Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Unfall beim Rückwärtsfahren: Wer zahlt, wenn’s kracht?
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wenn ich rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt fahre und es kracht – wer trägt die Verantwortung?
- Welche besonderen Pflichten habe ich, wenn ich rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt fahre?
- Was bedeutet der Anscheinsbeweis bei einem Unfall, der beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt passiert?
- Kann der andere Unfallbeteiligte eine Mitschuld tragen, auch wenn ich aus einer Grundstücksausfahrt gefahren bin?
- Welche finanziellen und rechtlichen Konsequenzen können Unfälle beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt haben?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 6 O 336/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Itzehoe
- Datum: 26.07.2019
- Aktenzeichen: 6 O 336/17
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Halterin eines PKW Seat Altea, die aus ihrer Grundstückseinfahrt rückwärts auf die Straße fuhr und dabei mit einem anderen Fahrzeug kollidierte. Sie forderte Schadensersatz.
- Beklagte: Der Fahrer eines PKW Opel Astra Caravan und dessen Haftpflichtversicherer. Sie bestritten die Forderungen der Klägerin und wiesen die Haftung ab.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Bei einem Verkehrsunfall fuhr die Klägerin rückwärts aus ihrer Grundstückseinfahrt auf eine öffentliche Straße und kollidierte dort mit dem Fahrzeug des Beklagten. Die Klägerin behauptete, der Beklagte habe den Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit verursacht, während die Beklagten dies bestritten.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Haftung für einen Verkehrsunfall, der sich beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstückseinfahrt ereignete, sowie um die dabei zu beachtenden Sorgfaltspflichten der beteiligten Fahrer.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies die Klage vollständig ab. Die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
- Begründung: Das Gericht sah keinen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz, da sie gegen die erhöhten Sorgfaltspflichten beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstückseinfahrt auf die Straße verstoßen hatte. Ihr Verschulden war so erheblich, dass die Betriebsgefahr des gegnerischen Fahrzeugs dahinter vollständig zurücktrat. Dem anderen Fahrer konnte kein relevanter Sorgfaltspflichtverstoß nachgewiesen werden.
- Folgen: Da die Hauptforderung unbegründet war, hatte die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zinsen oder die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Der Fall vor Gericht
Unfall beim Rückwärtsfahren: Wer zahlt, wenn’s kracht?
Das Manövrieren aus einer engen Grundstückseinfahrt auf eine belebte Straße erfordert höchste Konzentration. Schnell ist etwas übersehen, und es kommt zum Zusammenstoß. Genau solch ein Fall landete vor dem Landgericht Itzehoe und wirft ein Schlaglicht darauf, wer in so einer Situation die Verantwortung – und damit die Kosten – trägt. Am Nachmittag des 18. Juli 2017 passierte es: Eine Autofahrerin, nennen wir sie Frau S., fuhr mit ihrem Seat Altea rückwärts von ihrem Grundstück auf eine öffentliche Straße. Diese Straße war etwa 3 Meter breit asphaltiert und hatte an beiden Seiten befestigte Schotterstreifen von circa 1 bis 1,5 Metern Breite. Erlaubt waren dort 50 km/h. In diesem Moment näherte sich Herr M. mit seinem Opel Astra Caravan. Es kam zur Kollision: Die vordere rechte Seite des Opels traf das Heck und die Anhängerkupplung des Seats. Wie genau es dazu kam, darüber waren sich die Beteiligten uneinig.
Der Weg vor Gericht: Unterschiedliche Unfallversionen

Frau S. war der Meinung, Herr M. sei schuld. Er sei zu schnell gefahren, habe nicht gebremst und sei sogar mit den Reifen auf dem rechten Schotterweg unterwegs gewesen, als er in ihr Heck fuhr. Sie selbst, so Frau S., habe schon einige Sekunden im Einfahrtsbereich ihres Grundstücks gestanden, ohne dass ihr Auto den asphaltierten Teil der Straße berührt hätte. Ihre Räder seien so eingeschlagen gewesen, dass das Heck ihres Wagens nach rechts gezeigt habe. Der Aufprall sei so heftig gewesen, dass ihr Auto um ein bis zwei Meter versetzt worden sei.
Herr M. und seine Kfz-Haftpflichtversicherung, die wir hier „die Versicherung von Herrn M.“ nennen werden, sahen das ganz anders. Herr M. gab an, mit angepasster Geschwindigkeit auf dem asphaltierten Teil der Straße gefahren zu sein. Frau S. habe ihr Fahrzeug vor dem Zusammenstoß keineswegs angehalten; vielmehr habe sich das Heck ihres Wagens zum Zeitpunkt des Unfalls bereits auf der asphaltierten Fahrbahn befunden.
