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Verkehrsunfall mit Personenschaden – Haftung eines „Herausforderers“

LG Trier, Az.: 4 O 208/13, Urteil vom 14.04.2014

bei erheblicher Entfernung zwischen Erstunfall- und Folgeunfallstelle; Verletzung während der Fahrt eines Feuerwehr-Einsatzfahrzeuges zur Erstunfallstelle

1. Die Klage wird – unter Aufhebung des Teilversäumnisurteils gegen den Beklagten zu 1) vom 19. Juli 2013 – abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung aus übergegangenem Recht (§ 116 SGB X) Ersatz für Aufwendungen, die sie Herrn E… (im Folgenden: Verletzter) geleistet hatte, der am 4. Juni 2011 als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr … auf dem Weg zu einem Einsatz bei einem Verkehrsunfall auf der A… bei … verletzt worden war.

Der Verletzte fuhr mit einem Einsatzfahrzeug unter Einsatz von Blaulicht zur Unfallstelle. Beim Durchqueren eines Verkehrskreisels kam er von der Fahrbahn ab und wurde verletzt. Er verstarb am 21. Juli 2012 unabhängig von dem oben beschriebenen Unfallereignis.

Auf der Autobahn A… war das Fahrzeug des Beklagten zu 1), das bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war und auf der linken Fahrspur fuhr, infolge eines Bremsmanövers eines vor ihm fahrenden Fahrzeugs ins Schleudern geraten. Er schleuderte zunächst nach links in die Leitplanke und dann über die Fahrbahn nach rechts. Der auf der rechten Fahrspur fahrende Motorradfahrer T… stürzte beim Bremsen. Er und seine Begleiterin, die mit ihm auf dem Motorrad saß, rutschten über die Fahrbahn und prallten gegen den BMW Cabrio der Beklagten zu 2), das bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist. Sie hatte ihr Fahrzeug auf dem Standstreifen angehalten. Beide Motorradfahrer starben noch an der Unfallstelle. Das Motorrad war bei der Beklagten zu 4) haftpflichtversichert.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 forderte die Klägerin die Beklagte zu 3) bezüglich des Beklagten zu 1) zur Erstattung der ihr für die Erstattung von Leistungen erbrachten Kosten auf. Die überreichte Forderungsaufstellung enthielt festgesetzte Mehrleistungen in Höhe von 11.254,43 € ohne Beschränkung auf den im Verhältnis zu den Beklagten übergangsfähigen Teil der Aufwendungen (Anlage K8). Mit Schreiben vom 8. August 2012 machte sie gegenüber den Beklagten zu 2), 3) und 4) Erstattung ihrer aufgewendeten Kosten geltend. Die insoweit beigefügten Kostenaufstellungen enthielten jeweils auch nicht übergangsfähige Kosten (Anlagen K9 und K10).

Mit Bescheid vom 4. April 2013 zog die Klägerin die Beklagten zu 1) und 2) sowie die Hinterbliebenen des Herrn T… zu dem mit dem Verletzten beziehungsweise seiner Rechtsnachfolgerin und Ehefrau E… E… anhängigen Verwaltungsverfahren hinzu und stellte die von ihr für die Entschädigung des Versicherten erbrachten Aufwendungen ihr mit 87.286,89 € fest. Diese Kosten seien, so die Formulierung des Bescheids, aufgrund des Unfalls zu erbringen gewesen, notwendig, in der Höhe richtig festgestellt und an den Versicherten bzw. seine Rechtsnachfolgerin sowie an Leistungserbringer ausgezahlt worden. Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Beklagten zu 4) blieb ohne Erfolg.

