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Parkplatzunfall – Alleinhaftung wegen Verstoßes gegen die Rückschaupflicht

LG Itzehoe – Az.: 4 O 214/10 – Urteil vom 27.05.2011

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.789,52 € zuzüglich Zinsen in Hohe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. August 2010 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weitere Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 07. Juni 2010 auf der Straße … in … S mit einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen.

3. Die Beklagten werden weiter verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei … in Höhe von 546,69 € durch Zahlung freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Parkplatzunfall - Alleinhaftung wegen Verstoßes gegen die Rückschaupflicht
Symbolfoto: Von tommaso79/Shutterstock.com

Der Kläger macht nach einem Verkehrsunfall gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend.

Der Kläger war im Jahre 2010 Eigentümer und Halter des PKW Ford mit dem amtlichen Kennzeichen … Die Beklagte zu 1. war zu jener Zeit Halterin des PKW Toyota mit dem amtlichen Kennzeichen …, deren Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2. war.

Am 07. Juni 2010 befuhr der Kläger in Begleitung der beiden Zeuginnen V. und T. J. gegen 10.30 Uhr die Straße … in … S. . Diese Straße endet als Sackgasse in einem Wendehammer mit mehreren parallel zueinander angeordneten Parkplätzen. Unstreitig stand das Fahrzeug der Beklagten zu 1. auf dem aus Sicht des Klägers äußeren linken Parkplatz, während der direkt rechts daneben gelegene Parkplatz frei war. Diesen freien Parkplatz steuerte der Kläger an, es kam jedoch kurz vor dem Parkplatz zu einer Kollision mit dem von der Beklagten zu 1. geführten Fahrzeug, wobei die Ursache für den Zusammenstoß zwischen den Parteien streitig ist.

Unstreitig wurde das Fahrzeug des Klägers durch das Fahrzeug der Beklagten zu 1. hinten links beschädigt. Zu dem Unfallort gerufene Polizeibeamten lehnten eine Aufnahme des Unfallereignisses ab mit der Begründung, dass niemand verletzt worden sei. Unstreitig rief die Beklagte zu 1. nach der Kollision per Mobiltelefon Hilfe herbei, so dass weitere verschiedene Personen am Unfallort erschienen. Ob einige dieser Personen, insbesondere die Zeugen D. und W. , schon zuvor vor Ort gewesen sein könnten, ist wiederum zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger ließ sein Fahrzeug durch das Kfz-Sachverständigen-Büro … in … begutachten. Dessen Schadengutachten vom 08.06.2010 ergab einen Gesamtbetrag für die Reparaturkosten von 4.586,29 € netto und eine Wertminderung von 500,00 €. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schadensgutachtens wird auf die Anlage K 1 (Bl. 9-21 d.A.) verwiesen.

Aufforderungsschreiben und Mahnschreiben der Klägervertreter, zuletzt mit Fristsetzung zum 20,08.2010 (Anlage K 3, Bl. 24 f. d.A.) blieben unbeachtet.

Der Kläger trägt vor, er habe direkt vor dem einzigen freien Parkplatz am Ende der Distelkoppel angehalten um dort seine Begleiterinnen vor dem Einparken bequem aussteigen zu lassen; plötzlich sei die Beklagte zu 1. schwungvoll mit eingeschlagenem Lenkrad rückwärts aus ihrem Parkplatz heraus und gegen die hintere linke Ecke des stehenden klägerischen Fahrzeuges gefahren.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 5.803,52 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 13. August 2010 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche weiteren Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 07. Juni 2010 auf der Straße … in … S. mit einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen;

3. die Beklagten zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei … in Höhe von 546,69 € durch Zahlung freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, die Beklagte zu 1. habe nach erfolgter Rückschau ihr Fahrzeug zunächst langsam zurück gefahren, ehe sie das Lenkrad eingeschlagen habe;

als sie dann das Lenkrad eingeschlagen habe, habe der Kläger versucht noch schnell auf den freien Parkplatz zu gelangen und sei in schneller Fahrweise an ihr vorbeigefahren und habe so den Zusammenstoß der Fahrzeuge verursacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und die dort beigefügten Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W. und T. J., D. und … W. .Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 19.04.2011 (Bl. 65 – 71 d.A.).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und zum ganz überwiegenden Teil begründet.

Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten ergibt sich einerseits aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 5 StVO bzw. aus den §§ 7, 18 StVG und andererseits aus § 115 VVG.

Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der streitgegenständliche Zusammenstoß der Fahrzeuge der Parteien am 07.06.2010 am Ende der … in S. auf dem alleinige Verschulden der Beklagten zu 1. beruht, die unter Verstoß gegen ihre Rückschaupflicht aus § 9 Abs. 5 StVO unvermittelt schräg rückwärts aus ihrem Parkplatz heraus gefahren und mit dem Fahrzeug des dort bereits stehenden Pkws des Klägers zusammengestoßen ist.

Die beiden Zeuginnen T. und W. J. haben diese Schilderung des Hergangs übereinstimmend, widerspruchsfrei und jeweils mit individuellen Details glaubhaft bestätigt.

Allein der Umstand, dass es sich bei diesen Zeuginnen um die Ehefrau und die Schwägerin des Klägers handelt, rechtfertigt es im Hinblick auf den überzeugenden Inhalt ihrer Aussagen nicht, ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen.