Durch den Unfall wurde der Seat von Frau S. beschädigt. Sie ließ ein Gutachten erstellen, das 758,13 € kostete. Die Reparatur sollte 7.516,62 € kosten. Zusätzlich forderte Frau S. 800,00 € für den Nutzungsausfall ihres Wagens (eine Entschädigung dafür, dass sie ihr Auto während der Reparaturzeit nicht nutzen konnte), eine Pauschale von 20,00 € für Auslagen wie Telefonate und Porto, sowie 571,44 € für Anwaltskosten, die vor dem Gerichtsverfahren entstanden waren. Insgesamt wollte sie 9.094,75 € plus Zinsen (eine Art Gebühr für verspätete Zahlung) und die Übernahme weiterer Anwaltskosten in Höhe von 887,03 €. Die Versicherung von Herrn M. hatte die Übernahme der Kosten aber bereits abgelehnt. So kam es zur Klage vor dem Landgericht.
Die knifflige Frage für das Gericht: Wer trug die Verantwortung?
Das Gericht stand nun vor der Aufgabe, den Unfallhergang zu rekonstruieren und zu entscheiden, wer rechtlich für den Schaden aufkommen muss. Aber was waren hier die zentralen Punkte, die geklärt werden mussten? Es ging im Kern darum, ob Frau S. einen Anspruch auf Schadensersatz (also den Ausgleich des ihr entstandenen Schadens) gegen Herrn M. und dessen Versicherung hatte. Dafür musste das Gericht prüfen, ob und inwieweit die Beteiligten Verkehrsregeln missachtet und dadurch den Unfall verursacht hatten. Um das herauszufinden, hörte das Gericht Frau S. und Herrn M. persönlich an. Zusätzlich wurde ein unabhängiger Sachverständiger beauftragt, der den Unfall untersuchte und dazu ein schriftliches Gutachten sowie ein Ergänzungsgutachten erstellte.
Die Entscheidung des Gerichts: Keine Entschädigung für Frau S.
Das Landgericht Itzehoe wies die Klage von Frau S. vollständig ab. Das bedeutet, sie bekommt keinen Schadensersatz. Außerdem muss sie die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen, also nicht nur ihre eigenen Anwaltskosten, sondern auch die von Herrn M. und seiner Versicherung sowie die Gerichtskosten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung. Das heißt, Herr M. und seine Versicherung könnten die Kostenerstattung von Frau S. bereits verlangen, bevor das Urteil endgültig rechtskräftig ist (also nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann), müssten dafür aber eine Sicherheit, z.B. Geld, hinterlegen. Der Streitwert (der Wert, um den gestritten wurde) wurde auf 9.094,75 € festgesetzt, was für die Berechnung der Anwalts- und Gerichtskosten wichtig ist.
Die Begründung: Warum entschied das Gericht so?
Aber warum kam das Gericht zu dieser für Frau S. negativen Entscheidung? Die Richter stellten fest, dass Frau S. keinen Anspruch auf Schadensersatz hatte, weder aus dem Straßenverkehrsgesetz (kurz StVG, das grundlegende Regeln für den Verkehr und die Haftung bei Unfällen festlegt), noch aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB, das allgemeine Regeln für Schadensersatz enthält) oder dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in Verbindung mit dem Pflichtversicherungsgesetz (PflVG), welche die direkte Inanspruchnahme der gegnerischen Versicherung regeln.
Die grundlegende Haftung und das Verschulden
Zwar war der Zusammenstoß unbestritten, und es lag auch kein Fall von höherer Gewalt vor (ein von außen kommendes, unabwendbares Ereignis wie ein Blitzschlag, das eine Haftung ausschließen könnte). Deshalb musste das Gericht nach § 17 Absatz 1 des StVG eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile vornehmen. Das bedeutet, es wird geschaut, wer wie viel zum Unfall beigetragen hat. Dabei prüfte das Gericht auch, ob der Unfall für Frau S. ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Absatz 3 StVG war. Ein unabwendbares Ereignis liegt nur dann vor, wenn ein Fahrer auch bei äußerster möglicher Sorgfalt den Unfall nicht hätte vermeiden können. Die Beweislast (also die Pflicht, etwas zu beweisen) dafür, dass der Unfall unabwendbar war, liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft – hier also bei Frau S. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass Frau S. diese äußerste Sorgfalt nicht beachtet hatte.
Ob der Unfall für Herrn M. unabwendbar war, spielte für das Gericht letztlich keine Rolle. Denn selbst wenn sein Fahrzeug eine gewisse Betriebsgefahr darstellte (allein dadurch, dass ein Auto am Verkehr teilnimmt, geht von ihm eine gewisse abstrakte Gefahr aus), würde diese hinter dem erheblichen Verschulden von Frau S. vollständig zurücktreten.
