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Verkehrsunfall – Quotenvorrecht bei den Positionen Wertminderung und Sachverständigenkosten

LG Bochum – Az.: 9 S 29/11 – Urteil vom 24.05.2011

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.01.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum teilweise abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner über den vom Amtsgericht zuerkannten Betrag hinaus verurteilt, an den Kläger weitere 688,29 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 sowie weitere 117,57 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2010 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 12 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 88 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 19 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 81 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner weiteren Schadensersatz infolge eines Verkehrsunfalles. In der Berufungsinstanz streiten die Parteien nur noch über die Höhe des Schadensersatzanspruchs.

Am 08.06.2010 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem das Fahrzeug des Klägers und das Fahrzeug der Beklagten zu 2), welches zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten zu 1) geführt wurde und bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war, beteiligt waren. Dabei kollidierte das Heck des Beklagtenfahrzeuges gegen die linke Seite des klägerischen Fahrzeuges.

Nachdem erstinstanzlich die zu dem Unfall führenden Verursachungsbeiträge und damit das Verhältnis der Schadensersatzpflichten untereinander streitig waren, hat das Amtsgericht in seinem Urteil vom 28.01.2011 festgestellt, dass die Beklagten dem Kläger zum Ersatz des hälftigen Schadens verpflichtet sind. Die vom Amtsgericht festgestellte Haftungsquote von 50 % wird ausweislich der Berufungsbegründung durch den Kläger nicht angegriffen.

Der Kläger hat nach dem Unfall mit Schreiben vom 14.07.2010 folgende Schäden vollumfänglich gegen die Beklagten geltend gemacht, wobei die Höhe der Forderungen – bis auf die Kostenpauschale – unstreitig sind:

Reparaturkosten 3.282,65 €

Sachverständigenkosten 526,58 €

Wertminderung 850,00 €

Kostenpauschale 25,00 €

Gesamt:  4.684,23 €

Nach Ablauf der gegenüber den Beklagten gesetzten Zahlungsfrist bat der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 19.08.2010 seine Vollkaskoversicherung um Vornahme der Kaskoabrechnung. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die in den Akten befindliche Kopie (Bl. 39 d.A.) verwiesen. Die Vollkaskoversicherung rechnete mit Schreiben vom 23.08.2010 unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung i.H.v. 300,00 € auf die Reparaturkosten einen Kaskoschaden i.H.v. 2.982,65 € ab.

Nach der Kaskoabrechnung hat der Kläger gegenüber den Beklagten folgende Schadenspositionen vollumfänglich geltend gemacht:

Selbstbeteiligung Kaskoversicherung 300,00 €

Sachverständigenkosten 526,58 €

Wertminderung 850,00 €

Kostenpauschale 25,00 €

Anwaltskosten Kaskoabrechnung 316,18 €

Gesamt: 2.017,76 €

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.017,76 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 sowie als Nebenforderung 489,45 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den ihm entstehenden Höherstufungsschaden in seiner Vollkaskoversicherung anlässlich des Verkehrsunfalls vom 08.06.2010 zu ersetzen.

Die Beklagte hat die Verpflichtung zum Ersatz des Höherstufungsschadens zu einer Quote von 50 % anerkannt und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil neben der Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, dem Kläger den Höherstufungsschaden hälftig zu ersetzen, die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 998,29 € nebst Zinsen sowie 155,30 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zu der noch streitgegenständlichen Schadenshöhe hat das Amtsgericht zu den einzelnen Positionen folgendes ausgeführt:

1. Die Selbstbeteiligung i.H.v. 300,00 € sei wegen des Quotenvorrechts insgesamt zu zahlen.

2. Die Gutachterkosten seien hälftig zu zahlen, da die irrtümliche Überweisung eines Dritten nicht entlaste und der Betrag auch zurückgezahlt worden sei. Diese Kosten würden vom Quotenvorrecht nicht erfasst werden.

3. Die Wertminderung, die nicht Teil der Kaskoversicherung sei, sei hälftig zu zahlen.

4. Eine Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten für die Kaskoabrechnung sei nicht zu zahlen, da dies Teil einer einheitlichen Angelegenheit Schadensabwicklung gegenüber allen Beklagten sei.

