AG Langenfeld, Az.: 12 C 208/14, Urteil vom 25.08.2015
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte zu 1) 1.110,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2015 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall.
Die Klägerin begehrte dabei Zahlung weiteren Schadensersatzes, wobei die Beklagte zu 1) widerklagend Rückzahlung geleisteter Schadensersatzbeträge wegen ungerechtfertigter Bereicherung verlangt.
Am 09.04.2014 ereignete sich auf dem Parkplatz L. in … M. ein Verkehrsunfall. Auf dem Parkplatz sind die Parkbuchten in jeweils gegenüber liegenden Positionen angelegt. Der Ehemann der Klägerin parkte rückwärts in eine Parklücke ein. Der Beklagte zu 2), dessen Fahrzeug bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist, fuhr rückwärts aus einer gegenüber liegenden Parklücke heraus. Es kam zur Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen, wobei das konkrete Unfallgeschehen zwischen den Parteien streitig ist.
Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug begutachten. Das Gutachten wies unfallbedingte Reparaturkosten in Höhe von 1.574,22 Euro netto aus. Gutachterkosten entstanden in Höhe von 482,69 Euro. Neben diesen Beträgen begehrt die Klägerin Zahlung einer Kostenpauschale in Höhe von 25 Euro.
Nach Zahlungsaufforderung zahlte die Beklagte zu 1) am 20.04.2014 einen Vorschuss in Höhe von 700 Euro sowie am 20.06.2014 einen weiteren Betrag in Höhe von 410,64 Euro. Die Beklagte zu 1) berief sich zunächst auf eine Mithaftungsquote von 50 % zu Lasten der Klägerseite. Im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung einigten sich die Parteien über Schadenspositionen der Höhe nach, da diese zwischen den Parteien streitig waren.
Die Klägerin trägt vor, das Fahrzeug habe im Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden, sodass es keinerlei Verschulden seitens des Fahrers geben würde. Sie ist der Ansicht, dass die Haftung alleine beim Beklagten zu 2) liegen würde. Sie trägt weiter vor, dass sämtliche im von ihr eingeholten Gutachten aufgeführten Schadenspositionen unfallbedingt seien. Es habe keine unreparierten Vorschäden am streitgegenständlichen Fahrzeug gegeben. Ein leichter Vorschaden am linken Kotflügel sei ordnungsgemäß behoben worden.
Die Klägerin beantragt,
1.
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.118,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 18.06.2014 zu zahlen.
2.
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 187,19 Euro zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt die Beklagte zu 1) die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte zu 1) einen Betrag in Höhe von 1.110,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges habe den Unfall jedenfalls mit verursacht, sodass allenfalls eine Haftungsquote von 50 % in Betracht käme. Sie trägt weiter vor, es habe durch das Unfallgeschehen jedenfalls keine Schadensvertiefung am Fahrzeug der Klägerin gegeben, sodass sie, so die Ansicht der Beklagten zu 1), einen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der bereits gezahlten Beträge habe.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 09.10.2014, 18.03.2015 und 17.06.2015 durch Vernehmung von Zeugen sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 11.11.2014 und 14.07.2015 sowie die Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Martin Schmitz vom 04.02.2015, 30.04.2015 und 14.07.2015 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst beigefügter Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet, wohingegen die Widerklage begründet ist.
I.
Die Klage ist zulässig nach § 20 StVG, § 32 ZPO.
Die Zulässigkeit der Widerklage ergibt sich aus § 33 ZPO.
II. Klage:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht nach § 7, 17, 18 StVG, § 115 VVG einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz.
Die konkrete Unfallkonstellation kann im Ergebnis offen bleiben, da maßgeblich für das Gericht ist, dass dem Kläger der Nachweis eines ersatzfähigen unfallbedingten Schadens nicht gelungen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes vielmehr fest, dass der Klägerin durch den Verkehrsunfall keine wirtschaftliche Schadensvertiefung an ihrem Fahrzeug entstanden ist.
