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Schadensersatzansprüche des Jagdausübungsberechtigten bei Kollision mit einem Wildtier

AG Hameln, Az.: 32 C 210/07 (6a), Urteil vom 04.01.2008

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Wildunfall.

 Schadensersatz aus einem Wildunfall mit Wildschwein
Symbolfoto:Photocech/Bigstock

Die Beklagte zu 1) befuhr mit einem Kraftfahrzeug, Marke Volvo, amtliches Kennzeichen …, am 22.11.2006 gegen 23.45 die Bl aus Richtung G kommend in Richtung K. Der Beklagte zu 2) ist Halter des Kraftfahrzeuges, die Beklagte zu 3) die Haftpflichtversicherung. Circa in Höhe Kilometer 4,4 kollidierte die Beklagte zu 1) mit einem männlichen Wildschwein, einem Keiler. Der Unfallort lag in der Nähe eines geschlossenen Waldgebietes. Ein Verkehrszeichen, das auf Wildwechsel hinweist, war nicht vorhanden. Direkt nach der Kollision verständigte die Beklagte zu 1) die Polizei, die den Wildunfall aufnahm. Noch in der Unfallnacht rief die Polizei auch den Kläger zur Unfallstelle. Der Kläger tötete den schwer verletzten Keiler und entsorgte den Kadaver. Das Gewicht des Keilers im aufgebrochenen Zustand, also ohne Eingeweide, betrug 105 kg. Der Kläger machte mit Schreiben vom 27.11.2006 Schadensersatz gegenüber der Beklagten zu 1) und mit Schreiben vom 14.05.2006 mit einer Fristsetzung bis zum 29.05.2007 gegenüber der Beklagten zu 3) geltend. Die Beklagte zu 3) lehnte die Regulierung mit Schreiben vom 01.06.2007 endgültig ab.

Der Kläger behauptet, er sei Alleinpächter des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes „K“. Sein Jagdgebiet umfasse unter anderem Flächen beiderseits der Bl zwischen G und K. Er behauptet weiter, er sei Mitglied der behördlich anerkannten Hegegemeinschaft „F“ für Schwarzwild. Da Schwarzwild nicht der gesetzlichen Bewirtschaftung nach §§ 21 II BJagdG, 25 NJagdG unterliege, habe diese Hegegemeinschaft für ihre Mitglieder verbindliche Abschussrichtlinien hinsichtlich der zu erlegenden und freigegebenen Stücke Schwarzwild erlassen. Insbesondere sei geregelt worden, wie viele Stücke Schwarzwild jeder Jagdberechtigte erlegen dürfe. Schwarzwild, das auf der Straße endet, werde schließlich in entsprechender Anwendung des § 25 V S. 1 Nr. 2 NJagdG auf den Abschuss des Reviers angerechnet. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte zu 1) habe fahrlässig hinsichtlich des Unfalls mit dem Keiler gehandelt. Hierzu behauptet er, die Beklagte zu 1) habe es unterlassen, ihre Geschwindigkeit den Sichtmöglichkeiten auf der Straße und dem Bremsweg ihres Fahrzeuges anzupassen. Hinsichtlich der Schadenshöhe ist der Kläger der Ansicht, dass sich diese nach dem Wildbreterlös für den getöteten Keiler errechne. Hierzu behauptet er, ein Jäger erhalte im Handel regelmäßig 4,00 Euro/kg für Schwarzwild im aufgebrochenen Zustand.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 420,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2007 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Beklagte zu 1) sei mit einer Geschwindigkeit unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unterwegs gewesen. Die Geschwindigkeit sei den örtlichen und den Sichtverhältnissen angepasst gewesen. Die Beklagte zu 1) habe den Keiler nicht gesehen, da dieser mit erheblicher Geschwindigkeit auf die Fahrbahn gelaufen sei. Der Keiler sei weder aus dem Revier des Kläger gekommen noch habe er in das Revier des Klägers wechseln wollen. Hinsichtlich der Schadenshöhe behaupten die Beklagten, man könne für ein Schwarzwild im aufgebrochenen Zustand lediglich 2,00 Euro/kg als Erlös erzielen. Überdies ergebe sich aus dem Gewicht des Keilers dessen Rauschigkeit. Wegen der Ausdünstungen in der Rauschzeit habe in der Keiler als Lebensmittel gar nicht verwandt werden können.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) auf Schadensersatz in Höhe von 420,00 Euro aus § 7 I StVG. Eine für § 7 I StVG erforderliche Rechtsgutsverletzung ist nicht gegeben. Laut § 7 I StVG besteht eine Ersatzpflicht bei der Tötung eines Menschen, der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen oder der Beschädigung einer Sache. Die Tötung eines Keilers stellt keine Sachbeschädigung i. S. d. § 7 I StVG dar. Zwar ist der Keiler ein Tier im Sinne von § 90 a BGB, die für Sachen geltenden Vorschriften sind also entsprechend anzuwenden. Jedoch ist Wild, das unkontrolliert die Jagdbezirke wechseln kann, gemäß § 960 I S. I BGB herrenlos. Zum Zeitpunkt des Unfalls wurde damit keine Sache des Klägers beschädigt. Auch hatte sich der Kläger den Keiler zu diesem Zeitpunkt noch nicht gemäß § 958 BGB angeeignet. Schließlich kommt auch eine analoge Anwendung des § 7 I StVG, demgemäß dass die Verletzung des Aneignungsrechts des Jagdausübungsberechtigten eine Rechtsgutsverletzung i. S. d. § 7 I StVG darstellt, nicht in Betracht. In § 7 I StVG wird weder, wie in § 823 BGB, auf sonstige Rechte Bezug genommen noch ist es geboten die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung so weit auszudehnen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 18 StVG. § 18 StVG erfordert eine Verletzung der in § 7 I StVG genannten Rechtsgüter. Eine solche Rechtsgutsverletzung ist hier nicht gegeben. Auch eine analoge Anwendung des § 18 StVG bei Verletzung des Aneignungsrechts des Jagdausübungsrechts kommt mangels Hinweis auf die Einbeziehung sonstiger Rechte in § 18 StVG nicht in Betracht.

