Kollision der Rechtsansprüche: Behindertengerechter Umbau eines Kraftrads nach Verkehrsunfall
Der Fall, der vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken verhandelt wurde, dreht sich um einen komplexen Rechtsstreit, der aus einem Verkehrsunfall resultiert. Im Kern geht es um die Frage, inwieweit die Beklagten für die Kosten des behindertengerechten Umbaus eines neuen Kraftrads aufkommen müssen, das der Kläger nach dem Unfall erworben hat. Der Kläger, der aufgrund einer Schwerbehinderung spezielle Anpassungen an seinem Kraftrad benötigt, wurde bei einer Motorradtour in Spanien von seinem Sohn, dem Beklagten zu 1, angefahren. Dies führte zu erheblichen Schäden am Kraftrad des Klägers. Obwohl die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1 bereits einen Teil der Kosten übernommen hatte, forderte der Kläger weitere Zahlungen für den Umbau seines neuen Kraftrads.
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Übersicht
Die Forderungen des Klägers
Der Kläger argumentierte, dass er auf dem Gebrauchtfahrzeugmarkt kein vergleichbares Kraftrad finden konnte, das bereits die benötigten behindertengerechten Anpassungen hatte. Daher seien die Umbaukosten unvermeidlich gewesen, unabhängig davon, ob er ein neues oder gebrauchtes Kraftrad erworben hätte. Er forderte die Beklagten auf, die restlichen Kosten für den Umbau in Höhe von 9.963,86 € zu übernehmen.
Die Argumente der Beklagten
Die Beklagten wiesen die Forderungen des Klägers zurück. Ihrer Ansicht nach hätten die unbeschädigten Bauteile des ursprünglichen Kraftrads problemlos in einem gleichwertigen, gebrauchten Kraftrad verbaut werden können. Sie bestritten auch, dass die individuell angefertigten Teile für den behindertengerechten Umbau bei dem Unfall beschädigt worden seien.
Urteil der ersten Instanz
Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage des Klägers ab. Es argumentierte, dass der Kläger die „Obergrenze Bruttowiederbeschaffungswert“ beachten müsse und setzte den Restwert des beschädigten Kraftrads auf 4.443 € fest. Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
Berufung und Entscheidung des Oberlandesgerichts
In der Berufung brachte der Kläger vor, dass die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig seien, dass die angebauten Teile überhaupt noch hätten Verwendung finden können. Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies jedoch die Berufung des Klägers zurück. Es stellte fest, dass das Rechtsmittel zwar zulässig, aber nicht begründet sei. Die Revision wurde nicht zugelassen, und die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt.
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Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 4 U 90/19 – Urteil vom 18.06.2020
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 26.09.2019 (Aktenzeichen 12 O 242/17) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten infolge eines Verkehrsunfalls auf Ersatz von restlichen Kosten für den behindertengerechten Umbau eines neuen Kraftrads in Anspruch.
