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Kollision mit einem ohne zwingenden Grund abbremsenden Vordermann

AG Ettlingen, Az.: 3 C 337/09, Urteil vom 22.01.2010

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1916,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.02.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 173,26 EUR zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Kläger trägt 3/10, die Beklagte 7/10 der Kosten des Rechtsstreites.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

6. Der Streitwert wird auf 2723,02 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 20.12.2008 gegen 15.00 Uhr ereignete.

Kollision mit einem ohne zwingenden Grund abbremsenden Vordermann
Symbolfoto: Pixabay

Der Versicherungsnehmer der Beklagten befuhr mit seinem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug der Marke Mercedes CLK, amtliches Kennzeichen … die Landstraße … in Richtung E und wollte auf die Bundesstraße … in Richtung R abbiegen.

Bei dieser Abfahrt verfügt die L über zwei Fahrspuren sowie eine Abbiegespur. Der Versicherungsnehmer der Beklagten bemerkte die Abzweigung Richtung B spät und bremste daher.

Das hinter dem Versicherungsnehmer fahrende Fahrzeug der Zeugin B konnte durch ein Ausweichen nach links einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Versicherungsnehmers der Beklagten verhindern. Die hinter der Zeugin B fahrende Zeugin P konnte trotz eingeleiteter Bremsung einen Zusammenstoß zwischen dem klägerischen Fahrzeug der Marke Opel Corsa, amtliches Kennzeichen … und dem Fahrzeug der Gegenseite nicht verhindern. Das klägerische Fahrzeug, das in den Niederlanden zugelassen ist, kollidierte mit der rechten Frontseite mit dem linken Heck des Fahrzeuges des Versicherungsnehmers der Beklagten.

Das klägerische Fahrzeug erlitt bei der Kollision einen wirtschaftlichen Totalschaden und befand sich nicht mehr in einem verkehrssicheren Zustand. Dem Kläger ist durch den Verkehrsunfall folgender Schaden entstanden:

Fahrzeugschaden in Höhe des Wiederbeschaffungswertes von 2200 EUR abzüglich des realisierten Restwertes in Höhe von 220 EUR laut Sachverständigengutachten vom 30.12.2008 1980,00 EUR

Sachverständigenkosten 325,47 EUR

Abschleppkosten 644,87 EUR

Telefonkosten 51,20 EUR

Der Kläger ist Niederländer und befand sich auf der Durchreise in den Ski-Urlaub. Für die Anmietung eines Fahrzeuges der Fahrzeuggruppe 1 vom 20.12.2008 bis 13.01.2009 berechnete die Autovermietung L GmbH dem Kläger gemäß Rechnung vom 14.01.2009 einen Betrag in Höhe von 2914,24 EUR. Diese Kosten setzen sich wie folgt zusammen:

Mietpreis für 24 Tage 1363,94 EUR

Haftungsreduzierung pro Tag, Vollkasko zu je 20 EUR 480,00 EUR

Rückholungskosten aus Den Haag 350,00 EUR

Vermittlung außerhalb der Geschäftszeiten 75,00 EUR

Winterreifen für 24 Tage zu je 7,50 EUR 180,00 EUR

Gesamtbetrag netto 2448,94 EUR

19 % Mehrwertsteuer 465,30 EUR

Gesamtbetrag brutto 2914,24 EUR

Mit Schreiben vom 19.01.2009 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zum Ausgleich obiger Schadenspositionen bis zum 02.02.2009 auf.

Überdies wurden vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren geltend gemacht.

Gemäß Regulierungsschreiben vom 06.02.2009 zahlte die Beklagte auf die Schadenspositionen Wiederbeschaffungswert, Sachverständigenkosten, Telefonkosten und Abschleppkosten jeweils 50 %, mithin einen Gesamtbetrag in Höhe von 1500,78 EUR.

Überdies wurden vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,55 EUR zum Ausgleich gebracht.

Gemäß Abrechnungsschreiben vom 04.05.2009 regulierte die Beklagte auf die geltend gemachten Mietwagenkosten 509,32 EUR sowie die zweite Hälfte der geltend gemachten Telefonkosten in Höhe von 25,60 EUR.

Mit der vorliegenden Klage wird Schadensersatz aufgrund einer Haftungsverteilung von 80 % zu 20 % wie folgt geltend gemacht:

Gesamtschaden 5915,78 EUR abzüglich Mithaftung in Höhe von 20 % – 1183,16 EUR abzüglich vorgerichtlicher Zahlungen der Beklagten – 2035,70 EUR. Restbetrag 2696,92 EUR

Daneben werden aus einem Gegenstandswert in Höhe von 5915,78 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren wie folgt geltend gemacht:

1,3-fache Geschäftsgebühr 439,40 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 EUR

19 % Mehrwertsteuer 87,29 EUR

Gesamtbetrag 546,69 EUR abzüglich vorgerichtlichter Zahlung der Beklagten – 229,55 EUR Restbetrag 317,14 EUR

Mit Schriftsatz vom 19.10.2009 erklärte die Beklagte hilfsweise Aufrechnung in Höhe von 25,60 EUR, weil bezüglich der Schadensposition Telefonkosten eine hundertprozentige statt fünfzigprozentige Ausgleichung vorgenommen wurde.

Der Kläger trägt vor, Der Verkehrsunfall vom 20.12.2008 sei allein durch das Fahrverhalten des Versicherungsnehmers der Beklagten verursacht worden, so dass sich der Kläger ausschließlich die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges anrechnen lassen müsse. Der Versicherungsnehmer der Beklagten sei auf der rechten Fahrspur der Landstraße … plötzlich zum Stehen gekommen, weil er die Abbiegespur Richtung Bundesstraße … zu spät erkannt habe. In einem Bereich, in dem bezüglich der Abfahrt Richtung Bundesstraße … eine durchgezogene weiße Linie markiert sei, sei der Versicherungsnehmer der Beklagten stehen geblieben, um sich dennoch Richtung B einzuordnen.

Da der Kläger sich auf der Durchreise in den Ski-Urlaub befunden habe und nicht deutschsprachig sei, habe er sich in einer Notsituation befunden, so dass er ohne die Überprüfung von Alternativangeboten berechtigt gewesen sei, bei der Firma Autovermietung … einen Ersatzwagen anzumieten. Die Mietwagenkosten in Höhe von 2914,24 EUR seien auch notwendig gewesen, insbesondere sei der Kläger zur Vereinbarung einer Haftungsreduzierung in Form der Vollkaskoversicherung berechtigt gewesen und zur Anmietung eines Fahrzeuges mit Winterreifen. Für die Rückholung des Fahrzeuges aus Den Haag seien überdies erhöhte Zustellungskosten entstanden. Neben der vorliegenden Eilsituation habe die Beklagte die Mietwagenkosten auch zu erstatten, weil ein Zuschlag in Höhe von 20 % für stets anfallende unfallbedingte Zusatzleistungen der Autovermietung gerechtfertigt sei. Eine Anmietung für 24 Tage sei gerechtfertigt gewesen, weil das Unfallfahrzeug erst am 24.12.2008 habe besichtigt werden können, die schriftliche Erstellung des Gutachtens erst am 30.12.2008 erfolgt sei, so dass der Kläger das Gutachten frühestens am 31.12.2008 zur Kenntnis nehmen konnte. Erst zu diesem Zeitpunkt habe die sachverständlich kalkulierte Wiederbeschaffungszeit von 2 Wochen zu laufen begonnen, so dass eine Rückgabe des Mietfahrzeuges am 13.01.2009 nicht verspätet gewesen sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2696,92 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2009 zu zahlen,

die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 317,14 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Verkehrsunfall vom 20.12.2008 sei mit einer Haftungsquote von 50 zu 50 auszugleichen. Der Versicherungsnehmer der Beklagten habe zwar gebremst, weil er die Abzweigung Richtung B nicht gesehen habe, daraufhin habe er unter Setzung des rechten Blinkers versucht, sich einzufädeln. Dabei sei er mit geringer Geschwindigkeit noch gefahren. Der Verkehrsunfall sei aber auch dadurch verursacht worden, dass die Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges unachtsam gewesen sei und nicht mehr habe ausweichen können.

Daher sei dem Kläger 50 % des ihm entstandenen Schadens zu regulieren.

