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Unfallversicherung – Kausalität zwischen Unfall und Operation

LG Bielefeld – Az.: 18 O 284/16 – Urteil vom 17.09.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht wegen eines Ereignisses im Jahre 2013 Invaliditätsansprüche aus einer zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung geltend.

Die Versicherung wurde am 14.07.2013 unter der Versicherungsnummer „xxx“ zwischen den Parteien mit einer Versicherungssumme von 100.000 EUR abgeschlossen Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein in der Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 10.02.2017 (Bl. 41f. d.A.) Bezug genommen. Dem Vertrag liegen die AUB 2008 zugrunde. In diesen sind unter Ziffer 2.1 die Voraussetzungen der Invaliditätsleistung geregelt. Nach Ziffer 2.1.1.1 liegt ein Anspruch auf die Versicherungsleistung vor, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist (Invalidität). Eine Beeinträchtigung ist dann dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Dazu muss die Invalidität – in Verbindung mit den besonderen Bedingungen „UN 1470“ der Beklagten – innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten und spätestens nach einer Frist von 21 Monaten nach dem Unfall schriftlich durch einen Arzt festgestellt sein. Nach Ziffer 5.2.3 AUB 2008 besteht jedoch für Gesundheitsschäden kein Schutz, welche durch Heilmaßnahmen oder Eingriffe am Körper der versicherten Person entstanden sind, es sei denn, die Heilmaßnahmen oder Eingriffe wurden durch einen unter diesen Vertrag fallenden Unfall veranlasst. Als progressive Invaliditätsstaffel gilt nach Ziffer 2.1 AUB 2008 i.V.m. den „UN 4154“ eine Progressionsstaffel bis 540%. Für weitere Einzelheiten des Vertrages wird auf die AUB 2008 und die „Besonderen Bedingungen zur Unfallversicherung“, ebenfalls eingereicht in der Anlage B 1 (Bl. 43ff. d.A), Bezug genommen.

Streitig ist, ob der Kläger am 12.11.2013 bei der Arbeit einen Unfall erlitt, bei dem er mit dem Hinterkopf gegen eine Wand stieß.

Am 12.11.2013 wurde der Kläger jedenfalls unstreitig mit einem Kribbeln in den Gliedmaßen im M.-Krankenhaus in C. vorstellig. Er gab an, dass sich bei der Arbeit ein zu richtendes Rundrohr aus dem Schraubstock gelöst habe, wodurch er nach hinten das Gleichgewicht verloren habe und mit dem Hinterkopf gegen die Wand gefallen sei. Daraufhin seien bei ihm sofort Lähmungserscheinungen in den Armen und Beinen aufgetreten, die noch am gleichen Tag wieder bis auf eine Kribbelparästhesie in den Fingerendgliedern links und den gesamten Finger rechts, rückläufig gewesen seien. Der Hergang dieser Symptome ist zwischen den Parteien im Einzelnen ebenfalls streitig.

Nach Aufnahme des von ihm geschilderten Unfalles im Krankenhaus in C. wurde ein MRT der Halswirbelsäule angeordnet. Dadurch kam es zur Diagnose eines Tumors am Halswirbel mit ossärer Beteiligung speziell der Wirbelkörper HWK 4/5. Der Kläger wurde umgehend zur weiteren Diagnostik und Therapie in das F. Krankenhaus in D. weiter verwiesen. Ergänzend zur Diagnostik wurde daraufhin dort ein CT der HWS veranlasst, das eine knöcherne Destruktion der HWK 4 und 5 sowie der angrenzenden Wirbelbögen linksseits zeigte.

Am 14.11.2013 wurde der Kläger zum ersten Mal operiert. Es bestand postoperativ eine Bizeps- und Deltoideusparese links. Der histopathologische Befund ergab die Diagnose eines Schwannoms WHO I°. Am 22.11.2013 erfolgte die 2. Operation.