Der am … 1943 geborene Kläger und sein Sohn, der Beklagte zu 1, waren am 16.06.2014 Teilnehmer einer Kraftrad-Reisegruppe in Valle de Liendo in Cantabria (Spanien). Dabei führte der Kläger das Kraftrad BMW R 1200 GS (luftgekühlt) mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XXX. Dieses Kraftrad war am 18.03.2010 erstmals zugelassen worden, hatte eine Laufleistung von 82.858 km und war auf Grund der Schwerbehinderung des Klägers (Verlust der rechten Hand) behindertengerecht umgebaut. Hinter dem Kläger fuhr der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftrad. Der Kläger musste, um dem voranfahrenden Führer der Gruppe („Guide“) folgend nach links in ein Tankstellengelände abzubiegen, verkehrsbedingt anhalten, als der nachfolgende Beklagte zu 1 mit einem Kraftrad auf dasjenige des Klägers auffuhr, welches hierdurch erheblich beschädigt wurde. Ausgehend von der alleinigen Haftung der Beklagtenseite zahlte die Beklagte zu 2 an den Kläger zunächst im Rahmen einer fiktiven Abrechnung einen Gesamtbetrag in Höhe von 8.935,66 €, von dem insgesamt 5.459 € auf den Fahrzeugschaden entfielen, und zwar ausgehend von einem im vom Kläger eingeholten Privatgutachten des Sachverständigen Sch. in Trier vom 28.06.2014 ausgewiesenen Wiederbeschaffungswert von 9.902 € netto abzüglich eines Restwerts gemäß dem von der Beklagten zu 2 unterbreiteten Angebot in Höhe von 4.443 €. Der Kläger erwarb ein neues Kraftrad BMW R 1200 GS (wassergekühlt), bei dem es sich um das Nachfolgemodell des verunfallten Kraftrads handelt. Der für das verunfallte Kraftrad angefertigte behindertengerechte Bausatz konnte bei dem neuen Kraftrad auf Grund verschiedener technischer Veränderungen gegenüber dem Vorgängermodell nicht verbaut werden. Deswegen ließ der Kläger einen neuen Bausatz auf seine Bedürfnisse anpassen und auf dem neuen Kraftrad verbauen. Hierfür entstanden Umbaukosten gemäß Rechnung der Firma Zweiradtechnik A. vom 26.04.2017 in Höhe von 13.660 € (brutto). Auf der Grundlage des vom Kläger vormals eingeholten Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Sch. vom 04.09.2014 zahlte die Beklagte zu 2 gemäß Abrechnung vom 18.08.2017 für Umbaukosten den Betrag von 3.696,14 € (brutto). Der Kläger forderte die Beklagte zu 2 unter Fristsetzung zum 02.09.2017 zur Zahlung restlicher 9.963,86 € auf.
Der Kläger hat behauptet, er hätte auf dem Gebrauchtfahrzeugmarkt kein einschließlich der genau angepassten Umbauteile vergleichbares Kraftrad gefunden. Die Umbaukosten wären immer angefallen, unabhängig davon, ob er ein neues oder ein gebrauchtes Kraftrad erworben hätte. Die am beschädigten Kraftrad verbauten, individuell auf seine Bedürfnisse abgestimmten Teile für den Behindertenbausatz seien bei dem Unfall beschädigt worden und wären nicht vollständig für das Nachfolgefahrzeug zu verwenden gewesen. Im Übrigen weiche das neu erworbene Kraftrad im Ergebnis vom Grundmodell aus betrachtet nicht von dem verunfallten ab. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass er das beschädigte Kraftrad im Vertrauen darauf veräußert habe, dass es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden handele.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 9.963,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf v. H. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 03.09.2017 zu zahlen und
2. die Beklagten weiter zu verurteilen, den Kläger gegenüber der Honorarforderung der Rechtsanwälte … pp., Trier, in Höhe von restlichen 213,48 € freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben bestritten, dass die für den behindertengerechten Umbau individuell angefertigten Teile bei dem Unfall beschädigt worden seien, und sie haben behauptet, die unbeschädigten Bauteile hätten bei Anschaffung eines gleichwertigen, auf dem Gebrauchtfahrzeugmarkt erhältlichen Kraftrads problemlos verbaut werden können. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, der Kläger genieße auch keinen Vertrauensschutz, weil er sich nicht für eine Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes entschieden habe.
Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 07.06.2018 (Bd. I Bl. 98 ff. d. A.) und dem Beschluss vom 09.05.2019 (Bd. II Bl. 207 f. d. A.). Mit dem am 26.09.2019 verkündeten Urteil (Bd. II Bl. 245 ff. d. A.) hat es die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, das Landgericht habe nicht gewürdigt, dass die Beklagten dafür darlegungs- und beweispflichtig seien, dass die angebauten Teile überhaupt noch hätten Verwendung finden können. Eine Funktionsprüfung hätten weder der Sachverständige Sch. noch der Gerichtssachverständige vorgenommen.