Eine Zahlung seitens der Beklagten erfolgte vorgerichtlich nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, alle Beklagten hätten schuldhaft zu dem Unfallgeschehen beigetragen. Es habe Starkregen eingesetzt gehabt. Der Beklagte zu 1), der mit einer den Witterungsverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit von rund 120 km/h gefahren und infolge eines Bremsmanövers eines vor ihm fahrenden Fahrzeugs ins Schleudern geraten sei, habe die gesamte Unfallsituation überhaupt erst ausgelöst. Die Beklagte zu 2) habe verkehrswidrig auf dem Standstreifen der Autobahn angehalten, um das Verdeck ihres Cabrios zu schließen. Sie hätte rechtzeitig und schon auf einem Rastplatz das Verdeck ihres Cabrio schließen müssen, als abzusehen gewesen sei, dass es zu regnen beginnen werde. Hierzu habe ausreichend Zeit bestanden; keinesfalls habe der Regen von einer Sekunde auf die andere eingesetzt. Hätte die Beklagte zu 2) dort nicht angehalten, wären der Motorradfahrer und seine Sozia vermutlich noch am Leben. Denn sie hätten sich – so das im Strafverfahren eingeholte Unfallrekonstruktionsgutachten – die tödlichen Verletzungen erst durch den Aufprall auf ihr Fahrzeug zugezogen. Die Beklagte zu 2) könne sich angesichts ihres Handlungsunrechts nicht auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen, da das strikte Halteverbot des § 18 Abs. 8 StVO ein Anhalten auf dem Standstreifen strikt unterbinde und andernfalls wirkungslos würde. Auch für den Motorradfahrer sei der Unfall nicht unvermeidbar gewesen, da seine Geschwindigkeit von rund 100 km/h sei nicht der Witterung angepasst gewesen und ihm ein Fahrfehler anzulasten sei. Aufgrund seiner eigenen hohen Geschwindigkeit habe er wahrscheinlich nicht mehr in angemessener Form auf das von ihm erkannte Schleudern des Autos des Beklagten zu 1) reagieren können.

Nach der Herausforderungsrechtsprechung sei der Folgeunfall den Unfallverursachern des Erstunfalles und damit allen Beklagten zuzurechnen. Der Verletzte sei aufgrund eines Fahrfehlers verunglückt. Ein technischer Defekt an den Bremsen habe nicht vorgelegen. Sein Mitverschulden sei mit 30% anzusetzen. Sie, die Klägerin, habe deshalb Anspruch auf 55.971,06 €.

Ihr Bescheid vom 4. April 2013 entfalte Bindungswirkung hinsichtlich der Schadenshöhe einschließlich des Haushaltsführungsschadens. Der Verletzte habe bis zu seinem Tod am 21. Juli 2012 verletzungsbedingt nicht die 5 Arbeitsstunden pro Monat erbringen können, die ihm als Beitrag zum Familienunterhalt oblegen hätten. Diese Stundenzahl sei auch unter Berücksichtigung einer Umorganisation des Haushalts im Sinne der Schadensminderungspflicht nach wie vor angemessen. Insbesondere habe der Versicherte sich in einer dauerhaften Rehabilitation mit ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit befunden, so dass er zu Hausarbeiten gar nicht in der Lage gewesen sei. Insoweit deckten die während der Arbeitsunfähigkeit gezahlten und zunächst nicht übergangsfähigen Mehrleistungen diesen Schaden im Sinne einer sachlichen und zeitlichen Konkurrenz ab.

Durch Teil-Versäumnisurteil vom 19. Juli 2013 hat die Kammer den Beklagten zu 1) verurteilt, 55.971,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2012 zu bezahlen und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten. Gegen diese ihm am 20. Juli 2013 zugestellte Entscheidung, hat er mit Schriftsatz vom 25. Juli 2013, eingegangen per Fax an diesem Tag, Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt, unter Aufrechterhaltung des Teil-Versäumnisurteils gegen den Beklagten zu 1) die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 55.971,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Beklagten zu 1) ab dem 13. Januar 2012, für die Beklagte zu 2) ab dem 9. September 2012 und für die Beklagte zu 4) ab dem 9. September 2012 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage unter Aufhebung des Teilversäumnisurteils gegen den Beklagten zu 1) abzuweisen.

Sie sind übereinstimmend der Ansicht, dass hier kein Herausforderungsfall vorliege, der einen Anspruch der Klägerin hinsichtlich des Unfalles des Verletzten rechtfertigen könnte.

