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Verkehrsunfall – UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung

AG Heilbronn – Az.: 6 C 3819/11 – Urteil vom 29.12.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Streitwert: 1.213,03 EUR

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 28.04.2011 gegen 6:00 Uhr ereignete sich auf dem Parkplatz der Firma … in N. ein Verkehrsunfall, an welchem der Sohn der Klägerin, der Zeuge A., als Fahrer des in ihrem Eigentum stehenden Audi Roadster 8N TT mit dem amtlichen Kennzeichen … sowie die Beklagte zu 1) als Fahrerin des bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Opel Meriva mit dem amtlichen Kennzeichen … beteiligt waren. Der klägerische Fahrer wollte von der P.-Straße in westlicher Richtung fahrend nach rechts vorwärts in eine freie Parklücke einbiegen, wobei er leicht schräg kam und die Trennlinie zum links daneben liegenden Parkplatz mit der Fahrzeugfront etwas überquerte. Dabei kollidierte er mit der rückwärts in diese Parklücke einfahrenden Beklagten zu 1). Das klägerische Fahrzeug wurde vorn links beschädigt. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von 1.812,91 EUR (Reparaturkosten netto). Neben einer Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR und Sachverständigenkosten in Höhe von 415,79 EUR, bezüglich derer jedoch eine Abtretungserklärung zu Gunsten des Sachverständigen vorliegt, macht die Klägerin einen 10 %-igen UPE-Aufschlag wegen Ersatzteillagerung in Höhe von 86,18 EUR geltend.

Die Beklagten haben den klägerischen Schaden in Höhe von 1.126,86 EUR reguliert.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 1) sei plötzlich aus einem gegenüber liegenden Parkplatz rückwärts ausgefahren und über die P.-Straße hinweg in die neben dem klägerischen Fahrzeug gelegene Parklücke ein- und in das klägerische Fahrzeug hineingefahren, als der Einparkvorgang des Zeugen A. bereits nahezu beendet gewesen sei. Der Zeuge habe den Unfall nicht vermeiden können, die Beklagtenseite hafte voll.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten Ziffer 1 und 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.213,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.07.2011 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1) sei zunächst ein Stück weit, jedoch nicht vollständig nach links vorwärts in eine Parklücke eingefahren, um sodann geradeaus rückwärts in die gegenüber liegende Parklücke einfahren zu können. In diese sei sie schon fast vollständig eingefahren gewesen, als plötzlich der klägerische Fahrer in die daneben liegende Parkbucht eingefahren sei. Dieser habe ihr Fahrzeug gestreift, da er mit dem Vorderreifen ein Stück weit auf ihre Parkbucht geraten sei.

Die Beklagten meinen, der UPE-Aufschlag wegen Ersatzteillagerung sei im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung nicht ersatzfähig.

Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den ergänzenden Vortrag der Beklagten zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) auf Zahlung weiteren Schadensersatzes gem. §§ 18 StVG, 823 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i. V. m. § 1 PflVG. Das Gericht ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass sich der Unfall abgespielt hat wie von der Klägerseite geschildert. Vielmehr ist von der Unaufklärbarkeit des zeitlichen Ablaufs des Unfalls auszugehen. Eine Haftung von mehr als 50 % auf Seiten der Beklagten ist in Folge dessen nicht anzunehmen.

1. Sowohl die Beklagte zu 1) als auch der Zeuge A. haben in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2011 den Unfallhergang grundsätzlich plausibel und nachvollziehbar geschildert, wobei sie sich hinsichtlich des (zeitlichen) Ablaufs widersprachen.

a. Unstreitig ist der Vortrag der Beklagtenseite geblieben, wonach der klägerische Fahrer sich beim Einparken verschätzt habe und mit der Fahrzeugfront über die Parkplatztrennlinie ein Stück weit auf den daneben liegenden Parkplatz geraten sei. Der Zeuge … hat somit eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen, die der Klägerin als Eigentümerin eines unfallbeteiligten Fahrzeugs zuzurechnen ist.