Die Schäden am Fahrzeug der Klägerin sind zum Großteil nicht kompatibel mit den Schäden am Fahrzeug des Beklagten zu 2). Ist streitig, ob Schäden an einem Fahrzeug durch einen Unfall entstanden sind und wie hoch der Sachschaden zu beziffern ist, so hat das Gericht nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden. Der Geschädigte muss hierbei die tatsächlichen Grundlagen und geeigneten Schätzungsgrundlagen, die Anhaltspunkte für eine Schätzung des Schadens und seiner Höhe bieten, beibringen und beweisen. Insbesondere gilt dies auch für den Nachweis, dass der Schaden nach Art und Umfang insgesamt auf das behauptete Unfallereignis zurückzuführen ist. Fehlt es an einem solchen Nachweis so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge. Selbst ein für eine Unfallverursachung streitende Anscheinsbeweis kann nicht mehr eingreifen, wenn der Anspruchsgegner ernsthafte Anhaltspunkte für das Vorliegen von Vorschäden geltend macht. Hier kommen dann die allgemeine Beweislastregel zum Tragen; der Geschädigte muss den Schaden also beweisen. Selbst kompatible Schäden können nicht ersetzt werden, sollte nicht ausgeschlossen werden, dass diese bereits durch Vorschäden verursacht worden sind.
Auf Grundlage dieser Maßgaben hat der Sachverständige Dipl.-Ing. M. S. im Rahmen seiner gesamten Begutachtung für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass am Fahrzeug der Klägerin Vorschäden vorhanden waren, die mit dem Unfallgeschehen nicht in Einklang zu bringen sind.
Nach kritischer Würdigung schließt sich das Gericht den Ausführungen des Sachverständigen an. Der Sachverständige hat detailliert diesen Widerspruch aufgezeigt und anhand von Fotografien nachvollziehbar belegt.
Gemäß diesen Ausführungen ist es jedoch zu einer Schadensvertiefung am Fahrzeug der Klägerin nicht gekommen, sodass insgesamt Schadensersatzansprüche ausscheiden.
Die Aussage des Zeugen S. überzeugt das Gericht im Ergebnis nicht. Eine komplette Erinnerung an einen Vorschaden hatte er nicht, konnte sie auch nicht ausschließen. Es wurde darüber gerätselt, ob es im Rahmen des Gutachtens um eine Verwechslung bezüglich eines etwaigen Vorschadens links und rechts gegeben habe. Nach Vorhalt der Lichtbilder erkannte der Zeuge auch weitere Vorschäden, allerdings legte er dar, dass er bei der Erstellung seines Gutachtens den Ausführungen des Auftraggebers geglaubt und auf Grundlage dieser das Gutachten angefertigt habe. Die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen aufgezeigten Widersprüche konnte der Zeuge S. dabei nicht entkräften, sodass dem im Ergebnis nicht zu folgen ist.
Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bedarf es nicht der Einholung eines Supergutachtens.
Nebenforderungen scheiden ebenfalls aus, nachdem ein Hauptanspruch nicht besteht.
III. Widerklage
Die Beklagte zu 1) hat gegen die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung von 1.110,64 Euro. Diese Zahlung erfolgte ohne Rechtsgrund, denn der Klägerin war durch den Unfall kein wirtschaftlicher Schaden entstanden, wie bereits oben ausgeführt wurde.
