AG Bad Segeberg – Az.: 9 C 350/12 – Urteil vom 30.11.2012
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 85,32 € festgesetzt.
Tatbestand
Unter Verzicht auf einen Tatbestand gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, § 115 VVG i.V. mit § 398 Satz 1 BGB kein Anspruch auf Erstattung der Kosten seines am 06.02.2012 erstellten Ergänzungsgutachtens in Höhe von 85,32 € aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 05.12.2011 zu.
Die unstreitig erfolgte Abtretung des Anspruchs an den Kläger ist allerdings wirksam, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt, da sie sich ausdrücklich auf die Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrages der Rechnung des Sachverständigen beschränkt (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2011 – VI ZR 260/10, NJW 2011, 2713 f.).
Die Klage ist jedoch unbegründet, weil dem Zedenten ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht zusteht. Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten nicht daraus, dass die Kosten für das Ergänzungsgutachten vom 06.02.2012 neben den bereits mit Schreiben vom 16.12.2011 in Rechnung gestellten Kosten für das Schadensgutachten vom 16.12.2011 nicht gesondert geltend gemacht werden können, sondern mit diesem bereits abgegolten sind. Dies wäre nur dann zutreffend, wenn das Schadensgutachten des Klägers vom 16.12.2011 mangelhaft gewesen wäre und daher der Kläger die Kosten der (vergeblichen) Nachbesserung gemäß § 635 Abs. 2 BGB zu tragen hätte. Dass das Schadensgutachten mangelhaft i.S. des § 633 BGB ist, hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargetan.
Jedoch steht dem Kläger ein Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht nicht zu, weil die Kosten für das von dem Zedenten in Auftrag gegebene Ergänzungsgutachten vom 06.02.2012 nicht gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB von der Beklagten zu erstatten sind. Der Schädiger hat die Kosten eines von dem Geschädigten zur Schadensfeststellung eingeholten Sachverständigengutachtens zu ersetzen, soweit dieses aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03, NJW 2005, 356 f.; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 396). Da die Begutachtung in der Regel Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1988 – X ZR 112/87, NJW 1989, 953, 956), hat der Schädiger die Kosten für ein von dem Geschädigten in Auftrag gegebenes Schadensgutachten regelmäßig zu erstatten und zwar selbst dann, wenn der Schädiger selbst einen Gutachter beauftragt hat (vgl. hierzu eingehend AG Oldenburg (Holstein), Urt. v. 22.04.2008 – 22 C 1021/07, juris m.w.Nachw.).
Ob der Schädiger auch verpflichtet ist, die Kosten eines von dem Geschädigten in Auftrag gegebenen Ergänzungs- oder Nachtragsgutachtens zu tragen, insbesondere wenn der Schädiger ein Gegengutachten in Auftrag gegeben hat, das den Feststellungen des von dem Geschädigten beauftragten Gutachters widerspricht, hängt nach dem Gesagten davon ab, ob der Geschädigte die Beauftragung seines Gutachters mit der Erstellung eines Ergänzungs- oder Nachtragsgutachtens im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für erforderlich halten durfte. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilen (zu pauschal daher AG Nürnberg, Urt. v. 02.05.2008 – 34 C 1589/08, SP 2008, 306; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 401).
Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass das Privatgutachten einer Partei im Zivilprozess lediglich als Parteivortrag zu werten ist und die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht ersetzen könne, greift dies allerdings zu kurz, weil dieser Aspekt erst zum Tragen kommt, wenn zwischen den Parteien entweder bereits ein Rechtsstreit anhängig ist, der Geschädigte sich bereits für eine konkrete Art der Schadensbehebung entschieden hat (vgl. LG Saarbrücken, Urt. v. 22.06.2012 – 13 S 37/12) oder für den Geschädigten ohne weiteres erkennbar ist, dass sich ein Streit der Parteien ohne die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht wird klären lassen (vgl. AG Köln, Urt. v. 01.11.2012 – 265 C 35/11, SP 2012, 159; zur Erstellung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens durch den Geschädigten s. OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.11.1997 – 3 U 932/96, ZfSch 1998, 294 f.). Da all dies vorliegend nicht der Fall gewesen ist, ist unerheblich, dass das Ergänzungsgutachten – wie jedes andere Privatgutachten auch – im Zivilprozess eine Beweiserhebung grundsätzlich nicht entbehrlich gemacht hätte. Dass die Beklagte unter Vorlage ihres Gegengutachtens erklärt hat, sie werde in keinem Fall eine weitergehende Zahlung an den Zedenten erbringen, weshalb für den Zedenten erkennbar eine erfolgversprechende Geltendmachung weitergehender Ansprüche nur durch eine gerichtliche Inanspruchnahme der Beklagte möglich gewesen ist, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Kosten für das Ergänzungsgutachten deshalb nicht erstattungsfähig seien, weil dieses sich ausschließlich mit rechtlichen Gesichtspunkten auseinandersetze (so auch AG Iserlohn, Urt. v. 28.06.2011 – 44 C 17/11, SP 2011, 409 f.), vermag das Gericht dem in dieser Allgemeinheit ebenfalls nicht zu folgen. Wie bereits dargelegt, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die Kosten für ein Ergänzungsgutachten erstattungsfähig sind maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beauftragung durch den Geschädigten an. Schon aus diesem Grund kann nicht allein auf den Inhalt des erst danach erstellten Ergänzungsgutachtens abgestellt werden. Allenfalls kann der Inhalt des Ergänzungsgutachtens ein Indiz dafür sein, dass es an der Erforderlichkeit fehlt, wenn dies aufgrund der bereits im Zeitpunkt der Beauftragung gegebenen Umstände für den Geschädigten erkennbar gewesen ist.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kann die Einholung eines Ergänzungsgutachten durch den Geschädigten aufgrund eines von dem Schädiger eingeholten Gegengutachtens dann als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich angesehen werden, wenn der Inhalt des Gegengutachtens aufgrund technischer Einwendungen gegen das Schadensgutachten eine inhaltliche Auseinandersetzung durch einen technischen Sachverständigen erfordert (vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschl. v. 22.11.1991 – 14 W 623/91, ZfSch 1992, 279, juris Rn. 10; wohl auch AG Gummersbach, Urt. v. 06.02.2007 – 1 C 598/06). Dies ist etwa der Fall, wenn in dem Gegengutachten abweichende Reparaturkosten in Ansatz gebracht werden, weil ein anderer Reparaturweg oder eine weniger material- und/oder kostenaufwendige Reparaturart für ausreichend angesehen wird, die der Gutachter des Geschädigten in seinem Schadensgutachten nicht berücksichtigt hat. Da eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einem solchen Gegengutachten sachverständiges Wissen voraussetzt, darf der Geschädigte „seinen“ Gutachter mit einem Ergänzungsgutachten beauftragen, um festzustellen, ob die Einwände des Schädigers durchgreifen und ggf. eine abweichende Berechnung der Schadenshöhe rechtfertigen oder eben nicht (vgl. AG Saarbrücken, Urt. v. 22.11.2007 – 5 C 489/07, SP 2008, 268 ff.). Auf die Frage, ob der Geschädigte damit rechnen kann, dass der Schädiger auf das Ergänzungsgutachten seine Auffassung ändert und den Schaden nunmehr vollständig reguliert, kommt es in diesem Fall nicht an. Erfordert demgegenüber der Inhalt des Gegengutachtens keine sachverständige Beurteilung, weil der Schädiger bestimmte in dem Schadensgutachten des Geschädigten enthaltene Schadenspositionen allein aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für unbegründet erachtet, ist für den Geschädigten ohne weiteres erkennbar, dass eine ergänzende Stellungnahme durch einen technischen Sachverständigen nicht geeignet ist, eine zweckentsprechende Verfolgung seiner Ansprüche zu ermöglichen. Da es in diesem Fall an der Erforderlichkeit i.S. des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB fehlt und es nicht um einen Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB geht, trägt insoweit der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2004 – VI ZR 365/03, NJW 2005, 356, 357).