b. Ebenfalls unstreitig ist die Beklagte zu 1) zunächst vorwärts nach links in eine Parklücke eingefahren. Nach dem Vortrag der Beklagten ist sie jedoch nicht vollständig, sondern nur ein kleines Stück weit in diese hineingefahren. Der Zeuge A. hat dagegen bekundet, die Beklagte zu 1) sei vollständig in die Parklücke eingefahren gewesen.

c. Die Beklagte zu 1) hat weiterhin vorgetragen, sie sei bereits zu einem Großteil rückwärts in die gegenüber liegende Parkbucht eingefahren gewesen, als der Kläger neben ihr eingeparkt habe. Sie habe vor dem Einparken Umschau gehalten und niemanden gesehen, insbesondere seien alle Parkplätze auf der anderen Seite frei gewesen. Der Zeuge A. hat dagegen bekundet, die Beklagte zu 1) sei von der gegenüber liegenden Parkbucht aus rückwärts neben ihn gefahren, als er seinerseits bereits fast vollständig in seine Parklücke eingefahren gewesen sei.

2. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass eine der Unfallschilderungen glaubhafter wäre als die andere.

a. Zwar hatte die Beklagte zu 1) im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung den Unfallhergang zunächst derart geschildert, dass nicht deutlich wurde, dass sie vorerst vorwärts in eine gegenüberliegende Parklücke eingefahren war, um sodann rückwärts einzuparken. Sie hat dies im Anschluss an die Aussage des Zeugen A. jedoch unaufgefordert richtig gestellt. Da auch der Vortrag der Beklagtenseite in der Klagerwiderungsschrift dahingehend zu verstehen ist, lag kein Widerspruch vor und ist davon auszugehen, dass es in der mündlichen Verhandlung zunächst zu einem Missverständnis gekommen war. Die Beklagte zu 1) hat auch Erinnerungslücken eingeräumt und insbesondere zu ihrem Nachteil angegeben, sich nicht mehr erinnern zu können, ob sie geblinkt habe.

b. Der Aussage des Zeugen A. ist schon deshalb nicht der Vorzug gegenüber dem Beklagtenvortrag zu geben, weil es wenig plausibel erscheint, dass die Beklagte zu 1) zunächst vollständig mit der gesamten Fahrzeuglänge vorwärts in eine Parklücke eingefahren sein soll, um sodann rückwärts über die gesamte P.-Straße hinweg in eine gegenüber liegende Parkbucht einzufahren. Dann hätte sie auch direkt in der ersten Parklücke stehen bleiben können. Wahrscheinlicher erscheint es, dass die Beklagte zu 1) von vornherein auf der rechten Seite einparken wollte und zu diesem Zweck zunächst lediglich ein Stück weit nach links fuhr, um sodann besser rückwärts in eine rechts gelegene Parklücke einfahren zu können.

3. Nach alldem geht das Gericht davon aus, dass der zeitliche Ablauf des Unfallhergangs nicht mehr aufgeklärt werden kann. Neutrale Unfallzeugen gibt es nicht, die Klägerin hat keinen Beweis durch Sachverständigengutachten angetreten. Im Übrigen ist das Vorbringen der Beklagten zu 1) im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung auf Grund des Grundsatzes der Chancengleichheit genauso zu gewichten wie die Zeugenaussage des Unfallfahrers A., da es der Klägerseite nicht zum Vorteil gereichen kann, dass nicht die Klägerin als Eigentümerin, sondern ihr Sohn das klägerische Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt lenkte und ihr somit ein Zeuge zur Verfügung stand.