5. Die Auslagenpauschale bestehe nur i.H.v. 20,00 €, deren Hälfte der Kläger beanspruchen könne.

6. Der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folge dem berechtigten Streitwert i.H.v. 998,29 €.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2011 hat der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt. In diesem Schriftsatz ist als Berufungsbeklagte nur die Beklagte zu 1) aufgeführt. Mit Schriftsatz vom 16.05.2011 hat der Kläger vorgetragen, dass sich die Berufung entsprechend dem mit Schriftsatz vom 30.03.2011 gestellten Berufungsantrag gegen sämtliche Beklagten richte.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts erhebt der Kläger folgende Einwendungen.

1. Quotenvorrecht

Er ist der Ansicht, dass das Amtsgericht das Wesen des Quotenvorrechts verkannt habe. Es sei unzutreffend, dass die Sachverständigenkosten und der Minderwert des Fahrzeuges nur nach Quote zu erstatten seien. Vielmehr würden auch diese Positionen dem Quotenvorrecht unterfallen und seien deshalb in voller Höhe zu erstatten.

Daher sei die Abrechnung im vorliegenden Fall wie folgt vorzunehmen:

Reparaturkosten 3.282,65 €

Sachverständigenkosten 526,58 €

Minderwert 850,00 €

Summe kongruenter Schadenspositionen   4.659,23 €

abzgl. geleisteter Kasko Entschädigung 2.982,65 €

offener kongruenter Schadensbetrag 1.676,58 €

Auf diesen offenen Schadensbetrag sei aufgrund des Quotenvorrechts vorrangig die Erstattungsleistung der Beklagtenseite zu verrechnen. Diese belaufe sich auf 50 % der Summe der kongruenter Schadenspositionen, also auf einen Betrag i.H.v. 2.329,62 €.

Da der von den Beklagten zu tragende Haftungsbetrag größer sei als der noch offene Schadensbetrag, werde dieser zunächst aufgrund des Quotenvorrechts in voller Höhe auf den offenen Schadenbetrag verrechnet. Daher hätte das Amtsgericht die vollen Gutachterkosten und den vollen Minderwert zusprechen müssen.

2. Anwaltskosten Kaskoabrechnung

Das Amtsgericht habe zudem zu Unrecht die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten für die Kaskoabrechnung abgelehnt.

Die Kosten für die Kaskoabrechnung seien grundsätzlich erstattungsfähig. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts habe auch keine einheitliche Angelegenheit vorgelegen, da zum Zeitpunkt der Auftragserteilung die Notwendigkeit einer Kaskoabrechnung noch nicht ersichtlich gewesen sei. Diese habe sich erst durch Verzug der Beklagten mit der Schadensregulierung ergeben. Zudem seien unterschiedliche Anspruchsgegner betroffen. Aufgrund der Kombinationsabrechnung sei auch kein Fall der Doppelabrechnung gegeben. Der Versicherte könne nicht mehr als seinen Schaden geltend machen. Die Abrechnung mit dem Unfallgegner und die Abrechnung mit der eigenen Kaskoversicherung seien zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten. Die Zuhilfenahme eines Rechtsanwaltes sei auch erforderlich gewesen. Da sich die Beklagten mit der Regulierung in Verzug befunden hätten, durfte sich der Kläger auch für die Inanspruchnahme der eigenen Kaskoversicherung anwaltlicher Hilfe bedienen. Davon sei die Pflicht zur Anzeige des Kaskoschadens zu unterscheiden.

Da dieser Schadensbetrag nicht dem Quotenvorrecht unterfalle, bestehe insoweit nur ein Anspruch i.H.v. 158,09 €.

3. Kostenpauschale

Die von dem Amtsgericht festgelegte Kostenpauschale i.H.v. 20,00 € sei zu gering. Vielmehr sei aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten und Telekommunikationskosten ein Betrag i.H.v. 25,00 € angemessen. Insoweit sei zu beachten, dass Anwälte je Instanz eine Kostenpauschale i.H.v. 20,00 € abrechnen könnten. Demnach bestehe aufgrund der Quote ein Anspruch des Klägers i.H.v. 12,50 €.