So erscheint es dem Gericht als in jeder Hinsicht nachvollziehbar, dass der Kläger kurz vor dem Parkplatz anhalten wollte, um seine Begleiterinnen und hierbei insbesondere die Zeugin T. J. , die gerade erst aus dem Krankenhaus abgeholt worden war und in ihre in der Distelkoppel belegene Wohnung heimkehren wollte, komfortabler aussteigen zu lassen als dies bei dem Hineinfahren in die freie Parkbucht möglich gewesen wäre. Für die Annahme, dass die Beklagte zu 1. in dieser Situation, nämlich dem schräg hinter ihr stehenden Pkw des Klägers, nicht die erforderliche Sorgfalt bei Erfüllung ihrer Rückschaupflicht hat walten lassen, spricht der Beweis des ersten Anscheins.

Durch die Angaben der Zeugen D. und W. ist weder ein gegenteiliger Sachverhalt bewiesen noch der Beweis des ersten Anscheins erschüttert worden. Denn die Angaben dieser Zeugen waren in auffälliger Weise widersprüchlich und so detailarm, dass das Gericht nicht einmal zu der Überzeugung gelangen konnte, dass diese beiden Zeugen überhaupt zum Unfallzeitpunkt vor Ort waren und eigene Wahrnehmungen als Zeugen geschildert haben. So vermochte keiner dieser beiden Zeugen überhaupt einen plausiblen Grund für ihre zufällige Anwesenheit in der … anzugeben. Es kommt hinzu, dass der Zeuge D. , ein Bruder der Beklagten zu 1., angab, er sei in Begleitung des Zeugen W. gewesen, während dieser erklärte, er sei allein mit seinem Fahrrad zufällig am Ende der … gewesen. Ein Grund, als ein zufällig vor Ort Anwesender auf ein Ein- bzw. Ausparkmanöver am Straßenende zu achten, ist letztlich ebenso wenig ersichtlich, wie die Angabe des Zeugen W… zutreffen kann, er habe von seinem Standort aus (vergl. Anlage zum Protokoll vom 19.04.2011) den Rückfahr-Scheinwerfer des Fahrzeuges der Beklagten zu 1. klar erkennen können. Hinzu tritt, dass dieser Zeuge, welcher Beobachter der gesamten Situation gewesen sein will, unsicher war in Bezug auf die Anzahl der Personen, die aus dem klägerischen Fahrzeug ausgestiegen sind.

Das Gericht geht nach alledem davon aus, dass tatsächlich, wie es auch die Zeuginnen J… geschildert haben, keine weiteren Personen zum Unfallzeitpunkt vor Ort waren und der Bruder der Beklagten zu 1. und weitere Personen erst auf das Telefonat der Beklagten zu 1. hin einige Minuten nach dem Unfall mit einem Lieferwägen erschienen, um der Beklagten zu 1. Unterstützung zukommen zu lassen.

Ein irgendwie geartetes Mitverschulden des Klägers im Sinne des § 17 Abs. 1 StVG, dass zu seiner Mithaftung bzw. einer Quotierung der Schäden führen könnte, ist nicht ersichtlich. Insofern kann dahin gestellt bleiben, ob es sich aus Sicht des Klägers nicht sogar um ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG handelt.

Der Kläger kann nach alledem 100 % des durch das Unfallereignis vom 07.06.2010 verursachten Schadens ersetzbar verlangen. An dem Pkw ist nach dem von dem Kläger eingereichten Schadensgutachten ein Schaden in Höhe von insgesamt 4.586,29 € netto entstanden. Auch eine von dem Sachverständigen bescheinigte Wertminderung des klägerischen Fahrzeuges in Höhe von 500,00 € ist im vollem Umfange berücksichtigungsfähig. Ein Abzug „neu für alt“ für die Lackierung bei einem erst 2 Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von knapp 21.000 km kommt nicht in Betracht. Die Kosten des Gutachtenauftrags in Höhe von 678,23 € sind als Rechtsverfolgungskosten ebenfalls in vollem Umfang erstattungsfähig. Bei der allgemeinen Kostenpauschale bleibt es bei einer Erstattungsfähigkeit in Höhe von maximal 25,00 €. Insgesamt ergibt sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers in der tenorierten Höhe.

Dem Kläger steht auch die begehrte Feststellung zu, da er eine Reparatur des Fahrzeugs durchführen zu lassen beabsichtigt mit der Folge, dass er hierdurch einen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer gegen die Beklagten aus § 249 Abs.2 Satz 2 BGB erwirbt.

Der Kläger kann auch verlangen, von den nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten als Teil seiner Rechtsverfolgungskosten freigestellt zu werden, indem die Beklagten diese Kosten direkt an den Klägervertreter entrichten.

Die dem Kläger zuzusprechende Zinsforderung ergibt sich aus den §§ 288, 286 BGB. Verzug der Beklagten ist allerdings nach dem letzten klägerischen Mahnschreiben vom 13.08.2010 erst zum 21.08.2010 eingetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Bei dem Teil der klageweise geltend gemachten Forderungen, wegen dem die Klage im übrigen abzuweisen war, handelt es sich um eine geringfügige Zuvielforderung, die keine Kosten verursacht hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

 

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