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Verkehrsunfall an Ampelkreuzung mit Grünpfeil

Grünpfeil-Unfall an der Ampelkreuzung: Welche Verpflichtungen bestehen bei gemeinschaftlicher Schuld?

Im Fokus dieses Rechtsstreits steht ein Verkehrsunfall, der an einer Ampelkreuzung mit Grünpfeil stattfand. Die Auswirkungen dieses Zwischenfalls ziehen sich über materielle und immaterielle Schäden, die durch das tragische Ereignis entstanden sind. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der komplexen Frage der Haftung und wie diese zwischen den Beteiligten aufgeteilt wird. Zudem bietet der Fall eine tiefgründige Betrachtung der Nuancen des deutschen Rechtssystems und wie sich dieses auf spezifische Sachverhalte wie diesen anwenden lässt.

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Haftungsverteilung im Urteil

Die rechtlichen Konsequenzen dieses Unfalls wurden vom Oberlandesgericht (OLG) Bamberg im Urteil vom 20.07.2021 unter dem Az: 5 U 428/20 ausführlich diskutiert und festgelegt. Eine zentrale Feststellung in dem Urteil war, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin zwei Drittel aller materiellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Berücksichtigung des Mitverursachungsanteils

Darüber hinaus müssen die Beklagten auch alle immateriellen Schäden, die durch den Verkehrsunfall verursacht wurden, unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteils der Klägerin in Höhe von einem Drittel ersetzen. Dies bedeutet, dass die Klägerin als teilweise mitschuldig am Unfall angesehen wird und daher einen Teil der Verantwortung trägt.

Kosten des Rechtsstreits

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils betrifft die Kosten des Rechtsstreits. In der ersten Instanz müssen die Klägerin ein Drittel und die Beklagten als Gesamtschuldner zwei Drittel der Kosten tragen. In der zweiten Instanz ändert sich diese Verteilung geringfügig: Hier tragen die Klägerin 4/9 und die Beklagten als Gesamtschuldner 5/9 der Kosten.

Schlussfolgerung des OLG Bamberg

Das Urteil des OLG Bamberg ist vorläufig vollstreckbar und die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen. Diese abschließende Entscheidung unterstreicht die gründliche und umfassende Abwägung der Beweise und Argumente, die während des gesamten Rechtsstreits vorgebracht wurden.


Das vorliegende Urteil

OLG Bamberg – Az.: 5 U 428/20 – Urteil vom 20.07.2021

I. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 30.10.2020, Az. 14 O 305/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2017 in X. zu 2/3 zu ersetzen, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte kraft gesetzlichen Forderungsübergangs übergegangen sind.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2017 in X. unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteils der Klägerin in Höhe von 1/3 zu ersetzen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehenden Berufungen der Klägerin und der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen die Klägerin 1/3, die Beklagten als Gesamtschuldner 2/3. Von den Kosten des Rechtsstreits 2. Instanz tragen die Klägerin 4/9, die Beklagten als Gesamtschuldner 5/9.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Verkehrsunfall an Ampelkreuzung mit Grünpfeil
(Symbolfoto: candy18/123RF.COM)

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen, da weder die Revision gegen das Urteil zulässig ist, noch gemäß § 544 ZPO dagegen die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist zum Teil begründet.

1. Die Klage ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig.

a) Die Klägerin verfügt über das nötige Feststellungsinteresse. Das Feststellungsinteresse besteht, wenn dem subjektiven Recht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagten es ernstlich bestreiten und wenn das erstrebte Urteil in Folge seiner Rechtskraft geeignet ist, dieser Gefahr zu begegnen (vgl. BGHZ 69, 144 = NJW 1977, 1881 Rn. 11). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagten bestreiten ihre Verpflichtung, für den entstandenen Schaden einzustehen. Ein Anerkenntnis haben sie nicht abgegeben. Nach ihrer Auffassung sind sie nicht zur Leistung weiteren Schadensersatzes verpflichtet. Sie haben sowohl das Entstehen eines weiteren Schadens bestritten als auch die Möglichkeit, dass sich aus der Verletzung der Klägerin weitere nachteilige Folgen ergeben. Dann aber ist ein entsprechendes Feststellungsurteil geeignet, nicht nur die Verpflichtung zur Leistung des Schadensersatzes festzulegen, sondern auch, eine zu erwartende Einrede der Verjährung zu verhindern, die ohne entsprechendes Urteil durchgreifen würde.