4. Da bei der gem. § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der jeweiligen Unfallverursachungsbeiträge nur unstreitige oder erwiesene Umstände zu berücksichtigen sind, war ein unfallursächlicher Sorgfaltspflichtverstoß nur auf Klägerseite einzustellen. Eine 50 % übersteigende Haftung auf Beklagtenseite konnte deshalb nicht angenommen werden.

a. Die Beklagte zu 1) hat zwar selbst eingeräumt, für eine unklare Verkehrssituation gesorgt zu haben, indem sie zunächst nach links vorwärts ein Stück weit in eine Parklücke ein- und dann aus dieser rückwärts wieder ausfuhr, um gegenüber einzuparken. Auf Grund der Unaufklärbarkeit des zeitlichen Ablaufs des Unfalls ist aber nicht mehr nachvollziehbar, ob, in welcher Weise und wie wesentlich dieses Verhalten sich unfallursächlich auswirkte. Nach der Schilderung der Beklagten zu 1) war diese nämlich bereits zum Großteil rückwärts in die rechts gelegene Parkbucht eingefahren, als der klägerische Fahrer seinerseits einparkte. Dann hätte aber der Zeuge A. nicht damit rechnen können, dass die Beklagte zu 1) bereits gegenüber eingeparkt hatte und die Parklücke neben ihm freibleiben würde. Er hätte dann insbesondere darauf achten müssen, akkurat in die von ihm ausgewählte Parklücke einzufahren und dabei nicht über die Trennlinie hinweg auf die daneben liegende Parkbucht zu geraten; sein ohnehin gegebener Sorgfaltspflichtverstoß wäre schwerer zu gewichten.

b. Einen Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO hat die Klägerin der Beklagten nicht nachweisen können. Zwar muss ein Rückwärtsfahrender die größtmögliche Sorgfalt anwenden, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden. Er muss dabei sowohl den von hinten als auch von der Seite in seine Fahrbahn kommenden Verkehr beachten. Ein rückwärts Einparkender muss etwa mit querenden Fußgängern oder nebenan aus einem parkenden Fahrzeug Aussteigenden rechnen.

Die Beklagte zu 1) ist vorliegend unstreitig geradeaus in die gegenüber liegende Parklücke eingefahren. Die Kollision ereignete sich innerhalb der Parklücke und nicht auf der davor liegenden Fahrbahn. Ein Verkehrsverstoß kann der Beklagten zu 1) in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht vorgeworfen werden, weil nicht geklärt werden kann, ob der klägerische Fahrer bereits vor der Beklagten in die daneben liegende Parklücke eingefahren war, wobei er leicht schräg auf die Parkbucht der Beklagten geriet. Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, vor dem Einparken sei das klägerische Fahrzeug für sie noch nicht zu erkennen, alle Parkplätze seien frei gewesen. Zudem sei sie bereits fast vollständig rückwärts in ihre Parklücke eingefahren gewesen, als es zur Kollision gekommen sei. Dann konnte und musste die Beklagte zu 1) jedoch nicht mit einem Fahrzeug rechnen, das von der Seite beim Einparken auf ihren Parkplatz geraten würde. Das Gegenteil konnte die Klägerin nicht nachweisen. Es ist nicht mehr aufklärbar, ob die Beklagte zu 1) mit ihrem Fahrzeug gegen das auf ihre Parkbucht geratene klägerische Fahrzeug stieß, weil sie dieses beim Rückwärtsfahren übersehen hatte, oder ob der klägerische Fahrer stattdessen gegen das Beklagtenfahrzeug fuhr, indem er auf dessen Seite geriet,

5. Da die Beklagtenseite mit Ausnahme des geltend gemachten UPE-Aufschlags bereits 50 % des klägerischen Schadens reguliert hat, hat sie keinen weitergehenden Schadensersatzanspruch. UPE-Aufschläge für Ersatzteillagerungen stehen der Klägerin deshalb nicht zu, weil sie ihren Schaden fiktiv abgerechnet hat. Da derzeit ungewiss ist, ob der Unfallschaden überhaupt (unter Verwendung von Neuteilen) repariert werden wird und ob und welche Aufschläge in diesem Fall zu Lasten der Klägerin entstehen würden, können solche nicht in die Schadenskalkulation mit eingestellt werden. Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

 

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