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Verkehrsunfall: Beschädigung eines Krankenwagens – Anmietung eines Ersatzfahrzeuges

LG Berlin, Az.: 42 O 32/12

Urteil vom 19.12.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt einen gewerblichen Krankenfahrdienst, der auf der Grundlage der Genehmigung zur Durchführung von Krankentransporten nach § 3 RDG Krankentransportfahrten durchführt. Mit der vorliegenden Klage begehrt sie dem Grunde nach in vollem Umfang Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 21. Januar 2011 gegen 12.25 Uhr in 10117 Berlin, Reinhardtstraße/Albrechtstraße. An diesem Tage wurde ihr Krankentransportwagen (KTW) Typ VW T 5, amtliches Kennzeichen B-… beschädigt aufgrund einer Vorfahrtsverletzung des Versicherungsnehmers der Beklagten, dem Grunde nach ist die volle Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin zwischen den Parteien unstreitig.

Verkehrsunfall: Beschädigung eines Krankenwagens - Anmietung eines Ersatzfahrzeuges
Symbolfoto: huettenhoelscher/Bigstock

Zum Unfallzeitpunkt verfügte die Klägerin über insgesamt 9 Fahrzeuge, darunter 3 KTW, 3 Tragestuhlwagen (TSW) sowie 3 Mietwagen, wobei die KTW den gesetzlichen Anforderungen der DIN EN 1789 entsprechen.

Die Klägerin behauptet, unfallbedingt sei ihr infolge des Ausfalles des streitgegenständlichen KTW ein Schaden entstanden, den sie auf der Grundlage der Rechnung der Firma M. berechnet, bei der sie in der Zeit vom 23.01. bis 19.02.2011 ersatzweise einen KTW anmietete.

Wegen Einzelheiten der klägerischen Schadensberechnung wird Bezug genommen auf Bl. 5 ff. der Klageschrift nebst Anlagen (Bl. 5 ff. Band I d. A.), wobei der Höhe nach zwischen den Parteien Streit besteht.

Die Klägerin erzielte mit dem angemieteten Ersatzfahrzeug, amtliches Kennzeichen HN-… einen Umsatz von 15.013,90 €, der reine Nettomietzins belief sich auf täglich 405,00 €.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.655,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. April 2011 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, sie von einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten über 1.023,16 € vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die streitgegenständlichen Mietwagenkosten könne die Klägerin schon deshalb nicht beanspruchen, weil die Anmietung völlig unverhältnismäßig gewesen sei, zumal ihr ohne weiteres eine Umdisposition auf ihre übrigen Fahrzeuge möglich gewesen wäre während der Ausfallzeit des beschädigten Fahrzeuges. In der Konsequenz, so meint die Beklagte, sei dementsprechend die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nicht erforderlich gewesen. Des weiteren meint die Beklagte, könne die Klägerin Mietwagenkosten in dieser Höhe schon deshalb nicht beanspruchen, weil ihrem Geschäftsführer Martin S. beklagtenseits durch die als Zeugin benannte Bettina K. am Unfalltage bereits telefonisch ein vergleichbares Ersatzfahrzeug angeboten worden sei zu einem Nettotagesmietzins von 165,00 €. Die Beklagte vertritt ferner den Standpunkt, im Zuge der Umdisposition hätte die Klägerin mit einem ihrer übrigen KTW auch durchaus mehrere Patienten gleichzeitig befördern können wie im Übrigen auch sonst, was sie jedoch nicht getan habe. Des weiteren verweist die Beklagte darauf, dass die Klägerin klageweise auch so genannte Sowiesokosten geltend mache, beispielsweise in Form von Reinigungs- und Desinfektionskosten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage war abzuweisen, da sie unbegründet ist ungeachtet der dem Grunde nach gegebenen vollen Haftung der Beklagten gemäß § 115 VVG.

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dementsprechend kann derjenige, der sein Fahrzeug infolge des schädigenden Ereignisses nicht nutzen kann, grundsätzlich Ersatz der für die Anmietung eines gleichwertigen Fahrzeugs entstehenden Kosten beanspruchen (vgl. BGH, VersR 1970, 547 f.; VersR 1982, 548 f.). Allerdings hat der Geschädigte auch das in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Danach hat der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für den Bereich der Mietwagenkosten bedeutet dies, dass er Ersatz nur derjenigen Kosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzugs seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte (vgl. BGHZ 160, 377, 383; BGH VersR 2011, 769; NJW 2012, 2026 f.).

Wo das Fahrzeug unmittelbar zur Erbringung gewerblicher Leistungen dient, wie etwa bei einem Taxi oder Lkw, muss der Geschädigte den Ertragsentgang konkret berechnen (vgl. BGHZ 70, 199, 203; BGH, NZV 2008, 192 f.). Bei erwerbswirtschaftlichem, produktivem Einsatz einer Sache wird nämlich die Verkürzung ihres Nutzungswertes im Wesentlichen durch einen Gewinnentgang ausgewiesen, dessen Ersatz § 252 Satz 1 BGB ausdrücklich anordnet (vgl. BGHZ 98, 212, 219 ff.).

Ob die Klägerin vor diesem Hintergrund grundsätzlich berechtigt war, ersatzweise während der Reparaturdauer ein Mietfahrzeug einzusetzen oder aber durch den vorübergehenden Gebrauchsentzug ihres eigenen beschädigten KTW nur Ersatz eines ggf. entgangenen Gewinns verlangen kann, kann letztlich dahinstehen.

Vorliegend ist nämlich bereits nicht ersichtlich, dass die Anmietung des streitgegenständlichen KTW dem in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht.

