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Verkehrsunfall – Erstattung von Staubentfernungs- und Finishkosten

AG Weiden, Az.: 1 C 318/16, Urteil vom 28.06.2016

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 118,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab 19.01.2016 zu bezahlen.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 9 % und der Kläger 91 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.375,68 € festgesetzt.

Tatbestand

Verkehrsunfall - Erstattung von Staubentfernungs- und Finishkosten
Symbolfoto: Gargantiopa /Bigstock

Mit der Klage werden restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallgeschehen am 30.09.2015, gegen 15.15 Uhr auf dem Parkplatz des Verbrauchermarktes EDEKA in der Neustädter Straße in Weiden geltend gemacht.

Der Kläger ist Eigentümer eines BMW, 3er Cabrio, mit dem amtlichen Kennzeichen …-… … und war zum Unfallzeitpunkt Fahrer dieses Fahrzeugs. Die Beklagte zu 1) war Fahrerin des PKWs, Marke VW, amtliches Kennzeichen …-… … . Sie war zum Unfallzeitpunkt dabei, aus einer Parkbucht auf dem Parkplatz rückwärts auszuparken.

Die Beklagte zu 2) ist die Haftpflichtversicherung dieses Fahrzeugs. Es kam zum Zusammenstoß des vom Kläger geführten Fahrzeugs mit dem PKW der Beklagten zu 1) beim Ausparkvorgang der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) hat mit geringfügigen Abzügen bei den Reparaturkosten 3/4 des Schadens des Klägers erstattet.

Der Kläger trägt vor, der Unfall sei allein von der Beklagten zu 1) verursacht worden. Er sei im Schritttempo an den rechts neben ihn gelegenen Parkbuchten mit seinem Fahrzeug vorbeigefahren. In einer dieser wäre die Beklagte zu 1) mit ihrem PKW gestanden, welche den Rückwärtsgang eingelegt habe und, ohne sich umzudrehen, zurückgefahren sei. Er habe sich, als er dann diesen Rückwärtsfahrvorgang erkennen konnte, schon mit dem Motorraum seines Fahrzeuges auf Höhe des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) befunden und habe noch versucht, instinktiv nach links auszuweichen, was jedoch nicht mehr gelungen sei. Nach der Kollision habe sich die Beklagte auch bei ihm dafür entschuldigt, dass sie ihn nicht gesehen habe. Weiter ist er der Meinung, dass auch die Reinigungskosten sowie die Finisharbeiten und die Kosten für die Hilfeleistung für den Gutachter vorliegend zu erstatten wären. Zur Begutachtung sei der Einsatz einer Hebebühne erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt deshalb:

1. Die Beklagten zu 1. und 2. werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.375,68 € zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab 19.01.2016.

2. Die Beklagten zu 1. und 2. werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 157,80 € zu bezahlen zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, dass sich die Beklagte zu 1) erst nach allen Seiten vergewissert habe, bevor sie mit dem Rückwärtsausparkvorgang begonnen habe. Sie sei zunächst langsam geradeaus rückwärts gefahren und im Begriff gewesen, das Fahrzeug nach links einzuschlagen, als die Kollision passiert sei. Das Fahrzeug sei zu diesem Zeitpunkt bereits 2 Meter ausgeparkt gewesen. Mit Nichtwissen werde die Fahrtrichtung des Klägers bestritten. Bestritten werde auch, dass er mit Schrittgeschwindigkeit gefahren sei und dass sich die Beklagte nicht umgedreht habe. Weiterhin wird behauptet, dass die Reparaturkosten sich nur auf 3.183,96 € belaufen würden. Die vom Kläger beauftragte Werkstatt könne diesem nicht die Kosten für die Hebebühne, die dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werde, in Rechnung stellen. Insoweit sei, was die Schadensbegutachtung betreffe, ein Auftrag an die Werkstatt erteilt worden. Es würde sich hier um eine Vereinbarung zu Lasten des Klägers und zu Gunsten der Werkstatt handeln.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben im Termin vom 28.06.2016 durch die uneidliche Einvernahme des Zeugen … und durch ein unfallanalytisches mündliches Gutachten des Sachverständigen … .

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Umfang begründet. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten lediglich ein Anspruch auf Zahlung weiterer 178,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 19.01.2016 zu.

1. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht der Auffassung, dass die von der Beklagten zu 2) vorgenommene Haftungsverteilung von 1/4 zu 3/4 zu Lasten der Beklagten nach der Vorschrift des § 17 StVG nicht zu beanstanden ist.

