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Verkehrsunfall – Pflicht zur Vorlage einer Reparaturrechnung bei fiktiver Schadensabrechnung

Verkehrsunfall – Pflicht zur Vorlage einer Reparaturrechnung bei fiktiver Schadensabrechnung

Im vorliegenden Fall geht es um einen Verkehrsunfall in Siegen, bei dem das Fahrzeug des Klägers, ein VW Golf Cabrio aus dem Jahr 1988, beschädigt wurde. Der Kläger ließ den entstandenen Schaden durch einen Sachverständigen begutachten, der die Reparaturkosten auf 9.228,57 EUR (netto 7.755,10 EUR) bezifferte. Zudem wurde der Wiederbeschaffungswert auf 9.100,00 EUR und der Restwert auf 1.500,00 EUR festgestellt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 40 C 134/20 >>>

Der Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung der Nettoreparaturkosten, der Gutachterkosten, eine Pauschale von 25,00 EUR sowie Nutzungsausfall für 14 Tage zu je 50,00 EUR. Die Beklagte ließ die veranschlagten Reparaturkosten durch die Dekra überprüfen, die zu dem gleichen Ergebnis kam. Die Beklagte zahlte daraufhin einen Betrag von insgesamt 6.903,00 EUR an den Kläger.

Der Kläger ließ die Reparaturen an seinem Fahrzeug durchführen und die Dekra bescheinigte, dass das Fahrzeug sach- und fachgerecht instandgesetzt wurde. Der Kläger forderte daraufhin die Differenz zwischen den im Gutachten bezifferten Nettoreparaturkosten und dem von der Beklagten angesetzten Wiederbeschaffungsaufwand, sowie die restlichen Sachverständigenkosten und außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten.

Das Gericht entschied, dass der Kläger berechtigt ist, auf Nettoreparaturkostenbasis abzurechnen. Unabhängig von der Höhe des Wiederbeschaffungswerts, lagen die kalkulierten Reparaturkosten in beiden Fällen über 100% des Wiederbeschaffungswerts, aber unter 130% des Wiederbeschaffungswerts. Daher kann gemäß der Rechtsprechung eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis erfolgen.

Das Gericht stellte fest, dass eine Vorlage der Reparaturkostenrechnung nicht erforderlich ist, wenn der Kläger fiktiv über den Unfallschaden abrechnet. Es genügt, dass das Fahrzeug mehr als 6 Monate nach der Reparatur weiter genutzt wird und verkehrssicher instandgesetzt wurde. In diesem Fall wurde das Fahrzeug laut Reparaturbestätigung der Dekra sach- und fachgerecht repariert.

Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Reparaturkostenbestätigung, da dies zu einer unzulässigen Vermischung von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung führen würde. Allerdings hatte er Anspruch auf Ersatz der restlichen Sachverständigenkosten.

Zusammenfassend hat das Gericht den Beklagten als Gesamtschuldner dazu verurteilt, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 2.414,20 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen. Der Kläger hatte jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Reparaturkostenbestätigung, sondern lediglich auf die restlichen Sachverständigenkosten.

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass bei fiktiver Schadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall keine Vorlage einer Reparaturkostenrechnung erforderlich ist, solange das Fahrzeug verkehrssicher instandgesetzt wurde und für mindestens 6 Monate weiter genutzt wird. Es genügt, wenn die Reparaturkosten über 100% des Wiederbeschaffungswerts, aber unter 130% des Wiederbeschaffungswerts liegen.


Das vorliegende Urteil

AG Düsseldorf – Az.: 40 C 134/20 – Urteil vom 19.11.2020

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.414,20 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2020 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 236,69 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldner auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des VW Golf Cabrio Baujahr 1988 mit dem amtlichen Kennzeichen #-## ##. Dieses wurde am 16.07.2019 durch den Beklagten zu 1.) in Düsseldorf bei einem Verkehrsunfall beschädigt.

Der Kläger ließ den Schaden durch einen Sachverständigen begutachten. Dieser bezifferte die Reparaturkosten inklusive Mehrwertsteuer auf 9.228,57 EUR (netto 7.755,10 EUR), den Wiederbeschaffungswert mit 9.100,00 EUR und den Restwert mit 1.500,00 EUR. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift verwiesen.

Für das Gutachten entstanden Kosten von 1.131,10 EUR.

Der Kläger begehrte von der Beklagten zu 2) die Zahlung der Nettoreparaturkosten, der Gutachterkosten, eine Pauschale von 25,00 EUR sowie Nutzungsausfall für 14 Tage zu je 50,00 EUR.

Die Beklagte zu 2) ließ die veranschlagten Reparaturkosten durch die Dekra überprüfen. Der Gutachter kam hinsichtlich der Höhe der in Ansatz zu bringenden Reparaturkosten zu dem gleichen Ergebnis, bezifferte den Wiederbeschaffungswert jedoch auf 7.500,00 EUR. Die Beklagte zu 2.) rechnete auf Totalschadenbasis ab und zahlte an den Kläger insgesamt 6.903,00 EUR. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

  • Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert  5.500,00 EUR
  • Sachverständigenhonorar    992,00 EUR
  • Nutzungsausfall (14×29,99EUR)    406,00 EUR
  • Kostenpauschale      25,00 EUR

Der Kläger ließ Reparaturen an dem Fahrzeug durchführen. Die Dekra bescheinigte mit Reparaturgutachten vom 07.02.2020: „Das Fahrzeug war zum Besichtigungszeitpunkt soweit ohne weitere Demontagearbeiten erkennbar sach- und fachgerecht instandgesetzt. Es waren keine Restunfallspuren erkennbar.“ Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K6 verwiesen. Für dieses Gutachten entstanden dem Kläger Kosten von 63,07EUR.