Der entscheidende Punkt: Verstöße gegen die Straßenverkehrs-Ordnung durch Frau S.
Das Gericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf den sogenannten Anscheinsbeweis. Das ist eine juristische Erleichterung bei der Beweisführung. Man kann es sich vorstellen wie eine starke Vermutung: Wenn eine typische Unfallsituation vorliegt, bei der erfahrungsgemäß eine bestimmte Ursache wahrscheinlich ist, dann geht das Gericht erstmal davon aus, dass es so war. Wer das Gegenteil behauptet, muss diese Vermutung dann entkräften. Und genau dieser Anscheinsbeweis sprach hier gegen Frau S., und zwar gleich in zweifacher Hinsicht aufgrund von Verstößen gegen die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO):
- Verstoß gegen § 9 Absatz 5 StVO (Rückwärtsfahren): Diese Vorschrift ist sehr streng. Sie besagt, dass sich jemand, der rückwärtsfährt, so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Wenn es nötig ist, muss man sich sogar von einer anderen Person einweisen lassen. Kommt es beim Rückwärtsfahren zu einer Kollision, spricht der Anscheinsbeweis gegen den Zurücksetzenden. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Rückwärtsfahrende – wie von Frau S. behauptet – zum Zeitpunkt des Unfalls bereits stand, sofern ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zum Rückwärtsfahren besteht. Das Gericht sah diesen Zusammenhang hier als gegeben an, da Frau S. selbst nur von einer sehr kurzen Standzeit sprach. Ob sie wirklich stand, konnte nicht bewiesen werden; der Sachverständige konnte nicht einmal ausschließen, dass sich ihr Auto noch in langsamer Rückwärtsbewegung befand.
- Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO (Einfahren aus einem Grundstück): Auch diese Regel verlangt höchste Vorsicht. Wer von einem Grundstück auf die Straße einfahren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Da Frau S. rückwärts von ihrem Grundstück auf die Straße fuhr und es im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang dazu zur Kollision kam, sprach auch hier der Anscheinsbeweis dafür, dass sie diese äußersten Sorgfaltspflichten (also die Pflicht, vorsichtig und aufmerksam zu sein) missachtet hat. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige stellte sogar fest, dass sich die linke Heckpartie des Autos von Frau S. zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes bereits knapp einen halben Meter auf der asphaltierten Fahrbahn befand. Frau S. konnte diesen Anscheinsbeweis, also diese starke Vermutung gegen sie, nicht erschüttern oder widerlegen.
Kein nachweisbarer Fehler bei Herrn M.
Auf der anderen Seite konnte Herrn M. kein Fehler nachgewiesen werden. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass er „sehenden Auges“, also absichtlich oder grob unachtsam, in das Auto von Frau S. gefahren wäre. Frau S. hatte dies zwar behauptet, aber nicht substantiiert vorgetragen (also nicht mit genügend konkreten Tatsachen untermauert). Die Sichtverhältnisse an der Unfallstelle waren, wie Bilder von Frau S. und die Feststellungen des Sachverständigen zeigten, durch Bepflanzung und den Straßenverlauf deutlich eingeschränkt.
Auch der Vorwurf der überhöhten Geschwindigkeit gegen Herrn M. bestätigte sich nicht. Der Sachverständige ermittelte eine Geschwindigkeit von etwa 50 km/h, was der erlaubten Höchstgeschwindigkeit entsprach. Ebenso war der Vorwurf unbegründet, Herr M. sei zu weit rechts gefahren. Der fließende Verkehr hat Vorrang auf der gesamten Straßenbreite, und § 2 Absatz 2 StVO schreibt sogar vor, dass man möglichst weit rechts fahren muss. Der Sachverständige konnte auch keine Fahrspuren von Herrn M.s Auto auf dem rechten Schotterstreifen feststellen.
Das überwiegende Verschulden von Frau S.
Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass das Verschulden von Frau S. so schwerwiegend war, dass die einfache Betriebsgefahr des Autos von Herrn M. dahinter vollständig zurücktrat. Die Richter verwiesen dabei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (des höchsten deutschen Zivilgerichts), wonach die normale Betriebsgefahr eines Fahrzeugs regelmäßig hinter einem erheblichen Verschulden der Gegenseite zurücktritt. Das Gericht wertete das rückwärtige Ausfahren von einem Grundstück auf eine schlecht einsehbare Straße als schweren Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten. Der fließende Verkehr müsse darauf vertrauen können, dass nicht unerwartet jemand rückwärts auf die Straße fährt. Nach Ansicht des Gerichts hätte sich Frau S. einweisen lassen müssen und handelte „eklatant sorgfaltswidrig und leichtfertig“.