Die Beklagten zu 1) bis 3) meinen, der Erstunfall habe sich unabhängig vom Fahrverhalten des Beklagten zu 1) ereignet. Unmittelbar vor dem Unfallgeschehen habe unvermittelt Starkregen eingesetzt gehabt. Der Motorradfahrer, der Amphetamin im Blut gehabt habe, sei aus ausgeklärten Gründen gestürzt. Sein Bremsmanöver habe in keinem Zusammenhang mit dem auf dem Standstreifen haltenden Pkw der Beklagten zu 2) gestanden. Er und seine Sozia seien bereits beim Aufprall auf die Straße tödlich verletzt worden und nicht erst durch den Aufprall auf den stehenden PKW der Beklagten zu 2). Zumindest habe die Beklagte zu 2) durch ihr Verhalten den Notfall, der Grund für den Einsatz des Verletzten gewesen sei, nicht verursacht. Sie habe allein wegen des Starkregens auf dem Standstreifen angehalten, nicht etwa, um das Verdeck ihres Cabrios zu schließen. Soweit sie dies zunächst so vorgetragen hätten, werde daran nicht mehr festgehalten.

Der Folgeunfall des Verletzten sei auf einen technischen Defekt des Einsatzfahrzeuges zurückzuführen. Dieser begründe ihre Haftung nicht: Wäre er aufgrund von Aquaplaning verunfallt, hätte er die Handbremse durchaus ziehen können. Dies habe er aber, insoweit unstreitig, in seiner polizeilichen Vernehmung vom 30. Juli 2011 verneint. Wäre der Unfall nicht durch einen technischen Defekt verursacht worden sein, wäre er auch nicht durch Hektik oder Aufregung verursacht worden; der Verletzte wäre dann schlichtweg zu schnell gefahren. Zu bestreiten sei, dass er als Einsatzleiter ausgerückt sei. Denn in dem Einsatzbericht sei unstreitig eine andere Person genannt.

Für die „Herausforderungsrechtsprechung“ sei im Straßenverkehr kein Raum. Gemäß § 35 StVO dürften Sonderrechte nur unter größtmöglicher Sorgfalt wahrgenommen werden, der Verkehrssicherheit gebühre stets der Vorrang gegenüber dem Interesse des Einsatzfahrzeuges an raschem Vorwärtskommen. Da der Verletzte als professioneller Helfer tätig geworden sei und zu seinem Aufgabenbereich gerade die Hilfeleistung in Notfällen gehöre, könne davon ausgegangen werden, dass er für Fälle der vorliegenden Art geschult sei. Von ihm könne daher ein besonderes und überlegtes Handeln in einer Gefahrenlage erwartet werden. Von daher fehle der haftungsrechtliche Zusammenhang regelmäßig, wenn sich jemand von Berufs wegen zu einer Unfallstelle begebe. Wenn man überhaupt die Provokations-Rechtsprechung auf „Profi-Helfer“ anwenden wolle, so werde man zu beachten haben, dass das Maß der Herausforderung deutlich höher sein müsse als bei einem „normalen“ Nothelfer. Wolle man vor diesem Hintergrund überhaupt über eine Haftung der Beklagten nachdenken, käme lediglich eine solche aus dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr in Betracht. Diese führe aber nicht zur Anwendung der sog. „Herausforderungs-Rechtsprechung“. Käme es entgegen den vorstehenden Ausführungen doch zu einer Zurechnung wäre jedenfalls der von der Klägerin angesetzte Mitverschuldensanteil von 30% deutlich zu gering.

Zu dem behaupteten Haushaltsführungsschaden des Verletzten fehlten jegliche Darlegungen.

Der Beklagte zu 4) behauptet, der Verletzte sei aufgrund eines eigenen Fahrfehlers verunglückt. Hierdurch habe er einen eigenen Kausalverlauf in Gang gesetzt, so dass jedenfalls von einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs auszugehen sei. Zum Unfallzeitpunkt habe regnerisches Wetter geherrscht. Zu bestreiten sei, dass es stark geregnet, auf der Fahrbahn eine Wasserglätte in einem relevanten Umfang bestanden und diese sich auf den Unfall ausgewirkt habe.