Darüber hinaus trägt die Berufung vor, der Kläger sei davon ausgegangen, es sei ihm schlichtweg untersagt, das Motorrad mit allen Anbauten zu demontieren, da dies sicherlich nicht den Vorstellungen des Aufkäufers entsprochen hätte. Daher genieße der Kläger erheblichen Vertrauensschutz.
Der Kläger beantragt (Bd. III Bl. 261 d. A.),
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken, 12 O 242/17, verkündet am 26.09.2019, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 9.963,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf v. H. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 03.09.2017 zu zahlen und
2. die Beklagten ferner gesamtschuldnerisch zu verurteilen, den Kläger gegenüber der Honorarforderung der Rechtsanwälte … pp., Trier, in Höhe von restlichen 213,48 € freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, seien die individuellen Umbaumaßnahmen am unfallbeteiligten Kraftrad weder bei der ursprünglichen Bestimmung des Wiederbeschaffungswerts noch des Restwerts berücksichtigt worden. Die unfallbedingt erforderlichen Kosten bestünden dann in dem Betrag, der für die Anschaffung eines gleichwertigen, baugleichen, ohne Weiteres erhältlichen Ersatzfahrzeugs anfalle, zuzüglich der im Gerichtsverfahren ermittelten Umbaukosten und abzüglich des Restwerts des verunfallten Fahrzeugs ohne Umbauteile.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 17.05.2018 (Bd. I Bl. 94 ff. d. A.) und vom 11.04.2019 (Bd. I Bl. 199 ff. d. A.) und des Senats vom 28.05.2020 (Bd. II Bl. 301 ff. d. A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
1. Das Landgericht hat sinngemäß ausgeführt, der Kläger habe sich im Ergebnis unter Vorlage der Rechnung der Firma Zweiradtechnik A. vom 26.04.2017 in Höhe von 13.660 € für eine konkrete Abrechnung entschieden (Bd. II Bl. 250 d. A. Abs. 2). Der Bruttowiederbeschaffungsaufwand betrage 5.657 € und sei geringer als die Bruttoreparaturkosten in Höhe von 7.000,81 € (Bd. II Bl. 250 d. A. Abs. 4). Deswegen müsse der Kläger bei seiner Abrechnung die „Obergrenze Bruttowiederbeschaffungswert laut Gutachten Sch. [in Höhe von 10.100 €] abzüglich erzielter Restwert“ beachten (Bd. II Bl. 250 d. A. Abs. 5). Der vom Wiederbeschaffungsaufwand abzuziehende Restwert sei mit 4.443 € gemäß dem Angebot der Beklagten zu 2 in Ansatz zu bringen (Bd. II Bl. 250 d. A. Abs. 4). Darüber hinaus könne der Kläger die Umbaukosten für den Behindertenbausatz ersetzt verlangen. Er könne jedoch keinen Kostenersatz für den behindertengerechten Umbau seines neuen Motorrads verlangen, sondern nur für den Umbau eines gebrauchten, serienmäßig baugleichen Motorrads (Bd. II Bl. 251 d. A. Abs. 3) in Höhe von 2.520 € brutto (Bd. II Bl. 251 d. A. Abs. 4). Da die Beklagte zu 2 auf der Grundlage des Gutachtens Sch. 3.000 € reguliert habe, könne letztlich offenbleiben, welcher gutachterlichen Berechnung zu folgen sei (Bd. II Bl. 251/252 d. A.).
2. Die Nachprüfung dieser Entscheidung nach Maßgabe der §§ 513, 529, 546 ZPO rechtfertigt im Ergebnis jedenfalls keine dem Kläger günstigere Entscheidung.