Da die Hauptforderung von Frau S. (also der Schadensersatz für das Auto) unbegründet war, hatte sie auch keinen Anspruch auf die Nebenforderungen wie Zinsen oder die Erstattung der Anwaltskosten. Die Entscheidung über die Verteilung der Prozesskosten beruht auf § 91 der Zivilprozessordnung (ZPO, das Gesetz, das den Ablauf von Zivilverfahren regelt). Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden sich in § 709 ZPO, und die Festsetzung des Streitwerts erfolgte gemäß § 3 ZPO in Verbindung mit § 48 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Die Schlüsselerkenntnisse
Bei Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt besteht eine besonders hohe Sorgfaltspflicht für den ausfahrenden Verkehrsteilnehmer, die bei Unfällen zu einer nahezu vollständigen Haftung führen kann. Das Landgericht Itzehoe bestätigte, dass ein Fahrer beim rückwärtigen Einfahren in den fließenden Verkehr so agieren muss, dass eine Gefährdung anderer völlig ausgeschlossen ist – notfalls durch Einweisen lassen. Die normale Betriebsgefahr eines vorbeifahrenden Fahrzeugs kann hinter diesem schweren Sorgfaltsverstoß komplett zurücktreten, selbst wenn der andere Verkehrsteilnehmer mit erlaubter Höchstgeschwindigkeit fährt.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wenn ich rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt fahre und es kracht – wer trägt die Verantwortung?
Wenn Sie rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt auf eine öffentliche Straße fahren und dabei ein Unfall passiert, liegt die Hauptverantwortung in der Regel beim Rückwärtsfahrenden. Dies beruht auf einer besonders hohen Sorgfaltspflicht, die für solche Fahrmanöver gilt.
Die besondere Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren
Das Gesetz schreibt vor, dass beim Rückwärtsfahren oder dem Ausfahren aus einem Grundstück eine besondere Vorsicht geboten ist. Der Grund dafür ist, dass die Sicht oft eingeschränkt ist und andere Verkehrsteilnehmer auf der Straße nicht damit rechnen, dass plötzlich ein Fahrzeug von einem Privatgrundstück auf die Fahrbahn fährt. Man muss sicherstellen, dass keine andere Person gefährdet oder behindert wird.
Die Vermutung der Verantwortlichkeit
In der Rechtsprechung hat sich bei Unfällen, die beim Rückwärtsfahren aus einer Einfahrt entstehen, eine starke Vermutung der Verantwortlichkeit des Rückwärtsfahrenden etabliert. Juristen sprechen hier oft von einem sogenannten „Anscheinsbeweis“. Das bedeutet: Schon der Umstand, dass es beim Rückwärtsfahren aus einer Einfahrt zu einem Unfall gekommen ist, deutet stark darauf hin, dass der Rückwärtsfahrende seinen Pflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.
Wann die Schuldfrage komplex werden kann
Obwohl die primäre Verantwortung beim Rückwärtsfahrenden liegt, bedeutet das nicht automatisch, dass dieser immer die alleinige Schuld trägt oder den gesamten Schaden bezahlen muss. Die „Schuldfrage“ kann komplexer werden, wenn auch der andere Unfallbeteiligte einen eigenen Verkehrsverstoß begangen hat, der zum Unfall beigetragen hat. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn:
- Der andere Verkehrsteilnehmer mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war.
- Der andere Verkehrsteilnehmer auffällig unaufmerksam war.
- Der andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls eine klare Vorfahrtsregel missachtet hat.
In solchen Fällen kann es zu einer Teilung der Verantwortung kommen, bei der jeder Beteiligte einen Teil des Schadens trägt. Die genaue Aufteilung hängt dann von den Umständen des Einzelfalls und dem jeweiligen Verursachungsbeitrag ab. Letztlich ist es entscheidend, wie sich der Unfall genau ereignet hat und welche Pflichten von wem verletzt wurden.
Welche besonderen Pflichten habe ich, wenn ich rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt fahre?
Wenn Sie rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt auf eine öffentliche Straße fahren, sind Sie zu höchster Vorsicht und Rücksichtnahme verpflichtet. Das zentrale Ziel ist es, jegliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vollständig auszuschließen. Diese strenge Regelung ist in § 9 Absatz 5 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verankert und gilt nicht nur für Grundstücksausfahrten, sondern auch für das Fahren aus Parkplätzen oder abgesenkten Bordsteinen.