Weiterhin hat der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 823 I BGB. Eine kausale Verletzung eines von § 823 I BGB geschützten Rechtes ist nicht gegeben. Zunächst wurde nicht das Eigentum des Klägers als geschütztes Rechtsgut des § 823 I BGB verletzt. Zur Zeit des Unfalls war der Keiler als wildes Tier gemäß § 960 I S. 1 BGB herrenlos und eine Aneignung des Klägers hatte noch nicht stattgefunden. Auch eine kausale Verletzung des aus dem Jagdausübungsrecht resultierenden Aneignungsrechts des Klägers als Jagdausübungsberechtigten ist nicht gegeben. Zwar ist das Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten mit seiner Ausschluss- und Nutzungsfunktion als sonstiges Recht i. S. d. § 823 I BGB anerkannt und von der Berechtigung des Klägers aufgrund seines substantiierten Vortragens auszugehen. Jedoch wird das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten nicht schon durch das Anfahren des Wildes verletzt (AG Weilburg, DAR 1997, 115; AG Geislingen, SP 1998, 203; Stadler, NZV 1998, 493, 494). Nicht jede tatsächliche Beeinträchtigung der Jagd verletzt das Jagdausübungsrecht. Der Jagdausübungsberechtigte hat weder einen Anspruch auf einen bestimmten Wildbestand noch auf einen gänzlich störungsfreien Jagdgenuss. Insbesondere muss der Jagdberechtigte die Störungen, die von der bestimmungsgemäßen sonstigen Nutzung der im Jagdbezirk gelegenen Grundstücke ausgehen, dulden (BGH, NJW-RR 2004, 100, 102). Das Aneignungsrecht umfasst gemäß § 1 V BJagdG auch die ausschließliche Befugnis, sich krankes und verendetes Wild anzueignen. Die Beklagte zu 1) wandte sich direkt nach der Kollision mit dem Keiler an die Polizei, so dass der Kläger, den die Polizei unverzüglich informierte, die Möglichkeit hatte, sich den verendeten Keiler anzueignen. Eine Verletzung des Aneignungsrecht käme lediglich dann in Betracht, wenn sich der Anfahrende das Wild nach dem Unfall aneignet, also eine Wilderei begeht, oder den Wildunfall nicht unverzüglich der Polizei meldet und der Jagdausübungsberechtigte deswegen nicht benachrichtigt werden kann um sein Aneignungsrecht auszuüben.

Auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 823 II i. V. m. § 3 I S. 4 StVO besteht nicht. Im Rahmen dieses Anspruches kann nichts anderes gelten. Selbst wenn der Beklagten zu 1) ein Verstoß gegen den § 3 I S. 4 StVO zur Last gelegt werden könnte, resultiert hieraus keine Verletzung des Klägers, da dieser sich den Keiler nach der Mitteilung durch die Polizei noch aneignen konnte.

Schließlich hat der Kläger mangels Ersatzpflicht der Versicherten auch keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 3) aus § 3 I Nr. 1 PflVG.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen dafür, gem. § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben.

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