Insgesamt würde daher nach Auffassung des Klägers ein Anspruch i.H.v.1.847,17 € gegen die Beklagten bestehen, von dem das Amtsgericht 998,28 € zugesprochen habe.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezüglich der Abrechnung des Haftpflichtschadens habe das Amtsgericht verkannt, dass es für die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten darauf ankomme, in welcher Höhe außergerichtlich Schadenspositionen zur Regulierung bei der Beklagten zu Recht angemeldet worden seien. Daher bestehe ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten auf Grundlage eines berechtigten Anspruchs i.H.v. 2.342,12 €, der Hälfte der Schadenspositionen Reparaturkosten, Wertminderung und Sachverständigenkosten. Die später erfolgte Kaskoabrechnung sei dabei unberücksichtigt zu lassen, da deren Notwendigkeit bei Auftragserteilung noch nicht gegeben gewesen sei.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist der Kläger der Ansicht, dass kein Fall des § 93 ZPO vorgelegen habe. Da die Beklagte zu 3) die Schadenregulierung abgelehnt habe, sei ein sofortiges Anerkenntnis nicht mehr möglich gewesen.

Er beantragt, unter Abänderung des Tenors zu Ziffer II. des am 28.01.2011 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Bochum (38 C 364/10) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.847,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 sowie als Nebenforderung 272,87 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Zu den Einwendungen des Klägers tragen sie vor:

1. Quotenvorrecht

Sie sind der Ansicht, dass zumindest die Sachverständigenkosten nicht unter das Quotenvorrecht fallen würden, da es sich dabei um eine inkongruente Schadensposition handele. Daher bestehe nur ein Ersatzanspruch des Klägers i.H.v. 50 % dieser Kosten.

2. Anwaltskosten Kaskoabrechnung:

Ein diesbezüglicher Anspruch des Klägers bestehe nicht. Es handele sich bei der Schadenregulierung um eine einheitliche Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG, so dass nur eine Geschäftsgebühr anfalle, selbst wenn man mit zwei verschiedenen Versicherungen korrespondiere. Auch der Umstand, dass hier eine Kombinationsabrechnung erfolge, belege, dass von einer einheitlichen Angelegenheit auszugehen sei. Zudem habe der Kläger für die Kaskoabrechnung keiner anwaltlichen Hilfe bedurft. Die Kaskoversicherung sei aufgrund des Versicherungsvertrages zur Schadensregulierung verpflichtet. Da diese sich nicht in Verzug befunden habe, sei die Zuhilfenahme eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich gewesen. Ferner sei nicht ersichtlich, warum dies eine eigene Geschäftsgebühr i.H.v. 1,3 der vollen Gebühr rechtfertige. Ferner würde, da der Kläger zudem auch Rechtsanwaltskosten für die Schadensabrechnung mit der Gegenseite erstattet verlange, eine unzulässige Doppelabrechnung vorliegen.

3. Kostenpauschale

Die Kostenpauschale mit einem Betrag i.H.v. 20,00 € sei angemessen. Der Kläger habe zudem die Möglichkeit, einen höheren Schaden konkret darzulegen, was nicht erfolgt sei.

Die Beklagten sind ferner der Ansicht, dass die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren an einem berechtigten Anspruch i.H.v. 998,20 € zu orientieren seien. Zudem werde die Erteilung einer ordnungsgemäßen Kostenabrechnung bestritten, so dass keine Fälligkeit gegeben sei.

Ergänzend sind die Beklagten der Ansicht, dass die Kostenentscheidung des Amtsgerichts fehlerhaft sei. Sie sind der Ansicht, dass hinsichtlich des anerkannten Teils der Klageforderung ein sofortiges Anerkenntnis vorliege, so dass der Kläger diesbezüglich zur Kostentragung verpflichtet sei, was das Amtsgericht nicht berücksichtigt habe. Da der Kläger außergerichtlich den Höherstufungsschaden nicht geltend gemacht habe, sei das Anerkenntnis in der Klageerwiderung als sofortiges Anerkenntnis zu werten.