Besondere Sorgfaltspflichten beim Ausfahren
Die Straße ist in diesem Moment kein Parkplatz, auf den Sie einfach so herausfahren können. Vielmehr müssen Sie sich in den fließenden Verkehr „einfädeln“. Der Gesetzgeber erwartet von Ihnen, dass Sie alles Notwendige tun, um niemanden zu behindern, zu gefährden oder zu schädigen. Dies ist besonders wichtig, da Ihre Sicht oft eingeschränkt ist und andere Verkehrsteilnehmer nicht damit rechnen müssen, dass plötzlich ein Fahrzeug rückwärts aus einer Ausfahrt kommt. Für Sie bedeutet das:
- Extrem langsames Fahren (Schrittgeschwindigkeit): Das Fahrzeug muss so langsam bewegt werden, dass Sie jederzeit sofort anhalten können, falls sich die Verkehrssituation ändert oder ein Hindernis auftaucht.
- Umfassende und ständige Blickkontrolle: Werfen Sie nicht nur einen kurzen Blick, sondern schauen Sie in alle Richtungen – nach vorne, hinten, zur Seite, in die Spiegel und nutzen Sie gegebenenfalls vorhandene Kamerasysteme. Achten Sie dabei besonders auf Fußgänger, Radfahrer und den fließenden Fahrzeugverkehr.
- Notfalls anhalten und sich umsehen: Wenn die Sichtverhältnisse schlecht sind oder Sie sich unsicher fühlen, halten Sie an, steigen Sie notfalls kurz aus, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.
- Sich einweisen lassen: Bitten Sie eine andere Person um Hilfe, die Sie in den Verkehr einweist und Ihnen den Weg frei macht. Das ist oft die sicherste Methode, um die Übersicht zu behalten.
- Warten, bis die Fahrbahn frei ist: Sie dürfen erst dann auf die Straße fahren, wenn Sie sicher sind, dass dadurch niemand behindert oder gefährdet wird. Das bedeutet, Sie müssen gegebenenfalls warten, bis die Straße frei ist.
- Anzeigen der Fahrtrichtung: Zeigen Sie Ihre Absicht, in den Verkehr einzufahren, durch das Setzen des Blinkers an.
Das Befahren der öffentlichen Straße aus einer Grundstücksausfahrt ist immer ein Risikomanöver, da andere Verkehrsteilnehmer in der Regel Vorrang haben. Sie tragen die volle Verantwortung dafür, dass dabei kein Unfall passiert.
Was bedeutet der Anscheinsbeweis bei einem Unfall, der beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt passiert?
Wenn Sie rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt fahren und es dabei zu einem Unfall kommt, spielt der sogenannte Anscheinsbeweis oft eine entscheidende Rolle bei der Klärung der Schuldfrage. Dieser juristische Begriff ist eine Beweiserleichterung für das Gericht. Er besagt, dass bei einem typischen Unfallhergang eine starke Vermutung für die Schuld desjenigen besteht, der rückwärts gefahren ist.
Was ist ein „typischer Unfallhergang“?
Ein typischer Unfallhergang liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn ein Fahrzeug unvorsichtig aus einer Grundstücksausfahrt rückwärts auf eine öffentliche Straße oder einen Parkplatz fährt und dabei mit einem anderen, auf der Straße oder dem Parkplatz fahrenden oder stehenden Fahrzeug kollidiert. Die allgemeine Erfahrung im Straßenverkehr lehrt, dass Rückwärtsfahrende eine besondere Sorgfaltspflicht haben. Sie müssen sicherstellen, dass sie andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden, da ihre Sicht eingeschränkt ist.
Die Vermutung der Schuld und ihre Auswirkungen
Für die Person, die rückwärts aus der Einfahrt fuhr, bedeutet der Anscheinsbeweis eine erhebliche rechtliche Herausforderung. Es wird vermutet, dass sie den Unfall verursacht hat. Das hat zur Folge, dass der Unfallgegner, also die Person im anderen Fahrzeug, kaum noch etwas beweisen muss. Es ist dann die Aufgabe des rückwärtsfahrenden Unfallbeteiligten, diese entstandene Vermutung zu widerlegen.
Wie kann der Anscheinsbeweis widerlegt werden?
Die Widerlegung des Anscheinsbeweises ist juristisch sehr anspruchsvoll. Es reicht nicht aus, nur zu behaupten, man sei vorsichtig gewesen oder der andere habe auch nicht aufgepasst. Vielmehr müsste der rückwärtsfahrende Unfallbeteiligte beweisen, dass der Unfallhergang untypisch war oder dass die andere Person einen derart gravierenden eigenen Verkehrsverstoß begangen hat, der allein für den Unfall verantwortlich ist und das eigene Rückwärtsfahren völlig unbeachtlich macht. Solche Beweise sind in der Praxis schwer zu erbringen.
Kann der andere Unfallbeteiligte eine Mitschuld tragen, auch wenn ich aus einer Grundstücksausfahrt gefahren bin?
