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Verkehrsunfall – Fahrbahnverengung – Haftungsverteilung

AG Hamburg-Altona, Az.: 317b C 19/15, Urteil vom 16.10.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

Die Widerbeklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte zu 12.130,89 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.10.2014 sowie weitere 413,64 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2015 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Widerbeklagten zu 1 bis 4 als Gesamtschuldner zu 60 v.H., im Übrigen trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf € 3.611,48 festgesetzt.

Tatbestand

Verkehrsunfall – Fahrbahnverengung - Haftungsverteilung
Symbolfoto: Von Victor Wong /Shutterstock.com

Die Parteien streiten um Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am … kam es im F. weg in H … zu einer Kollision eines Fahrschulfahrzeugs des Klägers, geführt von der Widerbeklagten zu 2 als Fahrschülerin, betreut vom Widerbeklagten zu 3 als Fahrlehrer, haftpflichtversichert bei der Widerbeklagten zu 4, mit einem von der Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw. Hierbei befuhr das Klägerfahrzeug den F. weg vom R. kommend, das Beklagtenfahrzeug aus der Gegenrichtung kommend. Im Bereich der vom R. aus gesehen ersten Rechtskurve des F. weges, hinter der sich eine beiderseitige Fahrbahnverengung zur Verkehrsberuhigung befindet, kam es zur Kollision der beteiligten Fahrzeuge. Der genaue Hergang steht zwischen den Parteien im Streit. Beide Fahrzeuge wurden bei dem Unfall beschädigt.

Für den seitens des Klägers geltend gemachten Schaden aus Reparatur- und Sachverständigenkosten sowie Schadenspauschale und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten wird auf die Klagschrift ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger macht hälftigen Schadenersatz geltend und behauptet, aufgrund eines Missverständnisses habe sich die Beklagte zu 1 in die Fahrbahnverengung hineingedrängelt, obwohl beide Fahrzeuge sich ihr gleichzeitig und damit gleichberechtigt genähert hätten. Es sei daher kurz vor der Fahrbahnverengung, aus Sicht des Klägerfahrzeugs, zur Kollision gekommen. Das Klägerfahrzeug sei ganz rechts gefahren. Für die Unfalldarstellung des Klägers wird auf die Unfallskizze Anlage K 5 verwiesen. Der Drittwiderbeklagte zu 3 habe die Fahrschülerin auf drohenden Gegenverkehr hingewiesen.

Für seine bestrittene Aktivlegitimation verweist er auf eine gewillkürte Prozessstandschaft; auf Anlage K 6 wird ergänzend Bezug genommen. Er steht auf dem Standpunkt, die Beklagten seien bereits mit der behaupteten Schadensverursachung in Verzug geraten.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn € 1.480,59 nebst Zins in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.05.14 zu zahlen sowie ihn von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. € 107,85 freizuhalten.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen; die Beklagte zu 1 beantragt mit parteierweiternder Widerklage, zugestellt am 1.4.2015,

1. den Widerbeklagten zu 1 und die Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Widerklägerin € 2.130,89 nebst Zins in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.10.2014 zu zahlen,

2. den Widerbeklagten zu 1 und die Drittwiderbeklagten zu 2 bis 4 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Widerklägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. € 413,64 nebst Zins in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Widerbeklagten beantragen, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, die Kollision habe sich zugetragen, nachdem die Beklagte zu 1 bereits die Fahrbahnverengung passiert hatte; sie habe das sich nähernde Klägerfahrzeug wahrgenommen, als es dort nicht dem Kurvenverlauf nach rechts gefolgt, sondern ungebremst geradeaus gefahren sei. Sie habe ihr Fahrzeug an den rechten Fahrbahnrand gelenkt und angehalten, was das Schadensbild belege. Dann sei das Klägerfahrzeug in stumpfem Winkel in ihres gefahren, was ebenfalls die Darstellung des Kläger widerlege; der Drittwiderbeklagte zu 3 habe eingeräumt, unaufmerksam gewesen zu sein. Sie meint daher, der Unfall sei für sie nicht vermeidbar gewesen. Sie sei Eigentümerin des Beklagtenfahrzeugs. Für diesbezüglichen Vortrag der Widerklägerin wird auf den Beklagtenschriftsatz vom 15.6.2015 Bezug genommen.