II.

Die Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

1. Der Kläger hat die Berufung gegen alle Beklagten und nicht nur gegen die Beklagte zu 1) eingelegt.

Zwar ist in der Berufungseinlegungsschrift als Berufungsbeklagte nur die Beklagte zu 1) aufgeführt, so dass dies dafür sprechen könnte, dass keine Berufung gegen die weiteren Beklagten vorliegt.

Jedoch ist von dem Grundsatz auszugehen, dass sich der Rechtsmittelführer gegen die angefochtene Entscheidung als solche richtet, diese mithin im Umfang der Beschwer des Rechtsmittelklägers angreift. Anderes gilt, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt. Dies ist bei mehreren, als Rechtsmittelbeklagte in Frage kommenden, Streitgenossen der Fall, wenn in der Rechtsmittelschrift nur einzelne von ihnen als Rechtsmittelbeklagte bezeichnet sind. Allerdings genügt es mit Rücksicht auf zum Teil bestehende Gerichtsgepflogenheiten, wenn der Rechtsmittelkläger nur den gegnerischen Streitgenossen, der in dem angefochtenen Urteil als erster bezeichnet ist („Spitzenreiter“), in die Rechtsmittelschrift aufnimmt (BGH, Urteil vom 11.07.2003, Az. V ZR 233/01).

Hier ist nur die Beklagte zu 1) „als Spitzenreiter“ als Rechtsmittelgegnerin in der Berufungseinlegungsschrift erwähnt, so dass entsprechend den obigen Ausführungen nicht automatisch von einer Beschränkung auf eine Berufung gegen diese ausgegangen werden kann. Vielmehr ist entsprechend dem oben genannten Grundsatz von einer umfassenden Berufungseinlegung und damit gegen alle Beklagten auszugehen. Einwendungen sind von den Beklagten auch insoweit nicht erhoben worden.

2. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagten dem Grunde nach gem. §§ 7 Abs. 1, 18, 17 StVG, § 115 VVG unter Berücksichtigung einer Haftungsquote der Beklagten zu 50 % ist nunmehr zwischen den Parteien unstreitig.

Hinsichtlich der Schadenshöhe gilt Folgendes:

1. Quotenvorrecht

Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch die Wertminderung und die Sachverständigenkosten unter sein Quotenvorrecht fallen und daher nach diesen Maßgaben und nicht nach der Haftungsquote zu berechnen sind.

Das Quotenvorrecht bezieht sich nach herrschender Meinung, der die Kammer folgt, nur auf den unmittelbaren Sachschaden, nicht jedoch auf die Sachfolgeschäden (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 29.01.1985, Az. VI ZR 59/84). Maßgebend ist somit, ob der in Betracht kommende Schaden unmittelbar die Substanz des betreffenden Kraftfahrzeuges berühre, dessen Wert mindere oder in der Notwendigkeit bestehe, Geldmittel zur Beseitigung der Beschädigung i.S.v. § 249 BGB aufzuwenden. In diesen Fällen ist ein Bezug zum unmittelbaren Sachschaden gegeben.

Demnach unterfällt auch die Wertminderung dem Quotenvorrecht. Es werden aber auch die für die Begutachtung der Fahrzeugschäden aufgewandten Sachverständigenkosten zu den unmittelbaren Sachschäden gezählt, so dass auch diese an dem Quotenvorrecht teilnehmen (BGH, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 26.06.2000, Az. 6 U 116/99; OLG Hamm, Urteil vom 21.05.2001, Az. 6 U 42/01; OLG Celle, Urteil vom 03.02.2011, Az. 5 U 171/10). Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sind Teil des – kongruenten – Sachschadens, weil sie vor allem aufgewendet werden, um das Ausmaß der Beschädigungen des Kraftfahrzeugs zu ermitteln und deren Beseitigung in einer Werkstatt vorzubereiten. Sie dienen daher der Wiederinstandsetzung und damit der Wiederherstellung des früheren Zustands.

