AG Lübeck, Az.: 26 C 662/16, Urteil vom 08.08.2016
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.896,42 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2016 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 EURO zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 25 % und die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 75 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.
Der Kläger befuhr am 08.12.2015 gegen 14.50 mit seinem Fahrzeug, VW Golf, amtliches Kennzeichen …, aus der F. Allee kommend den Verteilerkreis L. Platz in L.. Er fuhr auf der inneren, linken Spur und wollte den Verteilerkreis an der für ihn dritten Ausfahrt in Richtung Innenstadt/P. Brücke wieder verlassen.
Der Beklagte zu 1) fuhr mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug Fiat Ducato, amtliches Kennzeichen YY, auf der M. Allee Richtung Verteilerkreis L. Teller.
Der Unfall ereignete sich, als der Kläger im Verteilerkreis kurz hinter der Auffahrt M. Allee von der inneren auf die äußere Fahrspur wechselte und der Beklagte zu 1), der zuvor aus der M. Allee kommend in den Verteilerkreis auf die äußere Spur eingefahren war, um den Kreisverkehr an der für ihn zweiten Ausfahrt wieder zu verlassen, mit der vorderen linken Ecke seines Fahrzeugs gegen die Beifahrertür des Klägerfahrzeugs stieß.
Der Kläger beziffert den an seinem Fahrzeug durch den Unfall entstandenen Sachschaden wie folgt:
1. Reparaturkosten netto 2.508,56 EURO
2. Kostenpauschale 25,00 EURO
Gesamt 2.533,56 EURO
Darüber hinaus begehrt der Kläger die Zahlung der ihm entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 334,75 EURO.
Die Beklagte zu 2) wurde mit Schriftsatz vom 05.02.2016 zur Zahlung dieses Betrages aufgefordert. Die Beklagte zu 2) lehnte mit Schreiben vom 12.02.2016 eine Zahlung ab.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der ihm bei dem Unfall entstandene Schaden von den Beklagten zu 100 % zu ersetzen sei, weil der Beklagte zu 1) eine Vorfahrtverletzung begangen habe. Gegen den Beklagten zu 1) spreche der Anscheinsbeweis aus § 8 Abs. 2 StVO.
Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 2.533,45 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 EURO zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie beantragen hilfsweise, dem Beklagten zu gestatten, die zur Betreibung oder Abwendung der Zwangsvollstreckung erforderliche Sicherheit zu leisten in Form der Hinterlegung einer selbstschuldnerischen, unbedingten und unbefristeten Bürgschaft einer Deutschen Großbank oder Sparkasse – auch Raiffeisenbank oder Sparkasse.
Die Beklagten sind der Auffassung, gegen den Kläger spreche der Anscheinsbeweis eines gefährlichen Spurwechsels. Der Kläger habe gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Die vom Fahrzeug des Beklagten zu 1) ausgehende Betriebsgefahr trete demgegenüber zurück.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Kläger und der Beklagte zu 1) sind persönlich gehört worden. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat nur im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
Der Kläger hat gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 823 BGB, 115 Abs. 1 VVG nur in Höhe von 75 % des ihm entstandenen Schadens. Im Übrigen haftet er für seinen Schaden selbst.
Die genannten Vorschriften verpflichten den Halter bzw. Fahrzeugführer und den Haftpflichtversicherer der am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuge zum Schadensersatz, wenn bei dem Betrieb der Kraftfahrzeuge eine Sache beschädigt wird und der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist.
Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich bei dem Betrieb der beiden beteiligten Kraftfahrzeuge. Ein Fall der höheren Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG liegt nicht vor.
Gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG hängt der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder von dem anderen Unfallbeteiligten verursacht worden ist. Die Anwendung dieser Vorschrift ist hier geboten, da sich beide Parteien nicht entlasten können, denn der Unfall stellt weder für den Kläger noch für den Beklagten zu 1) ein unabwendbares Ereignis dar.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Haftungsanteile sind nur unstreitige, zugestandene oder erwiesene Tatsachen zu berücksichtigen. Vermutungen haben außer Betracht zu bleiben. Heranzuziehen sind damit die beiderseitigen objektiven Unfallursachen, das Verschulden der Fahrer, sowie die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge.
Aufgrund der nach § 17 Abs. 1 StVG erforderlichen Abwägung der Verursachungsbeiträge der am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuge ergibt sich für die Beklagten als Gesamtschuldner eine Haftungsquote von 75 % und für den Kläger von 25 %.