a) Unzutreffend ist allerdings bereits der Ausgangspunkt des Landgerichts, der Kläger habe sich für eine konkrete Abrechnung entschieden. Rechnet der Geschädigte auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens, das einen wirtschaftlichen Totalschaden ausweist, den (Netto-) Wiederbeschaffungsaufwand fiktiv ab, gilt grundsätzlich nichts Anderes als bei der fiktiven Abrechnung des technischen Totalschadens (Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht 1. Aufl. (Stand: 07.05.2020) § 249 BGB Rn. 129). Der anwaltlich vertretene Kläger hatte vorgerichtlich zunächst, ohne den wirtschaftlichen Totalschaden zu berücksichtigen, die Nettoreparaturkosten laut Gutachten Sch. in Höhe von (5.883,03 € netto – 42,57 € netto Abzug für Wertverbesserung =) 5.840,46 € beansprucht (Bd. I Bl. 3, 7 d. A.), also von Anfang an fiktiv abgerechnet, wenn auch auf fehlerhafter rechtlicher Grundlage. Die Beklagte zu 2 regulierte sodann gemäß Schreiben vom 29.07.2014 ausgehend von einem wirtschaftlichen Totalschaden (Bd. I Bl. 28 d. A.). Die Abrechnung auf Totalschadensbasis akzeptierte der Kläger, wie auch die Berufung vorträgt (Bd. II Bl. 264 d. A. Abs. 3 und 5).
b) Bei Beachtung der für die Fiktivabrechnung eines wirtschaftlichen Totalschadens geltenden Grundsätze hätte zunächst der (Netto-) Wiederbeschaffungswert unter Einschluss der notwendigen (Lohn-) Kosten für die Umrüstung des (gebrauchten) Ersatzfahrzeugs ermittelt werden müssen. Die Beweiserhebung gemäß dem Beweisbeschluss vom 07.06.2018 (Bd. I Bl. 98 ff. d. A.) und dem Beschluss vom 09.05.2019 (Bd. II Bl. 207 f. d. A.) hat sich darauf nicht bezogen, doch können den beiden Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. H. letztlich die zur abschließenden Entscheidung über die Berufung erforderlichen technischen Informationen entnommen werden.
aa) Wird das Kraftfahrzeug so beschädigt, dass eine Reparatur wirtschaftlich unvernünftig ist, liegt ein sogenannter wirtschaftlicher Totalschaden vor. Der Geschädigte hat dann – ebenso wie beim technischen Totalschaden – lediglich Anspruch auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich eines etwaigen Restwerts des verunfallten Kraftfahrzeugs (Wiederbeschaffungsaufwand). Nach streng wirtschaftlichem Maßstab tritt der wirtschaftliche Totalschaden ein, sobald die Reparaturkosten einschließlich eines etwaigen, nach Abschluss der Reparatur verbleibenden – hier laut Gutachten Sch. zu verneinenden (Bd. I Bl. 7 d. A.) – Minderwerts (Instandsetzungsaufwand) den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigen (Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, aaO Rn. 105; Kuhnert, in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht 2. Aufl. § 249 Rn. 40). Der Ersatz eines Instandsetzungsaufwands, der über dem Wiederbeschaffungsaufwand, aber unter dem Wiederbeschaffungswert liegt, erfordert den Nachweis eines „einfachen“ Herstellungsinteresses (Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, aaO Rn. 116), d. h. der Geschädigte hat bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten in diesem Rahmen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass er das Fahrzeug in verkehrssicheren Zustand versetzt und mindestens sechs Monate weitergenutzt hat (BGH NJW 2011, 667 f. Rn. 7; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, aaO Rn. 117). An beiden Voraussetzungen fehlt es hier, weshalb es beim Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands sein Bewenden haben muss. Die Berufungsbegründung trägt selbst vor, es sei nicht mehr möglich gewesen, das verunfallte Kraftrad dem TÜV fahrbereit zuzuführen (Bd. II Bl. 265 d. A. oben).