Unter der Physiotherapie kam es im stationären Verlauf zu keiner Besserung der Bizpes- und Deltoideusparese. Wegen der Einzelheiten wird auf den Arztbrief des F. Krankenhaus in D. vom 11.12.2013, eingereicht als Anlage K7 zum klägerischen Schriftsatz vom 21.04.2017 (Bl. 68ff. d.A.) Bezug genommen. Am 23.12.2013 fertigte der Kläger eine Schadensmeldung an die Beklagte an, in der er den gleichen Unfallhergang beschrieb, wie zuvor im Krankenhaus. In dem Formular der Beklagten war ein Hinweis für den Versicherungnehmer abgedruckt, dass eine ärztliche Feststellung über Dauerschäden innerhalb von 21 Monaten nach den Unfall einzureichen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schadensmeldung in der Anlage B 2 zur Klageerwiderung Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 08.01.2014 lehnte die Beklagte mangels Vorliegen eines Unfalls die Leistung an den Kläger ab.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers veranlasste am 22.04.2018, dass ein Fragebogen über die Behandlung des Klägers im F. Krankenhaus in D. eingereicht wurde, welcher dort handschriftlich ausgefüllt und mit „Dr. T. (Facharzt für Neurochirurgie)“ unterschrieben wurde. Darin wurde auf die Frage Nr. 2, ob eine dauerhafte Beeinträchtigung des Patienten aufgrund des Vorfalles vorläge, geantwortet: „Inwiefern die Beeinträchtigung auf den Unfall zurückzuführen ist bleibt unklar. Hauptsächlich ist jedoch der Tumor verantwortlich. Die Beeinträchtigung des Patienten ist als dauerhaft zu betrachten.“. Auf die Frage Nr. 3, ob die Beeinträchtigungen des Patienten (den Arm betreffen, Bizeps- und Deltoideusparese) auf den Unfall zurückzuführen seien, wurde geantwortet: „Die Beeinträchtigungen sind hauptsächlich auf den Tumor zurückzuführen.“. Auf die Frage Nr. 4, ob der Tumor mitkausal für die Beeinträchtigungen war, wenn ja zu welchem Prozentsatz, wurde geantwortet: „Ja. Eine %-Einschätzung ist nicht möglich, es ist jedoch davon auszugehen, dass der Tumor den größten Teil der Beeinträchtigung hervorgerufen hat.“. Auf die Frage Nr. 5 bezüglich des Umfangs, in welchem die betroffenen Gliedmaßen durch die Unfallfolge in ihrer Gebrauchs- bzw. Funktionsfähigkeit gemindert sei, wurde dann zuletzt geantwortet: „Obere Extremität links zu 60%.“. Für weitere Einzelheiten wird auf den handschriftlich ausgefüllten Fragebogen, eingereicht als Anlage K 8 zum Schriftsatz des Klägers vom 21.04.2017 (Bl. 71f. d.A.), verwiesen.

Mit Schreiben vom 15.07.2015 machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Anspruch gegen die Beklagte auf Invaliditätsleistung geltend, welcher von der Beklagten mit Schreiben vom 16.07.2015, wieder mit der Begründung eines fehlenden Unfalls, abgelehnt wurde.

Der Kläger behauptet, dass er am 12.11.2013 bei der Arbeit bei der Richtung eines Rundrohres, welches sich dabei plötzlich aus dem Schraubstock gelöst habe, das Gleichgewicht nach hinten verloren habe und dadurch mit dem Hinterkopf gegen die Wand gefallen sei. Danach seien Lähmungserscheinungen in seinen Armen und Beinen aufgetreten, welche zunächst auf eine Kribbelparästhesie in den Endgliedern aller Finger zurückgegangen seien.

Er behauptet, dass die nach den Operationen noch vorhandene Bizpes- und Deltoideusparese im linken Arm auf den Sturz zurückzuführen sei. Die Lähmungen seien durch die unfallbedingte Operation entstanden.

Er ist weiterhin der Ansicht, dass er mit dem ausgefüllten Fragebogen, unterschrieben mit „Dr. T. (Facharzt für Neurologie)“, eine fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität vorgelegt habe.

Er ist darüber hinaus der Ansicht, dass eine Berufung seitens der Beklagten auf etwaige Mängel des Fragebogens rechtsmissbräuchlich sei. Die Beklagte habe einerseits den Kläger bezüglich der Anforderung der ärztlichen Feststellung nicht ausreichend belehrt und habe andererseits eine weitere notwendige Belehrung, wegen der nach ihrer Auffassung vorliegenden Mängel, nicht vorgenommen.

Zudem behauptet der Kläger, dass bei ihm ein Grad der Invalidität in Höhe von 6/10 Armwert und damit unter Zugrundelegung der „UN 4824“ ein Grad von 48 % vorliege. Zudem fielen durch die bleibende Beeinträchtigung der Halswirbelsäule weitere 10 % außerhalb der Gliedertaxe an. Insgesamt bestehe bei ihm ein Invaliditätsgrad von 58 %.

