AG Hamburg-St. Georg – Az.: 910 C 140/11 – Urteil vom 11.08.2011
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 1.551,00 zuzüglich Zinsen i.H.v. 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.9.2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 57,24 durch Zahlung an die Rechtsanwälte … freizustellen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die von der Klägerin eingezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB Zinsen seit dem Zeitpunkt der Einzahlung de – Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.
Der Verkehrsunfall ereignete sich am 27.5.2010 gegen 15:30 Uhr in der …straße in Hamburg. Bei dem Unfall wurde der PKW der Klägerin, VW Golf, amtliches Kennzeichen … beschädigt. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Beklagte ist voll einstandspflichtig für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden.
Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug durch das Sachverständigenbüro … begutachten. Auf das Gutachten (Anlage K1) wird Bezug genommen. Das klägerische Fahrzeug erlitt einen Totalschaden. Das klägerische Gutachten beziffert die Reparaturkosten mit Euro 6.495,15, den Widerbeschaffungswert mit Euro 5.400,- sowie den Restwert des beschädigten Fahrzeuges mit Euro 1.200,-.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin legitimierten sich gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 28.5.2010. In diesem Schreiben teilen die Klägervertreter unter anderem mit, dass eine Empfangsvollmacht für etwaige Restwertangebote nicht bestehe und darum gebeten werde, die Klägerin gegebenenfalls unmittelbar zu unterrichten.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten die Beklagte mit Schreiben vom 3.6.2010 zur Regulierung des Schadens auf Grundlage der Totalschadensliquidation auf. Mit Schreiben vom 10.6.2010 an die Klägervertreter rechnete die Beklagte den Schaden ab. In Abweichung zur klägerischen Forderung stellte die Beklagte einen Restwert des beschädigten Fahrzeuges in Höhe von Euro 2.751,00 anstelle von Euro 1.200,00 ein. In dem gleichen Schreiben teilte die Beklagte mit, dass die Firma … in N bereits sei, das beschädigte Fahrzeug für Euro 2.751,00 zu kaufen. Mit Schreiben vom 7.9.2010 lehnte die Beklagte jegliche weitere Zahlung ab.
Die Klägerin veräußerte ihr verunfalltes Fahrzeug am 24.8.2010 für Euro 1200,00.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin die Differenz zwischen den beiden Restwerten weiter. Sie macht außerdem weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend, nämlich in Höhe der Differenz zwischen dem von ihr zu Grunde gelegten Gegenstandswert von Euro 6094,31 und dem von Beklagtenseite um die Höhe der Klageforderung verminderten Wert.
Die Klägerin meint, sie habe ihr Fahrzeug für Euro 1.200,00 veräußern dürfen. Sie behauptet, das Schreiben der Beklagten vom 10.6.2010 (Anlage K3) habe sie persönlich nicht erhalten. Da die Klägervertreter für ein entsprechendes Restwertangebot nicht empfangsbevollmächtigt gewesen seien, sei der Zugang bei den Klägervertretern nicht ausreichend gewesen.
Die Klägerin beantragt, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Klägerin habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Der Hinweis der Klägervertreter auf die fehlende Vollmacht verstoße gegen Treu und Glauben.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe das Restwertangebot von den Klägervertretern erhalten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Klägerin als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.8.2011.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zu Protokoll gegebenen Erklärungen sowie die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 7, StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG, einen Anspruch auf weiteren Schadenersatz in Höhe von EUR 1.551,-.
Die Klägerin war berechtigt, ihr Fahrzeug zu einem Preis von EUR 1.200,- zu veräußern, so dass dieser Wert auch in die Schadensabrechnung einzustellen ist. Sie muss sich nicht auf das der Beklagten vorliegende Restwertangebot über EUR 2.750,- verweisen lassen.
Es obliegt der Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass die Klägerin das von der Beklagten vorgelegte Restwertangebot hätte annehmen können. Dafür hätte die Klägerin Kenntnis von dem höheren Angebot haben müssen. Der Beklagten ist es nicht gelungen zu beweisen, dass eine solche Kenntnis bestand.
Die Beklagte hat das Angebot mit Schreiben vom 10.06.2010 an die Klägervertreter übermittelt. Dies war jedoch für einen Zugang bei der Klägerin nicht ausreichend. Die Klägervertreter hatten mit Schreiben vom 28.05.2010 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für Restwertangebote keine Empfangsvollmacht bestand. Die Beklagte hatte also Kenntnis davon, dass sie ein etwaiges Angebot der Klägerin direkt hätte übermitteln müssen. Wenn sie dies nicht tut, sondern in Kenntnis der fehlenden Empfangsvollmacht das Angebot an die Klägervertreter übersendet, so hat sie die sich daraus ergebenden Folgen selbst zu tragen.
Die Beklagte hat nicht beweisen können, dass die Klägervertreter das Restwertangebot an die Klägerin weitergeleitet haben. Die Klägerin hat bei ihrer Parteivernehmung eine Kenntnis nicht bestätigen können. Auch aus der später eingereichten Korrespondenz mit ihren Bevollmächtigten ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Übersendung des Schreibens. Dies mag aus Sicht der Beklagten ungewöhnlich und zweifelhaft sein. Es steht jedoch in Übereinstimmung mit dem Hinweis vom 28.05.2011 bzgl. der fehlenden Empfangsvollmacht. Der Beweis des Zugangs ist der Beklagten mithin nicht gelungen.
Eine fehlende Weiterleitung verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben. Zwischen der Klägerin und den Prozessbevollmächtigten war vereinbart, dass eine Empfangsvollmacht für Restwertangebote eben nicht besteht. Mehr als dies der Beklagten von vornherein ausdrücklich mitzuteilen, damit sie sich entsprechend verhalten kann, war nicht geboten. Ignoriert die Beklagte diesen Hinweis, so kann sie nicht auf diese Weise genau das erzwingen, was zwischen Klägerin und Klägervertretern eben nicht vereinbart war.
Die Klägerin hat auch Anspruch auf den Ersatz der weiteren Rechtsanwaltskosten. Da der tatsächliche Schadenersatzanspruch im Vergleich zu der von der Beklagten vorgenommen Abrechnung in Höhe der Klagforderung höher liegt. Bei einem Streitwert von EUR 6.094,31 errechnet sich so eine 1,3-Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer von EUR 603,93. Abzüglich der bereits gezahlten EUR 546,69, die sich bei Zugrundelegung der nächst niedrigeren Gebührenstufe ergeben, verbleiben EUR 57,24.
Der Antrag zu 3) ist unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes ebenfalls begründet.
Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.