Wenn Sie aus einer Grundstücksausfahrt, einem Parkplatz oder einem anderen nicht öffentlichen Weg auf eine öffentliche Straße fahren, müssen Sie nach § 10 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) besondere Vorsicht walten lassen. Das bedeutet, Sie müssen sicherstellen, dass Sie niemanden gefährden und den Verkehr auf der öffentlichen Straße nicht behindern. In der Regel tragen Sie als Ausfahrender die volle Verantwortung für einen Unfall, da Sie sich in den fließenden Verkehr einfädeln.
Die hohe Sorgfaltspflicht beim Ausfahren
Die Straßenverkehrs-Ordnung schreibt vor, dass jeder, der aus einem Grundstück oder von einem privaten Weg auf die Straße fährt, äußerste Vorsicht walten lassen muss. Das bedeutet praktisch, dass Sie warten müssen, bis die Straße frei ist und Sie andere Verkehrsteilnehmer nicht behindern oder gefährden. Kommt es zu einem Unfall, wird grundsätzlich angenommen, dass diese Sorgfaltspflicht nicht ausreichend beachtet wurde.
Wann eine Mitschuld des anderen Verkehrsteilnehmers möglich ist
Trotz dieser sehr strengen Regelung kann der andere Unfallbeteiligte in Ausnahmefällen eine Mitschuld tragen. Dies ist jedoch nur bei einem schwerwiegenden oder nachweisbaren Fehlverhalten des anderen Fahrers der Fall. Die bloße Anwesenheit des anderen Fahrzeugs oder die sogenannte „Betriebsgefahr“ (die Tatsache, dass von jedem fahrenden Fahrzeug eine gewisse Gefahr ausgeht) reicht hierfür in der Regel nicht aus.
Eine Mitschuld des anderen kommt zum Beispiel in Betracht, wenn dieser:
- Deutlich zu schnell gefahren ist: Eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, die nachweisbar war und ursächlich für den Unfall wurde.
- Grob unaufmerksam war: Wenn der andere Fahrer offensichtlich abgelenkt war (z.B. durch Handy-Nutzung) und deshalb nicht rechtzeitig reagieren konnte, obwohl dies bei angemessener Aufmerksamkeit möglich gewesen wäre.
- Gegen andere Verkehrsregeln verstoßen hat: Zum Beispiel bei Missachtung einer roten Ampel, einem Stoppschild oder einer durchgezogenen Linie durch den anderen Verkehrsteilnehmer, wenn dies den Unfall mitverursacht hat.
Wichtig ist, dass ein solches Fehlverhalten des anderen Verkehrsteilnehmers klar nachweisbar sein muss. Das bedeutet, es müssen Beweise wie Zeugenaussagen, Fotos, Dashcam-Aufnahmen oder ein Sachverständigengutachten vorliegen, die das grobe Fehlverhalten belegen. Ohne diesen eindeutigen Nachweis bleibt die volle Verantwortung für den Unfall meistens bei demjenigen, der aus der Grundstücksausfahrt kam.
Welche finanziellen und rechtlichen Konsequenzen können Unfälle beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt haben?
Unfälle beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt können für die beteiligten Personen weitreichende finanzielle und rechtliche Folgen haben. Dies liegt daran, dass das Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt im Straßenverkehr als besonders risikoreiches Manöver gilt und den Fahrern eine erhöhte Sorgfaltspflicht auferlegt. Für Sie als Leser ist es wichtig zu verstehen, welche Belastungen im Falle eines solchen Ereignisses auf Sie zukommen könnten und wie ein Verfahren in der Regel abläuft.
Finanzielle Konsequenzen eines Rückwärtsunfalls
Wenn ein Unfall beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt passiert, können verschiedene Kosten entstehen, die der Verursacher des Unfalls tragen muss, wenn er die volle oder überwiegende Verantwortung trägt.
- Schadensersatz: Dies ist die wichtigste finanzielle Konsequenz. Der Verursacher muss alle Schäden ersetzen, die der anderen Partei durch den Unfall entstanden sind. Dazu gehören in der Regel:
- Reparaturkosten des beschädigten Fahrzeugs oder die Kosten für ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug bei einem Totalschaden.
- Wertminderung: Der Wert des unfallbeschädigten Fahrzeugs kann auch nach einer Reparatur geringer sein als vor dem Unfall. Dieser Minderwert muss ebenfalls ersetzt werden.
- Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur oder des Wiederbeschaffungszeitraums.
- Sachverständigenkosten (Gutachterkosten): Um die Höhe des Schadens und den Unfallhergang neutral festzustellen, wird oft ein Sachverständiger beauftragt. Dessen Kosten trägt in der Regel der Unfallverursacher.