Keine der Parteien konnte den Nachweis erbringen, dass das Verkehrsunfallgeschehen für sie unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war.

Unabwendbar ist ein Verkehrsunfall immer dann, wenn dann soweit auch der Idealfahrer die Kollision in der konkreten Situation auch nicht durch äußerste mögliche Sorgfalt hätte vermeiden können.

Nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen … der dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren als kompetenter und sorgfältiger Gutachter bekannt ist, war das Unfallgeschehen für die Beklagte zu 1) auf jeden Fall vermeidbar, wenn sie sich beim Ausparkvorgang langsam und vorsichtig in die Fahrstraße zwischen den Parkbuchten hineingetastet und dabei den Verkehr in dieser Fahrstraße beobachtet hätte. Bei diesem Verhalten wäre für sie der herannahende PKW des Klägers ohne weiteres erkennbar gewesen und sie hätte darauf reagieren und ihren Ausparkvorgang vorzeitig abbrechen können.

Was die Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens für den Kläger anbelangt, konnte der Sachverständige bei seinen Ausführungen sich nicht eindeutig festlegen, ob das Unfallgeschehen vermeidbar oder unvermeidbar gewesen sei. Es komme, so der Sachverständige, entscheidend darauf an, wie man die verschiedenen Parameter setze. Bei der Annahme, dass der Ausparkvorgang der Beklagten zu 1) mit einer Geschwindigkeit von 5 km/h stattgefunden habe unter Annäherung des Klägers mit einer Geschwindigkeit von 7 km/h hätte der Kläger bei entsprechender Reaktion auf das Fahrzeug sein Fahrzeug noch rechtzeitig zum Stillstand bringen können. Ginge man von einer geringeren Fahrgeschwindigkeit des Klägers und einer höheren Ausparkgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) aus, wäre dies nicht mehr der Fall. Falls jedoch der Kläger vor dem Unfallgeschehen mit höherer Geschwindigkeit als Schrittgeschwindigkeit unterwegs gewesen sei, sei das Unfallgeschehen dagegen wieder eher vermeidbar, weil er sich dann bei Beginn des Ausparkvorgangs der Beklagten zu 1) mit seinem Fahrzeug noch in größerer Entfernung befunden habe.

Sowohl der Kläger als auch der vernommene Zeuge, der Sohn des Klägers, …, gaben übereinstimmend an, dass der Kläger mit einer Geschwindigkeit von ca. 15 km/h gefahren wäre, also deutlich über Schrittgeschwindigkeit. Von der Richtigkeit der Angaben des unmittelbar Unfallbeteiligten und seines Sohnes ist das Gericht überzeugt. Dies führt in vorliegendem Fall dazu, dass zum einen keine Unvermeidbarkeit des Unfallgeschehens für den Kläger nachgewiesen ist und dass bei der Haftungsverteilung auch ein leichtes Verschulden auf Seiten des Klägers mitzuberücksichtigen ist. Das massivere Verschulden liegt allerdings auf Seiten der Beklagten zu 1), die der erhöhten Sorgfaltspflicht nach § 9 Abs. 5 StVO beim Rückwärtsfahren nicht gerecht geworden ist. Danach muss sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass beim Rückwärtsfahren keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Zwar ist streitig, ob die Bestimmung des § 9 Abs. 5 StVO auf Parkplätzen unmittelbar Anwendung findet, weil sie grundsätzlich nur den Schutz des fließenden Verkehrs dient, zumindest aber ist die grundsätzliche Wertung dieser Vorschrift auf das Fahrverhalten auf Parkplätzen, hier insbesondere im Bereich von Parkstraßen, übertragbar und auch entsprechend zu berücksichtigen.

Bei der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG überwiegt deshalb das Verschulden der Beklagten deutlich. Andererseits gilt auf Parkplätzen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 1 StVO. Dies bedeutet, dass jeder Verkehrsteilnehmer mit anderen ausparkenden und rangierenden Fahrzeugen in diesem Bereich zu rechnen hat und sich deshalb besonders sorgfältig und defensiv zu verhalten hat. Dies setzt voraus, dass er, um dem Gebot gerecht zu werden, grundsätzlich nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren darf. Da der Kläger nach seinen eigenen Angaben, bestätigt durch die Angaben seines Sohnes, jedoch mit etwa 15 km/h unterwegs gewesen ist, hat er sich nicht derart defensiv verhalten. Dies rechtfertigt es im vorliegenden Fall, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs und sein leichter Verschuldensanteil nicht hinter der Betriebsgefahr und dem erhöhten Verschuldensanteil der Beklagten vollständig zurücktritt. Der Haftungsanteil des Klägers ist vielmehr in Höhe eines Viertels zum Ansatz zu bringen ist.