bb) Der hierzu zunächst zu bestimmende Wiederbeschaffungswert ist der nach den Verhältnissen auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu ermittelnde Preis eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, den der Geschädigte aufwenden muss, um von einem seriösen Händler einen dem Unfallfahrzeug entsprechenden Ersatzwagen zu erwerben (BGH NJW 1978, 1373). Dabei kommt es allein auf eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Ersatzbeschaffung unter objektiven Gesichtspunkten an. Entscheidend ist daher nicht, wie gerade der Geschädigte den Wert seines alten und den Wert eines Ersatzfahrzeugs ansetzt, sondern ob eine Schätzung unter objektiven Wertmaßstäben zur Feststellung einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit führt (BGH NJW 1966, 1454, 1455). Auf bestimmte Ausstattungsmerkmale und Sonderfunktionen kann es daher grundsätzlich nur ankommen, soweit sie auf dem Markt objektiv werterhöhend wirken. Auf der anderen Seite ist gerade eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur gegeben, wenn das Ersatzfahrzeug das beschädigte Fahrzeug in seiner konkreten, ihm vom Geschädigten in objektiv nachvollziehbarer Weise zugedachten und wirtschaftlich relevanten Funktion ersetzen kann (BGH NJW 2017, 2401 f. Rn. 8). Maßgebend ist im Unterschied zur bloßen Wertkompensation nach § 251 BGB weder der Abschreibungswert noch der Preis, den der Geschädigte beim Verkauf des Unfallfahrzeugs in unbeschädigtem Zustand erzielt hätte (Zeit- oder Veräußerungswert), sondern der – bei Fehlen eines funktionierenden Marktes unter Umständen höhere – Preis, den der Geschädigte beim Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs aufwenden müsste (BGH NJW 2017, 2401, 2402 Rn. 9).
cc) Der Wiederherstellungsanspruch zielt auch bei der fiktiven Abrechnung auf vollständige Wiederherstellung (Totalreparation) ab. Der Anspruch auf ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug beinhaltet daher eine Wiederherstellung von Sonderausstattungen. Die dazu erforderlichen Aufwendungen sind folglich auch bei fiktiver Abrechnung ersatzfähig, es sei denn, sie sind derart hoch, dass sie außer Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs stehen und der Geschädigte auf Wertersatz nach § 251 BGB verwiesen werden kann (Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, aaO Rn. 104).
dd) Nach diesen Grundsätzen sind z. B. die auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu zahlenden Mehrkosten für ein Fahrzeug mit Taxiausrüstung gegenüber einem vergleichbaren Fahrzeug ohne Taxiausrüstung ohne Weiteres vom Wiederbeschaffungswert umfasst und damit ersatzfähig. Ein Gleiches gilt, wenn ein Markt für die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs mit Taxiausrüstung nicht existiert. Die notwendigen Kosten für die Umrüstung des Ersatzfahrzeugs zu einem Taxi sind dann als zusätzlicher Rechnungsposten in die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts einzustellen. Bei der Umrüstung eines Gebrauchtwagens zu einem Taxi handelt es sich nämlich nicht um die bloße Übertragung individueller Ausstattungsmerkmale ohne objektivierbaren wirtschaftlichen Wert, sondern um den Einbau von rechtlich vorgeschriebenen besonderen Ausrüstungs- und Beschaffenheitselementen, ohne die das (fiktive) Ersatzfahrzeug das Unfallfahrzeug in dessen wesentlicher, gerade erwerbswirtschaftlich bedeutsamen Funktion nicht ersetzen könnte. Darauf, dass der Geschädigte bei Veräußerung seines Taxis keinen Preisaufschlag wegen der Taxiausrüstung hätte erzielen können, kommt es jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht an (BGH NJW 2017, 2401, 2402 Rn. 10).
ee) Bei Beschädigung eines Kraftrads mit behindertengerechter Sonderausstattung kann nichts Anderes gelten. § 41 Abs. 1 StVZO fordert zwei voneinander unabhängige Bremsanlagen oder eine Bremsanlage mit zwei voneinander unabhängigen Bedieneinrichtungen. Laut dem vom Kläger vorgelegten Eignungsgutachten des TÜV Saarland e. V. vom 28.09.1995 ist der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen bedingt geeignet, unter anderem mit den Beschränkungen:
„… 2. Vorderradbremse mit linker Hand zu betätigen
3. Gas mit linker Hand zu betätigen
4. Hupe, Blinker mit linker Hand zu betätigen
5. Abblendlichtschalter mit linker Hand zu betätigen
6. Kupplung mit linker Hand zu betätigen …“ (Bd. I Bl. 34 d. A.).
ff) Den Wiederbeschaffungswert ohne Berücksichtigung der erforderlichen behindertengerechten Umbauten hat das Landgericht auf der Grundlage des Gutachtens Sch. mit 10.100 € angesetzt (Bd. II Bl. 250 d. A.). Dies wird von der Berufungserwiderung nicht angegriffen (Bd. II Bl. 279 d. A.). Allerdings ist von diesem Betrag aus Rechtsgründen die Umsatzsteuer abzuziehen, weil der Kläger kein (gleichwertiges) Ersatzfahrzeug beschafft hat (vgl. Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, aaO Rn. 129; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht 26. Aufl. § 249 BGB Rn. 321 f.). Nach dem insoweit nachvollziehbaren und unangegriffenen Gutachten Sch. kann von einem Mehrwertsteueranteil bezogen auf den Wiederbeschaffungswert von 2 v. H. ausgegangen werden (Bd. I Bl. 14 d. A.), so dass der Nettowiederbeschaffungswert 9.898 € beträgt.
gg) Unter Berücksichtigung der behindertengerechten Sonderausstattung erhöht sich der Wiederbeschaffungswert unter den Umständen des vorliegenden Falls jedenfalls – insoweit kann offenbleiben, ob insoweit die Umsatzsteuer zu berücksichtigen ist – um nicht mehr als 2.520 € (brutto) auf 12.418 €.
(1) Auf der Grundlage der zutreffenden Feststellungen des Landgerichts sind vorliegend nur solche Umbaukosten erforderlich, die durch den Umbau eines im Wesentlichen vergleichbaren Gebrauchtfahrzeugs mit Hilfe der noch vorhandenen Teile der Sonderausstattung des verunfallten Kraftrads entstanden wären (Bd. II Bl. 252 d. A.). Der Gerichtssachverständige Dipl.-Ing. H. hat nachvollziehbar und mit Ausdrucken seiner Recherchen belegt, dass es sich bei dem unfallbeschädigten Kraftrad von 2005 bis zum Produktionsende 2012 um das Jahr für Jahr am Häufigsten in Deutschland neuzugelassene Kraftrad handelt, welches sowohl auf dem Privat- als auch auf dem Händlermarkt intensiv gehandelt wurde und wird (Bd. II Bl. 218 ff., 221 d. A.). Das Landgericht hat richtig angenommen, dass es auf die – hier gegebene – Vergleichbarkeit wesentlicher Merkmale wie Alter und Laufleistung und nicht auf die auf dem Gebrauchtfahrzeugmarkt kaum je gegebene Identität aller Merkmale ankommt (Bd. II Bl. 252 d. A.). Von dieser korrekten Grundlage ausgehend hat der Sachverständige Dipl.-Ing. H. nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass unter Wiederverwendung der unbeschädigten Sonderausstattung an dem verunfallten Kraftrad ein Gebrauchtfahrzeug mit Umrüstkosten in Höhe von 2.520 € brutto mit Rücksicht auf die konkrete Behinderung des Klägers umzubauen ist (Bd. I Bl. 147 d. A.). Der Sachverständige hat hierzu mit der auf den behindertengerechten Umbau insbesondere von Krafträdern spezialisierten Firma K. in Krefeld Kontakt aufgenommen und unter Einbeziehung der bei dieser Recherche gewonnenen Informationen einleuchtend dargestellt, dass und wie sich ein Umbau an einem vergleichbaren Gebrauchtfahrzeug realisieren lässt (Bd. I Bl. 142 d. A.). Überdies hat der Sachverständige H. plausibel erläutert, dass aus der Kalkulation des Sachverständigen Sch. die Position Überarbeiten des Doppelzylinders und der Gas- und Bremseinrichtungen nicht unfallbedingt erforderlich ist, weil eine Beschädigung durch das streitgegenständliche Unfallereignis nicht zu ersehen ist (Bd. I Bl. 141 d. A.).
