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Verkehrsunfall – Anscheinsbeweis bei einem Auffahrunfall

OLG Köln, Az.: 19 U 155/16, Beschluss vom 09.02.2017

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 3.11.2016 (12 O 133/15) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Verkehrsunfall - Anscheinsbeweis bei einem Auffahrunfall
Symbolfoto: tommaso79/Bigstock

Die zulässige Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG i.V.m. §§ 426 BGB, 115 VVG oder einem anderen Rechtsgrund. Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden. Das Berufungsvorbringen führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anscheinsbeweis für eine alleinige Verursachung des Unfalls vom 14.11.2014 durch den Kläger spricht, den er nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht zu erschüttern vermocht hat.

Der Unfall hat sich unstreitig ereignet, als die unfallbeteiligten Fahrzeuge bereits längere Zeit hintereinander herfuhren.

In einer solchen Konstellation spricht nach einhelliger Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende den Unfall allein verursacht hat und für die Unfallfolgen allein haftet (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.1.2007 – VI ZR 248/05, in: NJW-RR 2007, 680 f. m.w.N.), weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass ein Auffahren im gleichgerichteten Verkehr typischerweise auf mangelnde Aufmerksamkeit (§ 1 StVO), überhöhte Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 Satz 4 StVO) oder einen ungenügenden Sicherheitsabstand des Auffahrenden (§ 4 Abs. 1 StVO) zurückzuführen ist (vgl. auch Helle, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, § 4 StVO Rn 41 f. m.w.N.). Dieser Anscheinsbeweis kann nach allgemeinen Grundsätzen nur durch bewiesene Tatsachen entkräftet werden, indem ein atypischer Verlauf, der die Verschuldensfrage in einem anderen Lichte erscheinen lässt, von dem Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird (BGH a.a.O.). Die Darlegung der bloßen Möglichkeit eines atypischen Verlaufs reicht dafür nicht aus.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme kein atypisches Geschehen, das zur Nichtanwendbarkeit des gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweises führen würde, ergeben, selbst wenn nach Auffassung des Klägers aufgrund der Bekundungen der Zeugin U und der Feststellungen des Sachverständigen Q davon auszugehen ist, dass der Beklagte zu 1) vor der Kollision ohne verkehrsbedingten Anlass – mehr oder minder stark – gebremst hat.

Entgegen dem vom Kläger verfochtenen Standpunkt reicht selbst eine starke Bremsung des Vorausfahrenden nicht aus, um den Anscheinsbeweis auszuschließen, weil auch ein plötzliches scharfes Bremsen des Vorausfahrenden grundsätzlich einkalkuliert werden muss (BGH a.a.O. m.w.N.). Denn sowohl die Einhaltung des Sicherheitsabstands als auch die sonstigen Sorgfaltsanforderungen an den Hinterherfahrenden dienen dazu, ein rechtzeitiges Anhalten bei einem Abbremsen des Vordermanns zu ermöglichen, auch wenn dies ohne – für den Hintermann erkennbaren – Anlass erfolgt.

Mehr als eine starke Bremsung, mit der der Kläger nach dem Vorstehenden rechnen und auf das er seine Fahrweise einrichten musste, hat die erstinstanzliche Beweisaufnahme nicht ergeben. Die Zeugin U hat das Unfallgeschehen nicht beobachtet, sondern ist erst durch die damit verbundene Geräuschentwicklung auf die unfallbeteiligten Fahrzeuge aufmerksam geworden (sog. Knallzeugin). Selbst wenn sie unmittelbar im Anschluss daran im Unfallbereich keine Umstände wahrgenommen hat, die nachvollziehbarer Anlass für ein Bremsmanöver des Beklagten zu 1) gewesen sein können, ergeben sich daraus keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte für ein absichtliches „Ausbremsen“ oder einen mehr als „normal“ starken Bremsvorgang. Dass die Beweisaufnahme kein absichtliches Bremsmanöver des Beklagten zu 1) mit Schädigungsabsicht ergeben hat, räumt der Kläger ein und kann auch nicht aus dem anschließenden von der Zeugin U geschilderten Benehmen des Beklagten zu 1) geschlussfolgert werden, das ungeachtet seiner Kritikwürdigkeit keine hinreichend zuverlässige Beurteilung des Fahrverhaltens vor dem Unfall erlaubt, sondern abgesehen von der mangelnden Fähigkeit oder Bereitschaft zur Impulskontrolle auch mit den Meinungsverschiedenheiten zusammenhängen konnte, die beide Fahrer nach dem vorangegangenen Überholmanöver des Beklagten zu 1) anscheinend meinten, im öffentlichen Straßenraum austragen zu müssen, und die u.a. in Unmutsäußerungen des Klägers ihren Ausdruck gefunden hatten. Der Kläger wendet sich auch nicht dagegen, dass eine sog. Vollbremsung des Beklagten durch die Feststellungen des Sachverständigen Q ebenfalls nicht bestätigt wurde. Danach ließ sich aus den Unfallschäden, insbesondere wegen deren Höhendifferenz, lediglich ein Geschwindigkeitsunterschied der an dem Unfall beteiligten Fahrzeuge von ca. 20 km/h ermitteln, was indes mangels zuverlässiger Anhaltspunkte für die Ausgangsgeschwindigkeit/en keine Rückschlüsse auf die Intensität des Bremsvorgangs des Beklagten zu 1) zulässt.

Danach kann nicht von einer derart starken Bremsung des Beklagten zu 1) ausgegangen werden, dass deswegen der grundsätzlich gegen den Kläger sprechende Anscheinsbeweis nicht eingreifen würde. Das Beweisergebnis ist deshalb auch und erst recht nicht geeignet, diesen Anscheinsbeweis zu widerlegen.

Ansonsten erhebt der Kläger keine Einwände gegen die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen werden kann.

Auf die dem Rechtsmittelführer bei förmlicher Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO verloren gehende Möglichkeit einer Kosten sparenden Rücknahme (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG) wird vorsorglich hingewiesen.

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