Das Abrechnungsschreiben der Beklagten zu 1) vom 20.06.2014 stellt keinen Rechtsgrund der Zahlung dar (Blatt 23 der Gerichtsakte). Dieses Schreiben stellt kein Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB dar. Der Tatsache dass die Beklagte zu 1) vorprozessual den Schaden teilweise regulierte, liegt kein solches Anerkenntnis zugrunde. Allenfalls käme hier ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein solches soll eine bereits bestehende Schuld lediglich bestätigen. Hierdurch werden alle Einwendungen rechtlicher oder tatsächlicher Natur für die Zukunft ausgeschlossen. Der Ausschluss gilt jedoch nur für die Einwendungen, die der Schuldner bei Abgabe kannte oder kennen musste. Ein Verzicht auf unbekannte oder künftige Einwendungen ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn dies in der Erklärung des Schuldners klar zum Ausdruck kommt. Dabei ist darauf abzustellen, dass der Empfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm bekannten Interessen des Schuldners verstehen muss. Die Beklagte zu 1) hat hier eine Teilzahlung erbracht, allerdings mit dem Hinweis auf die Annahme einer Mithaftung der Klägerin zu 50 %. Aus dem Abrechnungsschreiben der Beklagten zu 1) lässt sich auch aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nicht entnehmen, dass auf Einwendungen hinsichtlich der Haftungsquote verzichtet werde. Die Haftung wird weder ganz noch teilweise anerkannt. Insbesondere widerspricht die Beklagte zu 1) der Klägerin bezüglich der Höhe der unterschiedlichen Schadenspositionen. In einem solchen Fall ist immer mit einer gerichtlichen Klärung der Streitfrage zu rechnen.
Im Besonderen ist hier davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) bei der Regulierung der Unfallkosten keine Kenntnis von den Vorschäden am Fahrzeug der Klägerin hatte. Sie musste auch nicht damit rechnen, dass solche Vorschäden vorlägen und ein Schadensersatzanspruch demnach nicht bestünde. In dem von der Klägerin eingeholten privaten Sachverständigengutachten waren diese Vorschäden nicht angegeben. Die Beklagte zu 1) konnte diese deshalb auch nicht kennen. Mangels Kenntnis oder kennen müssen der Vorschäden sind künftige Einwendungen der Beklagten zu 1) nicht ausgeschlossen worden. § 814 BGB steht dem nicht entgegen. Denn positive Kenntnis lag bei der Beklagten zu 1) nicht vor.
Die Beklagte zu 1) kann sämtliche gezahlten Kosten zurückverlangen. Dies gilt insbesondere für die Nettoreparaturkosten und die Kostenpauschale. Auch die Sachverständigenkosten kann die Beklagte zu 1) zurückverlangen. Zwar besteht die Ersatzpflicht grundsätzlich auch dann, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist. Allerdings entfällt die Ersatzfähigkeit eines Sachverständigengutachtens dann, wenn der Geschädigte gegenüber dem Sachverständigen reparierte Vorschäden verschwiegen hat und das Gutachten dadurch unbrauchbar geworden ist. Die bereits ausführlich dargelegte Beweisaufnahme hat ergeben, dass das Klägerfahrzeug im wesentlichen Umfang vorschadenbelastet war. Diese Vorschäden waren dem privaten Sachverständigen zumindest nicht ausreichend aufgezeigt worden. Die Klägerin behauptete bis zuletzt, die Schäden seien nicht durch bereits beschriebene Vorschäden zu erklären. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Klägerin die Vorschäden an der linken Vorderseite des Fahrzeuges hinreichend bekannt waren. Diese Vorschäden, auch wenn sie bereits repariert waren, hätte die Klägerin dem Sachverständigen mitteilen müssen. Aufgrund der fehlenden Mitteilung ist es in diesem Gutachten zu wesentlichen Abweichungen der Kostenaufstellung mit dem tatsächlich angefallenen, wirtschaftlich nicht relevanten Schaden gekommen. Die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zur Schadensregulierung muss die Klägerin sich daher in vollem Umfang zurechnen lassen. Aus diesem Grund sind auch die Kosten für die Erstellung des privaten Gutachtens nicht zu erstatten, sodass die Beklagte zu 1) die gesamten Kosten in Höhe von 1.110,64 Euro zurückverlangen kann.
Der Verzugszins ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 ZPO, § 708 Ziffer 11, 711 ZPO.
Streitwert:
Klage: 1.118,83 Euro
Widerklage: 1.110,64 Euro.