Unstreitig verfügte die Klägerin nämlich in dem Zeitraum bis zur Beendigung der notwendigen Reparaturarbeiten über zwei weitere KTW, drei TSW und zusätzlich drei Mietwagen, die sie zur Erbringung ihrer gewerblichen Leistungen einsetzen konnte. Mit Verfügung vom 23.07.2012 ist die Klägerin vom Gericht aufgefordert worden, binnen einer Frist von drei Wochen substantiiert und unter Beweisantritt die Auslastung der übrigen Fahrzeuge aus ihrem Bestand während der streitgegenständlichen Anmietzeit konkret mit Uhrzeitangaben darzulegen, ebenso wie den Einsatz des Mietfahrzeuges während der streitgegenständlichen Anmietzeit und die den konkreten Einsätzen zugrunde liegenden Verordnungen der Ärzte bzw. die Genehmigungen und Kostenübernahmen der Kostenträger für die insgesamt drei KTW während der streitgegenständlichen Anmietzeit darzulegen und in Kopie einzureichen.

Dieser Auflage ist die Klägerin schon nicht nachgekommen, da sie zur Auslastung ihrer drei TSW und den drei Mietwagen gar nichts vorgetragen hat. Soweit sie mit der Anlage K 20 (Bl. 134 ff. Band I d. A.) zum Einsatz ihrer beiden verbliebenen KTW sowie des angemieteten Ersatz-KTW vorgetragen hat, unter Beifügung der zugrunde liegenden Genehmigungen und Kostenübernahmen der Kostenträger, zusammengestellt als Anlage K 21 (Bl. 175 ff. Band I d. A.) wird bereits die Erforderlichkeit des Einsatzes des angemieteten KTW nicht ersichtlich.

Das als Anlage K 21 eingereichte Konvolut enthält eine Vielzahl von Genehmigungen bzw. Kostenübernahmebestätigungen, die sich gerade nicht auf einen Krankentransportwagen (KTW) beziehen, der im Gegensatz zu einem Tragestuhlfahrzeug (TSW) zusätzlich mit einem den Transport begleitenden medizinisch geschulten Betreuer (in der Regel Rettungssanitäter) ausgestattet ist.

……………………

Sämtliche der aufgeführten Patienten erhielten die angeführten Transportkostenübernahmebestätigungen für die Dialysebehandlungen, die in der Regel an drei Tagen in der Woche durchgeführt wurden. Schon die Vielzahl der aufgelisteten Transportfahrten, die seitens der Klägerin gar nicht notwendigerweise mit einem KTW durchzuführen waren, zumal von Seiten der Kostenträger der damit verbundene Aufwand gar nicht erstattet wurde, machen deutlich, dass die Notwendigkeit der Anmietung eines Ersatz-KTW nicht ersichtlich ist. Ob und ggf. in welchem Umfang ihre eigenen drei TSW in dem streitgegenständlichen Zeitraum anderweitig ausgelastet waren, ist seitens der Klägerin nicht dargelegt. Gleiches gilt für die von ihr des weiteren betrieblich eingesetzten drei Mietfahrzeuge, auf deren Einsatz sich die Kostenübernahmebestätigungen aber teilweise beschränkten.

Vor diesem Hintergrund ist für das Gericht nicht feststellbar, dass die infolge der Anmietung des KTW bei der Firma M. entstandenen Kosten infolge der Kollision vom 21. Januar 2011 notwendig waren, insbesondere dem in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot entsprachen, nachdem dies beklagtenseits zudem nachhaltig bestritten ist. Vorliegend spricht vielmehr vieles dafür, dass die Klägerin durch schlichte Umdisposition auf ihre anderen Fahrzeuge im Rahmen des ihr Zumutbaren den gebotenen wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung hätte wählen können, wozu sie auch nach den oben aufgezeigten Grundsätzen des Schadensersatzrechts verpflichtet war.

Davon abgesehen spricht vorliegend auch viel dafür, dass die durch die Anmietung des Ersatz-KTW entstandenen Kosten im Verhältnis zu dem der Klägerin allenfalls entgangenen Gewinn unverhältnismäßig hoch gewesen sein dürften. Angefallene Gesamtkosten von 20.655,62 €, die die Klägerin klageweise von der Beklagten ersetzt verlangt, wären dabei in jedem Fall zunächst um ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von üblichen 20 % zu kürzen (vgl. KG vom 27.03.2000, 12 U 6791/98 nach juris; OLG Koblenz, NZV 1988, 224). Bei dem sodann anzustellenden Vergleich mit dem entgangenen Gewinn wäre der Bruttoumsatz zunächst um die Mehrwertsteuer und ersparte Betriebskosten in Höhe von regelmäßig 30 % zu kürzen sowie ggf. den Fahrerlohn, sollte die Klägerin nicht zur Lohnfortzahlung gegenüber sämtlichen Fahrern verpflichtet sein, was zwischen den Parteien streitig ist. Ob als Ergebnis einer solchen Vergleichsberechnung letztlich die Entscheidung der Klägerin, das streitgegenständliche Ersatzfahrzeug anzumieten, schlechthin unvernünftig war aus Sicht eines verständigen Kaufmannes (vgl. hierzu KG vom 27.03.2000, a.a.O. m.w.N.) kann letztlich unentschieden bleiben, da zur Überzeugung des Gerichts schon nicht die Notwendigkeit der Ersatzanmietung als solcher aus den angeführten Gründen feststellbar war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 Satz 1 ZPO.

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