AG Frankfurt, Az.: 32 C 532/16 (27), Urteil vom 06.06.2016
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß Rechnung seines Prozessbevollmächtigten Nr. … vom 04.02.2016 in Höhe von 78,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2016 freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte ist als Haftpflichtversicherer dem Kläger gegenüber zum Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 04.12.2015 in … verpflichtet. Der Kläger beauftragte einen Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen Geltendmachung der hieraus resultierenden Schäden auf Gutachtenbasis. Die Beklagte verwies diesen mit Schreiben vom 07.01.2016 auf günstigere Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt und kürzte den Regulierungsbetrag. Aufgrund der Kürzung trat bei den Anwaltskosten ein Gebührensprung ein, sodass statt 492,54 € aus dem ungekürzten Gegenstandswert nur 413,64 € erstattet wurden. Die Differenz ist Gegenstand der Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, die Geschäftsgebühr sei aus dem ungekürzten Gegenstandswert zu erstatten.
Er beantragt, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Geschäftsgebühr sei nur aus dem gekürzten Betrag zu erstatten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten 78,90 € aus §§ 7, 17, 18 StVG, 1 ff. PflVG i.V.m. § 115 VVG und § 249 BGB verlangen.
Es kann offen bleiben, ob die Kürzung der Stundenverrechnungssätze zu Recht erfolgt ist oder nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Kläger der fiktiven Abrechnung zunächst die ungekürzten Stundenverrechnungssätze zugrunde legen. Er muss nicht selbst nach freien Werkstätten suchen, die es billiger richten können. Auf dieser Grundlage kann er dann auch den Anwaltsauftrag erteilen und schuldet dem Anwalt den entsprechenden Gebührenbetrag, den die Gegenseite als adäquat durch den Unfall verursachten Schaden auszugleichen hat. Wie bei den Sachverständigenkosten auch (vgl. OLG München, Beschluss vom 12. März 2015 – 10 U 579/15) sind zweckentsprechende Aufwendungen soweit zu erstatten, als nicht für den Geschädigten im Zeitpunkt ihrer Entstehung erkennbar ist, dass sie ersichtlich überhöht sind. Dies muss erst recht gelten, wenn sich der zu regulierende Schaden nur deshalb nach Erteilung des Anwaltsmandats verringert, weil die Gegenseite eine originär ihr zugewiesene Möglichkeit der (Integritäts-)Schadenverringerung nutzt. Ansonsten bliebe der Geschädigte auf den höheren Aufwendungen sitzen, obwohl er im Zeitpunkt ihres Entstehens berechtigt und ohne Verletzung eigener Schadenermittlungspflichten darauf rechnen konnte, dass sie berechtigt waren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen. Die Rechtsfrage ist – zumindest so wie sie hier entschieden wurde – neu und von großer wirtschaftlicher Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen.