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Verkehrsunfall – Mietwagenzusatzkosten für Winterreifen und Haftungsreduzierung

AG Hamburg-Wandsbek, Az.: 713 C 8/15, Urteil vom 02.04.2015

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.089,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.05.2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 8 %, die Beklagte 92%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.186,96 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche in Höhe der noch nicht erstatteten Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall geltend.

Am ….3.2011 kam es zu einem Verkehrsunfall auf der Bargteheider Straße 130 zwischen dem Fahrzeug der Klägerin Golf … (mit Winterbereifung) und einem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug. Die vollständige Haftung der Beklagten für den Unfall ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug in dem Reparaturbetrieb P. reparieren und nutzte für die Dauer der Reparatur vom 23.3.2011 bis 8.4.2011 (16 Tage) ebenfalls einen Golf als Mietfahrzeug der Autovermietung E., ein Partner des Reparaturbetriebes P., zu einem Preis von 1.951,98 EUR brutto. Die Abrechnung erfolgte durch die Reparaturwerkstatt. Die Klägerin legte mit dem Mietwagen 675 Kilometer zurück. Es handelte sich um den üblichen Mietwagentarif der Autovermietung in Höhe von 1183,20 € sowie einen Zuschlag für Winterbereifung in Höhe von 134,40 € und einen Zuschlag für eine Haftungsbegrenzung in Höhe von 322,72 €.

Die Klägerin machte ihren Schadensersatzanspruch mit anwaltlichem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.4.2011 geltend. Die Beklagte zahlte jedoch lediglich einen Schadensersatz für die Mietwagenkosten in Höhe von 765,02 €.

Mit Schreiben vom 19.5.2011 forderte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten erneut zur Zahlung der ausstehenden Mietwagenpositionen auf.

Die Klägerin trägt vor, sie habe vor Beauftragung der Firma E. zwei weitere Angebote der Firmen W. und K. eingeholt, die höher lagen als das in Anspruch genommene Angebot.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.186,96 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssalz gemäß § 247 BGB seit dem 25.5.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die geltend gemachten Mietwagenkosten seien nicht erstattungsfähig, soweit sie über die üblichen Mietwagenkosten auf Basis der Studie des Fraunhofer Instituts hinausgehen. Demgegenüber sei die Schwacke-Liste als vermieterfreundlich ausgerichtete Studie nicht geeignet, eine Schätzgrundlage für die erforderlichen Kosten der Schadensbehebung zu bilden. Zudem sei bei der Anmietung aufgrund der Schadenminderungspflicht der Klägerin eine niedrigere Fahrzeuggruppe zu wählen gewesen, in diesem Fall einen Polo statt einem Golf.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze in der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat ein Anspruch auf Erstattung der (weiteren) Mietwagenkosten aus § 15 VVG i. V. m. §§ 7, 17,18 StVG, §§ 249ff., 823 Abs. 1 BGB, 7 StVG.

Verkehrsunfall - Mietwagenzusatzkosten für Winterreifen und Haftungsreduzierung
Symbolfoto: Von Ken stocker /Shutterstock.com

Die Klägerin kann als Geschädigte von der Beklagten nach § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008 – VI ZR 308/07 = NJW 2009, 58 BGH, Urteil vom 24.06.2008 – VI ZR 234/07 = NJW 2008, 2910 BGH. Urteil vom 02.07.1985 – VI ZR 177/84 = NJW 1985, 2639). Danach darf der Geschädigte grundsätzlich nur die Sätze des „Normaltarifes“, der im fraglichen Marktgebiet für die Vermietung eines solchen Fahrzeuges verlangt wird, ersetzt verlangen. Dies ist der Tarif, der von einem Kunden zu bezahlen ist, der das Fahrzeug selbst bezahlen muss, ohne dass davon ausgegangen wird, dass aufgrund des Unfalles die gegnerische Haftpflichtversicherung zur Zahlung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2008 – VI ZR 264/07 = NJW 2008, 1519).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe von ca. 74,00 EUR am Tag unterhalb des üblichen Mietwagentarifs für ein vergleichbares Fahrzeug in dem Postleitzahlenbereich 223 nach der Schwacke-Liste 2011 liegen.