Im Übrigen scheitere ein Anspruch am notwendigen Zurechnungszusammenhang. Das hierfür erforderliche gesteigerte Verletzungsrisiko, für das die Beklagten verantwortlich wären, liege nicht vor, wenn ein zum Einsatz fahrender Feuerwehrmann mit langjähriger Einsatzerfahrung lediglich auf seinem Weg zum Einsatzort ohne eine gesteigerte Gefahrenlage verunfalle. Der damals 41-jährige Verletzte habe über eine langjährige Berufspraxis verfügt. Die Einsatzart habe für ihn keinerlei Besonderheiten aufgewiesen. Für ihn habe keine besondere Hektik bestanden, auch wenn er tatsächlich Verantwortung für den Feuerwehreinsatz an der ursprünglichen Unfallstelle hatte. Es bestehe kein Anlass zu der Vermutung, dass er aufgrund des Einsatzes besonders aufgeregt gewesen wäre. Trotz seiner beruflichen Erfahrung habe er die Verkehrslage überschätzt und sei mit witterungsbedingt überhöhter Geschwindigkeit in den Kreisverkehr hineingefahren. Infolge Aquaplanings habe er dann die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren.

Wäre entgegen den vorgenannten Gründen ein Anspruch gegenüber den Beklagten zu bejahen, wäre selbst nach dem klägerischen Vortrag keine gesamtschuldnerische Haftung gegeben, sondern eine Haftungsquotierung nach dem Grundsatz der Gesamtschau vorzunehmen.

Im Verhältnis der Beklagten untereinander habe der Beklagte zu 1) den Unfall verursacht und verschuldet, weil er die Gewalt über sein Fahrzeug verloren habe. Der Motorradfahrer habe deshalb abbremsen müssen, wobei der Sturz für ihn aus den oben genannten Gründen unabwendbar gewesen sei. Deshalb treffe ihn, den Beklagten zu 4), keine Mithaftung. Den Sturz selbst habe die Beklagte zu 2) nicht verursacht, aber der von ihr verbotswidrig auf dem Standstreifen angehaltene PKW habe zu den tödlichen Verletzungen des Motorradfahrers und seiner Sozia geführt. Sie habe angehalten, um das Verdeck ihres Cabrios zu schließen. Dafür, dass der Motorradfahrer auf das – kurz vor ihm fahrende – Fahrzeug des Beklagten zu 1) reagiert habe, sei davon sowohl nach der Unfallrekonstruktion im Strafverfahren als auch nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises auszugehen.  Als der Beklagte zu 1) die Gewalt über sein Fahrzeug verloren habe, habe der Motorradfahrer hierauf reagieren müssen und keine Chance gehabt, den Sturz zu vermeiden.

Sofern der Beklagte zu 1) im hiesigen Verfahren behauptet, er sei hinter dem Motorrad gefahren, weiche er von seiner Einlassung bei der Staatsanwaltschaft Trier vom 28.10.2011 ab. Damals habe er, insoweit unstreitig, gemeint, er sei links an dem relativ langsamen Verkehr auf der Mittelspur verbeigefahren. Als vor ihm ein brauner Peugeot Kombi – dessen Fahrer unstreitig nicht mehr ermittelt werden konnte – ins Schlingern geraten sei, habe er so stark gebremst – „zu viel des Guten“, dass ein Fahrzeug ausgebrochen sei. Der Motorradfahrer hätte bei richtigem Fahrverhalten noch rechts an seinem Auto vorbeifahren können. Damit habe der Beklagte zu 1) seinerzeit eingeräumt, dass das Motorrad hinter ihm gefahren sei, als er die Gewalt über sein Fahrzeug verloren habe.

Wäre entgegen den vorstehenden Ausführungen doch ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erst- und dem Folgeunfall zu bejahen, wäre zulasten des Verletzten ein überwiegender Haftungsanteil des Verletzten von mindestens 80% in Ansatz zu bringen, wobei die Grundsätze der Gesamtschau zu beachten wären.