Zu Lasten der Beklagten ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) gegenüber dem Kläger eine Vorfahrtverletzung gemäß § 8 StVO begangen hat. Die Unfallörtlichkeit ist gerichtsbekannt. Der Beklagte zu 1) war gegenüber dem Verkehr in dem Verteilerkreis wartepflichtig. Die Vorfahrt des sich im Verteilerkreis befindlichen Verkehrs erstreckt sich über die gesamte Straßenbreite, mithin über alle im Verteilerkreis befindlichen Fahrspuren. Gerade bei der Einfahrt in einen Verteilerkreis muss der Einfahrende damit rechnen, dass im Kreisverkehr befindliche Fahrzeuge von der inneren Fahrspur auf die äußere Fahrspur wechseln, um den Kreisverkehr an der nächsten Ausfahrt zu verlassen. Der Einfahrende muss auch dem Spurwechsler Vorfahrt gewähren. Da im Verteilerkreis L. Teller die Ausfahrt P. Brücke/Innenstadt kurz hinter der Einfahrt M. Allee kommt, ist für die Einfahrenden aus der M. Allee erhöhte Vorsicht geboten. Der Beklagte zu 1) hätte damit rechnen müssen, dass Fahrzeuge, die die innere Spur des Verteilerkreises benutzt haben, um dem sich gebildeten Stau auf der äußeren Spur wegen der den Verteilerkreis Richtung M. Allee verlassenden Fahrzeuge auszuweichen, danach wieder auf die äußere Spur wechseln und er diesen die Vorfahrt zu gewähren hatte.
Da sich der Unfall kurz hinter der Einfahrt von der M. Allee noch in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zum Einfahren des Beklagten zu 1) aus der M. Allee in den Verteilerkreis L. Teller ereignet hat, steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 1) die ihm obliegenden Pflichten aus § 8 Abs. 2 S. 1 StVO verletzt hat.
Andererseits hat der Kläger bei seinem Fahrstreifenwechsel von der inneren Fahrspur auf die äußere Fahrspur gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Danach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Gerade im Verkehr in einem Verteilerkreis ist besondere Rücksichtnahme und Vorsicht für alle Verkehrsteilnehmer geboten, da ständig damit gerechnet werden muss, dass Fahrzeuge den Fahrstreifen wechseln, Fahrzeuge in den Verteilerkreis einfahren oder aus dem Verteilerkreis ausfahren. Der, wie er selbst angegeben hat, ortskundige Kläger konnte und musste damit rechnen, dass das von ihm bereits vor dem Unfall wahrgenommene Beklagtenfahrzeug von der M. Allee in den Verteilerkreis auf die äußere, freie Fahrspur einfahren würde. Er hätte sich somit bei dem Fahrstreifenwechsel auf die äußere Spur zunächst vergewissern müssen, dass ihm dies gefahrlos möglich ist.
Bei Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 StVG wiegt der von dem Beklagten zu 1) begangene Vorfahrtverstoß deutlich schwerer als die Pflichtverletzung des vorfahrtberechtigten Klägers bei seinem Spurwechsel. Daraus ergibt sich eine Haftungsquote von 75 % für die Beklagten zu 25 % für den Kläger.
Die vom Kläger geltend gemachte Schadenshöhe ist bis auf die Höhe der üblichen Kostenpauschale zwischen den Parteien unstreitig.
Das Gericht geht gemäß § 287 ZPO davon aus, dass eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 EURO angemessen ist.
Unter Berücksichtigung einer Kostenpauschale von 20,00 EURO ergibt sich ein Gesamtschaden in Höhe von 2.528,56 EURO. Hiervon haben die Beklagten als Gesamtschuldner dem Kläger 75 % zu erstatten, mithin 1.896,42 EURO.
Die Beklagten haben als Gesamtschuldner dem Kläger darüber hinaus auch die ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß den §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 249 ff. BGB, 115 VVG zu erstatten. Die Höhe der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten richtet sich nach dem Obsiegen des Klägers bezüglich der Hauptforderung.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Verzugsbeginn ist der 13.02.2016. Die Beklagten haben mit Schreiben vom 12.02.2016 gegenüber dem Kläger die Leistung von Schadensersatz für den streitgegenständlichen Unfall endgültig verweigert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.