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Verkehrsunfall – Wann sind UPE-Aufschläge üblich?

Fiktive Abrechnung rechtfertigt UPE-Aufschläge

In einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen wurde über die Frage entschieden, ob ein Unfallgeschädigter UPE-Aufschläge und Verbringungskosten auch dann vom Schädiger verlangen kann, wenn er den Schaden fiktiv abrechnet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: Az.: 18 C 208/14   >>>

Das Wichtigste in Kürze


UPE-Aufschläge können bei fiktiver Schadensabrechnung verlangt werden, wenn sie regional üblich sind.

  • Verkehrsunfall zwischen Kläger und Beklagten in Bad Oeynhausen
  • Klägerin verlangt neben Sachschaden auch UPE-Aufschläge
  • Beklagte wehren sich dagegen, da fiktive Abrechnung
  • Gericht entscheidet: UPE-Aufschläge bei fiktiver Abrechnung erstattungsfähig, wenn regional üblich
  • Üblich, wenn mind. 75% der Werkstätten diese verlangen
  • Im Raum Bad Oeynhausen bei allen VW-Werkstätten üblich
  • Klägerin bekommt Recht, aber nur 2/3 Schaden wegen Mithaftung
  • Insgesamt Schaden von über 3.100 Euro, Klage aber nur teilweise berechtigt
  • Grundsatz: Bei Unfall Haftung nach Gefährdung der Fahrzeuge abwägen
  • Urteil zeigt: Bei fiktiver Abrechnung regionale Üblichkeit entscheidend

Der Hintergrund: Im Januar 2014 kam es im Einmündungsbereich zwischen dem Aldi-Parkplatz und der Straße „Am Hohen Kamp“ in Bad Oeynhausen zu einem Verkehrsunfall zwischen den Fahrzeugen der Klägerin und des Beklagten. Der Schaden am Fahrzeug der Klägerin belief sich auf über 2.200 Euro. Zusätzlich verlangte die Klägerin vom Unfallverursacher die Erstattung von Verbringungskosten und UPE-Aufschlägen.

Dagegen wehrten sich die Beklagten mit dem Argument, diese Kosten könnten bei einer fiktiven Schadensabrechnung nicht geltend gemacht werden. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass solche Aufschläge für Ersatzteile und Verbringungskosten im Raum Bad Oeynhausen bei Markenwerkstätten üblich seien und daher auch im Falle einer fiktiven Abrechnung verlangt werden können.

UPE-Aufschläge bei 75% der Werkstätten üblich

Das Gericht gab der Klägerin in diesem Punkt Recht. Es stellte fest, dass UPE-Aufschläge und Verbringungskosten in der Region dann verlangt werden können, wenn sie in mindestens 75% der an die Fahrzeugmarke gebundenen Werkstätten anfallen. Dies war bei VW-Werkstätten in Bad Oeynhausen der Fall.

Insgesamt belief sich nach Ansicht des Gerichts der Schaden auf über 3.100 Euro. Hiervon musste der Beklagte aufgrund einer Mithaftung der Klägerin aber nur 2/3 übernehmen. Die Beklagten wurden daher zur Zahlung von 127,17 Euro nebst Zinsen und zur Übernahme der Anwaltskosten verurteilt.

Entscheidend ist die Regionale Üblichkeit

Das Urteil zeigt, dass Geschädigte auch bei einer fiktiven Schadensabrechnung die regional üblichen Kosten wie UPE-Aufschläge und Verbringungskosten vom Unfallverursacher verlangen können. Entscheidend ist dabei, ob diese in der Mehrheit der an die Fahrzeugmarke gebundenen Werkstätten in der jeweiligen Region anfallen.

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Was sind UPE Aufschläge – kurz erklärt


UPE-Aufschläge sind Preisaufschläge auf die unverbindlich empfohlenen Preise (UPE) für Ersatzteile. Sie sind in der Branche üblich und kommen beispielsweise aufgrund des konkreten Beschaffungsaufwands oder der Lagerhaltung zustande. In der Regel liegt der Ersatzteilaufschlag zwischen 10 Prozent und 30 Prozent des Ersatzteilpreises. Es handelt sich hierbei um einen pauschalen Prozentsatz, der auf alle Ersatzteile gleich angewandt wird und bei der Rechnungsstellung prozentual auf den Nettowert des Ersatzteils aufgeschlagen wird. UPE-Preisaufschläge werden in einer regional als üblich anzusehenden Höhe durch die Fachwerkstatt erhoben.