Dabei ist es unerheblich, ob diese Positionen von der Kaskoversicherung gedeckt sind. Sie gelten im Verhältnis zum Schädiger als kongruente Schadenspositionen, selbst wenn der Versicherungsnehmer im Innenverhältnis zur Versicherung die Kosten für das Schadensgutachten selbst tragen muss (vgl. OLG Celle, a.a.O.).

Demnach sind beide Positionen in das Quotenvorrecht mit einzubeziehen.

Dies ergibt folgende Berechnung:

Reparaturkosten 3.282,65 €

Sachverständigenkosten 526,58 €

Minderwert 850,00 €

Summe kongruenter Schadenspositionen  4.659,23 €

abzgl. geleisteter Kasko Entschädigung 2.982,65 €

offener kongruenter Schadensbetrag 1.676,58 €

Auf diesen offenen Schadensbetrag ist aufgrund des Quotenvorrechts vorrangig die Erstattungsleistung der Beklagtenseite zu verrechnen

Diese berechnet sich wie folgt:

Summe kongruenter Schadenspositionen 4.659,23 €

davon 50 % aufgrund der Haftungsquote 2.329,62 €

Da der von den Beklagten zu tragende Haftungsbetrag größer ist als der noch offene Schadensbetrag, wird dieser zunächst aufgrund des Quotenvorrechts in voller Höhe auf den offenen Schadenbetrag verrechnet. Daher hat der Kläger trotz einer Haftungsquote von 50 % neben der Erstattung der Selbstbeteiligung Anspruch auf vollen Ersatz der Sachverständigenkosten und des Minderwertes.

2. Anwaltskosten Kaskoabrechnung

Der Kläger hat nach Ansicht der Kammer keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten betreffend die Geltendmachung des Schadens gegenüber seiner Kaskoversicherung.

Zwar erstreckt sich die Ersatzpflicht des Schädigers auch auf die durch die Geltendmachung und die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs verursachten Kosten. Davon erfasst sind insbesondere die durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes verursachten Kosten.

Diese Ersatzpflicht soll nach einer Ansicht auch für die Kosten der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für die Verhandlungen mit dem Kaskoversicherer gelten, da auch diese Kosten adäquat auf das Schadensereignis zurückzuführen sein sollen (OLG Hamm, Urteil vom 07.10.1982, Az. 27 U 161/82). Die Ansicht führt zur Begründung aus, dass der Geschädigte nicht mit höheren, jedenfalls nicht mit wesentlich höheren Kosten belastet werde, als in den Fällen, in denen der Kaskoversicherer nicht eingeschaltet werde. In diesen Fällen sei, da die Entschädigung des Kaskoversicherers entfalle, der Streitwert für die Gebührenrechnung des für die Verhandlungen mit dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer beauftragten Rechtsanwalt entsprechend höher. Daraus folge, dass es keinesfalls unbillig sei, den Schädiger mit diesen Kosten zu belasten. Bei der Einnahme eines gegenteiligen Standpunktes würde nach dieser Ansicht der Haftpflichtversicherer aus dem Abschluss der Kaskoversicherung durch den Geschädigten sogar Vorteile ziehen. Grundsätzlich sei daher eine Erstattungspflicht auch für solche Kosten zu bejahen. Nach dieser Auffassung solle dies auch dann gelten, wenn der Geschädigte zunächst die Haftpflichtversicherung des Schädigers in Anspruch nimmt und sodann auf deren Veranlassung die Fahrzeugschaden gegenüber dem Kasko-Versicherer geltend gemacht. Denn insoweit entstehenden Rechtsanwaltskosten seien als adäquate Folge des Schadensereignisses anzusehen (OLG Hamm, a.a.O.).

Dieser Ansicht vermag die Kammer zumindest nicht ohne Einschränkungen zu folgen.

Zwar liegt hier entgegen des vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Falles keine direkte Veranlassung durch die Haftpflichtversicherung auf Inanspruchnahme der Kaskoversicherung vor. Damit gleichzusetzen sind jedoch Fälle wie der vorliegende, in dem sich die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners mit der Regulierung der Unfallschäden in Verzug befindet und der Geschädigte sich daher veranlasst sieht, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen.