Die der Widerklage zugrundeliegende Beschädigung des Klägerfahrzeugs sei unfallbedingt. Für die von Beklagtenseite geltend gemachten Schäden, bestehend aus gutachterlich ermittelten fiktiven Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten und Schadenpauschale, von der Drittwiderbeklagten zu 4 auf anwaltliche Geltendmachung teilweise reguliert, sowie für die weiter geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wird auf die Klagerwiderung/ Widerklagschrift ergänzend verwiesen. Die Drittwiderbeklagte zu 4 hatte eine vollständige Regulierung mit Schreiben vom 30.10.2014 abgelehnt.

Im Übrigen wird für den Vortrag der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet; die Widerklage hat hingegen Erfolg. Nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand sind die Widerbeklagten für den streitgegenständlichen Unfall verantwortlich. Sie haften daher nach §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 823 Abs. 1, 840 BGB. Es kann dahinstehen und muss nicht aufgeklärt werden, welche der Unfallschilderungen zutrifft.

Es bedarf keiner Vertiefung, dass die Widerbeklagten und nicht die Beklagten hafteten, wenn die Schilderung der Beklagten zu 1 zuträfe, dass das Klägerfahrzeug in der Rechtskurve des F. weges geradeaus gefahren wäre, statt dem Fahrbahnverlauf zu folgen. Gleiches gilt aber auch, was die Beklagten zu Recht mit Schriftsatz vom … geltend machen, für den Fall, dass die Schilderung der Widerbeklagten zutrifft.

Auch nach ihrem Vortrag hat sich die Kollision aus Sicht des Klägerfahrzeugs vor der Fahrbahnverengung und in der Weise zugetragen, dass das Klägerfahrzeug – siehe die Unfallskizze Anlage K 5 – vom links mit dem linken vorderen Kotflügel des Beklagtenfahrzeugs kollidierte, was im Übrigen ohne Weiteres mit den von Beklagtenseite eingereichten Lichtbildern vom Schaden übereinstimmt. Aus dieser Schilderung folgt aber zwingend, dass das Beklagtenfahrzeug im Moment der Kollision die Fahrbahnverengung bereits passiert hatte und aus ihr herausfuhr. Gleichzeitig ist von keiner Seite behauptet, dass eines der Fahrzeuge in dem verkehrsberuhigten Bereich (Anlage K 5) mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren wäre. Damit steht aber fest, dass entweder die Beklagte zu 1 als erste die Engstelle erreicht hatte und damit vorfahrtberechtigt war (vgl. etwa OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Januar 1979 – Ss 343/78). Oder beide Fahrzeuge hatten sich der Engstelle gleichzeitig genähert, dann hätte die Widerbeklagte zu 2 bei Schrittgeschwindigkeit beider Fahrzeuge – eine andere ist nicht behauptet – ausreichend Zeit gehabt anzuhalten, während die Beklagte zu 1 die Engstelle durchfuhr, statt auf ein (nicht bestehendes) Vorfahrtsrecht in der Engstelle zu bestehen. Es liegt bei gleichzeitiger Annäherung an eine solche Engstelle in der Natur der Sache, dass ein Fahrzeug halten muss und nur das andere passieren kann. Welches das jeweils war, war hier im Unfallzeitpunkt längst – zugunsten der Beklagten – geklärt. Die von Klägerseite verlangte hälftige Haftung der Beklagten wäre allenfalls in Betracht gekommen, wenn beide Fahrzeuge in der Engstelle oder jenseits von ihr kollidiert wären. So liegt der Fall indes selbst nach Klägervortrag nicht. Da mithin selbst bei Zugrundelegung des Klagvortrags zuungunsten der Widerbeklagten zu entscheiden ist, bedarf es auch nicht der Aufklärung durch Sachverständigengutachten, welche der Unfallschilderungen zutrifft.

Für die – ohnehin nicht näher substantiierte – Behauptung, die Beklagte zu 1 habe sich in die Engstelle „hineingedrängelt“, bleiben die Widerbeklagten daneben beweisfällig, nachdem die Beklagten ihrer Parteivernehmung nicht zugestimmt haben, § 447 ZPO. In dieser Situation bestand auch kein Anlass, eine nach dieser Vorschrift unzulässige Beweisaufnahme durch die Verwertung einer Parteianhörung i.S.d. § 141 ZPO zu umgehen (Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 141 Randnr. 2). Ohnehin haben die Widerbeklagten von der in der Ladung ausdrücklich angebotenen Gelegenheit, das Geschehen persönlich zu schildern, keinen Gebrauch gemacht.