2. Der Sachverständige hat im Rahmen seines mündlichen Gutachtens auch dargestellt, dass die angesetzten Reinigungs- und Finishkosten vorliegend beim Fahrzeugtyp des Klägers nicht zu beanstanden wären. Bei der Instandsetzung der beschädigten Fahrzeugteile am Fahrzeug des Klägers entstünde Staub und dies würde bei einem Cabrio zu erhöhtem Reinigungskosten und auch zu Finishkosten, insbesondere wegen der Beaufschlagung der Dichtungen im Bereich des Metallklappdaches des Cabrios führen. Das Gericht schließt sich auch in diesem Punkt vollumfänglich den Ausführungen des Sachverständigen an. Die beiden Positionen sind deshalb ebenfalls vollumfänglich zu erstatten.

3. Gleiches gilt aus Sicht des Gerichts für die Kosten für die Hilfeleistung durch Stellung der Hebebühne für den Schadensgutachter, wenn diese auch nicht den Reparaturkosten zugerechnet werden können. Der Sachverständige … hat dargestellt, dass derartige Hilfestellungen durchaus üblich seien und auch entsprechend kostenmäßig in Ansatz gebracht werden, auch wenn es sich hierbei um Kosten der Schadensfeststellung und nicht um Reparaturkosten handeln würde. Vorliegend ist es jedoch so, dass der Kläger diese Kosten auch zu 3/4, nachdem sie vom Schadensgutachter an ihn weitergereicht wurden, von den Beklagten ersetzt verlangen könnte. Aus Sicht des Gerichts macht es deshalb keinen Unterschied, ob diese Kosten von der Werkstatt zunächst dem Sachverständigen in Rechnung gestellt werden und dann vom Sachverständigen über den Kläger an die Beklagten weitergegeben werden oder ob diese Kosten von vorneherein dem Kläger in Rechnung gestellt werden und dann von diesem an die Beklagten neben den Reparaturkosten weitergegeben werden.

4. Die Reparaturkosten belaufen sich damit insgesamt auf die geltend gemachte Summe von 3.342,23 €. Davon haben die Beklagten als Gesamtschuldner 3/4, das heißt 2.506,67 € zu erstatten. Bezahlt wurden bisher auf die Reparaturkosten ein Betrag in Höhe von 2.387,97 €‚ sodass sich noch ein restlicher Zahlungsbetrag in Höhe von 118,70 € ergibt. Dieser Betrag ist unstreitig seit 19.01.2016 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß den §§ 286, 288 BGB zu verzinsen.

Die weiteren Schadenspositionen des Klägers wurden jeweils schon zu 3/4 von Seiten der Beklagten reguliert.

5. Soweit der Kläger weitergehende Ansprüche geltend gemacht hat und auch noch außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 157,80 € nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit begehrt hat, war die Klage dagegen abzuweisen. Der gesamte Schaden, den der Kläger berechtigterweise gegenüber den Beklagten geltend machen durfte, beläuft sich unter Berücksichtigung der vom Gericht vorgenommenen Haftungsverteilung auf unter 4.000,00 €‚ so dass die vorgerichtlichen Anwaltskosten auch vollumfänglich erstattet worden sind.

6. Das Gericht sah keine Notwendigkeit, der Klägervertreterin Schriftsatzfrist zur Stellungnahme zum mündlichen Gutachten des Sachverständigen einzuräumen. Die Klägervertreterin hatte im Termin in Anwesenheit ihres Mandaten Gelegenheit, zum mündlichen Gutachten Stellung zu nehmen, sie konnte auch ausreichend Fragen an den Sachverständigen stellen. Aus dem vom Sachverständigen erstatteten Gutachten ging eindeutig hervor, dass eine Unvermeidbarkeit des Unfallgeschehens für den Kläger aus unfallanalytischer Sicht nicht feststellbar war. Es kam deshalb lediglich auf die rechtliche Bewertung des Unfallgeschehens, auf die Frage der Haftungsverteilung an, Dazu hatte die Klägerseite bereits im schriftlichen Vorverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den Vorschriften der §§ 91, 92 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich jeweils aus den Vorschriften der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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