Der Kläger beantragt daher, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 154.500,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet einen Unfall des Klägers. Sie bestreitet außerdem, dass die Lähmung der Nerven auf einen Sturz zurückzuführen sei und trägt stattdessen vor, dass die Lähmung auf dem bei dem Kläger diagnostizierten Halswirbeltumor beruhe.

Sie ist der Ansicht, dass das Schreiben vom 22.08.2014 mit der handschriftlich ausgefüllten Bestätigung zu der Erkrankung des Klägers formell und materiell nicht einer ärztlichen Feststellung entspreche. Sie ist der Ansicht, das Schreiben erfülle nicht das Schriftlichkeitsgebot durch einen Arzt. Zudem sei es inhaltlich nicht ausreichend, da es keine eindeutige Aussage über die Kausalität des behaupteten Unfalls und der Gesundheitsschädigung treffe.

Weiterhin ist die Beklagte der Ansicht, dass der Tumor als ein Mitwirkungsfaktor in Höhe von 100% bei den auftretenden Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sei.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch schriftliche Zeugenvernehmung des Dr. med. M. T. und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. U. O. nebst mündlicher Ergänzung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Schreiben vom 02.01.2018 (Bl. 31 d.A.), das Gutachten vom 15.05.2018 und die Sitzungsniederschrift vom 17.09.2018 (Bl. 177 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Invaliditätsleistung aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. §§ 179 Abs. 1 S. 1, 180 1 VVG i. V. m. Ziffer 2.1. der AUB 2008 und „UN 4170“ in Höhe von 154.500,00 EUR.

Nach Ziffer 2.1.1.1 AUB 2008 ist ein Anspruch auf Invaliditätsleistung nur gegeben, wenn ein Unfall einen Gesundheitsschaden verursacht und dieser Gesundheitsschaden eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit verursacht hat. Zudem muss i.V.m. den „UN 4170“ eine dadurch verursachte unfallbedingte Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall geltend gemacht werden und eine schriftliche ärztliche Feststellung der Invalidität innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall erfolgen.

Ob der Kläger am 12.11.2013 einen Unfall in der von ihm beschriebenen Form erlitten hat, kann dahinstehen, weil sich jedenfalls nicht zur Überzeugung der Kammer feststellen lässt, dass solch ein Unfall zu einer Gesundheitsschädigung und einer dauernden Invalidität geführt hat.

Zunächst reicht entgegen der Ansicht der Beklagten der durch den Zeugen Dr. T. ausgefüllte Fragebogen sowohl materiell als auch formell für eine ärztliche Feststellung i.S.v. Ziffer 2.1.1.1 S. 3 AUB 2008 aus. Einer „ärztlichen Feststellung“ i.S.d. AUB 2008 muss zu entnehmen sein, dass der diagnostizierte Dauerschaden unfallbedingt ist, wobei eine Mitursächlichkeit genügt (Leverenz in: Bruck/ Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, AUB 2008 Ziff. 2.1 Rn. 105). Der Zeuge bestätigt insbesondere mit den Antworten auf die Fragen Nr. 2, 3 und 4. zumindest eine ausreichende Mitursächlichkeit des von dem Kläger behaupteten Sturzes für eine durch die Lähmung erzeugte dauerhafte Beeinträchtigung, auch wenn diese nur als gering einzuschätzen sein dürfte. Das ist ein logischer Umkehrschluss aus den Erklärungen des Zeugen Dr. T., denn er antwortet auf die Fragen Nr. 2 und 3, ob es dauerhafte Beeinträchtigungen auf Grund des Unfall gebe damit, dass die Beeinträchtigungen „hauptsächlich“ auf den Tumor zurückzuführen seien. Auf die Richtigkeit der „ärztlichen Feststellung“ kommt es nicht an (Leverenz in: Bruck/Möller, a.a.O. Rn. 108). Die Kammer ist nach der schriftlichen Aussage des Zeugen Dr. T. auch davon überzeugt, dass er selber die Fragen beantwortet hat und die Feststellung damit durch einen Arzt getroffen wurde. Seine eigenhändige Ausfüllung des Fragebogens ist für eine Schriftlichkeit i.S.v. Ziffer 2.1.1.1 S. 3 AUB 2008 ausreichend. Im Hinblick auf die frühere Rechtsprechung zu der Notwendigkeit einer solchen Schriftlichkeit bei den Vorgängerklauseln ohne solch ein Schriftlichkeitsgebot, vgl. AUB 1961/1988/1994, ist für die nun angeordnete „Schriftlichkeit“ in den AUB 2008 die Fixierung bereits in Textform (§ 126b BGB) durch irgendeinen Arzt genügend (Leverenz in: Bruck/ Möller, a.a.O. Rn. 85, 113). Denn die Fixierung soll nur dem Versicherungsgeber als Beweis der Feststellung dienen (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 20.8.2003 , Az. 20 U 18/03, Rn. 53 – zit. n. Juris).