Der Kläger machte sodann den weiteren Schaden gegenüber der Beklagten zu 2) geltend. Weitere Zahlungen erfolgten nicht.

Mit der Klage macht der Kläger nunmehr die Differenz zwischen den im Gutachten bezifferten Nettoreparaturkosten und dem von der Beklagten in Ansatz gebrachten Wiederbeschaffungsaufwand geltend, also 2.255,10 EUR, sowie die restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 159,10 EUR und die Kosten für das Reparaturgutachten von 63,07 EUR und außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger behauptet der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs habe 9.100,00 EUR betragen.

Der Kläger ist der Ansicht, er könnte auf Basis der Nettoreparaturkosten abrechnen, da das Fahrzeug tatsächlich repariert worden sei und er es mehr als 6 Monate weiter genutzt habe.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.477,27EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2020 zu zahlen die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 236,69 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Wiederbeschaffungswert sei mit 7.500,00 EUR zu beziffern. Die Beklagten sind der Ansicht, das Fahrzeug müsse vollständig und fachgerecht repariert werden, um auf Reparaturkostenbasis über den Schaden abrechnen zu können; hierfür müsse der Kläger eine Reparaturkostenrechnung vorlegen. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten seien überhöht.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner Anspruch auf Zahlung weiterer 2.414,20 EUR. Die Beklagten haften gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 115 VVG als Gesamtschuldner auf Ersatz von 100% des aus dem Unfall vom entstandenen Schadens.

Die grundsätzliche Haftung der Beklagten für den Schaden ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger ist berechtigt, auf Nettoreparaturkostenbasis abzurechnen.

Unabhängig davon, ob man von einem Wiederbeschaffungswert für das Fahrzeug von 9.100,00 EUR ausgeht – wie von Klägerseite angenommen – oder von einem Wiederbeschaffungswert von 7.500,00 EUR – wie von Beklagtenseite angenommen, liegen die unstreitigen kalkulierten Reparaturkosten von 7.755,10 EUR netto/9.228,57 EUR brutto in beiden Fällen zwar über 100% des Wiederbeschaffungswertes aber unter 130% des Wiederbeschaffungswertes, so dass nach der Rechtsprechung eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis erfolgen kann.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Nachweis der vollständigen Reparatur nach den Vorgaben des Sachverständigengutachtens und insbesondere die Vorlage einer Reparaturkostenrechnung nicht erforderlich.

Nach der Rechtsprechung kann der Unfallgeschädigte auch ohne fachgerechte Reparatur fiktiv auf Reparaturkostenbasis abrechnen, wenn er das Fahrzeug, gegebenenfalls nach Versetzung in einen verkehrssicheren Zustand für mindestens 6 Monate weiter nutzt (vergl. BGH Urt. v. 29.04.2008 NJW 2008, 1941; Münchener Kommentar zum BGB, Oetker, 8. Aufl., § 249 BGB Rn. 374, BGH Urt.v.23.11.2010 VI ZR 35/10). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Es sind mehr als 6 Monate seit dem Unfall vergangen, der Kläger nutzt das Fahrzeug weiter und das Fahrzeug wurde verkehrssicher repariert. Dies ergibt sich aus der Reparaturbestätigung der Dekra vom 07.02.2020. Hier wird bescheinigt, dass das Fahrzeug – soweit ohne Demontagearbeiten erkennbar – sach- und fachgerecht instandgesetzt wurde und auch entsprechende Fotos angefertigt. Aus der ursprünglichen Reparaturkostenkalkulation ist zu erkennen, dass für eine Reparatur auch keine „versteckten“ von außen nicht sichtbaren Ersatzteile benötigt wurden sondern im wesentlichen Abschlussbleche, Stoßfänger und Leuchten sowie kleinere Ersatzteile. Es war kein Ersatz von wesentlichen Teilen wie Lenkung, Achse oder ähnlichem erforderlich, die eventuell nicht von außen zu erkennen sind. Das Gericht geht deshalb aufgrund der Reparaturbestätigung aus, dass das Fahrzeug verkehrssicher repariert wurde, dies genügt.

Eine Vorlage der Reparaturkostenrechnung wäre nur erforderlich, wenn der Kläger über die im Gutachten bezifferten Nettoreparaturkosten hinaus, auch Mehrwertsteuer auf die erfolgten Reparaturkosten geltend machen würde, dies ist aber nicht der Fall. Der Kläger rechnet fiktiv über den Unfallschaden ab, dann muss auch keine Rechnung vorgelegt werden.

Allerdings hat der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Reparaturkostenbestätigung von 63,07 EUR, da dies zu einer unzulässigen Vermischung von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung führen würde (vergl. BGH, Urt. v. 24.07.2017, NJW 2017, 1664).

Weiter hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 159,10 EUR.

Zu den erstattungsfähigen Schadensersatzpositionen gehören auch Gutachterkosten.

Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urt. v. 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13). Hierbei ist der Geschädigte grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Zwar ist der Geschädigte im Rahmen des ihm zumutbaren verpflichtet, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot einen wirtschaftlichen Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Grundsätzlich ist der Geschädigte deshalb nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH a.a.O.).

Das von der Beklagten verwendete Tableau für die Berechnung von Sachverständigenkosten ist von ihr selbst erstellt und nicht relevant. Eine für den Kläger erkennbare Überhöhung der Sachverständigenkosten ist nicht schlüssig, zudem der von dem Kläger geltend gemachte Betrag nur geringfügig von dem von der Beklagten angenommenen Betrag abweicht..

Der Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten und Zinsen ergibt sich aus §§ 280, 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr.1, 709 ZPO.

Streitwert: 2.477,27 EUR

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