§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:


  • [Verkehrsrecht]: In diesem Fall geht es um einen Verkehrsunfall und die Frage der Schadensregulierung. Das Verkehrsrecht regelt die Haftung bei Unfällen im Straßenverkehr.
  • [Schadensersatzrecht]: Der Geschädigte verlangt Ersatz für seine Unfallschäden. Das Schadensersatzrecht regelt, wann und in welcher Höhe Schäden ersetzt werden müssen.
  • [Vertragsrecht]: Zwischen Geschädigtem und Versicherung besteht ein Versicherungsvertrag. Für die Abwicklung gilt Vertragsrecht.
  • [Prozessrecht]: Der Rechtsstreit wird nach den Regeln des Prozessrechts vor Gericht ausgetragen.


Das vorliegende Urteil

AG Bad Oeynhausen – Az.: 18 C 208/14 – Urteil vom 27.11.2014

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 127,17 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2014.

2. Die Beklagten werden außerdem als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von Anwaltskosten in Höhe von 72,90 EUR gegenüber den Rechtsanwälten … freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 90 % und die Beklagten tragen 10 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt gegen ihn vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Ursache eines Verkehrsunfalls und über die Frage, ob der Schädiger Verbringungskosten und UPE-Aufschläge erstatten muss, wenn der Geschädigte fiktiv abrechnet.

(Verbringungskosten sind die Kosten, die anfallen, wenn das Fahrzeug von der Werkstatt zu einer Lackiererei gebracht wird. UPE-Aufschläge sind die Aufschläge auf die unverbindliche Preisempfehlung des Ersatzteilherstellers, die anfallen, wenn eine Werkstatt Ersatzteile auf Vorrat hält.)

Am 27.01.2014 ereignete sich …. an der Einmündung des Aldi-Parkplatzes ein Verkehrsunfall, an dem folgende Fahrzeuge beteiligt waren:

1. Klägerfahrzeug:

roter VW-Transporter

Eigentümerin und Fahrerin: die Klägerin

2. Beklagtenfahrzeug:

Halter und Fahrer: Beklagter zu 1.

Versicherung: Beklagte zu 2.

Das Klägerfahrzeug fuhr stadtauswärts auf der … Richtung Osten. Aus Sicht des Klägerfahrzeugs mündete von rechts die Ausfahrt des Aldi-Parkplatzes auf die …. Aus dieser Ausfahrt kam das Beklagtenfahrzeug.

An der Einmündung kollidierten die beiden Fahrzeuge.

Durch den Unfall entstand an dem Klägerfahrzeug ein Sachschaden, der größtenteils – nämlich in Höhe von 2.227,60 EUR – unstreitig ist. Außerdem entstanden der Klägerin Sachverständigenkosten von 519,20 EUR, ein Nutzungsausfall von 152,00 EUR und eine allgemeine Kostenpauschale.

Wenn man zu den 2.227,60 EUR die Verbringungskosten und die UPE-Aufschläge hinzurechnet, kommt man auf einen Betrag von 2.423,35 EUR.

In der Region um Bad Oeynhausen nehmen alle VW-Markenwerkstätten UPE-Aufschläge und Verbringungskosten.

Auf die Schäden der Klägerin zahlten die Beklagten insgesamt 1.949,20 EUR. Auf die Rechtsanwaltskosten zahlten die Beklagten insgesamt 261,85 EUR.

Die Klägerin meint, die Beklagten hafteten zu 100 % für die Unfallschäden. Auch bei einer fiktiven Abrechnung könnten Verbringungskosten und UPE-Aufschläge geltend gemacht werden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.177,35 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2014.

Die Beklagten als Gesamtschuldner außerdem zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen in Höhe von 157,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2014, hilfsweise die Klägerin von Anwaltskosten in vorgenannter Höhe gegenüber den …. ….. freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, das Klägerfahrzeug habe nach rechts geblinkt, als es sich der Aldi-Einfahrt näherte.

Sie meinen, deshalb nur für 2/3 der Schäden zu haften, die durch den Unfall entstanden sind. Außerdem meinen die Beklagten, die Klägerin könne Verbringungskosten und UPE-Aufschläge nicht bei einer fiktiven Abrechnung geltend machen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … (Ergebnis der Beweisaufnahme: Protokoll der Verhandlung vom 27.11.2014, Bl. 94 f. d. A.).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur in einem geringen Umfang begründet: Die Klägerin kann von den Beklagten verlangen, 2/3 ihres Unfallschadens zu ersetzen (hierzu 2.). Der Unfallschaden beträgt insgesamt 3.114,55 EUR (hierzu 3.). 2/3 hiervon sind 2.076,37 EUR. Hierauf haben die Beklagten bereits 1.949,20 EUR gezahlt.

