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Verkehrsunfall auf Baumarktgelände – Hinweispflichten eines Baumarktbetreibers

AG Rastatt – Az.: 16 C 152/12 – Urteil vom 18.12.2012

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 978,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.07.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 192,90 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.09.2012 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2,5 % und die Beklagte 97,5 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht weiteren Schadensersatz aus einem Unfall am 16.04.2012 geltend.

Die Klägerin betreibt eine Baumarktkette. Die Beklagte ist Kfz-Haftpflichtversicherer des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … .

Am 16.04.2012 fuhr der Fahrer des bei der Beklagten versicherten LKW beim Rückwärtsrangieren auf dem Marktgelände des Marktes der Klägerin in Rastatt an der Warenannahme mit dem Dach des Aufliegers gegen das Vordach des Marktgebäudes und beschädigte dieses. Das Dach ist weniger als 4 m hoch ein Hinweisschild über die Höhe besteht nicht. Auch wurde der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs nicht gewarnt.

Der Schaden beträgt unstreitig 1.956 Euro netto. Hierauf hat die Beklagte 50 % gezahlt. Weitere Zahlungen wurden mit Schreiben vom 12.07.2012 unter Berufung auf ein Mitverschulden der Klägerin verweigert.

Verkehrsunfall auf Baumarktgelände - Hinweispflichten eines Baumarktbetreibers
Symbolfoto:Von Eric Broder Van Dyke /Shutterstock.com

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor: Der Schaden sei von dem Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs allein verursacht worden. Die Beklagte sei auch zum Ersatz einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 25 Euro und der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 192,90 Euro netto verpflichtet.

Ein Mitverschulden komme nicht in Betracht, da die Klägerin keine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Vielmehr treffe den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs eine besondere Sorgfaltspflicht. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Örtlichkeit nicht für den Durchgangsverkehr geöffnet ist. Im Übrigen sei kein Anlass für den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs gewesen, rückwärts in die Gasse einzufahren. Gegebenenfalls hätte sich der Fahrereinweisen lassen müssen.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.003,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.07.2012 sowie 192,90 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe den Unfall zu 50 % mitverschuldet. Man habe den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs angewiesen, rückwärts in die Warenannahme einzufahren. Das Mitverschulden resultiere insbesondere daraus, dass am Querdach kein Hinweisschild über die niedrige Höhe installiert ist und auch keine mündliche Warnung ausgesprochen wurde. Damit habe die Klägerin ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten werden die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen in Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I.

Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung weiterer 978,00 Euro verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus § 7 StVG i. V. m. § 115 WG.

1. Die Schadensverursachung durch den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs ist unstreitig. Ein Mitverschulden der Klägerin an der Schadensverursachung nach § 9 StVG i. v. m. § 254 BGB vermag das Gericht entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend nicht zu erkennen.

a. Ein Mitverschulden folgt insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin das Dach nicht mit einem Hinweisschild über die niedrige Höhe versehen hat und auch keine mündliche Warnung ausgesprochen wurde.

Richtig ist zwar, dass bei Eröffnung einer Gefahrenquelle der Eigentümer verpflichtet ist, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Der Umfang der Verkehrssicherungspflichten im Zusammenhang mit Hindernissen im Luftraum über einer Fahrbahn hängt aber entscheidend vom Charakter der Straße ab und wird maßgebend durch Art und Ausmaß ihrer Benutzung und ihrer Verkehrsbedeutung bestimmt.

Vom Verkehrssicherungspflichtigen kann nicht verlangt werden, dass die Straße völlig gefahrlos ist; der Pflichtige muss in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den sorgfältigen Benutzer nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag (vgl. Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16.05.1995, 2 U 114/94 m. w. Nachw.).

Für die Frage, ob ein Hinweisschild oder eine mündliche Warnung wegen einer Unterschreitung der Höhe von 4 m erforderlich gewesen wäre, kommt es auf die jeweiligen Verkehrsverhältnisse vor Ort an.

Hierbei ist zunächst zu sehen, dass die Unfallörtlichkeit keine Durchgangsstraße ist, die dem allgemeinen Verkehr geöffnet ist. Es handelt sich vielmehr um eine enge Gasse auf dem Marktgelände der Klägerin, die allenfalls für den Lieferverkehr vorgesehen ist. Auf das Lichtbild As. 91 wird verwiesen.

Entschließt sich der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs, die Gasse rückwärts zu befahren, kann erwartet werden, dass er seine Aufmerksamkeit auch auf den ihm zur Verfügung stehenden Luftraum und darauf richtet, ob dieser durch in die Fahrbahn hineinragende Bauten beeinträchtigt ist (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 17.05.1994, 9 U 30/94).

Gerade das rückwärtige Fahren mit einem Sattelschlepper erfordert von dem Fahrer besondere Sorgfaltspflichten. Er muss sich zunächst vergewissern, dass rückwärtig keine Hindernisse bestehen. Bei engen oder unübersichtlichen Örtlichkeiten ist vom Fahrer zu verlangen, dass er gegebenenfalls eine Hilfsperson zur Einweisung beizieht. Ein sorgfältiger Benutzer der Liefergasse hätte sich somit vor der Fahrt über die Beschaffenheit der Örtlichkeit vergewissert und darauf eingestellt. Absicherungsmaßnahmen wie von der Beklagten dargestellt, würden die Verkehrssicherungspflicht der Klägerin überspannen.

Der Unfall war mithin vom Fahrer des Beklagtenfahrzeugs allein verschuldet.

b. Auch der bestrittene Vortrag der Beklagten, ein Mitarbeiter der Klägerin habe den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs angewiesen, rückwärts in die Gasse einzufahren, führt selbst bei unterstellter Richtigkeit dieser Behauptung nicht zu abweichenden Beurteilung der Frage des Mitverschuldens. Eine Vernehmung des Zeugen … war mithin entbehrlich.

Selbst wenn der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs tatsächlich angewiesen worden ist, rückwärts in den Ladebereich zu fahren, ergibt sich hieraus kein Mitverschulden. Es bleibt dabei, dass vom Fahrer eines Sattelschleppers zu erwarten ist, sich vor Fahrtbeginn über die Örtlichkeiten zu vergewissern, bevor er diese rückwärtig anfährt. Im Übrigen ist weder behauptet noch erwiesen, dass eine Beschädigung des Daches beim Rückwärtsfahren mit einem Fahrzeug in der Größe des Beklagtenfahrzeugs notwendigerweise eingetreten wäre, so dass selbst bei der Anweisung, rückwärts einzufahren, die Kausalität der Anweisung für die Schadensmitverursachung nicht erwiesen wäre. Ursächlich war allein das sorgfaltswidrige Verhalten des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs.

2. Aufgrund der alleinigen Haftung ist die Beklagte verpflichtet, weitere 978,00 Euro zu zahlen. Die Verzinsungspflicht folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die geltend gemachten 25,00 Euro Nebenkostenpauschale können vom Gericht dagegen nicht nachvollzogen werden. Soweit eine Schadenspauschale geltend gemacht wird, bedarf es konkreter Anhaltspunkte, welche Kosten hierdurch abgedeckt werden sollen, damit eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO möglich ist. Hieran fehlt es.

II.

Im Wege des Schadensersatzes sind auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 1.956,00 Euro erstattungsfähig. Die Verzinsungspflicht folgt aus §§ 288, 291 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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