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Verkehrsunfall – Hinweispflicht auf fehlende Mittel zur Vorfinanzierung eines Ersatzfahrzeugs

LG Görlitz – Az.: 2 S 31/11 – Urteil vom 27.07.2011

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser vom 24.02.2011, Az: 6 C 165/10, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.623,08 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 24.02.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Weißwasser, Az: 6 C 165/10, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Der Kläger ist der Auffassung, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft seine Aktivlegitimation verneint, ihm ein 50%-iges Mitverschulden an dem streitgegenständlichen Unfall zur Last gelegt und die von ihm beanspruchte weitere Nutzungsausfallentschädigung nicht zuerkannt habe.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 31.05.2011 verwiesen.

Zur Berufung beantragt der Kläger, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 4.623,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.827,16 EUR ab 20.11.2009 und aus 4.623,08 EUR ab 01.03.2010 zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Die Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten in der zweiten Instanz ergeben sich aus der Berufungserwiderung vom 28.06.2011, auf die Bezug genommen wird.

II.

Der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Berufung des Klägers bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die gemäß § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist hier nicht der Fall.

Das Amtsgericht ist in der angegriffenen Entscheidung rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger gegen die Beklagten lediglich einen Anspruch auf Ersatz des hälftigen Schadens, der ihm aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls entstanden ist, hat. Es hat deshalb – unter Berücksichtigung der beklagtenseits vorprozessual geleisteten Zahlungen – zu Recht die Klage abgewiesen.

1.

Das Amtsgericht hat zum Hergang des streitgegenständlichen Unfalls Beweis erhoben und sich bei der Beweiswürdigung an die Grundsätze des § 286 ZPO gehalten. Das Berufungsgericht sieht keinen Anlass, vom Ergebnis dieser Beweiswürdigung abzuweichen. Es geht mit dem Amtsgericht davon aus, dass der Kläger seine ihm nach § 9 Abs. 1 StVO beim Linksabbiegen obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten in erheblichem Maße verletzt hat. So trifft ihn zum Einen der Vorwurf, sich nicht deutlich zur Mitte der Fahrbahn hin eingeordnet zu haben und zum Anderen, unmittelbar vor dem Abbiegevorgang die zweite Rückschau nicht sorgfältig genug vorgenommen zu haben. Es ist dem Kläger nicht gelungen, den im Wege des Anscheinsbeweises vermuteten schuldhaften Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht zu widerlegen. Die Widerlegung dieses Anscheinsbeweises setzt voraus, dass der Kläger unmittelbar vor der Einleitung des Abbiegevorganges den Beklagten Ziffer 1. nicht hätte erkennen können, d. h. der Beklagte Ziffer 1. überraschend mit immenser Beschleunigung und quasi in einem „Blindflug“ nach der Einleitung des klägerischen Abbiegemanövers sein Überholmanöver durchgeführt hätte.

Davon kann hier aber – insbesondere in Anbetracht der Fahrgeschwindigkeiten der Unfallbeteiligten und der gerichtsbekannten Verhältnisse an der Örtlichkeit – nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat keinen Zweifel, dass für den Kläger bei vorschriftsmäßigem Verhalten – insbesondere bei sorgfältiger Durchführung der zweiten Rückschau – zu erkennen gewesen wäre, dass der Beklagte Ziffer 1. mit seinem Fahrzeug im Überholvorgang begriffen war.

Nachdem feststeht, dass der Kläger Ziffer 1. zwar rechtzeitig geblinkt hat, sich aber von dem vermuteten schuldhaften Versäumen der doppelten Rückschau nicht exkulpieren kann, dem Beklagten Ziffer 1. hingegen allenfalls ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1,4 a StVO zur Last zu legen ist, ergibt die gem. § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge zu Lasten der Beklagten jedenfalls keine höhere als eine hälftige Haftung.

2.

Dem Kläger steht entgegen den Ausführungen der Berufung auch kein Anspruch auf eine über die vom Amtsgericht hinaus zuerkannte Nutzungsausfallentschädigung zu. Die diesbezügliche Forderung ist im Hinblick auf die Schadensminderungspflicht des Klägers (§ 254 Abs. 2 BGB) unbegründet.

Zwar ist ein Unfallgeschädigter im Rahmen der Differenzhypothese nach § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er ohne den Unfall stehen würde. Infolge dessen kann er finanziellen Ersatz für die entgangenen Gebrauchsvorteile durch das beschädigte Fahrzeug verlangen, und zwar grundsätzlich so lange, wie ihm die Gebrauchsvorteile tatsächlich entgehen, sei es unmittelbar infolge des Unfalls, oder darüber hinaus infolge eines zögerlichen Regulierungsverhaltens der Schädigerseite. Zugleich trifft ihn jedoch die Obliegenheit, durch geeignete Maßnahmen und Hinweise an die einstandspflichtige Schädigerseite dafür Sorge zu tragen, dass der zu ersetzende Schaden möglichst gering gehalten wird. Ein Verstoß gegen diese Obliegenheit kann zur Einschränkung oder zum Verlust des Schadensersatzanspruches führen.

Unstreitig hat der Kläger den Beklagten zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass er zur Vorfinanzierung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges innerhalb der im Schadensgutachten als angemessen angesehenen Wiederbeschaffungszeit aus eigenen Mitteln nicht in der Lage ist. Diese pflichtwidrig unterlassene Warnung des Klägers an die Beklagten ist als ursächlich für den weitergehenden Nutzungsausfallschaden anzusehen (§ 287 ZPO), denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Beklagte Ziffer 3. im wohlverstandenen Eigeninteresse bei hinreichend deutlicher Ankündigung des Klägers, er werde mangels anderer Möglichkeiten kontinuierlich bis zum Erhalt des Schadensersatzbetrages für jeden Tag einen Nutzungsausfallschaden geltend machen, umgehend den Ersatzerwerb ermöglicht und die weitere Schadensentwicklung vermieden hätte.

3.

Ebenfalls keinen Erfolg kann die Berufung haben, soweit das Amtsgericht die Klage hinsichtlich der vorprozessualen Anwaltskosten abgewiesen hat. Unstreitig sind diese Rechtsanwaltskosten durch die Rechtsschutzversicherung des Klägers bereits beglichen worden, so dass es hinsichtlich der Geltendmachung des Klägers in Bezug auf diese Schadensposition an dessen Aktivlegitimation fehlt. Die Forderung ist nach § 86 WG übergegangen.

Mithin war die klägerische Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind ersichtlich nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 47 GKG, 3 ZPO.

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