1. Unfallhergang und Beweiswürdigung

Das Gericht geht davon aus, dass das Klägerfahrzeug nach rechts blinkte, als es sich der Aldi-Einfahrt näherte. Dies steht wegen der Aussage des Zeugen … fest. Diese Aussage ist belastbar, denn das Gericht ist sich sicher, dass der Zeuge sich korrekt erinnert und wahrheitsgemäß ausgesagt hat. Er konnte sehr überzeugend schildern, wie er an der Ampel stand und geradeaus auf die Stelle schaute, wo die Aldi-Einfahrt auf die …. trifft. Dass seine Aussage erlebnisfundiert war, ergibt sich insbesondere aus seiner Erinnerung, dass er sich wunderte, warum das Klägerfahrzeug so schnell auf die Einfahrt zufuhr, obwohl es rechts blinkte.

2. Haftungsverteilung

Aus diesen Feststellungen ergibt sich folgende rechtliche Bewertung:

Beide Seiten haften für die Schäden, die aus dem Unfall entstanden sind. Beide Fahrzeuge haben nämlich das jeweils andere Fahrzeug beschädigt und keine Seite hat beweisen können, dass der Unfall für ihren Fahrer unabwendbar war (§§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG).

Weil beide Seiten haften, richtet sich die Haftungsverteilung nach den Umständen dieses Unfalls. Hierbei ist entscheidend, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Fahrzeug verursacht worden ist. Dies stellt das Gericht fest, indem es die Verursachungsanteile der beiden Fahrzeuge abwägt. Hierbei muss es alle Umstände berücksichtigen, welche die Gefährlichkeit des jeweiligen Fahrzeugs erhöht haben. Dies sind vor allem objektive Umstände (z. B. ob eines der Fahrzeuge ein gefährliches Fahrmanöver durchgeführt und so die Gefahr erhöht hat, dass es zu einem Unfall kommt; oder welches Fahrzeug schwerer oder schneller war und dadurch die Folgen der Kollision verschlimmert hat). Weniger wichtig ist die Frage, ob einer der Fahrer schuldhaft gehandelt hat; dies ist nur ein zusätzlicher Umstand, den das Gericht bei der Abwägung berücksichtigt.

Den Verursachungsanteil des Klägerfahrzeugs erhöht der Umstand, dass es nach rechts geblinkt hat, obwohl es nicht nach rechts auf den Aldi-Parkplatz abbiegen wollte.

Den Verursachungsanteil des Beklagtenfahrzeugs erhöht der Umstand, dass es aus einer Einfahrt herausfuhr und so die Vorfahrt des Klägerfahrzeugs verletzt hat.

Das Gericht hat diese Umstände abgewogen und ist zu der Auffassung gelangt, dass der Verursachungsanteil des Beklagtenfahrzeuges den Verursachungsanteil des Klägerfahrzeugs deutlich übersteigt. Hierbei orientiert sich das Gericht an der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 11.03.2013 (Az. 9 U 169/02). Danach haftet bei einer Kollision im Einmündungsbereich zwischen einem Pkw, der eine Vorfahrtstraße in Fahrbahnmitte mit eingeschaltetem rechtem Blinker geradeaus weiter befährt, und einem von rechts kommenden Kfz, dessen Fahrer auf ein Abbiegen des Pkw vertraut hat, der blinkende Pkw zu 33 % und das andere Kfz zu 67 %.

3. Unfallschaden

Das Gericht schätzt die Schadenshöhe gemäß § 287 ZPO auf insgesamt 3.114,55 EUR. Hiervon entfallen 519,20 EUR auf die Sachverständigenkosten, 152,00 EUR auf den Nutzungsausfallschaden, 20,00 EUR auf die allgemeine Kostenpauschale und 2.423,35 EUR auf den Sachschaden am Fahrzeug.

Der Sachschaden beträgt 2.423,35 EUR, weil die Klägerin auch bei einer fiktiven Abrechnung Verbringungskosten und UPE-Aufschläge geltend machen kann.

Diese Kosten können bei einer fiktiven Abrechnung dann geltend gemacht werden, wenn sie regional üblich sind (OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2012, 9 U 5/12, Rn. 22). Die Region Bad Oeynhausen besteht aus dem Amtsgerichtsbezirk Bad Oeynhausen (Städte Bad Oeynhausen, Löhne und Vlotho) sowie den umliegenden Städten Minden, Bünde und Herford. Üblich sind diese Kosten dann, wenn sie in mindestens 75 % aller Werkstätten der Region Bad Oeynhausen, die an die Fahrzeugmarke des Geschädigten gebunden sind, anfallen.

Unstreitig fallen sowohl UPE-Aufschläge als auch Verbringungskosten bei allen VW-Werkstätten in der Region Bad Oeynhausen an.

4. Rechtsanwaltskosten

Die Beklagten müssen die Klägerin noch von Kosten in Höhe von 72,90 EUR freistellen, denn bei einem Streitwert von 2.076,37 EUR betragen die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren 334,75 EUR und die Beklagten haben hierauf bislang nur 261,85 EUR gezahlt.

5. Nebenentscheidungen und Streitwertbeschluss

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.177,35 EUR festgesetzt.

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