b) Die Klägerin ist auch nicht zur Erhebung einer Leistungsklage verpflichtet. Denn die Klägerin ist bei einer nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung nicht verpflichtet, alle bereits feststehenden Einzelansprüche mit der Leistungsklage geltend zu machen (vgl. BGH, NJW-RR 1986, 1026 Rn. 13). Im Streitfall ist die Schadensentwicklung nicht abgeschlossen, da die Klägerin Dauerschäden substantiiert behauptet hat. Das einfache Bestreiten der Beklagten ist insoweit unbeachtlich, § 138 Abs. 3 ZPO.

2. Die Klägerin kann von den Beklagten jedoch nur Ersatz von 2/3 des ihr entstandenen Schadens verlangen, da ihr ein Mitverursachungsanteil in Höhe von mindestens 1/3 an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalles und der dabei hervorgerufenen Folgen anzulasten ist.

a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach die Fußgängerampel zum Zeitpunkt der Kollision für die Klägerin Grünlicht zeigte, während sie für den Beklagten zu 1) Rotlicht bei einem vorhandenen Grünpfeil zeigte, ist nicht zu beanstanden:

aa) Das Berufungsgericht ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Zweifel im Sinne der Regelung in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 03.06.2014 – VI ZR 394/13, NJW 2014, 2797 Tz. 10 m. w. N.).

bb) Unter Zugrundelegung des vorgenannten Maßstabs hat der Senat keine Zweifel im vorbezeichneten Sinne. Vielmehr hält er die landgerichtlichen Feststellungen für zutreffend und nimmt insoweit auf die Begründung des Erstgerichts Bezug.

b) Ausgehend von diesen Feststellungen ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

Die Klägerin kann von dem Beklagten zu 1) gem. § 7 Abs.1 StVG und der Beklagten zu 2) i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG nur 2/3 des ihr entstandenen Schadens ersetzt verlangen.

aa) Die Klägerin wurde bei dem Betrieb des Pkw des Beklagten zu 1) an Körper und Gesundheit verletzt.

bb) Die Klägerin kann von den Beklagten jedoch nur Ersatz von 2/3 des ihr entstandenen Schadens gemäß § 9 StVG i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB verlangen, da ihr ein Mitverursachungsanteil in Höhe von mindestens 1/3 an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalles und der dabei hervorgerufenen Folgen anzulasten ist.

§ 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da an dem Unfall keine zwei Kraftfahrzeuge beteiligt waren. Nach § 9 StVG kommt daher § 254 Abs. 1 BGB zur Anwendung, da der Beklagte zu 1) nach § 7 Abs. 1 StVG (Gefährdungshaftung) haftet. In die Abwägung nach § 9 StVG i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB sind alle unstreitigen oder erwiesenen Faktoren einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (vgl. BGH NJW 14, 217; 07, 506; 00, 3069; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 9 StVG Rdnr. 7). Bei der Abwägung nach § 9 StVG ist auch die von dem beteiligten Kraftfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Diese kann durch das Vorliegen besonderer Umstände, die sich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt haben, erhöht sein, was bei der Schadensteilung zu berücksichtigen ist (vgl. BGH NJW 00, 3069). Die Gefährdungshaftung kann im Rahmen der Abwägung nach § 9 StVG i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB entfallen, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten darstellt (vgl. BGH NJW 14, 217; OLG Celle NZV 16, 522; OLG Hamm, Urt. v. 16.02.2016, 26 U 105/15, jeweils m.w.N.). Die Abwägung nach § 9 StVG i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB setzt stets die Feststellung eines haftungsbegründenden Tatbestandes auf der Seite des Geschädigten voraus. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sein (vgl. BGH NJW 14, 217; 13, 2018 jeweils m.w.N.). Grundsätzlich hat dabei derjenige, der aus einer ihm günstigen Norm Rechte herleitete, das Vorliegen von deren tatsächlichen Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH NJW-RR 14, 217; BGH VersR 12, 865). Für die Abwägung der Verursachungsbeiträge im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist nur das Verhalten des Beteiligten maßgebend, das sich erwiesenermaßen als Gefahrenmoment in dem Unfall ursächlich niedergeschlagen hat (vgl. BGH NJW 14 Nr. 217 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich folgende Abwägung:

(1) Zu Lasten der Klägerin ist ihr Verkehrsverstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 StVO und § 2 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Sie hätte als Radfahrerin nicht über die Fußgängerfurt fahren dürfen. Sie hätte absteigen und schieben und als Fußgängerin die Furt begehen oder als Radfahrerin die gegenüberliegende rechte Fahrbahnseite benutzen müssen.

(2) Zu Lasten des Beklagten zu 1) ist dessen Verstoß gegen § 37 Abs. 1 Satz 2 Nummer 8 StVO und die hierdurch stark erhöhte Betriebsgefahr des von ihm geführten Fahrzeugs zu berücksichtigen.

(3) Die Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungsanteile an dem Unfall ergibt, dass der Klägerin ein Anteil von 1/3 an dem Zustandekommen des Unfalls anzulasten ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Fahrzeugführer beim Abbiegen mit Grünpfeil sich so verhalten muss, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Gefordert ist eine über die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 StVO hinausgehende äußerste Sorgfalt, die der Beklagte zu 1) nicht eingehalten hat. Zudem ist die hierdurch stark erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite war die Fahrweise der Klägerin in besonderem Maße gefahrenträchtig, weil sie wegen der erheblich höheren Geschwindigkeit im Vergleich zu Fußgängern, die zum Überqueren ansetzen, für den Kraftfahrer überraschend auftauchen und dessen Reaktionsvermögen überfordern konnte. Genau dieses Risiko hat sich im vorliegenden Fall verwirklicht, da der Beklagte zu 1) zu spät auf die Klägerin aufmerksam geworden ist.

III.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet.

1. Soweit das Landgericht einen Haftungsausschluss der Beklagten für auf Sozialversicherungsträger und auf Drittleister in der Vergangenheit übergegangener Ansprüche tenoriert hat, ist die Berufung der Klägerin erfolglos, weil sie hierdurch keinen Nachteil erleidet. Hinsichtlich der Sozialversicherungsträger vollzieht sich der Forderungsübergang im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses, sofern ein Sozialversicherungsverhältnis besteht und eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers nicht völlig unwahrscheinlich ist. Daraus folgt, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ohnehin nicht aktiv legitimiert ist. Hinsichtlich auf sonstige Drittleister bereits in der Vergangenheit übergegangener Ansprüche ist die Klägerin ebenfalls nicht aktiv legitimiert. Dies – deklaratorisch – auszusprechen benachteiligt die Klägerin nicht.

2. Hinsichtlich erst in Zukunft auf sonstige Dritte übergehender Ansprüche ist die Klägerin dagegen aktiv legitimiert. Insoweit macht die Klägerin eigene Schadensersatzansprüche geltend, für die sie über das nötige Feststellungsinteresse verfügt. Es besteht kein Grund, diese Ansprüche von der Haftung der Beklagten auszunehmen. Zudem trifft den Versicherungsnehmer nach § 86 Abs. 2 VVG eine Obliegenheit zur Wahrung des Ersatzanspruchs.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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