Bezüglich der geltend gemachten Mietwagenkosten müsse bereits bestritten werden, dass überhaupt ein Mietvertrag durch den Kläger beschlossen wurde. Überdies sei eine Anmietung über 24 Tage nicht angemessen. Die Aktivlegitimation des Klägers müsse überdies bestritten werden, weil er eine Abtretungserklärung bei der Autovermietung unterschrieben habe. Die Höhe der Mietwagenkosten könne überdies nicht auf Grundlage des Schwacke-Automietpreisspiegels ermittelt werden. Dies sei keine geeignete Schätzungsgrundlage. Da das Fahrzeug des Klägers nicht vollkaskoversichert gewesen sei, könne der Kläger höchstens die Hälfte der Haftungsfreistellung verlangen. Ein Ausgleich für Winterreifen sei nicht zu gewähren. Aufgrund des Alters des klägerischen Fahrzeuges (10. Zulassungsjahr) sei von einer ersparten Eigenaufwendung in Höhe von 15 % auszugehen. Da sich der Kläger nicht um billigere Angebote gekümmert habe, habe er auch gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Ein pauschaler Zuschlag für unfallbedingte Sonderaufwendungen des Autovermietungsunternehmens sei nicht zu gewähren. Da bereits bei dem Verkehrsunfall festgestanden habe, dass ein Totalschaden vorliege, sei eine Anmietung auch für maximal für 15 Tage gerechtfertigt.

Bezüglich des Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …, … und …. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.12.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat gemäß § 115 VVG neue Fassung in Verbindung mit § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 4 StVO in Verbindung mit §§ 249 ff. BGB gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 20.12.2008 in Höhe von 1933,75 EUR. Dieser Anspruch ist nach §§ 389 BGB in Verbindung mit § 812 BGB in Höhe von 17,07 EUR durch hilfsweise Aufrechnung erloschen. Es besteht ein Restanspruch in Höhe von 1916,68 EUR.

Der streitige Verkehrsunfall wurde beim Betrieb eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges verursacht, woraus sich für die Beklagte die Haftung aus § 115 VVG in Verbindung mit § 7, 17 StVG ergibt.

Da der Schaden am klägerischen Fahrzeug beim Betrieb mehrerer Fahrzeuge verursacht wurde, hängt nach § 17 Abs. 2 StVG im Verhältnis der Prozessparteien zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend durch die Führerin des klägerischen Fahrzeuges oder durch den Versicherungsnehmer der Beklagten verursacht wurde.

Für das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses gemäß § 17 Abs. 3 StVG wurden von keiner der Parteien ausreichende Angaben gemacht. Nach der nunmehr erforderlich werdenden Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 2 StVG gelang das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerseite 2/3 ihres Schadens von der Beklagtenseite ersetzt erhält. Zu diesem Ergebnis gelangt das Gericht aufgrund folgender Überlegungen:

Die von den Unfallbeteiligten Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren schätzt das Gericht in etwa gleich hoch ein.

Die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Versicherungsnehmers der Beklagten wird aber durch dessen Fehlverhalten auf 2/3 erhöht, die Betriebsgefahr des klägerischen PKW wird durch das Fehlverhalten der Führerin des klägerischen PKW auf 1/3 erhöht.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Verkehrsunfall vom 20.12.2008 sich so ereignete, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten sich auf der linken Fahrspur der Landstraße … befand, als er die Ausfahrt zur Bundesstraße … verpasste. Daraufhin bremste der Versicherungsnehmer der Beklagten stark ab und kam zum Stehen, um sich nach Richtung Abbiegung orientieren zu können. Hierbei kam er zwischen der linken und der rechten Fahrspur zum Stehen, so dass das direkt hinter ihm fahrende Fahrzeug der Zeugin … gerade so links an dem Fahrzeug des Versicherungsnehmers der Beklagten vorbeifahren konnte. Das durch die Zeugin … geführte klägerische Fahrzeug konnte nicht mehr ausweichen und kollidierte mit der rechten vorderen Seite am linken Heck des Fahrzeuges des Versicherungsnehmers der Beklagten. Diese Überzeugung stützt das Gericht auf die glaubhaften Angaben der Zeugen … und …. Insbesondere die Zeugin … konnte den Unfallhergang als Fahrerin des klägerischen Fahrzeuges detailliert schildern. Ihre Angaben zur Unfallörtlichkeit waren sehr genau, sie konnte darstellen, dass der Mercedes des Versicherungsnehmers des Beklagten noch zu 2/3 auf der linken Spur war, als es zur Kollision kam. Trotz des Näheverhältnisses, das die Zeugin … zu dem Kläger hat, ist das Gericht aufgrund des persönlichen Eindruckes von der Glaubwürdigkeit der Zeugin überzeugt. Hierbei wird auch nicht deren Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreites verkannt. Insbesondere stimmen die Angaben der Zeugin … zur Unfallörtlichkeit mit den Angaben der Zeugin … überein. Diese fuhr direkt hinter dem Versicherungsnehmer der Beklagten und macht ebenfalls die Angabe, dass der Mercedes schräg auf der linken Spur, zur rechten Fahrspur hinüber zum Stehen gekommen sei. Die Zeugin … ist eine unabhängige Zeugin, aufgrund dieser Tatsache und aufgrund des persönlichen Eindruckes von der Zeugin ist das Gericht auch von deren Glaubwürdigkeit überzeugt. Nicht zuletzt räumt auch der Zeuge … als unmittelbarer Unfallbeteiligter ein, die Abfahrt zu spät gesehen und deshalb stark gebremst zu haben. Seine Angaben, der Unfall habe sich auf der rechten Fahrspur ereignet, vermag an der Überzeugung des Gerichtes nichts zu ändern. Denn der Zeuge … hatte entgegen den Zeuginnen … und … keine genaue Erinnerung mehr bezüglich der Details des Verkehrsunfalles. So konnte er nicht angeben, ob er zum Zeitpunkt der Kollision gestanden hatte oder langsam gefahren war.

Aufgrund dieses Unfallherganges ist dem Versicherungsnehmer der Beklagten ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO anzulasten. Er durfte auf der L nicht ohne zwingenden Grund stark abbremsen. Auf der Überholspur war für die Zeugin … nicht damit zu rechnen, dass aufgrund der Abbiegespur Richtung Bundesstraße … ein Fahrzeug zum Stillstand gebracht werden würde. Der Zeugin … ist aber anzulasten, dass sie entgegen § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht ausreichenden Abstand zu dem vor ihr fahrenden Fahrzeug hielt, um ihr Fahrzeug zum Stillstand zu bringen, wenn plötzlich gebremst wird. Daher ist von einer Haftungsquote von 1/3 zu Lasten des Klägers und 2/3 zu Lasten der Beklagten auszugehen. Das Verschulden des Versicherungsnehmers der Beklagten wiegt hier schwerer als das der Führerin des klägerischen Fahrzeuges, weil sich der Verkehrsunfall auf der Überholspur bzw. zwischen rechter und linker Fahrspur ereignet, wo eine Verzögerung des Verkehrsflusses wegen des Abbiegens Richtung Bundesstraße … nicht verkehrstypisch ist.

Die Beklagte hat daher 2/3 des nach § 249 BGB entstandenen Schadens wie folgt zu ersetzen:

Fahrzeugschaden 1320,00 EUR

Sachverständigenkosten 216,98 EUR

Abschleppkosten 429,91 EUR

Mietwagenkosten 1942,83 EUR

Telefonkosten 34,13 EUR

Gesamtbetrag 3943,85 EUR

Bezüglich der entstandenen Mietwagenkosten ist auszuführen, dass die Beklagte nach § 115 VG in Verbindung mit § 7 StVG in Verbindung mit § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nur diejenigen Mietwagenkosten als Herstellungsaufwand zu ersetzen hat, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der konkreten Lage zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH, Senatsurteil vom 09.05.2006, Aktenzeichen VI ZR 117/05).

Daraus sind grundsätzlich die Mietwagenkosten zu ersetzen, die sich im Rahmen des Normaltarifes bewegen. Dieser Normaltarif wird seitens des Gerichtes durch eine Schätzung nach § 287 ZPO unter Zugrundelegung des Schwacke-Automietpreisspiegels aus dem Jahre 2008 ermittelt.

Hierbei ergibt sich für die 24-tägige Anmietung eines Ersatzwagens der Preiskategorie 1 im Postleitzahlengebiet …, dem Gebiet der Anmietung, folgende Rechnung:

3-fache Wochenpauschale im arithmetischen Mittel zu je 385,38 EUR 1156,14 EUR

3-Tages-Pauschale im Modus 195,00 EUR

Zwischenbetrag 1351,14 EUR

abzüglich 5 % ersparter Eigenaufwendungen 67,56 EUR

Zwischenergebnis 1283,58 EUR

Hinzu treten die Kosten für die Haftungsfreistellung, die sich wie folgt nach § 287 ZPO aufgrund des Schwacke-Automietpreisspiegels (Nebenkostentabelle) schätzen lassen:

3-fache Wochenpauschale zu je 108,00 EUR 324,00 EUR

3-Tages-Pauschale im Modus 54,00 EUR

Gesamtbetrag Haftungsfreistellung 378,00 EUR

Hinzutreten die Kosten für Winterreifen in Höhe von 15,00 EUR pro Tag 360,00 EUR

Bezüglich der Kosten für Winterreifen ist zu beachten, dass diese gemäß der Autovermietung mit 214,20 EUR brutto berücksichtigt werden. Auf diesen Betrag ist der auszugleichende Betrag für die Winterreifen zu deckeln. Statt 360,00 EUR können hiermit 214,20 EUR geltend gemacht werden.

Hinzu treten die Kosten für Abholung und Zustellung in Höhe von je 25,00 EUR 50,00 EUR

Soweit für die Rückholung aus Den Haag höhere Kosten geltend gemacht werden, wurden diese nicht substantiiert aufgeschlüsselt und nachvollziehbar dargelegt, so dass es bei dem Pauschalbetrag im Rahmen der Nebenkostentabelle des Schwacke-Automietpreisspiegels zu verbleiben hatte.

Die im Rahmen des Normaltarifes zu ersetzenden Mietwagenkosten belaufen sich daher auf:

Mietwagenkosten abzüglich ersparter Eigenaufwendungen 1283,58 EUR

Nebst Kosten der Haftungsfreistellung 378,00 EUR

Nebst Kosten für Winterreifen 214,20 EUR

Nebst Abholungs- und Zustellungskosten 50,00 EUR

Gesamtbetrag 1925,78 EUR

Soweit die Beklagte sich gegen die Heranziehung des Schwacke-Automietpreisspiegels für die Bestimmung des ortsüblichen Normaltarifes als geeignete Schätzungsgrundlage im Rahmen des § 287 ZPO ausspricht, kann dem nicht gefolgt werden. Der Bundesgerichtshof hat eine Schätzung auf dieser Grundlage wiederholt ausdrücklich gebilligt (BGH NJW 2009, Seite 58). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Versicherungsrecht 2008, Seite 92) sowie der Berufungskammer des Landgerichts Karlsruhe (Urteil des Landgerichtes Karlsruhe vom 28.01.2009, Aktenzeichen 1 S 135/08).

Das Gericht hält den als alternative Schätzgrundlage eingeführten Marktpreisspiegels des Fraunhoferinstitutes nicht für eine vorzugswürdige Schätzgrundlage. Denn gegenüber dem Marktpreisspiegel des Fraunhoferinstitutes bestehen vor allem dahingehend Bedenken, dass Angebote von Mietwagenunternehmen berücksichtigt wurden, die nur über das Internet buchbar sind. Auf Angebote aus einem Sondermarkt wie dem Internet muss sich ein Geschädigter aber nicht verweisen lassen. Regelmäßig ist nämlich für eine solche Buchung die Preisgabe der eigenen Kreditkarten erforderlich. Dies ist mit erheblichen Risiken verbunden. Im Übrigen wurden die Schätzgrundlagen für den Marktpreisspiegel des Fraunhoferinstitutes telefonisch erhoben. Diese Datenerhebung ist nicht hinreichend ortsnah, denn die per Telefon erhobenen Daten beziehen sich auf einstellige Postleitzahlengebiete. Die Ermittlung für die ortsüblichen Mietwagenpreise im Sinn des § 249 BGB ist aber am Preisniveau des Ortes der Fahrzeuganmietung zu orientieren (BGH NJW 2008, Seite 1915).

Soweit die Beklagte die Reduzierung des Betrages angemessener Mietwagenkosten für ersparte Eigenaufwendungen auf 15 % beziffert, kann dem nicht gefolgt werden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Landgerichts Karlsruhe für ersparte Eigenaufwendungen einen Abschlag von in Höhe von 5 % vorzunehmen (Urteil des Landgerichtes Karlsruhe vom 22.02.2008, Aktenzeichen 9 S 418/07).

Dem Geschädigten kann im Rahmen des § 249 Abs. 2 Abs. 1 BGB nicht zugemutet werden, ein Ersatzfahrzeug ohne Haftungsfreistellung anzumieten. Dies gilt unabhängig davon, ob das beschädigte Fahrzeug vollkaskoversichert war.

Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die Anmietung für 24 Tage angemessen war. Der Verkehrsunfall ereignete sich am 20.12.2008. Wie sich aus dem vorgelegten Sachverständigengutachten ergibt, erfolgte die Begutachtung am 24.12.2008, wobei das schriftliche Sachverständigengutachten am 30.12.2008 gefertigt wurde. Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass der Kläger erst im Jahr 2009 von dem Inhalt des Gutachtens Kenntnis nehmen konnte. Durch Vorlage der entsprechenden Zulassungsunterlagen, (Aktenseite 465 der Gerichtsakte), hat der Kläger auch nachgewiesen, am 17.03.2009 ein Ersatzfahrzeug auf seinen Namen zugelassen zu haben. Den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 13.01.2009 für die Wiederbeschaffung eines Fahrzeuges zu nutzen war angemessen. Der Kläger hatte daher das Recht, ein Ersatzfahrzeug bis zum 13.01.2009 anzumieten.

Der Vorlage des Mietwagenvertrages bedurfte es im hiesigen Verfahren nicht. Denn es wurde nicht bestritten, dass tatsächlich ein Mietfahrzeug genutzt wurde.

Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind die Mietwagenkosten über den dargelegten Normaltarif hinaus zu erstatten, soweit dies im konkreten Einzelfall objektiv oder subjektiv erforderlich ist. Hierbei ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Im konkreten Fall befand sich der niederländische Kläger, der die deutsche Sprache nicht perfekt beherrscht, auf der Durchreise in den Ski-Urlaub. Sein Fahrzeug war nicht mehr verkehrssicher, so das er sofort ein Ersatzfahrzeug benötigte. Es handelte sich daher nach Auffassung des Gerichtes um eine Eil- und Notsituation, so dass die über den Normaltarif hinaus entstandenen Mietwagenkosten als subjektiv erforderliche Kosten im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB einzustufen sind. Vor diesem Hintergrund war dem Kläger nicht zuzumuten, Ersatzangebote einzuholen.

Der Anspruch des Klägers in Höhe von 3943,85 EUR ist in Höhe von 2010,10 EUR nach § 362 Abs. 1 BGB durch vorgerichtliche Zahlung der Beklagten erloschen. In Höhe von 17,07 EUR ist der Anspruch nach § 389 BGB in Verbindung mit § 812 BGB durch hilfsweise Aufrechnung der Beklagten hinsichtlich der Telefonkosten erloschen. Die Zahlungen in Höhe von 2010,10 EUR erfolgten auf die Positionen Fahrzeugschaden, Abschleppkosten, Sachverständigengebühren und Mietwagenkosten. Soweit die Telefonkosten in Höhe von 51,20 EUR zu 100 % ausgeglichen wurden, bestand hierfür nur in Höhe von 34,13 EUR entsprechend einer Haftungsquote von 2/3 ein Rechtsgrund. Der Differenzbetrag in Höhe von 17,07 EUR wurde ohne Rechtsgrund geleistet und ist daher im Rahmen der hilfsweisen Aufrechnung zu berücksichtigen.

Zu Gunsten des Klägers besteht ein Restschadensersatzanspruch in Höhe von 1916,68 EUR.

Nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB ist dieser Betrag seit dem 03.02.2009 mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. Mit Schreiben vom 19.01.2009 wurde die Beklagte erfolglos aufgefordert, die Schadensposition bis zum 02.02.2009 auszugleichen, so dass sich diese ab dem 03.02.2009 in Verzug befand. Als Verzugsschaden sind auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert in Höhe von 3943,85 EUR zu ersetzen. Diese errechnen sich wie folgt:

1,3-fache Geschäftsgebühr 318,40 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 EUR

Gesamtbetrag netto 338,50 EUR

Gesamtbetrag brutto 402,81 EUR

abzüglich vorgerichtlich gezahlter 229,55 EUR

Restbetrag 173,26 EUR

II.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 92 Abs. 1 ZPO.

III.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 709 Satz 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert wurde entsprechend der Höhe der Hauptforderung festgesetzt. Dieser erhöhte sich gemäß § 45 Abs. 3 GKG um den Betrag der hilfsweisen Aufrechnung, der 26,10 EUR betrug. Der Gesamtstreitwert beträgt daher 2723,02 EUR (2696,92 EUR plus 26,10 EUR).

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