Unter Zugrundelegung dessen kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass der Zedent die Beauftragung des Klägers mit dem Ergänzungsgutachten für erforderlich halten durfte. In dem Schadensgutachten des Klägers vom 16.12.2011 sind die zur Beseitigung des Schadens erforderlichen Reparaturkosten mit 2.177,22 € angegeben worden. In dem von der Beklagten in Auftrag gegeben Gutachten des Sachverständigen W… sind diese mit 2.131,22 € und unter Abzug sog. UPE-Aufschläge und Verbringungskosten mit 1.929,20 € angegeben worden, wobei sich in dem Gutachten der Hinweis findet, dass diese Positionen „auftragsgemäß“ in Abzug gebracht worden seien, weil die Beklagte diese erst nach Erbringung eines entsprechenden Nachweises übernehme. Im Übrigen findet sich in dem Gegengutachten der Hinweis, dass die Reparaturkosten auf der Basis der in dem Gutachten des Klägers vorgegebenen Stundenverrechnungssätze und Lackparameter berechnet worden seien. Bei den „Lohnkosten Karosserie“ nahm der Gutachter W… einen Abzug in Höhe von 46,00 € für die von dem Kläger in Ansatz gebrachte Fahrzeuginnen- und -außenreinigung vor. Bei dieser Sachlage war für den Zedenten ohne weiteres erkennbar, dass durch das Gegengutachten der Beklagten die Einholung eines Ergänzungsgutachtens nicht erforderlich war. Soweit in dem Gutachten Abzüge wegen sog. UPE-Aufschläge sowie Verbindungskosten gemacht worden ist, findet sich der Hinweis, dass die Beklagte solche Aufschläge nur erstatte, wenn deren Entstehung nachgewiesen worden sei. Insoweit konnte der Geschädigte dem Gegengutachten der Beklagten ohne weiteres entnehmen, dass die Abzüge ausschließlich aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen erfolgten und daher die Stellungnahme eines technischen Sachverständigen nicht erforderlich gewesen ist. Entsprechend finden sich in dem Ergänzungsgutachten des Klägers hierzu vor allem Rechtsausführungen oder tatsächliche Ausführungen dazu, ob sog. UPE-Aufschläge anfallen oder nicht. Soweit in dem Gegengutachten darüber hinaus ein Abzug wegen Fahrzeugreinigungskosten vorgenommen worden sind, ergibt sich für den Geschädigten ebenfalls, dass der Abzug ausschließlich aus tatsächlichen Gründen erfolgt ist, nämlich deshalb, weil diese Kosten nach Auffassung der Beklagten nicht anfallen. Auch insoweit bedurfte es erkennbar keiner Stellungnahme eines technischen Sachverständigen. Entsprechend beschränken sich die Ausführungen des Klägers in seinem Ergänzungsgutachten auf die Behauptung, dass diese Reinigungskosten bei der Reparaturvornahme anfallen. Weiter ist für den Zedenten vorliegend ohne weiteres erkennbar gewesen, dass das Gegengutachten sich im Wesentlichen auf die Feststellungen des Schadensgutachtens des Klägers stützt, weil in dem Gegengutachten ausdrücklich auf die vorgegebenen Stundenverrechnungssätze und Lackparameter Bezug genommen worden ist und im Übrigen eine Differenz der Reparaturkosten lediglich in Höhe von 46,00 € bzw. 248,02 € bestand.
Schließlich führt der Umstand, dass die Beklagte die Kosten für das Schadensgutachten des Klägers vom 16.12.2011 in voller Höhe übernommen hat, zu keiner abweichenden Beurteilung, weil die Beklagte hierzu selbst dann verpflichtet wäre, wenn das Schadensgutachten inhaltlich unrichtig gewesen sein sollte (s. hierzu AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 22.05.2006 – 644 C 168/05, juris m.w.Nachw.; MünchKomm-BGB/Oetker, 6. Aufl. 2012, § 249 Rn. 397).
Da die geltend gemachten Kosten für das Ergänzungsgutachten nicht als erforderlich i.S. des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen sind, kann dahinstehen, ob die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe der Rechnung für das Ergänzungsgutachten durchgreifen. Ebenso kann dahinstehen und bedarf keiner Beweisaufnahme, ob zwischen dem Kläger und dem Zedenten eine Vergütungsvereinbarung bezogen auf das Ergänzungsgutachten getroffen worden ist. Schließlich muss vorliegend nicht weiter erörtert werden, wie sich die schadensrechtliche Beurteilung der Kosten für das Ergänzungsgutachten auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Zedenten auswirkt, ob also dem Kläger trotz der fehlenden Erstattungsfähigkeit der Kosten für das Ergänzungsgutachten gegenüber der Beklagten ein vertraglicher Vergütungsanspruch gegen den Zedenten zusteht.
Da ein Zahlungsanspruch des Klägers nicht begründet ist, ist die Klage auch hinsichtlich der geltend gemachten Zinsforderung unbegründet und abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Dem Rechtsstreit liegen keine abstrakten und/oder klärungsbedürftigen Rechtsfragen zugrunde, vielmehr geht es ausschließlich um die Rechtsanwendung im Einzelfall.
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.