(2) Die Berufung bringt vor, es sei klarzustellen, dass niemand damals überprüft habe, ob die angebauten Teile überhaupt noch funktionstüchtig gewesen seien. Der Sachverständige Sch. wie auch der Gerichtssachverständige hätten keine Funktionsprüfung vorgenommen. Das Landgericht habe nicht gewürdigt, dass die Beklagten für die Verwendungsfähigkeit dieser Teile darlegungs- und beweispflichtig seien (Bd. II Bl. 264 d. A.). Dem kann nicht gefolgt werden.
(2.1) Zweifelhaft erscheint bereits, ob die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Verwendungsfähigkeit der Spezialteile tragen. Dass die – hier: im Rahmen der fiktiven Abrechnung – verlangten Kosten erforderlich sind, muss der Geschädigte beweisen. Es muss also nicht etwa der Schädiger beweisen, dass der Geschädigte den Schaden nicht geringgehalten hat; denn § 254 Abs. 2 BGB ist im Bereich des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nur sinngemäß zu berücksichtigen (Katzenstein in Geigel, Der Haftpflichtprozess 28. Aufl. Kap. 3 Rn. 13; MünchKomm-StVR/Almeroth, 1. Aufl. § 254 BGB Rn. 49).
(2.2) Unbeschadet dessen ist selbst bei Unterstellung der Beweislast der Beklagten und des Beweismaßes des § 286 Abs. 1 ZPO vorliegend nachgewiesen, dass die Spezialteile nicht durch den hier interessierenden Unfall beschädigt und demgemäß wiederverwendbar waren. Der Gerichtssachverständige H. hat an Hand der umfangreichen Fotodokumentation des verunfallten Kraftrads nachvollzogen, dass primär das Fahrzeugheck beschädigt wurde und Sekundärschäden durch den Sturz auf die rechte Seite eingetreten sind (Bd. I Bl. 138 d. A.). Die Umbauten und Bedienelemente für den Kläger befanden sich auf Grund dessen rechtsseitiger Behinderung indessen im Wesentlich auf der linken Seite (Bd. I Bl. 139 d. A.). Der vom Kläger beauftragte Sachverständige Sch. ist dementsprechend, wie der Gerichtssachverständige richtig hervorgehoben hat (aaO), davon ausgegangen, dass an den behindertengerechten Umbauteilen keine Beschädigungen vorliegen und diese umrüstbar sind. Folglich gibt es nach der überzeugenden Darstellung des Gerichtssachverständigen weder auf Grund des geschilderten Unfallhergangs noch auf Grund der Fotodokumentation des Sachverständigen Sch. sowie dessen Feststellungen und Kalkulation Anhaltspunkte für durch das hier interessierende Unfallereignis aufgetretene Schäden an den behindertengerechten Umbauteilen (Bd. I Bl. 139 f. d. A.). Bei dieser Sachlage gibt es keine, insbesondere keine von der Berufung aufgezeigten Anhaltspunkte dafür, dass die vom vorgetragenen Unfallmechanismus nicht betroffenen und keine Unfallspuren aufweisenden Umbauten unfallbedingt nicht mehr funktionstüchtig gewesen wären. Es wäre verfehlt und würde im Übrigen die Regulierung von Unfallschäden unangemessen verteuern und verzögern, ohne konkrete Anhaltspunkte alle vom Sachverständigen nicht auf Funktionsfähigkeit geprüften und auch nicht ausdrücklich als funktionsfähig festgestellten Fahrzeugteile (im Zweifel?) als funktionsunfähig und nicht wiederverwendbar anzusehen.
