AG Viechtach – Az.: 1 C 171/14 – Urteil vom 07.07.2014
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 69,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2014 zu bezahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 69,22 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.
Der Unfallgeschädigte hat seinen Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten an den Kläger, den Sachverständigen, abgetreten. Das Fahrzeug des Unfallgegners war bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die volle Haftung der Beklagten für die Schäden aus dem Unfallereignis ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger wurde vom Unfallgeschädigten mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragt, das er unter dem 31.05.2014 erstellte und für das er 590,25 € netto bzw. 702,40 € brutto in Rechnung stellte. Nach dem Gutachten entstand am Fahrzeug des Unfallgeschädigten ein Schaden in Höhe von 3.250,53 € netto einschließlich Wertminderung. Die Beklagte hat auf die Rechnung des Sachverständigen einen Betrag in Höhe von 633,08 € bezahlt. Mit der Klage macht der Kläger aus abgetretenem Recht die Differenz in Höhe von 69,22 € geltend und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 69,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, das Sachverständigenhonorar sei in der Höhe, die über den bereits bezahlten Betrag hinausgehe, nicht angemessen. Die Nebenkosten seien übersetzt. Ferner liege keine wirksame Abtretungserklärung des Geschädigten vor.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
(abgekürzt nach § 313 a Abs. 1 ZPO)
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
A.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 69,22 EUR aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249, 398 BGB i. V. m. § 115 VVG.
I.
Die alleinige Haftung der Beklagten dem Grunde nach aufgrund des Verkehrsunfalls vom … 2013 ist zwischen den Parteien unstreitig.
II.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Geschädigte hat die streitgegenständliche Forderung wirksam an den Kläger abgetreten, § 389 BGB. Für die Wirksamkeit einer Abtretung reicht es aus, dass die Forderung bestimmbar ist, NJW BGH 00, 276; 11, 2713. Dies ist vorliegend nach Ansicht des Gerichts der Fall.
III.
Der Höhe nach hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 69,22 EUR.
1. Die Kosten der Hinzuziehung eines Sachverständigen sind gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB vom Schädiger zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (vgl. Grüneberg, in: Palandt, 71. Auflage 2012, § 249 BGB Rn. 59). Als erforderlich im Rahmen des Ersatzes angefallener Sachverständigenkosten sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (stRspr. BGH). Nach der bisherigen Rechtsprechung dieses Gerichts darf der Geschädigte mangels einheitlicher und vergleichbarer Abrechnungsmodalitäten von der Erforderlichkeit der angefallenen Sachverständigenkosten ausgehen, so lange das Sachverständigenhonorar nicht für den Laien erkennbar willkürlich festgesetzt ist. Angefallene Sachverständigenkosten wurden demnach grundsätzlich so lange für erstattungsfähig gehalten, als sich die Honorarhöhe im Rahmen des Marktüblichen bewegt hat.
2. Durch das Urteil des BGH vom 11.02.2014 sieht sich das Gericht veranlasst, von dieser Rechtsprechung insoweit abzuweichen, als eine Kürzung der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten allein aufgrund des Umstandes, dass die Honorarwerte der als Schätzungsgrundlage herangezogenen BVSK-Honorarbefragung übersteigen, nicht mehr in Betracht kommt.
a. Der BGH hat ausgeführt, dass, wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten sei, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13). Bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbeseitigung in oben genannten Grenzen gehalten hat, sei dabei eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH aaO). Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen dürfe sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen; er müsse nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH aaO).
b. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet damit bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des erforderlichen Herstellungsaufwandes i. S. d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (BGH aaO; siehe auch Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014 – 4 U 61/13). Die in Anspruch genommene Versicherung muss somit Umstände vortragen, aus denen sich ergibt, dass der Geschädigte von vorneherein erkennen konnte, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen (BGH aaO). Dies gilt sowohl hinsichtlich des Grundhonorars wie auch der Nebenkosten. Die BVSK-Honorarumfrage bleibt damit nach Auffassung des Gerichts auch nach der Entscheidung des BGH ein geeigneter Maßstab, um die branchenüblichen Kosten objektiv zu bestimmen. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten (Neben-)Kosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze übersteigen, rechtfertigt jedoch die Annahme eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht durch den Geschädigten nicht (BGH aao). An dieser Beurteilungsgrundlage und der Anknüpfung an die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten ändert sich dabei auch nichts, wenn der Sachverständige aus abgetretenem Recht den Anspruch des Geschädigten geltend macht, da der Anspruch durch die Abtretung keine Inhaltsänderung erfährt.