Es kann auch dahinstehen, ob die vom Kläger geschilderte empfundene Kribbelparästhesie in den Fingerendgliedern links und rechts bei der Aufnahme in die Klinik als ausreichend für eine unfallbedingte Gesundheitsschädigung erachtet werden kann und ob er einen zwischen ihr und dem geschilderten Unfall bestehenden Ursachenzusammenhang (haftungsbegründende Kausalität) nach § 286 ZPO bewiesen hat. Denn jedenfalls scheitert es nach Auffassung der Kammer bei Zugrundelegung des geschilderten Unfalls an dessen Ursächlichkeit für eine dauerhafte Invalidität. Dem Kläger ist nicht der Beweis gemäß § 287 ZPO gelungen, dass eine bei ihm später aufgetretene Bizpes- und Deltoideusparese im linken Arm mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch einen Sturz mit dem Hinterkopf gegen die Wand – und eine dadurch auftretende Parästhesie bzw. entsprechende Gesundheitsschädigung – ausgelöst worden ist.

Die Kammer folgt den überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. O., welcher zu dem Ergebnis kommt, dass der geschilderte Unfall des Klägers vom 12.11.2013 zu keiner dauerhaften Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit geführt hat. Der Sachverständige kommt nachvollziehbar zu der Schlussfolgerung, dass, ausgehend von dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung über einen Unfall, nach welchem er mit dem Hinterkopf gegen die Wand gestürzt sei, die Bizpes- und Deltoideusparese im linken Arm nicht dessen Folgen sei, sondern stattdessen operative bzw. postoperative Folgen der späteren Entfernung des Halswirbeltumors seien. Denn im neurologischen Aufnahmebefund des Klägers aus dem F. Krankenhaus in D. sei ein weitestgehend unauffälliger neurologischer Befund dargestellt. Paresen/Lähmungen der Extremitäten seien ausgeschlossen worden. Es habe beim Kläger nur eine kribbelnde Missempfindung in den Endgliedern aller Finger beider Hände bestanden. Zunächst aufgetretene Lähmungen in Armen und Beinen direkt nach dem Sturz seien nach Angaben des Klägers selbst nach einiger Zeit wieder zurückgegangen und er konnte schon wieder Aufstehen und Laufen.

Der Grund für die Verlegung in das F. Krankenhaus in D. sei der Befund in einem nach Aufnahme des Unfalls angeordneten MRT der Halswirbelsäule gewesen, welches einen ausgedehnten Tumor gezeigt habe. Dieser habe das Rückenmark nach rechts verdrängt, den Halswirbelkörper 4 und 5 nicht unerheblich geschädigt und auch den Nervenverlauf der Nervenwurzel C4 und C5 ebenfalls verdrängt. Zudem habe sich der Tumor weit in die lateralen Halsweichteile links verdrängend wachsend vorgeschoben. Traumafolgen seien bei der durchgeführten Bildgebung hingegen nicht ersichtlich gewesen.

Wegen dieser Gesamtsituation bezüglich des Tumors, der sich als Zufallsbefund durch das angeordnete MRT für die Halswirbelsäule nach dem geschilderten Unfall ergeben habe, sei neurochirurgischerseits eine OP-Indikation gesehen worden. Erst nach der Operation habe sich die ausgedehnte Schwäche im Bereich des körpernahen Armes links manifestiert, wegen derer der Kläger anschließend seinen Anspruch geltend machte. Da diese Schwäche hochgradig gewesen sei und sich bis heute nicht wesentlich gebessert habe, sei es in diesem Bereich auch zum Verschmächtigen und zur Rückbildung der Muskulatur gekommen, was gerade nicht ungewöhnlich sei, da eine akute und plötzliche operationsbedingte Dekompression bei Struktur und Dehnung der nervalen Struktur zu einem Funktionsverlust führen könne.