Nach Auffassung der Kammer kommt es bei der Frage, ob die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die durch die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung entstanden sind, ersatzfähig sind oder nicht, unabhängig von der Frage der Veranlassung durch den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung darauf an, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes bei der Inanspruchnahme der Kaskoversicherung erforderlich und zweckmäßig war. Denn dies setzt die Ersatzpflicht des Anspruchsgegners zwingend voraus (Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 249 Rn. 57).

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Geschädigte für die Geltendmachung der durch einen Verkehrsunfall entstandenen Schäden gegenüber den Schädigern bzw. deren Haftpflichtversicherung einen Rechtsanwalt hinzuziehen darf, was grundsätzlich zu bejahen ist. Maßgebend ist, ob der Geschädigte für die von dieser Geltendmachung gegenüber den Unfallgegnern zu unterscheidende Anzeige des Versicherungsfalles an die eigene Kaskoversicherung und die Abwicklung dieses Versicherungsfalles die Hinzuziehung eines bzw. des von ihm bereits mit der Schadensabwicklung gegenüber den Unfallgegnern beauftragten Rechtsanwaltes als erforderlich und zweckmäßig ansehen darf.

Dies ist nach Auffassung der Kammer bei einfach gelagerten Versicherungsfällen – wie dem vorliegenden – erst der Fall, wenn sich der Kaskoversicherer mit der Schadensregulierung in Verzug befindet oder dieser eine sonstige Pflichtverletzung begeht. In diesem Fall ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zur Geltendmachung seines Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag erforderlich und zweckmäßig. Diese Kosten sind sodann entsprechend der Quote von den Unfallgegnern als adäquate Folge des Verkehrsunfalls bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch zu ersetzen.

Im Übrigen dürfte die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich und zweckmäßig sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Versicherungsnehmer, der einen von der Kaskoversicherung erfassten Schaden erlitten hat, den er nicht von einem Unfallgegner ersetzt verlangen kann, in diesen Fällen regelmäßig bei der Inanspruchnahme der Kaskoversicherung keine anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wird, da er in diesem Fall die Kosten selbst tragen müsste. Eine andere Betrachtungsweise für einfach gelagerte Versicherungsfälle, in denen der Geschädigte seinen Schaden auch gegenüber den Unfallgegnern geltend machen kann, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen.

3. Kostenpauschale

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer beläuft sich die Unfallpauschale gem. § 287 ZPO auf 20,00 €. Die Ausführungen des Klägers geben keine Veranlassung, von diesem Betrag abzuweichen. Das Argument, dass ein Anwalt für jede Instanz eine Auslagenpauschale geltend machen kann, überzeugt nicht, da sich dessen Tätigkeit über einen weit längeren Zeitraum erstreckt und seine Kosten dementsprechend höher sind. Die berücksichtigungsfähigen Kosten des Geschädigten bis zur Einschaltung des Rechtsanwaltes sind in der Regel geringer als die Kosten eines Anwalts auch für nur eine Instanz. Zudem hat der Kläger die Möglichkeit, einen höheren Schaden substantiiert vorzutragen, was er vorliegend nicht getan hat.

Da auch diese Kosten jedoch nicht am Quotenvorrecht teilnehmen, sind sie nur anteilig der Quote, also i.H.v. 50 % zu ersetzen. Dies entspricht einem Betrag i.H.v. 10,00 €.

Dies führt zu folgendem Anspruch des Klägers in der Hauptsache:

Selbstbeteiligung Kaskoversicherung ungekürzt  300,00 €

Sachverständigenkosten ungekürzt 526,85 €

Wertminderung ungekürzt 850,00 €

Kostenpauschale zu ½ 10,00 €

Gesamt:  1.686,58 €

 

Davon hat das Amtsgericht bereits einen Betrag i.H.v. 998,29 € zugesprochen, so dass ein Mehranspruch des Klägers i.H.v. 688,29 € gegeben ist.

3. Die Beklagten sind ferner verpflichtet, dem Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hinsichtlich der Regulierung der Unfallschäden i.H.v. 272,87 €, zu erstatten. Dies führt zu einem Mehranspruch des Klägers gegenüber dem amtsgerichtlichen Urteil i.H.v. 117,57 €.