c. Als Beurteilungsgrundlage für die Frage, ob die vom Schadensgutachter geltend gemachten Kosten sich objektiv im Rahmen des Angemessenen bewegen, legt das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO die BVSK-Honorarumfrage 2013 für das Postleitzahlengebiet 9 zu Grunde. Die Heranziehung der aktuellsten Honorarumfrage für das Postleitzahlengebiet 9 führt zu dem regionalen Markt angepassten, sachgerechten Ergebnissen. Da 90 % der Mitglieder des BVSK ihr Honorar unterhalt des Wertes HB IV berechnen, hält das Gericht die Anwendung des HB IV als Obergrenze für die Frage, ob im konkreten Fall eine das Branchenübliche (erheblich) übersteigende Vergütung geltend gemacht wird, für geeignet.
3. Im konkreten Fall ergibt sich damit Folgendes:
a. Maßgeblich für die Ermittlung des branchenüblichen Honorars unter Hinzuziehung der BVSK-Honorarumfrage ist der im Rahmen der Schadensbegutachtung ermittelte Nettoschaden zzgl. einer eventuellen Wertminderung; vorliegend ist insoweit ein Wert von 3.250,53 EUR zugrunde zu legen. Bei einem Vergleich der Obergrenzen des HB IV mit der streitgegenständlichen Rechnung ergibt sich, dass das geltend gemachte Grundhonorar ebenso wie die Nebenkosten sich weitgehend im Rahmen des Honorarkorridors nach dem HB IV der BVSK-Honorarumfrage halten. Eine die branchenüblichen Sätze deutlich übersteigende Honorarforderung ist damit vorliegend nicht gegeben.
b. Angesichts der lediglich geringfügigen Abweichungen vom branchenüblichen Honorar hat das Gericht erhebliche Zweifel, inwieweit der Geschädigte von dieser Abweichung von vorneherein Kenntnis hätte haben sollen. Auch aus dem Vortrag der Beklagten ergeben sich keine Anhaltspunkte, um im Sinne der Rechtsprechung des BGH von einem Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht auszugehen. Es wird keine Anhaltspunkte dargelegt, die auf eine solche subjektive Kenntnis schließen lassen. Das Gericht ist in diesem Zusammenhang auch der Ansicht, dass Schreibkosten neben dem Grundhonorar geltend gemacht werden können; dies entspricht auch der Regelung für nach dem JVEG vergütete Sachverständige. Ferner ist das Gericht der Auffassung, dass die Anfertigung einer Zweit- und Drittausfertigung des Gutachtens im Rahmen dessen liegt, was zur Schadensbehebung erforderlich ist; bereits aus dem Umstand, dass es infolge der Regulierung von Verkehrsunfallschäden regelmäßig zur Rechtsstreitigkeiten kommt, ergibt sich das Interesse des Geschädigten, ein Gutachtensexemplar für sich und seinen Rechtsanwalt zurückzubehalten. Im Hinblick auf die geltend gemachten Fahrtkosten vermag das Gericht ebenfalls keinen Verstoß gegen die dem Geschädigten obliegende Schadensminderungspflicht erkennen. Dem Geschädigten steht es im Rahmen des Angemessenen frei, den Sachverständigen seines Vertrauens ohne Rücksicht auf die Entfernung zu wählen. Bei der Beauftragung eines in 15 km Entfernung ansässigen Sachverständigen liegt daher kein Verstoß gegen § 254 Abs 2 BGB vor.
c. Insgesamt ergeben sich damit erstattungsfähige Sachverständigenkosten in Höhe von 702,40 EUR brutto. Bereits in objektiver Hinsicht ist kein deutliches Überschreiten der branchenüblichen Vergütung gegeben; eine Kürzung allein aufgrund der Differenz zu den Werten nach der BVSK-Honorarbefragung ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht geboten. Anhaltspunkte für einen Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadensminderungspflicht bestehen nicht. Die Beklagte hat auf die Sachverständigenkosten bereits 633,08 EUR geleistet, so dass ein Restanspruch in Höhe von 69,22 EUR verbleibt.
IV.
Der Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen ergibt sich aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.