In Rahmen seiner mündlichen Erläuterung gab der Sachverständiger zudem an, dass eine Beeinträchtigung der Nerven speziell an den Halswirbeln 5 und 6, wie sie nach der Entfernung des großen Tumors in Bereich der Halswirbel beim Kläger eintrat, nicht ungewöhnlich sei, denn bei Operationen zur Entfernung solcher Tumore käme es häufig vor, dass die Nervenwurzeln der Umgebung, schwerpunktmäßig gerade die an den Halswirbeln 5 und 6, beeinträchtigt würden.

Nach Überzeugung des Sachverständigen aber blieb, auch unter Einbeziehung der Angaben des Klägers über kurzeitige Lähmungen in Armen und Beinen nach dem Sturz und deren Rückbildung auf ein kribbelnde Missempfindung in den Endgliedern aller Finger beider Hände, der Unfall an sich folgenlos. Selbst wenn durch den Druck des Tumors die nervalen Strukturen überempfindlich gewesen sein könnten, so dass ein plötzliches Aufpralltrauma, ausgelöst durch den geschilderten Sturz gegen die Wand, zu einer Erschütterung des Rückenmarkes (Commotio spinalis) geführt haben könnte, welche die kurzzeitige Lähmung von Arm und Bein erkläre, so führe diese nur zu einem vorübergehenden Funktionsverlust nervaler Strukturen ohne eine organische Zerstörung oder Beeinträchtigung dieser Strukturen.

Der Unfall begründet insofern nach Auffassung der Kammer auch keine kausale Ursache für die Invalidität, bzw. der darin wurzelnden neuralen Schädigung der Nerven im linken Arm, als der Kläger meint, die sie auslösende Operation sei als „durch den Unfall veranlasst“ i.S.v. Ziffer 5.2.3 S. 2 AUB 2008 anzusehen. Denn der vom Kläger geschilderte Sturz hat nicht die Operation zur Entfernung des Tumors als Heilmaßnahme „veranlasst“. Der Begriff „veranlasst“ ist, im Wege einer systematischen Auslegung zu den anderen Voraussetzungen der Invalidität in Ziffer 2.1 AUB 2008, als eine adäquate Kausalität zu verstehen, welche auch für den Zusammenhang zwischen Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung bzw. zwischen Unfallereignis und der Invalidität gefordert wird (vgl. Leverenz in: Bruck/ Möller, a.a.O. § 180, Rn. 54). Zwar muss danach der Versicherungsnehmer nur eine Mitursächlichkeit des Unfallereignisses an der Unfallfolge beweisen, jedoch ist diese dennoch von dem Fall zu unterscheiden, dass ein zweites Ereignis den Kausalzusammenhang vollständig unterbricht (vgl. Leverenz in: Bruck/ Möller, VVG, a.a.O. § 180, Rn. 31). Ergibt sich im Rahmen einer wertenden Betrachtung, dass sich im Zeitpunkt des zweiten Geschehens nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht, dieses Risiko schon gänzlich abgeklungen war und daher zwischen den beiden Ereignissen nur zufälliger Zusammenhang bestand, so ist keine Kausalität gegeben (vgl. Leverenz, in: Bruck/ Möller, VVG, Bd. 9, 9. Aufl. 2010, § 180 Rn. 31).

Der Sachverständige kam wie oben ausgeführt zu dem überzeugenden Ergebnis, dass der vom Kläger geschilderte Unfall vom 12.11.2013 zu keiner dauerhaften Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit geführt hat. Zwar wurde der Halswirbeltumor bei dem auf Grund des geschilderten Unfalles angeordneten MRT der Halswirbel als „Zufallsbefund“ entdeckt, doch durchbricht der Tumor als kausaler Faktor die Kausalität des Unfall im Hinblick auf die Operation, denn mit der Operation realisiert sich nur noch eine dem Tumor innewohnende Gefahr. Nur wegen des Befundes des Halswirbeltumors wurde neurochirurgischerseits eben diese Art Operation, eine Operation zu Entfernung des vorgenannten Tumors, indiziert.

Bezüglich des Mitverursachungsbeitrags durch den Sturz bleibt es dabei, dass sie nur den Anlass für die Einleitung des MRT gegeben hat, denn selbst unter Annahme einer durch den Sturz ausgelösten Commotio spinalis, konnte diese darüber hinaus, mangels durch sie bei der damaligen Untersuchung der Halswirbelsäule festzustellender Traumafolgen, keinen weiteren Anlass für einen Eingriff an dieser Region – erst Recht nicht mit dem Ziel einer Tumorentfernung – geben.

II.

Mangels Hauptanspruchs entfällt auch ein Anspruch auf Zinsen aus § 286 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1,2 ZPO.

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