- Kosten für Abschleppen und Standzeiten: Wenn das Fahrzeug nach dem Unfall nicht mehr fahrbereit ist.
- Personenschäden: Wenn Personen verletzt wurden, können Schmerzensgeld, Heilbehandlungskosten und Verdienstausfallschäden hinzukommen.
- Anwaltskosten: Wenn es zu einem Streit über die Schuldfrage oder die Höhe des Schadens kommt und die Parteien Anwälte einschalten, entstehen Anwaltskosten. Diese richten sich nach dem Streitwert, also der Höhe des finanziellen Schadens. Der Verursacher trägt diese Kosten für beide Seiten, wenn er vollständig verantwortlich ist. Bei einer Teilschuld werden die Anwaltskosten entsprechend dem Haftungsanteil verteilt.
- Gerichtskosten: Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, weil sich die Parteien außergerichtlich nicht einigen können, fallen Gerichtskosten an. Auch diese richten sich nach dem Streitwert. Die unterliegende Partei muss in der Regel die Gerichtskosten sowie die Anwaltskosten der Gegenseite tragen.
Rechtliche Konsequenzen und der Ablauf eines Verfahrens
Die rechtlichen Konsequenzen eines solchen Unfalls drehen sich primär um die Frage der Haftung, also wer für den Schaden aufkommen muss.
- Besondere Sorgfaltspflicht: Das deutsche Verkehrsrecht, insbesondere die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), legt fest, dass beim Rückwärtsfahren eine erhöhte Sorgfaltspflicht besteht. Das bedeutet, wer rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt auf die Straße fährt, muss besonders vorsichtig sein und darf andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden. Ein sogenanntes „Heraustasten“ ist erforderlich. Der Fahrer muss sich vergewissern, dass die Fahrbahn frei ist und er andere Verkehrsteilnehmer nicht behindert oder gefährdet. Die Rechtsprechung sieht hier in der Regel eine (überwiegende) Haftung des Rückwärtsfahrenden.
- Klärung der Schuldfrage: Nach einem Unfall wird zunächst versucht, die Schuldfrage zu klären. Dies geschieht oft über die beteiligten Kfz-Versicherungen. Die Versicherungen prüfen den Unfallhergang und die jeweilige Verantwortlichkeit.
- Außergerichtliche Einigung: In vielen Fällen versuchen die Versicherungen, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Das bedeutet, sie stimmen sich über die Verteilung der Schuldanteile und die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes ab.
- Gerichtsverfahren bei Uneinigkeit: Wenn sich die Parteien oder ihre Versicherungen nicht einigen können, kann es zu einem Gerichtsverfahren kommen.
- Hierbei werden Beweismittel gesammelt, Zeugenaussagen angehört und oft Sachverständigengutachten eingeholt, um den Unfallhergang genau zu rekonstruieren.
- Das Gericht entscheidet dann, wer in welchem Umfang für den Unfall verantwortlich ist und welche finanziellen Konsequenzen sich daraus ergeben. Das Urteil legt fest, wer welche Kosten tragen muss.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Verantwortlichkeit für den Unfall entscheidend ist. Wer die volle oder überwiegende Verantwortung trägt, muss in der Regel auch die meisten oder alle genannten finanziellen Lasten tragen. Bei einer sogenannten Teilschuld werden die Kosten entsprechend der jeweiligen Verantwortungsanteile verteilt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Schadensersatz
Schadensersatz ist der finanzielle Ausgleich, den eine Person leisten muss, wenn sie einem anderen durch ein schuldhaftes Verhalten einen Schaden zufügt. Im Verkehrsrecht regelt etwa das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB, insbesondere §§ 823 ff.) und das Straßenverkehrsgesetz (StVG), wann und wie Schadensersatz zu zahlen ist. Ziel ist es, den Geschädigten so zu stellen, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Beispiel: Wenn jemand beim Rückwärtsfahren ein anderes Auto beschädigt, muss er in der Regel die Reparaturkosten bezahlen.
Anscheinsbeweis
Der Anscheinsbeweis ist eine juristische Vermutung, die das Gericht bei typischen Unfallkonstellationen zugunsten einer Partei ausspricht. Das bedeutet, das Gericht geht zunächst davon aus, dass ein bestimmter Fehler vorliegt, etwa dass der Rückwärtsfahrende den Verkehr nicht ausreichend beobachtet hat. Wer sich im Anscheinsbeweisverfahren belastet sieht, muss diesen Vermutungsbeweis widerlegen, also beweisen, dass der Unfall anders entstanden ist. Beispiel: Kommt es beim Rückwärtsfahren aus einer Grundstücksausfahrt zu einer Kollision, wird vermutet, dass der Rückwärtsfahrende schuldhaft gehandelt hat.
Betriebsgefahr
Betriebsgefahr bezeichnet die allgemeine, abstrakte Gefahr, die von einem Fahrzeug im Straßenverkehr ausgeht, weil es sich bewegt oder eingesetzt wird. Diese Gefahr ist unabhängig von einem konkreten Fehler und kann grundsätzlich zu einer Haftung führen, wenn ein Unfall passiert. Im deutschen Recht wird die Betriebsgefahr jedoch oft durch Verschulden des Fahrers überlagert oder zurückgedrängt. Beispiel: Auch wenn ein korrekt fahrender Autofahrer einen Verkehrsunfall verursacht, trägt sein Fahrzeug eine Betriebsgefahr, die im Zweifel zu einer teilweisen Haftung führt.
Beweislast
Beweislast ist die Pflicht einer Partei in einem Gerichtsverfahren, bestimmte Tatsachen zu beweisen, damit ihr Anspruch oder ihre Verteidigung erfolgreich ist. Im Zivilrecht gilt grundsätzlich: Wer etwas behauptet, muss es auch beweisen (§ 286 ZPO). Beim Unfall mit Rückwärtsfahren liegt die Beweislast für das sogenannte „unabwendbare Ereignis“ bei demjenigen, der sich darauf beruft – hier also der Rückwärtsfahrende. Beispiel: Wenn Frau S. beweisen will, dass der Unfall trotz größter Sorgfalt nicht zu verhindern war, muss sie gute Beweise dafür vorlegen.
Sorgfaltspflicht (besonders beim Rückwärtsfahren)
Sorgfaltspflicht ist die gesetzlich und gerichtlich geforderte Verpflichtung, im Verkehr so vorsichtig zu handeln, dass kein anderer geschädigt oder gefährdet wird. Beim Rückwärtsfahren, insbesondere aus einer Grundstücksausfahrt, schreibt § 9 Abs. 5 StVO eine besonders hohe Sorgfaltspflicht vor: Man muss sicherstellen, dass keine Gefährdung anderer entsteht, notfalls anhalten oder sich einweisen lassen. Beispiel: Wenn jemand rückwärts aus einer Einfahrt fährt, muss er langsam fahren und den Verkehr genau beobachten, damit es nicht zu einem Unfall kommt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 17 Absatz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Regelt die Haftung bei Verkehrsunfällen unter Abwägung von Verursachungs- und Verschuldensanteilen der beteiligten Parteien. Es wird geprüft, wer welchen Anteil am Unfall trägt und entsprechend haftet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste ermitteln, in welchem Umfang Frau S. und Herr M. den Zusammenstoß verursacht bzw. verschuldet haben, um die Haftung zu bestimmen.
- § 9 Absatz 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO): Vorschrift für rückwärtsfahrende Fahrzeuge, die besagt, dass diese besondere Vorsicht walten lassen müssen und bei Gefahr gegebenenfalls eine Einweisung durch eine andere Person erforderlich ist. Bei Unfällen beim Rückwärtsfahren gilt zu Lasten des Rückwärtsfahrenden ein Anscheinsbeweis | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht nahm aufgrund des Anscheinsbeweises an, dass Frau S. durch ihr rückwärtsfahrendes Fahrzeug die Kollision verursacht hat, da sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt hatte.
- § 10 Satz 1 StVO: Regelt das Verhalten beim Einfahren von einem Grundstück auf die Straße; die Einfahrenden müssen so vorsichtig sein, dass keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entsteht. Auch hier greift der Anscheinsbeweis bei Unfällen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da Frau S. rückwärts von ihrem Grundstück auf die Straße fuhr und es zum Unfall kam, liegt hier eine vermutete Pflichtverletzung vor, die das Gericht gegen sie wertete.
- § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Schadenersatzgrundsätze: Allgemeine Vorschriften über den Schadensersatzanspruch bei unerlaubten Handlungen, der Voraussetzung ist für die Kostenerstattung nach einem Verkehrsunfall. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frau S. konnte aufgrund ihres erheblichen Verschuldens keinen Schadensersatz gegenüber Herrn M. geltend machen, da ihre Haftung den Schaden ausschloss.
- §§ 1, 3 und 6 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) in Verbindung mit dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelungen über die Pflicht zur Kfz-Haftpflichtversicherung und die direkte Inanspruchnahme der gegnerischen Versicherung im Schadensfall. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Trotz gegenteiliger Forderung von Frau S. konnte sie keine direkte Leistung aus der Versicherung von Herrn M. beanspruchen, da ihr Verschulden den Anspruch ausschloss.
Das vorliegende Urteil
LG Itzehoe – Az.: 6 O 336/17 – Urteil vom 26.07.2019
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