Den Normaltarif am örtlich relevanten Markt brauchen die Gerichte nicht durch Sachverständige oder in sonstiger Weise konkret zu bestimmen, sondern können ihn in Ausübung ihres Ermessens nach § 287 ZPO schätzen Dabei gibt § 287 Absatz 1 ZPO dem Tatrichter die Schätzgrundlage nicht vor. Zu dieser Schätzung können die Tatrichter sich sowohl der Schwacke-Liste als auch der Fraunhofer-Liste bedienen, wobei der BGH keiner der beiden als Schätzungsgrundlage in der Rechtsprechung verwendeten Mietpreislisten den Vorzug gibt (vgl. BGH VersR 2013, 330 BGH VersR 2011, 769).

Die in der Schwacke-Liste angegebenen Tarife erachtet das Gericht als angemessene Grundlage für die Bestimmung des Normaltarifs im vorliegenden Fall. Gegen die Fraunhofer-Liste wird zu Recht eingewandt, dass die zugrunde liegenden Erhebungen auf Internetangeboten basieren, die auf dem maßgeblichen örtlichen Markt nicht ohne weiteres zugänglich sind und ein Internetanschluss in der konkreten Unfallsituation nicht immer zeitnah für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zur Verfügung stehen wird. Vielfach vermeiden Geschädigte eine Buchung über das Internet wegen Sicherheitsbedenken, zumal bei einer solchen häufig die Verwendung einer Kreditkarte vorausgesetzt ist. Zudem sind die vom Fraunhofer-Institut eingeholten Angebote von einer Bestellung mit Vorlaufzeit von etwa einer Woche abhängig gemacht, welche in der Unfallsituation dem Interesse der Klägerin nicht gerecht wird. Letztlich ist das Raster der Fraunhofer-Liste auch gröber, da – anders als bei der Schwacke-Liste – nur zweistellige Postleitzahlengebiete abgebildet werden (vgl. zu den Nachteilen u. a. OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.08.2011 – 1 U 27/11 = NJW – RR 2012, 26.).

Die Listen dienen dem Tatrichter nur als Grundlage für seine Schätzung. Er kann im Rahmen seines Ermessens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles von diesen – etwa durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus ihnen ergebenden Normaltarif abweichen (vgl. etwa BGH NJW-RR 2011, 1109; BGH NJW 2012, 2026). Hier war nach Auffassung des Gerichts bezüglich der Bestimmung des Grundmietpreises nach der Schwacke-Liste zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich im Rahmen des § 249 BGB im Wege des Vorteilsausgleichs ersparte Eigenaufwendungen anrechnen lassen muss (vgl. hierzu Überblick bei Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 249 Rn. 36), die mit 5 % der Mietwagenkosten zu beziffern sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigt es die Wahl eines Golfs mit minderwertigerer Ausstattung nicht, auf den Abzug der Eigenersparnis zu verzichten. Hierfür wäre es mindestens erforderlich gewesen, ein klassenniedrigeres Fahrzeug wie einen Polo zu mieten. Aus diesem Grund war die Klage in Höhe von 5 % der Gesamtmietkosten, also einem Betrag von 97,50 EUR abzuweisen.

Die Klägerin war entgegen der Auffassung der Beklagten dagegen grundsätzlich berechtigt, einen gleichwertigen Ersatzwagen anzumieten und nicht etwa dazu verpflichtet, einen Polo statt eines Golfs zu wählen (vgl. auch BGH, VersR 1982, 548 VersR Jahr 1982, 549).

Weiterhin sind die Zusatzkosten für Winterreifen im November erstattungsfähig die Klägerin hat Anspruch auf einen Mietwagen, der entsprechend den Vorgaben der StVO ausgestattet ist. Da Winterreifen auf dem Mietwagenmarkt üblicherweise gesondert berechnet werden, sind die dadurch entstehenden Kosten erstattungsfähig. Gleiches gilt für die zusätzlichen Kosten der Haftungsbeschränkung, da es dem Geschädigten nicht zumutbar ist bei der -notwendigen- Nutzung eines fremden Fahrzeugs einem Schadensrisiko ausgesetzt zu sein (vgl. auch OLG Koblenz, BeckRS 2015, 03548).

Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus §§ 286Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich nach der Mahnung am 15.5.2011 in Verzug.

Die Nebenentscheidungen gründen auf §§ 92, 708 Nr. 11,711 ZPO.

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