Dabei ist von einem berechtigten Gegenstandswert i.H.v. 2.339,62 €, nämlich der Beklagten der Hälfte der Reparaturkosten, der Sachverständigenkosten und des Minderwertes und der Kostenpauschale aufgrund der inzwischen unstreitigen Haftungsquote auszugehen. Maßgebend ist nämlich, welche berechtigte Forderung zum Zeitpunkt der Auftragserteilung und damit zum Zeitpunkt der Kostenentstehung bestanden hat. Dass sich diese Forderung später durch Inanspruchnahme der Kaskoversicherung verändert hat, ist für die bereits entstandenen und insoweit zu ersetzenden Kosten unerheblich.

Eine Rechnung ist gestellt worden, so dass die Forderung auch fällig ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die unterschiedlichen Kostenquoten für die erste und zweite Instanz folgen aus den verschiedenen Streitwerten im Verhältnis zum Obsiegen und Unterliegen der Parteien.

Hinsichtlich des durch die Beklagten anerkannten Anspruchs des Klägers auf Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Kläger seinen künftigen Höherstufungsschaden zu einer Quote von 50 % zu ersetzen, sind die Kosten von den Beklagten zu tragen. Die Voraussetzungen, die Kosten dem Kläger gem. § 93 ZPO aufzuerlegen, sind nicht gegeben.

Zwar ist nach nunmehr herrschender Meinung ein sofortiges Anerkenntnis noch in der Klageerwiderung möglich (Zöller, ZPO, 28. Auflage 2009, § 93 Rn. 4). Jedoch haben die Beklagten nach Auffassung der Kammer Veranlassung zur Klage gegeben. Es ist zwar zutreffend, dass der Anspruch auf Freistellung des Höherstufungsschadens vorprozessual von den Beklagten nicht geltend gemacht worden ist. Darauf kann es jedoch nur ankommen, wenn nicht aufgrund des sonstigen Verhaltens des Anspruchsgegners der Anspruchssteller damit rechnen musste, auch diesen Anspruch nur klageweise geltend machen zu können. Hier musste der Kläger aufgrund des Verhaltens der Beklagten, die sich mit der Schadensregulierung im Übrigen in Verzug befanden und auf die Mahnungen des Klägers nicht mehr reagierten, nicht damit rechnen, dass ein Freistellungsanspruch von den Beklagten ganz oder teilweise anerkannt werden würde. Aus diesem Grund war auch bezüglich dieses Anspruchs für den Kläger ein Anlass zur Klageerhebung gegeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Soweit der am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündete Tenor eine Abwendungsbefugnis der Parteien nicht enthalten hat, handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die gem. § 319 Abs. 1 ZPO zu korrigieren ist.

Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites unter anderem auf die Rechtsfrage ankommt, ob der Geschädigte eines Verkehrsunfalls gegen die Schädiger einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten betreffend die einfach gelagerte Geltendmachung des Schadens gegenüber seiner Kaskoversicherung hat, wenn er zuvor seinen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung der Schäden gegenüber den Schädigern beauftragt hat und insoweit Rechtsanwaltskosten entstanden sind. Eine diesbezügliche höchstrichterliche Entscheidung ist – soweit ersichtlich – bislang nicht ergangen. Zwar hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 18.01.2005, Az. VI ZR 73/04 ausgeführt, dass, soweit es aus Sicht des Geschädigten erforderlich ist, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Versicherungsfalles bei dem eigenen Versicherer gilt. Jedoch enthält das Urteil keine – zumindest ausdrücklichen – Ausführungen zu der Frage, ob es für die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten nicht maßgebend darauf ankommt, dass der Geschädigte für die von der Geltendmachung gegenüber den Unfallgegnern zu unterscheidende Anzeige des Versicherungsfalles an die eigene Kaskoversicherung und die Abwicklung dieses Versicherungsfalles die Hinzuziehung eines bzw. des von ihm bereits mit der Schadensabwicklung gegenüber den Unfallgegnern beauftragten Rechtsanwaltes als erforderlich und zweckmäßig ansehen darf.

Daher hat der Rechtsstreit nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.

 

 

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