(3) Fehl geht auch die weitere Rüge der Berufung, es sei richtig, dass der Sachverständige (Sch.) alle Angebote ohne behindertengerechten Umbau bewertet habe, allerdings stehe in keinem Gutachten, dass die Bewertung ohne die Umbauteile erfolgt sei (Bd. II Bl. 283 d. A.). Das trifft nicht zu, worauf bereits die Berufungserwiderung zutreffend hingewiesen hat (Bd. II Bl. 281 d. A.). In dem vom – anwaltlich vertretenen – Kläger eingeholten Gutachten Sch. heißt es: „ALLE ANGEBOTE OHNE BEHINDERTENGERECHTEN UMBAU“ (Bd. I Bl. 14 d. A., kursiv gedruckte Großbuchstaben im Original).
(4) Schließlich kann der Argumentation der Berufung nicht gefolgt werden, der erstinstanzlichen Entscheidung zufolge wäre jeder Geschädigte gut beraten, wenn er nach Erhalt eines Restwertangebots durch den (gegnerischen) Haftpflichtversicherer mit der zumindest teilweisen Demontage des verunfallten Kraftfahrzeugs beginne, weil man die demontierten Teile möglicherweise für das Nachfolgefahrzeug verwenden könne (Bd. II Bl. 266 f. d. A.). Vorliegend geht es indes im Rahmen einer fiktiven Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungsaufwand darum, dass dem Kläger die technisch mögliche Wiederverwendung einer unbeschädigten Sonderausrüstung zur Geringhaltung des Schadens zuzumuten gewesen wäre, zumal diese Sonderausstattung sich – in Ermangelung eines Marktes – jedenfalls nicht werterhöhend auf den Restwert auswirkte.
c) Abzuziehen ist von dem folglich inklusive des behindertengerechten Umbaus mit höchstens 12.418 € anzusetzenden Wiederbeschaffungswert der Restwert in Höhe von 4.443 €.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes können besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um seiner sich aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Unter diesem Blickpunkt kann er gehalten sein, von einer grundsätzlich zulässigen Verwertung des Unfallfahrzeugs Abstand zu nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen (BGHZ 163, 362, 367; BGH NJW 2010, 2722, 2723 Rn. 9). Im Einzelfall muss der Geschädigte ein ihm von Seiten des Haftpflichtversicherers des Schädigers unterbreitetes, verbindliches Angebot annehmen oder sich den dabei erzielbaren Mehrerlös anrechnen lassen, wenn er davon keinen Gebrauch gemacht hat (BGH NJW 2010, 2722, 2724 Rn. 10).
bb) Der Kläger hat, auch in der Berufungsinstanz, das von Seiten der Beklagten zu 2 unterbreitete Restwertangebot in Höhe von 4.443 € nicht in Frage gestellt (Bd. II Bl. 266 d. A.: „Restwertangebot akzeptiert“, „sehr unstreitig“). Nach Aktenlage hat der Kläger das Angebot allerdings nicht angenommen, insbesondere hat er gegenüber dem Gerichtssachverständigen Herrn H., befragt nach dem Verbleib des Kraftrads, erklärt, er habe selbiges seinerzeit nicht an den von der Beklagten zu 2 benannten Restwertaufkäufer, sondern erst nach Ablauf der Angebotsfrist (anderweitig) veräußert (Bd. I Bl. 124 d. A.). Auch wenn der Kläger damit von dem Angebot keinen Gebrauch gemacht hat, muss er sich nach den vorstehend unter aa) dargestellten Rechtsgrundsätzen doch den dabei erzielbaren Mehrerlös anrechnen lassen.
d) Auf den Wiederbeschaffungsaufwand von (höchstens) 7.975 € erbrachte die Beklagte zu 2 Zahlungen gemäß ihrem Schreiben vom 17.03.2017 in Höhe von 5.657 € (Bd. I Bl. 31 d. A.) und laut Vortrag in der Klageschrift mit Datum vom 18.08.2017 in Höhe von weiteren 3.696,14 €, insgesamt also in Höhe von 9.353,14 €, so dass kein restlicher Anspruch des Klägers besteht und erst recht keine Nebenforderungen mehr gegeben sind.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
4. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
5. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO).