LG Trier, Az.: 6 O 60/13, Urteil vom 12.06.2013
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2012 sowie weitere 186,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 09.03.2013 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 73% und die Beklagten als Gesamtschuldner 27% zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld aus einem Unfallereignis.
Am 08.10.2009 befuhr die Klägerin mit überhöhter Geschwindigkeit die vorfahrtsberechtigte Straße vom Filscherhäuschen in Richtung …, Der Fahrer des LKWs mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halterin die Beklagte zu 1) war und der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, kam von rechts aus einer Grundstückseinfahrt und wollte auf die Hauptstraße auffahren. Hierbei kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge.
Nach gerichtlicher Geltendmachung der materiellen Schadensersatzansprüche erklärte die Beklagte zu 2), sämtliche weiteren materiellen und immateriellen unfallbedingten Schäden aus dem Unfallereignis vom 08.10.2009 unter Zugrundelegung der im Verfahren LG Trier, Az. 2 O 31/10, ausgeurteilten Haftungsquote von 50% auszugleichen (Bl. 1 des Anlagenheftes.)
Aufgrund des Verkehrsunfalls war die Klägerin vom 08.10.2009 bis 19.10.2009 in stationärer Behandlung im Brüderkrankenhaus in …. Bei der Klägerin wurde u.a. eine offene Bursaverletzung im Bereich des rechten Kniegelenks festgestellt, die zur Entfernung des Schleimbeutels aus dem rechten Kniegelenk führte. Zudem wurde eine isolierte Innenknöchelfraktur diagnostiziert, die mittels zweier Lochschrauben operativ versorgt wurde.
Laut fachchirurgischem Unfallgutachten bestehen folgende dauerhafte Funktionsbeeinträchtigungen: Muskelminderung im Bereich des linken Oberschenkels von 1 cm, Narbenbildung über dem linken Innenknöchel in einer Gesamtlänge von 5 cm, belastungsabhängige Schmerzen im angrenzenden linken Sprunggelenk, präpatellare Narbenbildung nach offener Bursektomie rechtes Kniegelenk, radiologische Veränderungen bei in achs- und gelenkgerechter Stellung konsolidierter Innenknöchelfraktur links. Zudem wurde eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10% festgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. med. … vom 18.04.2012, Bl. 3ff. des Anlagenheftes, verwiesen.
Die Klägerin leidet u.a. unter morgendlichen Anlaufproblemen im linken Sprunggelenk und unter Schmerzen bei längerem Stehen, verspürt Schmerzen beim Treppensteigen, Autofahren und bei Temperaturwechsel im linken Fußknöchel und rechten Kniegelenk. Auch kann sie Sportarten wie Joggen und Schwimmen nur noch bedingt ausüben.
Mit Schreiben vom 14.11.2012 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte zu 2) unter Fristsetzung bis zum 28.11.2012 auf, Schmerzensgeld in Höhe von 26.000 €zu zahlen (Bl. 41 des Anlagenheftes). Mit Schreiben vom 30.11.2012 erklärte die Beklagte zu 2), der auf eine volle Eintrittspflicht bezogenen Schmerzensgeldanspruch beziffere sich auf 9.000,00 €.
Unter Zugrundelegung der Mithaftungsquote von 50% zahlte die Beklagte zu 2) daher einen Betrag in Höhe von 4.500,00 € auf das Schmerzensgeld.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 10.000 € zu. Die Mitverschuldensquote sei nur ein Bemessungsfaktor von vielen anderen. Es seien daher lediglich Abschläge vom vollen Schmerzensgeld vorzunehmen, die jedoch keinesfalls die mathematische Quote erreichen dürften
Die Klägerin beantragt, die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen genaue Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 10.000 € abzüglich bereits gezahlter 4.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.112012, sowie 549,69 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, unter Berücksichtigung der Haftungsquote der Klägerin sei ein Schmerzensgeld in der bereits gezahlten Höhe von 4.500,00 € angemessen. Als markante Verletzungen seien die Schleimbeutelentfernung im rechten Kniegelenk und die isolierte Innenknöchelfraktur zu nennen. Andere Gerichte hätten bei solchen Verletzungen Schmerzensgelder in der beklagtenseits veranschlagten Höhe zugesprochen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, aber nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe begründet.
1.
a)
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von weiteren 1.500,00 € aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 bis 3 StVG i.V.m. 115 VVG, 249, 253 Abs. 2 BGB zu.
Die Klägerin zog sich durch den Unfall vom 08.10.2009 u.a. eine offene Bursaverletzung im Bereich des rechten Kniegelenks, die zur Entfernung des Schleimbeutels aus dem rechten Kniegelenk führte, sowie eine isolierte Innenknöchelfraktur, die mittels zweier Lochschrauben operativ versorgt wurde, zu.
Laut fachchirurgischem Unfallgutachten vom 18.04.2012 liegt mittlerweile ein auf unfallchirurgischem Fachgebiet definitiv ausbehandelter Endzustand vor. Von Seiten des rechten Kniegelenks bestehen keinerlei Kompromittierungen der Funktion mehr. Ausweislich der Röntgenverlaufsevaluierung des linken Sprunggelenks ist auch dort eine stabil in achs- und gelenkgerechter Stellung ausgeheilte ehemalige Innenknöchelfraktur festzustellen. Eine posttraumatische unfallbedingte Arthrose ist nicht eingetreten, so dass auch im weiteren Verlauf nicht mehr mit posttraumatischen Aufbrauchschäden zu rechnen ist.
Gleichwohl besteht eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit zu 10%, daneben eine Muskelminderung im Bereich des linken Oberschenkels von 1 cm, eine Narbenbildung über dem linken Innenknöchel in einer Gesamtlänge von 5 cm, belastungsabhängige Schmerzen im angrenzenden linken Sprunggelenk, präpatellare Narbenbildung nach offener Bursektomie rechtes Kniegelenk, radiologische Veränderungen bei in achs- und gelenkgerechter Stellung konsolidierter Innenknöchelfraktur links. V.a. die belastungsabhängigen Schmerzen im linken Sprunggelenk führen dazu, dass die Klägerin Sportarten wie Schwimmen oder Joggen nur noch bedingt ausüben kann.
Unter Berücksichtigung dieser Verletzungen bzw. dauerhaften Beeinträchtigungen hält das Gericht einen Gesamtschmerzensgeldbetrag von 6.000,00 € für angemessen, aber auch ausreichend.
In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung Schmerzensgeldbeträge in der Größenordnung von 7.000 bis 10.000 € für angemessen gehalten (vgl. die von Beklagtenseite aus der Tabelle Hacks-Wellner-Häcker vorgelegten Auszüge: die zitierten Entscheidungen betreffen in der Regel sogar schwerwiegendere Folgeschäden, wie die hier glücklicherweise nicht vorliegende posttraumatische Arthrose).
Die Klägerin muss sich allerdings einen Mitverursachungsbeitrag bezüglich der Verletzungen anrechnen lassen. Die Schäden der Klägerin sind auch dadurch bedingt, dass sie mit einer Geschwindigkeit, die nach Angaben des Sachverständigen mindestens 30% über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gelegen hat, gefahren ist. Bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit hätte die Klägerin den Unfall vermeiden können. Aus diesem Grund kann der Mitverursachungsbeitrag der Klägerin an ihren Verletzungen hier nicht zurücktreten. Dies kann in Ausnahmefällen bei einem überragenden Versagen des Unfallgegners der Fall sein. Für eine solche Ausnahme ist aber kein Raum, wenn gerade das Verhalten der Geschädigten den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maß wahrscheinlich gemacht hat.
Wie die Klägerin zu Recht ausführt, ist das angemessene Schmerzensgeldbetrag durch eine Gesamtabwägung zu ermitteln und kann nicht schematisch nach Verursachungsquoten gekürzt werden. Der im Vorprozess für angemessen gehaltene Verursachungsbeitrag von 50% muss sich schon deshalb nicht in gleichem Umfang auf das Schmerzensgeld mindernd auswirken, weil das Schmerzensgeld auch eine Genugtuungsfunktion hat.
Im vorliegenden Fall hält das Gericht daher bei Abwägung aller Umstände und unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle in der Rechtsprechung ein Schmerzensgeld von insgesamt 6.000,00 € für angemessen, von dem die Beklagte zu 2) außergerichtlich bereits 4.500,00 € gezahlt hat. Es sind deshalb noch weitere 1.500,00 € zu bezahlen.
b)
Die Zinsentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 ZPO. Mit Schreiben vom 30.11.2012 erklärte die Beklagte, Schmerzensgeld lediglich in Höhe von 4.500,00 € zu zahlen und lehnte darüber hinausgehende Ansprüche ab. Ein vorheriger Verzugseintritt ist nicht gegeben; insbesondere kann die Klägerin aus ihrer Mahnung keine Rechte herleiten, da sie eine weit übersetzte Forderung in Höhe von 26.000,00 € geltend machte.
Der weitere Zinsverlauf ist von Klägerseite nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wann die Beklagte zu 2) die 4.500,00 € zahlte. Eine entsprechende Tenorierung kam daher nicht in Betracht.
2.
Der Klägerin steht zudem ein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 €, bezogen auf den ihr zustehenden Anspruch von 1.500,00 €, zu (1,3 Geschäftsgebühr: 136,50 € + 20,00 € Pauschale + 29,74 € Mehrwertsteuer).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 709 bzw. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.500,00 € festgesetzt.