AG Karlsruhe, Az.: 9 C 331/18, Urteil vom 27.04.2018
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 325,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 325,00 € festgesetzt.
Gründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
I. Danach ist die zulässige Klage begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 325,00 € gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 BGB.
1. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
2. Der nach § 249 Abs. 2 BGB erstattungsfähige Schaden beläuft sich auf insgesamt 325,00 €.
a.) Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung des unstreitigen Wiederbeschaffungswertes von 2.300,00 € abzüglich eines Restwertes von 250,00 € abzüglich vorgerichtlich bezahlter 1730,00 €, mithin in Höhe von 320,00 €.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes verlangen. Als Variante der Naturalrestitution steht auch die Ersatzbeschaffung unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat. Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt daher auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss sich der Geschädigte im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten.
Weiter ist anerkannt, dass der Geschädigte dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge leistet und sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen bewegt, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Geschädigte ist weder verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen, noch ist er gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen (vgl. Urteile des BGH vom 01.06.2010, VI ZR 316/09, juris, Rn 7 und vom 27.09.2016, VU ZR 673/15, juris, Rn 8 f. m.w.N.).
Das von der Klägerin eingeholte Sachverständigengutachten lässt eine korrekte Ermittlung des Restwertes erkennen. Dem Sachverständigen lagen laut Gutachten hinsichtlich der Restwertfrage drei bei verschiedenen Unternehmen des regionalen Marktes eingeholte Angebote zugrunde, die sich zwischen 100,00 € und 250,00 € bewegen.
(3) Die Klägerin hat ihre Pflicht zur Geringhaltung des Schadens gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht verletzt. Sie war nicht verpflichtet, dass von der Beklagten unterbreitete Restwertangebot anzunehmen mit der Folge, dass vom Wiederbeschaffungswert anstelle des Restwertes von 250,00 € ein Restwert von 570,00 € abzuziehen war.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH können besondere Umstände dem Geschädigten zwar Veranlassung geben, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um seiner sich aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Unter diesem Blickpunkt kann er gehalten sein, von einer grundsätzlich zulässigen Verwertung des Unfallfahrzeugs Abstand zu nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen. Derartige Ausnahmen stehen nach allgemeinen Grundsätzen zur Beweislast des Schädigers. Auch müssen sie in engen Grenzen gehalten werden und dürfen insbesondere nicht dazu führen, dass dem Geschädigten bei der Schadensbehebung die von dem Schädiger bzw. dessen Versicherer gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen werden (BGH, Urt. v. 01.06.2010, aaO, Rn 9).
Nach diesem Maßstab durfte die Klägerin den vom Sachverständigen ermittelten Restwert von 250,00 € ansetzen. Mit der Übersendung des Restwertangebots vom 18.01.2018 unterbreitete die Beklagte der Klägerin keine erheblich günstigere Verwertungsmöglichkeit, die diese ohne weiteres hätte wahrnehmen können und deren Wahrnehmung ihr zumutbar war. Das Angebot war für die Klägerin inhaltlich nicht annehmbar. Das Schreiben der Beklagten vom 18.01.2018 nennt, mit Ausnahme der Firma „…“ und einer Telefonnummer, keinerlei unternehmensbezogene Daten wie etwa eine Anschrift bzw. einen Firmensitz des Aufkäufers. Die Klägerin hätte somit zunächst im Internet den potentiellen zukünftigen Vertragspartner ermitteln müssen. Ob die Klägerin das Angebot ohne weiteren Aufwand durch ein Telefonat hätte annehmen können, wurde in dem Schreiben nicht mitgeteilt. Aus dem Zusatz „Sollte dieser Betrag nicht erzielt werden können, rufen Sie uns bitte vor dem Verkauf des Fahrzeugs an. Wir stimmen das weitere Vorgehen dann gerne mit Ihnen ab.“ ergeben sich zudem Zweifel daran, ob der Beklagten tatsächlich ein verbindliches Restwertangebot für 570,00 € vorlag, welches mit einem einfachen fernmündlichen „Ja“ angenommen hätte werden können. Der Geschädigte ist nach den oben genannten Grundsätzen auch nicht verpflichtet, bei Scheitern eines Vertragsschlusses mit dem benannten Aufkäufer, der Versicherung Gelegenheit zur Vorlage eines weiteren besseren Restwertangebots zu geben. Ferner geht aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.01.2018 nicht hervor, ob der Aufkäufer, oder jedenfalls die Beklagte, die kostenlose Abholung des Fahrzeuges garantiert. Allein bei Zusicherung der kostenlosen Abholung ist es für den Geschädigten zumutbar, an einen – nicht regionalen – Käufer zu verkaufen. Ebenso wenig geht aus dem Schreiben hervor, ob bzw. dass eine Barzahlung erfolgt (vgl. BGH, aaO). Das eigentliche Restwertangebot der Firma „…“ wurde nicht mitübersandt. Diese Unsicherheiten gehen zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten.
b.) Die Unkostenpauschale wird im hiesigen Gerichtsbezirk auf 25,00 € geschätzt, so dass dem Kläger noch weitere 5 € zuzusprechen waren (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 2016, 135; LG Karlsruhe NJW-RR 2016, 1305).
3. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.