Der „Bescheid“ der Klägerin vom 4. April 2013 sei gegenüber ihm, dem Beklagten zu 4), nicht bindend. Zwischen ihm und der Klägerin bestehe kein Rechtsverhältnis. Auch sei die Klägerin keine Behörde, die einen Leistungsbescheid gegenüber Dritten erlassen könnte.

Das Gericht hat den Zeugen H… vernommen und die Strafakte 8141 Js 17057/11 (Staatsanwaltschaft Trier) beigezogen. Die Strafverfahren gegen die hiesigen Beklagten zu 1) und 2) und den Verletzten sind jeweils gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Hinsichtlich aller Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Unfallrekonstruktionsgutachten und die Lichtbilder von beiden Unfällen in der Beiakte und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

Die Beklagten haften nicht für den Folgeunfall, weil jedenfalls der erforderliche Zurechnungszusammenhang fehlt. Die Voraussetzungen für eine Zurechnung der durch den Folgeunfall verursachten Schäden nach den Grundsätzen der „Herausforderungsrechtsprechung“ liegen nicht vor.

Nach dieser Rechtsprechung steht einem Geschädigten, der zu einem selbstgefährdenden Verhalten „herausgefordert“ worden ist, gegen den Herausforderer aus dem Gesichtspunkt der deliktischen Haftung nur dann ein Schadenersatzanspruch zu, wenn sein Schaden die Folge einer Gefahrsteigerung ist, in die er durch die Herausforderung geraten ist, mithin nur dann, wenn seine Verletzung die Folge eines mit der Geschäftsbesorgung verbundenen tätigkeitsspezifischen gesteigerten Risikos ist (st. Rspr. des BGH, siehe etwa nur BGH, Urteil vom 04. Mai 1993  – VI ZR 283/92 – juris   = VersR 1993, 843 = NJW 1993, 2234).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Es kann offenbleiben, ob der Folgeunfall durch einen Fahrfehler des Verletzten, nämlich überhöhte Geschwindigkeit, oder einen technischen Defekt verursacht worden ist.  Denn in beiden Fällen hat sich nur das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, nicht aber ein gesteigertes Risiko des Erstunfalls Entscheidend ist, dass der Folgeunfall sich mehrere Kilometer von der Unfallstelle entfernt ereignete. Allein der Umstand, dass der Verletzte zur Unfallstelle wollte und unter Einsatz von Sonderrechten (Blaulicht) fuhr, reicht nicht, um ein tätigkeitsspezifisches gesteigertes Risiko anzunehmen. Die Bevorrechtigung, mit Blaulicht im Verkehr zu fahren, um schneller zum Einsatzort zu gelangen, entband den Verletzten nicht von der Pflicht, seine Geschwindigkeit und Fahrweise den Witterungsverhältnissen – der regennassen Straße – anzupassen (§ 35 StVO). Selbst wenn dem Verletzten eine gewisse Aufregung und Hektik zuzugestehen wäre, hätte sich nur das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Denn von einer Rettungsperson kann erwartet werden, dass sie trotz Aufregung und Hektik und trotz des Wunsches und der Notwendigkeit, möglichst schnell an den Einsatzort zu gelangen, eine Fahrweise und eine Geschwindigkeit wählt, die den Witterungsbedingungen angepasst ist. Die hiesige Fahrt zum Unfallort hatte keinesfalls – entgegen der Ansicht der Klägerin – den Charakter einer Extremsituation. Die zurückzulegende Fahrstrecke war nicht besonders gefahrenträchtig. Sofern sich hier zu Lasten des Verletzten Gefahren realisieren, handelte es sich, wie erörtert, entweder um einen technischen Defekt oder um einen Fahrfehler, jedenfalls aber nur um eine Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos. Der Unfall des Verletzten ist auch nicht durch die Inanspruchnahme von Sonderrechten verursacht worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 55.971,06 € festgesetzt.

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