Bei dieser Sachlage trifft die ganz überwiegende Verantwortlichkeit die Widerbeklagten, was auch die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeug zurücktreten lässt. Der Widerbeklagte zu 1 haftet aus § 7 StVG, der Widerbeklagte zu 3, der als Fahrzeugführer im haftungsrechtlichen Sinn galt, aus §§ 18 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 15 StVG. Soweit er behauptet, die Widerbeklagte zu 2 hinreichend instruiert und überwacht zu haben, dürfte bereits die Tatsache der Kollision dies widerlegen, und er hätte in dem Fahrschulwagen auch bremsen können. Ohnehin wären an eine solche Entlastung strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 01. Dezember 2003 – 12 U 772/02) im Übrigen bleibt er beweisfällig (s.o.). Die Widerbeklagte zu 4 haftet aus § 115 VVG.

Die Widerbeklagte zu 2 haftet aus § 823 BGB, weil davon auszugehen ist, dass auch eine Fahrschülerin bei Schrittgeschwindigkeit in der entsprechenden Situation rechtzeitig hätte bremsen und so die Kollision unschwer hätte vermeiden können (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.).

II.

Nach dem Gesagten stehen dem Kläger keine Schadenersatzansprüche zu. Hingegen haften die Widerbeklagten auf den von der Erstbeklagten geltend gemachten Schäden.

Ihre Aktivlegitimation hat die Beklagte zu 1 hinreichend nachgewiesen. Soweit sie eine Rechnung für das Beklagtenfahrzeug vorlegt, entspricht es dem typischen Geschehensablauf, dass dem ein Kaufvertrag zugrundeliegt. Richtig ist sodann, dass der Kauf noch nichts über den Eigentumserwerb des Käufers aussagt; werden aber im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang auch die Fahrzeugpapiere wie auch der Versicherungsschein auf den Käufer ausgestellt, ist dessen Eigentum hinreichend tragfähig nachgewiesen (vgl. OLG Frankfurt, 21.1.2008 – 25 U 220/04), § 286 ZPO.

Soweit die Widerbeklagten bestreiten, dass der geltend gemachte Schaden durch die streitgegenständliche Kollision verursacht ist, ist dies nicht weiter beachtlich, weil es ins Blaue hinein geschieht. Der Kläger selbst behauptet Schäden an seinem Fahrzeug aufgrund der Kollision, so dass eine Beschädigung des Beklagtenfahrzeugs bereits prima facie feststeht. Die konkrete Beschädigung des linken vorderen Kotflügels des Beklagtenfahrzeugs fügt sich auch ohne weiteres in das übereinstimmend behauptete Geschehen; Vorschäden oder andere verdächtige Aspekte behaupten die Widerbeklagten nicht. Die Zeitabläufe hinsichtlich der Begutachtung des Fahrzeugs rechtfertigen für sich keinerlei Verdacht.

Im Übrigen sind die Darlegungen der Beklagten zu 1 zu ihrem Schaden nicht konkret angegriffen. Zu Recht weist sie darauf hin, dass sie Anspruch auf vollen Ersatz der vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten hat, nicht nur auf Ersatz mittlerer, ortsüblicher Lohnkosten, was die Widerbeklagte zu 4 hier auch nicht mehr ins Feld führt. Das von der Beklagten eingereichte Privatgutachten zur Schadenshöhe ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ausreichende Grundlage für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO (vgl. BGH, NJW 1989, 3009 [3010]). Vom Schadenersatzanspruch der Beklagten zu 1 nach § 249 BGB sind sowohl die fiktiven Reparatur- als auch die Sachverständigenkosten, die merkantile Wertminderung, die Auslagenpauschale als auch die Rechtsverfolgungskosten umfasst.

Zinsen rechtfertigen sich aus §§ 286, 280 BGB.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Widerbeklagten entsprechend dem Anteil ihres Unterliegens, § 92 Abs. 1 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit bestimmt sich nach § 709 ZPO.

Der Streitwert war nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG, 4 ZPO zu bestimmen.

 

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